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Der Dawkinswahn oder die Antwort der Mystik PDF

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Der Dawkinswahn oder die Antwort der Mystik Duell zwischen Wissenschaft und Religion? (Copyright Jenner 2008) Gero Jenner DIE SITUATION ........................................................................................................................................... 5 RELIGION ................................................................................................................................................... 11 GRUNDLAGEN VON FRIEDEN UND GEMEINSAMKEIT ............................................................................................... 16 VON DER INSTRUMENTELLEN ZUR UNIVERSALEN VERNUNFT ................................................................................. 17 LINGUA UNIVERSALIS – MYSTIK ALS MENSCHHEITSSPRACHE ................................................................................ 24 ABKEHR VON ANTHROPOMORPHEN VORSTELLUNGEN ............................................................................................ 25 ABKEHR VON HERRSCHAFT ..................................................................................................................................... 30 DIE ROLLE DES EINZELNEN ..................................................................................................................................... 33 MYSTIK ....................................................................................................................................................... 37 IRRATIONALISMUS? ................................................................................................................................................. 41 AM BEISPIEL DER ANTIMYSTIK ............................................................................................................................... 43 DAS MYSTISCHE INNEHALTEN ................................................................................................................................. 48 HYMNEN AN DIE NUTZLOSIGKEIT ........................................................................................................................... 51 VORSTUFEN DER MYSTISCHEN VERSCHMELZUNG ................................................................................................... 56 IST MYSTIK RELIGION? ........................................................................................................................................... 60 WISSENSCHAFT ........................................................................................................................................ 71 DIE LÜCKENSUCHER ............................................................................................................................................... 72 JENSEITS DER IDEOLOGIE ........................................................................................................................................ 74 DER DURCHBRUCH .................................................................................................................................................. 74 IDENTISCHE VERIRRUNGEN: MACHTWISSENSCHAFT UND MACHTRELIGION ........................................................... 77 KRITISCHE GEGEN MACHTWISSENSCHAFT .............................................................................................................. 79 KRITISCHE WISSENSCHAFT ANGESICHTS DES UNDENKBAREN ................................................................................ 81 DIE DREIFACH VERSCHACHTELTE WELT ................................................................................................................. 82 ZWISCHEN ALL UND ATOM ..................................................................................................................................... 83 ZWISCHEN ANFANG UND ENDE ............................................................................................................................... 88 MITTEN IM ALLTAGSGESCHEHEN ............................................................................................................................ 93 DAS NEUE ............................................................................................................................................................... 94 MATERIE UND BEWUSSTSEIN .................................................................................................................................. 98 REAL ODER IDEAL? ................................................................................................................................................ 100 INTELLIGENT DESIGN ......................................................................................................................... 104 DAWKINS WAHN ................................................................................................................................................... 114 EINE SIXTINISCHE EVOLUTIONSKAPELLE? ............................................................................................................ 123 DER OFFENE HORIZONT ..................................................................................................................... 127 DER MYSTIKER EINSTEIN ...................................................................................................................................... 129 DIMENSIONEN DES EINSSEINS ............................................................................................................................... 136 MYSTIK UND TOD .................................................................................................................................................. 156 MYSTIK UND MORAL - JENSEITS VON GUT UND BÖSE? .......................................................................................... 160 MYSTIK UND DAS GUTE ........................................................................................................................................ 164 MYSTIK UND DAS BÖSE ......................................................................................................................................... 169 MYSTIK GLEICH SELBSTVERGOTTUNG? ................................................................................................................ 171 WAHR- UND UNWAHRHEIT DER RELIGIONEN ............................................................................ 174 DAWKINS HEIL UND … ........................................................................................................................ 178 … DAS HEIL DES MYSTIKERS ............................................................................................................ 181 ANMERKUNGEN ..................................................................................................................................... 187 BIBLIOGRAPHIE: ................................................................................................................................... 197 PERSONENVERZEICHNIS .................................................................................................................... 201 3 Die Situation Das vorliegende Buch hätte im Haupttitel eigentlich »Duell zwischen Wissenschaft und Religion« heißen sollen. Angesichts einer Renaissance der Religionen, die sich nicht zuletzt in einem bedrohlichen Fundamentalismus und einem damit einherge- henden Aufstand gegen Vernunft und Aufklärung bekundet, ist dies ein brandaktu- elles Thema. Dann erschien das Buch »Der Gotteswahn« des renommierten engli- schen Biologen Richard Dawkins und wurde auf Anhieb ein großer Erfolg weit über die Grenzen des Vereinigten Königreiches hinaus. Es bot sich an, auf dieses zugleich geistreiche und in die Irre führende Buch Bezug zu nehmen, und zwar in einer Form, die gleich im Titel keinen Zweifel an meinen Einwänden lässt. Diese sind von so grundlegender Art, dass es mir richtig erscheint, von einem »Dawkinswahn« zu sprechen, wobei das Denken Dawkins hier stellvertretend für eine unter ideologisch voreingenommenen Wissenschaftlern – und natürlich nur unter diesen - verbreitete Einstellung steht. Der Dawkinswahn ist eben keinesfalls nur an einen bestimmten Autor und dessen spezielle Thesen gebunden. Er steht paradigmatisch für eine bestimmte Geisteshaltung. Die Thesen des englischen Wissenschaftlers lassen sich unter drei Haupt- überschriften gruppieren. Er übt, erstens, vernichtende Kritik am Theismus, also an der Vorstellung eines Gottes, der mehr oder weniger menschlich (anthropomorph) gedacht wird. Zweitens, setzt er Religion mit Theismus gleich, und, drittens, stellt er dem negativ bewerteten Weltbild der so verstandenen Religion ein positives entgegen, das in seiner Sicht nicht nur die Absurditäten des religiösen Weltbildes umgeht sondern eine unangreifbare, in sich befriedigende, unserem Wissen gemä- ße Alternative bietet: Wissenschaft, wie er sie versteht und begründet. In diesem Buch akzeptiere ich mit Vorbehalten die erste These, die Kritik am Theismus, wenn man ihr auch, wie ich am Ende der Arbeit zeigen werde, man- gelndes Verständnis für die Komplexität des Religiösen vorwerfen kann (vgl. Kap. Wahr- und Unwahrheit der Religionen). Ich halte sie dennoch in ihrem Kern für richtig und unwiderlegbar - eine Auffassung, die wohl auch von Dawkins Lesern geteilt wird, denn es ist die Kritik am Theismus, die dem Buch eine so große Brei- tenwirkung verschaffte. Anders steht es um die beiden folgenden Thesen. Sie wer- den entweder gar nicht oder auf unzureichende und irreführende Weise begründet. Der Gegensatz in der Qualität der Argumentation springt für mich so sehr in die Augen, dass ich bei aller Bewunderung für den Scharfsinn des Autors keine Hem- mung davor empfand, auch bei ihm von einem Wahn zu sprechen, eben dem »Dawkinswahn«. Der anerkannte Wissenschaftler argumentiert hier mit sträfli- chem Leichtsinn. Geflissentlich übersieht er zum ersten, dass Theismus und Reli- gion niemals identisch waren, aber darüber hinaus entwirft er auch ein verzerrtes Bild der wissenschaftlichen Weltsicht, die ja für ihn die unangreifbare Basis bildet, von der aus er seine antireligiösen Vernichtungsfeldzüge unternimmt. Damit meine ich das wissenschaftliche Credo, das er dem von ihm verworfenen religiösen Welt- bild entgegenstellt. Diese Vision ist so von Dogmen und Denkverboten umstellt, 5 dass man Dawkins dieselbe Blindheit vorwerfen muss, die er mit solcher Brillanz bei seinen Gegnern beschreibt und verspottet. Das Ergebnis dieses Duells ist daher durchaus paradox. Einerseits erscheint mir die Vorstellung keineswegs abwegig zu sein, dass der englische Biologe weni- ger mit der von ihm seit Jahren vertretenen These vom egoistischen Gen in die Wissenschaftsgeschichte eingehen wird, als mit seinen negativen Ausführungen zur Theologie. Es ist ja keineswegs selten, dass jemand nicht vorrangig in seinem Spezialgebiet sondern als Außenseiter bekannt wird. Dafür gibt es einleuchtende Gründe. Stellen wir uns einen Menschen vor, der sein Leben lang über Engel forschte, einen Angelo-Logen also. Wenn er Bände darüber verfasste, wie viele Engel Platz auf einer Stecknadelspitze finden, mit welcher Frequenz sie ihre Flügel in dünner Gebirgsluft bewegen oder wie ihr Brustkorb gestaltet sein muss, um zu- gleich für himmlische Gesänge und zur Verankerung von Flügeln zu taugen, so könnte sich ein solcher Fachgelehrter durchaus den Anspruch auf den Nobelpreis verdienen, weil er sich wie kein anderer als Spezialist mit der Sache befasst hat. Tritt nun allerdings ein Außenseiter hervor, der für alle überzeugend den Nachweis erbringt, dass Engel eine bloße Scheinexistenz in den Gehirnen einiger allzu phan- tasievoller Menschen führen, so wird dieser andere zwar keinen Nobelpreis errin- gen, aber man müsste in ihm zweifellos den größeren Angelologen erblicken, weil er letztlich Wahrheit und menschliches Wissen viel entscheidender vorangebracht hat als all jene zusammen, die ihre Gelehrsamkeit bändeweise an Fiktionen ver- schwendet haben. Wie gesagt, Dawkins gelingt es mit Scharfsinn und einem immer wieder be- zwingenden Witz den Wahn anderer bloßzustellen, seine Angriffe gegen ein menschlich-allzumenschliches Gottesbildes sind durchaus überzeugend, nur bleibt ihm dabei völlig verborgen, dass er selbst einem nicht weniger schwerwiegenden Wahn unterliegt: dem Wahn einer Machtwissenschaft, die in deutlichem Gegensatz zu der so ganz andersartigen Tradition kritischer Wissenschaft steht. Das vorlie- gende Buch wird immer wieder den Anspruch des kritischen Wissenschaftlers mit dem des Machtwissenschaftlers konfrontieren. Es wird die Vorurteile, Fehlschlüsse und Kurzsichtigkeiten aufdecken, die der positiven Vision Dawkins zugrunde lie- gen und ganz allgemein einer Machtwissenschaft, zu deren typischen Vertretern er zählt. Das ist der eine Brennpunkt dieses Buches. Der andere wird in der Kritik an der leichtfertigen Gleichsetzung von Theismus und Religion bestehen. Den Fehler einer solchen Gleichsetzung vermag nur zu begehen, wer den fundamentalen Ge- gensatz übersieht, der sich zwischen kritischer Religion und Machtreligion auftut. Die Mystik als Urform des religiösen Denkens und Erlebens ist kritische Religion in ihrer ursprünglichsten Form und als solche eine Schwester der kritischen Wis- senschaft. Von Dawkins Attacke gegen die traditionelle Religion wird sie nicht einmal berührt. Vorstellungen von einem menschlich-allzumenschlichen Gott sind der Mystik fremd, ja, sie steht ihnen oft genauso ablehnend gegenüber wie der kri- tische Wissenschaftler. Seit Anbeginn menschlicher Geschichte sind in der Mystik 6 all jene Strömungen des Denkens zusammengeflossen, die in vollem Einklang mit einer kritischen Wissenschaft stehen – und dennoch zur gleichen Zeit weit hinaus über die Wissenschaft zielen, da sie sich an den ganzen und nicht nur an den dis- kursiv denkenden Menschen wenden. Nimmt man beide zusammen: Mystik und kritische Wissenschaft, so bahnen sie den Weg zu einer herausfordernd neuen und doch schon in den frühesten Texten der Mystik angelegten Wirklichkeitssicht. Mit dem in Dawkins Gotteswahn beschworenen Duell ist der Kampf zwi- schen Wissenschaft und Religion von Neuem entbrannt, kaum weniger heftig als schon in der Frühaufklärung des 17. Jahrhunderts, als die sogenannten »Freigeis- ter« die schärfsten Waffen des Geistes gegen die Vertreter der Religionen zückten – und umgekehrt die Vertreter der letzteren alles taten, um die Wissenschaften als ein für das Heil des Menschen entbehrliches Unternehmen zu relativieren. Heute sind es Richard Dawkins und seine Mitstreiter, die ein Massenpublikum überall auf der Welt zwar nicht gerade begeistern - wen begeistert es schon, dass wichtige Glaubensinhalte, jahrhundertealte Institutionen einer vernichtenden Kritik bis hin zum Gespött ausgesetzt werden – die aber dennoch viele Menschen faszinieren und überzeugen. Wäre Dawkins zu glauben, dann gäbe es nur eine einzige Weltsicht, der wir heute noch trauen dürfen: die wissenschaftliche. Die Religionen tragen, so seine Meinung, nichts zur menschlichen Erkenntnis hinzu, was die Wissenschaften nicht ihrerseits viel besser begründen könnten, sie tragen vielmehr sehr viel dazu bei, menschliches Denken auf Irrwege zu lenken und in Unwahrheit zu ersticken. Die Entstehung des Lebens und die Mechanik seiner Entwicklung einschließlich seines biologischen Sinns (oder vielmehr das Fehlen jedes nachweisbaren Sinns), das seien Fragen, zu denen die Wissenschaft - und wirklich nur sie - Abschließen- des zu sagen vermöge. Wie bekannt, gipfelt bei Dawkins die abschließende Er- kenntnis in der Theorie vom »egoistischen Gen«, das sich die eigene leibliche Hül- le so wählt, dass es sich dann in einer für den ewigen Kampf ums Überleben mög- lichst tauglichen Form möglichst zahlreich fortpflanzen kann. Dawkins Auffassungen über die Triebkräfte der Evolution sind auch unter jenen umstritten, die sich bei ihren Auffassungen über das Leben strikt an den Er- kenntnissen der Wissenschaft orientieren. Kritiker Dawkins wie Joachim Bauer halten sie geradezu für falsch. Doch das ändert nichts an dem besonderen Wert seines Buches, das in erster Linie auf der schneidenden und sowohl argumentativ wie im Stil brillant formulierten Kritik an der Religion beruht. Auch Wissenschaft- ler, die seine Theorie vom egoistischen Gen mit Kopfschütteln quittieren, können sich der Stringenz seiner Einwände gegen den üblichen Gottesglauben und dessen Rechtfertigungen kaum verschließen. Die Faszination des Buches liegt eben darin, dass es mit größter Offenheit sagt, was so viele denken und so wenige – aus Op- portunismus oder Bequemlichkeit – sich anders als hinter vorgehaltener Hand aus- zusprechen getrauen. Dennoch wird man den großen Erfolg dieser Attacke kaum als Indiz für eine neue Hinwendung zur Wissenschaft werten dürfen. Auch in westlichen Ländern ist die Bereitschaft, Wissenschaft als Auskunftsorgan für die wesentlichen Fragen des 7 Lebens oder gar als Lebenshilfe anzuerkennen, seit dem fortschrittsgläubigen 19. Jahrhundert kontinuierlich gesunken. Wenn es dazu noch eines Beweises bedarf, so kann ihn jeder aus den schwindenden Studentenzahlen in den Ingenieursfächern und den Naturwissenschaften ablesen. Ohne den Zustrom ausgebildeter Techniker und Wissenschaftler aus Südostasien und Fernost würden beispielsweise die Ver- einigten Staaten ihre Stellung als führende Wirtschaftsmacht schon jetzt nicht mehr aufrechterhalten können. Dagegen beweisen Statistiken und der drohende »Clash of Civilizations«, dass Religionen fast überall auf der Welt wieder im Vormarsch sind. In den Län- dern des Westens entspricht der abnehmenden Begeisterung für die Wissenschaf- ten schon seit Jahrzehnten eine deutlich zunehmende Hinwendung zu Esoterik und Religion. Die beiden Erscheinungen ergänzen einander. Sie sind Ausdruck ein und derselben Verunsicherung. Den Wissenschaftlern und ihrem an Tatsachentreue und Beweisen geschulten Denken traut man immer noch autoritative Äußerungen zu allen wichtigen Fragen zu, doch sind nur wenige davon überzeugt, allein mit ihrer Hilfe zu einem befriedigenden Weltbild zu gelangen. So wird man wohl auch mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen dürfen, dass sich die wenigsten Leser des »Gotteswahns« häuslich in der Theorie vom egoistischen Gen und der damit ver- bundenen sozialdarwinistischen Ideologie einrichten wollen. Es ist eben nicht die positive Botschaft des Buches, die diesem einen so gewaltigen Erfolg beschert, sondern die gekonnte Attacke gegen zu leichtfertige, zu schlecht begründete, auch oft moralisch zweifelhafte Positionen der überlieferten Religionen. Aber ist Religion, oder sagen wir besser: die religiöse Weltsicht, mit einer derartigen Attacke getroffen? Dawkins selbst scheint einen Augenblick lang daran zu zweifeln, immerhin beginnt er sein Buch mit der Feststellung, dass seine Kritik keineswegs gegen jene Art von Religiosität gerichtet sei, wie sie sich zum Beispiel bei Einstein finde. Diese Rücksichtnahme auf die Überzeugungen eines seiner ganz großen wissenschaftlichen Kollegen erweist sich allerdings schnell als ein bloßes Lippenbekenntnis: Auf den ersten Seiten flüchtig zur Sprache gebracht, bleibt die- ser Vorbehalt dann im ganzen Rest der Arbeit vergessen. Hier aber liegt die eigent- liche Schwäche und irreführende Oberflächlichkeit der dawkinschen Arbeit. Dort, wo die religiöse Denkungsart wirklich in die Tiefe geht, oder um in seinen Begrif- fen, denen des Biologen, zu reden, dort wo sie sich sozusagen in ihrer Stammzel- lenform manifestiert, vor aller Ausdifferenzierung in Dogmen und historische Zu- fälligkeiten, dort eilt Dawkins gedankenlos an ihr vorbei. Er will kritisieren - und tut dies brillant - aber er übersieht, dass er den Kern des religiösen Denkens dabei nicht einmal im Vorübergehen gestreift hat. So bleibt sein temperamentvoller An- griff eine gelungene Zerstörung, aber nichts, worauf man aufbauen könnte. In die- sem Buch möchte ich zeigen, dass der Blick in die Tiefe und ein darauf gründender Aufbau nur möglich sind, wenn man statt der von Dawkins bezogenen Position der »Machtwissenschaft« die des kritischen Wissenschaftlers bezieht und statt der Po- sition der »Machtreligion«, die sich auf Dogmen und historische Zufälle beruft, 8 jene mystisch-kritische Sicht, die sich ausdrücklich gegen alle Bevormundung zur Wehr setzt. Die mystisch-kritische Sicht ist zur gleichen Zeit ganz aktuell und so alt wie die Menschheit selbst. Sie ist nicht weniger als eine »philosophia perennis«, eine »ewige Philosophie«, die sich mit den Erkenntnissen der kritischen Wissenschaft nicht nur verträgt sondern vielmehr von ihnen getragen wird. Das werde ich zu- sätzlich dadurch demonstrieren, dass ich in einer Serie von »Rückblicken« Bezug auf die Vergangenheit nehme, also auf die Geschichte mystischen Denkens von China über Indien und den Islam bis nach Europa. Am Ende bleibt uns die Einsicht, dass die Gedanken der Mystik einen ganz anderen Gegensatz sichtbar machen als das von Dawkins beschworene Duell zwischen Wissenschaft und Religion. Schroff gegenüber stehen sich nur Machtwissenschaft auf der einen und Machtreligion auf der anderen Seite. Hier kann es in der Tat nur unversöhnlichen Kampf, nämlich dogmatisches Beharren auf den jeweils eigenen, eingefrorenen Positionen geben.1 Dagegen ist das Verhältnis von kritischer Religion (Mystik) und kritischer Wissen- schaft ein grundsätzlich anderes. Sie haben einander nichts vorzuwerfen, vielmehr bestätigen und ergänzen sie sich. Bei großen Wissenschaftlern wie Erwin Schrödinger, Albert Einstein – dem Mystiker wider Willen - fällt daher auch beides zusammen. Diese neue Sicht auf die Geschichte eines Duells, das eben so alt ist wie vordergründig, könnte den Boden für eine Versöhnung bereiten. 9

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Aldous Huxley hat für die Mystik die Bezeichnung »philosophia perennis« verwendet, einen . Friedrich Nietzsche, zwei Jahrhunderte nach ihm in bezwingenden Versen ausdrü- cken wird: Die Welt - ein Mensch und Dingen, die ihm durch seine Sicht auf den satanischen Willen verstellt ist, wird in
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