Wolfgang Muller-Osten Der Chirurg heute Eine personliche Auseinandersetzung Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo Professor Dr. WOLFGANG MOLLER-OSTEN Mittelweg 61 2000 Hamburg 13 ISBN-13: 978-3-540-16012-0 e-ISBN-13: 978-3-642-70846-6 DOl: 10.1 007/978-3-642-70846-6 Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des N achdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergiitungsanspriiche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die" Verwertungsgesellschaft Wort", Miinchen, wahrgenommen. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1986 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1986 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jederrnann benutzt werden diirften. 2120/3130-543210 Dem Andenken an meine Frau Einleitung Der Mensch, geschaffen zur Selbstbehauptung, geformt im permanenten Widerstand gegen die Krafte der Natur, gezwungen, sich im taglichen Kampf gegen den Mangel zu bewahren, hat innerhalb kiirzester Zeit eine Schwelle erreicht und zum Teil iiberschritten, hinter der er befahigt ist, auf vielen Gebieten noch vor Jahrzehnten Undenkbares zu vollbringen. Der stiirmische Drang zu immer groBerer technischer VolIkommenheit hat ihn jedoch seiner geistig-moralischen Fundamente zu berauben begonnen. Dem wissenschaftlich-praktischen Fortschritt fehlte langere Zeit hindurch das kulturelle Aquivalent. "Fahrt das Geisterschiff des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts nicht mit leerer Kom mandobriicke?", fragt der Theologe HELMUT THIELICKE. Auch die immer imponierenderen chirurgischen GroBtaten erfolgten vielfach in einer U mwelt, die mit dem wissenschaftlichen Wachstum nicht Schritt halten konnte. Nicht PROMETHEUS war die Symbolgestalt dieser Zeit, sondern SISYPHOS (ZAHRNT). Auch wenn es vielen verfriiht oder gar verfehlt erscheinen mag, schon jetzt von einem beginnenden Wandel, einer - Freilich noch sehr zaghaf ten - Wiedererlangung der geistigen Basis zu sprechen, von einer langsamen Wiederbelebung der Grundwerte und Neuentdeckung morali scher N ormen, so sind doch in aller Welt erste Zeichen vorhanden, daB einst verponte Tugenden wieder an Wert gewinnen und auch die Medizin und speziell die Chirurgie zu ihren Urkraften zuriickzufinden beginnen. Das jedoch kann nicht von allein und nicht ohne den vollen Einsatz der Besten gelingen. Dabei ist es anspornend und belebend, daB ein guter T ei1 dieses neuen Impetus, der verloren gegangen schien, gerade von Teilen der Jugend VII ausgeht. Dem Protest einer durch hohle Formeln verfuhrten J ugend und dem fehlenden Widerstand einer durch Krieg und Wiederaufbau erschopften alteren Generation war der Niedergang der Universitat und mit ihr wesentlicher Elemente unserer kulturellen Existenz zuzuschrei ben. DaB nun auch die ersten Anzeichen einer Renaissance von der Jugend auszugehen scheinen, ist urn so ermutigender. Sie bedarf nun aber kraftvoUer Unterstutzung und darf nicht wegen mangelnder Mitwirkung der alteren Generation wieder erlahmen. N ur 50 kann bei manchem J ungen aU5 Angst und Wehleidigkeit wieder Einsatzbereitschaft und Lebensmut werden. Nur dann kann statt eines Feilbietens ohne Gegenwert wieder Streb en urn des Erfolges willen entstehen. Was einem in den SchoB fallt, ist nicht der Muhe wert. Wer sich in der Vermassung behauptet, wird wieder stolz sein auf seine Leistung ein harter, sehr harter Weg fur aUe, fur Junge, die eine neue Lebenseinstel lung brauchen, und fur Alte, die ihnen mit Gute und Strenge dabei helfen mussen. Aber fUr alle ein Hoffnungsschimmer in einer kritischen Zeit. Nach uber 50 Jahren chirurgischer Arbeit, nach mehr als 30 Jahren zusatzlicher Beschaftigung mit der Berufswelt des Chirurgen und 15 Jahre, nachdem ich meine Sorgen urn die Entwicklung des Berufes des Chirurgen im damaligen Zeitraum in einem Buch »Der Beruf des Chirurgen« zusammengefaBt hatte, mochte ich einen Blick auf den gegenwartigen Stand werfen, wohl wissend, daB er wieder nur ganz subjektiv, ganz unvoUstandig und nur eine Momentaufnahme sein kann. Der kritische Augenblick des nach meiner Oberzeugung vorsichtig einsetzenden Umschwungs in eine - trotz aUer wirtschaftlichen Schwie rigkeiten - neue geistige Zukunft des chirurgischen Berufes scheint mir dafur angemessen zu sein. Animiert dazu, meine Erkenntnisse, Erfahrungen und Zukunftsper spektiven niederzuschreiben, wurde ich von zahlreichen, zum T eil langjahrigen Weggefahrten. Dank schulde ich Herrn Dr. THOMAS THIE KOlTER fur seine kritischen Anregungen und besonders Herrn Dr. Drs. h. c. HEINZ GOTZE fur die Herstellung dieses Buches. WOLFGANG MOLLER-OSTEN VIII Inhaltsverzeichnis Die Weiterbildung zum Chirurgen 1 Ein Blick zuriick . 1 Die Schule ... 2 Die Universitat 5 Das Studium . . 8 Die Weiterbildung zum Chirurgen 11 Chirurgische Weiterbildung als Auft rag des Chefs 13 Chirurgische Weiterbildung als Aufgabe des Assistenten 17 Eine »Akademie fur chirurgische Weiterbildung" 20 Erziehung zur Kreativitat ............ 22 Die chirurgische Berufsausubung 25 Die Arbeitsstatte Krankenhaus 26 Der Arbeitsplatz Praxis 29 Der Krankenhausarzt 31 Der Assistenzarzt 31 Der Oberarzt 35 Der Chef. . . . . 37 Kollegiale Leitung - eine Zukunftsidee? 41 Der experimentelle und der "theoretische" Chirurg 43 IX Der niedergelassene Chirurg 45 Ambulantes Operieren 51 Zukunftsfragen des Berufes 54 Arztstatistik ....... 57 Zum Bedarf an Chirurgen 58 Ethische Grundlagen chirurgischer Arbeit 61 Erweiterung des chirurgischen Auftrags 61 Der ethische Auft rag 62 Der Stil des Chirurgen 66 Das Arzt-Patienten-Verhaltnis im Wandel 69 1m zwischen-menschlichen Bereich 69 1m sozialen Gefiige ....... • 72 Gesundheit und Krankheit 75 Enteignung der Gesundheit? 77 Schulmedizin - Volksmedizin 78 Die soziale Situation in der Bundesrepublik Deutschland 80 Das menschlische Krankenhaus 83 Die Spezialisierung . . . . . . 87 Chirurg und Intensivmedizin 95 Risikoforschung 101 Chirurgische Qualitatssicherung 105 Der Chirurg - ein "operierendes Werkzeug"? 109 Chirurg und Offentlichkeit 113 Chirurg und Recht .... 117 Die Aufklarungspflicht 119 x AufkHirungspflicht und Ethik des Chirurgen 122 Probleme der Begutachtung . . . . . . . . . 123 Fehlleistungen im Gesundheitswesen 127 Die wirtschaftliche Lage des Chirurgen 133 Ausblick ..... . 137 Literaturverzeichnis 145 Stichwortverzeichnis 151 XI Mein erster chirurgischer Lehrer, Prof. OTIO NORDMANN, sagte in seiner Prasidentenrede bei Eroffnung des Chirurgen-Kongresses 1939 in Berlin: "Der Wert einer guten Schule beruht meines Erachtens nicht darauf, daB man von seinem Lehrer medizinische Technizismen routinehaft erlemt und an dies en zuweilen gar mit einer gewissen Uberheblichkeit sein Leben lang festhalt, daB man sich Laboratoriumsuntersuchungen und andere Hilfswissenschaften aneignet, sondem hauptsachlich darin, daB man die seelische Einwirkung auf den Kranken und den gesamten Dienst am Krankenbett in sich aufnimmt. Das alles kann man nie aus Biichem erlemen, sondem nur vom lebendigen Beispiel. In der Heil kunde sind letzten Endes Begabung, Intuition, auf biologischen Kennt nissen beruhendes Wissen und schlieBlich ganz besonders die gesamte Personlichkeit des Arztes die wichtigsten Vorbedingungen einer segens reichen Arbeit".