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Der Einfluss Ovids auf den Tragiker Seneca PDF

248 Pages·1988·19.834 MB·German
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Rainer Jakobi Der Einfluß Ovids auf den Tragiker Seneca w DE G Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein Band 28 Walter de Gruyter • Berlin • New York 1988 Der Einfluß Ovids auf den Tragiker Seneca von Rainer Jakobi Walter de Gruyter • Berlin • New York 1988 Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH 7, neutral) CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Jakobi, Rainer: Der Einfluß Ovids auf den Tragiker Seneca / von Rainer Jakobi. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 28) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1986 ISBN 3-11-011264-7 NE: GT © 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne aus- drückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin 61 Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die erweiterte Fassung einer Dissertation, die im Sommersemester 1986 von der Philosophischen Fakultät der Rheini- schen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommen worden ist. Verbunden bin ich der „Stiftung Volkswagenwerk" für ein Stipendium im Rahmen des Programms „Institutsgebundene Nachwuchsförderung", durch das mir auch ein mehrmonatiger Aufenthalt an den Universitäten Oxford, London und Cambridge ermöglicht wurde, ferner der „VG Wort" für die großzügige Unterstützung des Druckes. Mein Dank gilt den Herausgebern der Reihe „Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte", ganz besonders jedoch meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Otto Zwierlein, der diese Arbeit angeregt und ihre Abfassung stets mit persönlichem Zuspruch und Rat begleitet hat. Bonn, im Oktober R.Jakobi Inhaltsverzeichnis Vorwort V Einleitung 1 Hercules 5 Troades 18 Phoenissae 42 Medea 46 Phaedra 63 Oedipus 90 Agamemnon 140 Thyestes 152 Hercules Oetaeus 168 Anhang: Weitere Ovid-Imitationen im HO 189 Die Imitationstechnik Senecas 202 Literaturverzeichnis 209 Register 215 Einleitung Anders1 als der modernen, spätestens seit der Romantik vorherrschen- den Anschauung2 zeigt sich für die antike Dichtungstheorie Originalität nicht in der stofflichen (und sprachlichen) Neufindung, sondern in der Umformung und wetteifernden Neugestaltung fremden Materials. Als wichtiger Teil der ars^, die erst in Verbindung mit dem ingenium künstlerisches Schaffen ermöglichte, war die imitatio in Poetik wie auch Rhetorik fest eingebunden. Gerade den Rhetorenschulen ist ein kaum zu 1 Die folgenden einführenden Bemerkungen zum antiken Imitationsbegriff erheben keinen Anspruch auf Originalität. Sie sind vor allem W. Kroll 139 ff. und der vorzüglichen Erörterung Russells verpflichtet. Vgl. daneben auch Stemplinger, Hosius und G. Pasquali, Arte allusiva, Italia che scrive 25, 1942, 185 — 187 (= Stravaganze quarte e supreme, Venezia 1951, 11-20 = Pagine stravaganti II, Firenze 1968, 275-282); weiteres findet sich gesammelt bei Knauer 38 Anm. 5. An neuerer Literatur sei noch verwiesen auf Keudel 21 ff.; D. Güntzschel, Beiträge zur Datierung des Culex (Orbis Antiquus 27), Münster 1972, 43 ff.; R. Herzog, Die Bibelepik der lateinischen Spätantike. Formge- schichte einer erbaulichen Gattung (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste 37), I München 1975, 185 ff.; Le classicisme à Rome aux 1ers siècles avant et après J.-C. (Entretiens sur l'antiquité classique 25), Genève 1979 und G. Williams, Technique and Ideas in the Aeneid, New Haven-London 1983, 82 ff. [Vgl. jetzt Cl. Zintzen, Das Zusammenwirken von Rezeption und Originalität am Beispiel römischer Autoren, in: Zum Problem der Rezeption in den Geisteswissenschaften (AAWM 1986, 7), Stuttgart 1987, 15-36], 2 Vgl. H. Asbeck, Das Problem der literarischen Abhängigkeit und der Begriff des Epigonalen, Diss. Bonn 1978. — Daß einflußreiche Humanistenpoetiken wie die des J. C. Sealinger (Poetices libri Septem, Lyon 1561) oder vor allem des G.J.Vossius (De imitatione cum oratoria tum praeeipue poetica, Amsterdam 1647) unter antikem Einfluß stehen, verwundert nicht. Aber auch der von seinen Zeitgenossen als Originalgenie gefeierte Goethe warnt ganz horazisch vor eigenen Erfindungen und rät zu schon bearbeiteten Gegenständen: „Wie oft ist nicht die Iphigenie gemacht, und doch sind alle verschieden; denn jeder sieht und stellt die Sachen anders, eben nach seiner Weise" (Gespräch mit Eckermann am 18.9.1823). 3 Quint. 10,2,1 ncque enim dubitari potest quin artis magna pars contineatur imitatione. Vgl. z. B. auch 3,5,1 und Cic. de orat. 2, 89 ff. Bisweilen wird die imitatio auch wie die exercitatio der ars beigeordnet, wie z. B. ad Her. 1,3. Wer, wie jetzt G. B. Conte in seinem „The Rhetoric of Imitation" betitelten Buch, in einer Umwertung der Begriffe die imitatio nicht als Teil der Rhetorik auffaßt, sondern von einer eigenen Rhetorik der imitatio ausgeht und auf dieser Basis antike Werke zu interpretieren sucht, der mißt diese Werke mit ihnen fremden Maßstäben modernistischer Intertextualitätstheorien. Demgegenüber bekennt sich der Verfasser dieser Zeilen aus- drücklich zum vielgeschmähten und angeblich überholten historischen Ansatz. 2 Einleitung überschätzender Einfluß auf Wesen und Bedeutung der Nachahmung zuzuschreiben4. Gefordert wurde in der Ausbildung das unablässige Stu- dium der als vorbildlich geltenden Autoren5. Beim Akt der Nachahmung galt es gewisse Prinzipien zu beachten6: Nicht beliebige, sondern nur die besten Autoren waren heranzuziehen. Vermieden werden sollte sklavische, allzu wörtliche Übernahme, angestrebt hingegen war die agonal variierende7 aemulatio8. Entscheidend für das Gelingen der Mimesis war die Integration des Übernommenen in den neuen Zusammenhang. Es versteht sich von selbst, daß der antike Autor auf einen Leser zielte, der sein geistreiches Spiel mit den Vorbildern zu erkennen vermochte: Jeglicher Versuch einer aemulatio wäre ja wirkungslos, würde diese nicht vom Publikum erkannt und in ihrer Qualität gewürdigt werden können9. Stellvertretend stehe das bekannte Diktum Ovids, er habe viele Verse Vergils aufgegriffen non subripiendi causa, sed palam mutuandi, hoc animo, ut vellet agnosci (Sen. suas. 3,7)10. Gewiß ist bei einer ohne Nahtstellen in den Kontext eingewobenen Imitation das vordergründige Verstehen auch ohne Kenntnis eines be- stimmten Vorbildes gewährleistet, ein volles Verständnis der Dichtung ist 4 Neben Stemplinger 103 ff., Kroll 146 ff. und dessen Artikel „Rhetorik" (35), RE Suppl. 7, 1940, 1113-15 ist jetzt Leeman-Pinkster-Nelson zu Cic. de orat. 2,89 ff. (S. 284 ff.) heranzuziehen. 5 Bekannt ist das Zeugnis des älteren Seneca über Ovid als Hörer des Rhetors Arellius Fuscus und des Latro: adeo autem studiose Latronem audiit ut multas illius sententias in versus suos transtulerit (contr. 2,2,8). Daß dies nicht erst für die Zeit Ovids galt, hat z. B. für Catull A. L. Wheeler, Catullus and the Tradition of Ancient Poetry, Berkeley 1934, 111 ff. aufgezeigt. 6 Vgl. Russell 16. 7 Den in diesem Zusammenhang in neueren Arbeiten gebrauchten Begriff „Dissimulation" (oder „dissimulierende Retusche") sollte man meiden, da die antike Rhetorik unter dissimulatio Ironie verstanden hat (vgl. Cic. de orat. 2,269 mit Ernesti, Lexicon technologie Latinorum rhetoricae, Lipsiae 1797 [Ndr. Hildesheim 1962], 129 ff.). 8 Bisweilen werden in moderner Literatur aemulatio und imitatio antithetisch wertend als unfreie bzw. kreative Nachahmung wiedergegeben. Diese Unterscheidung ist irreführend. Siehe M. Fuhrmann, Gnomon 33, 1961, 445 ff. und Russell 10. 9 Hosius 180. 10 Ähnliches zum Verhältnis eines Vergil zu seinen Vorbildern findet sich bei Macrob. 6,1,6 iudicio transferendi et modo imitandi consecutus est ut quod apud illum legerimus alienum ... melius hic quam ubi natum est sonare miremur (vgl. Norden, Aeneis Buch VI, S. 365 Anm. 2). Diese Theorie ist also keine „moderne", wie H. Frankel (Gnomon 25, 1953, 381) in seiner kritischen Rezension des — aus anderen Gründen — nicht recht überzeugenden Buches von M. Hügi (Vergils Aeneis und die Hellenistische Dichtung) glaubt. Die auch von vielen anderen ins Feld geführte „unbewußte Entlehnung" beschränkt sich schon nach antiker Theorie im wesentlichen auf den Stil oder einzelne Gedanken (vgl. Stemplinger 163 f. und 275 ff.). Im Falle der Ovidimitation Senecas entfallen zudem alle sog. „Verszwänge".

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