ebook img

Der Beitrag Johann Adam Weishaupts zur Pädagogik des Illuminatismus PDF

277 Pages·2004·1.94 MB·German
by  
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Der Beitrag Johann Adam Weishaupts zur Pädagogik des Illuminatismus

„... sich begnügen, im Geheimen für das Gute zu wirken“ Der Beitrag Johann Adam Weishaupts zur Pädagogik des Illuminatismus Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae (Dr. phil.) vorgelegt dem Rat der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena von M. A. Peggy Pawlowski geboren am 4. Juli 1973 in Pößneck/ Thüringen Gutachter 1. Prof. em. Dr. Leonhard Friedrich 2. PD Dr. Rotraud Coriand Tag des Kolloquiums: 20. Februar 2004 Vorwort Geheimbünde als Horte der Erziehung zu bezeichnen, sie gar den Institutionalisierungen des Pädagogischen zuzurechnen, mutet zunächst befremdlich an. Ganz besonders ungewohnt muß dies einer Zeit wie der unseren scheinen, deren Vorstellung von Bildung und Erziehung in Gesetzen klar wiedergegeben ist, staatlicherseits verantwortet und von der Gesellschaft eingefordert bzw. gestaltet wird. Unterzieht man Konzeptionen von geheimen Gesellschaften, Bünden und Orden einer näheren Betrachtung, wird man in den meisten Fällen auf Bestrebungen stoßen, die in bezug auf die Befähigung von Mitgliedern einen pädagogischen Anspruch vertreten bzw. deren Intention von der Ausbildung bestimmter - der jeweiligen Ausrichtung zuträglichen - Persönlichkeitsmerkmale geprägt ist. Nicht selten findet man in einem solchen Rahmen die Vorstellung vom vollkommenen, allseitig gebildeten Menschen. Dieses Ideal wird meist mit Mitteln angestrebt, welche die einzelne Geheimgesellschaft erstellt und häufig in Form eines Lehrsystems an ihre zu bildenden Mitglieder weitergibt. Dies läßt sich beispielsweise für die Katharer, Jesuiten wie auch Rosenkreuzer konstatieren. Es nimmt nicht wunder, daß geheime Vergesellschaftungsformen in der Epoche der Aufklärung derlei Gedanken in besonderem Maße hegten, daß das Geheimbündlerische von unterschiedlichen Seiten als Plattform zur Vervollkommnung des menschlichen Geschlechts in Betracht gezogen wurde. Einem der prominentesten Vertreter des Geheimbundwesens im 18. Jahrhundert, dem Illuminatenorden und seinem Initiator, dem Ingolstädter Professor für Kirchenrecht, Johann Adam Weishaupt, soll mit der nachstehenden Arbeit Aufmerksamkeit zuteil werden. Es soll der Versuch unternommen werden, diesen am 1. Mai 1776 in Ingolstadt gegründeten Bund auf seine pädagogischen Qualitäten hin zu untersuchen und, insoweit dies möglich ist, seinen Beitrag zum pädagogischen Jahrhundert zu bestimmen, einem Jahrhundert, das wie kein anderes als Versuchsfeld mit pädagogischen Ambitionen bestellt wurde, dessen Früchte noch heute einer mittlerweile etablierten Erziehungswissenschaft zugute kommen. Diese Arbeit verdankt ihr Zustandekommen einem Rechercheauftrag im Rahmen eines Projektes zu Johann Heinrich Pestalozzis Gesamtwerk aus dem Jahre 1997, bei dessen Ausführung der Verfasser auf die Verbindungen des großen Pädagogen zum Illuminatenorden stieß. Nicht weniger ist sie dem Anregungspotential Herrn Prof. em. Dr. Leonhard Friedrichs (Jena) verpflichtet, der den Werdegang der „Pädagogik der Illuminaten“, wie der zu weit ausgreifende Arbeitstitel lange Zeit lautete, in all ihren Stadien begleitet hat und dessen Wohlwollen in wissenschaftlicher Hinsicht wie auch in vielen wertvollen Gesprächen mir stets sicher war. Dank gilt Herrn Dr. Hermann Schüttler (Halle), der neben einem freundschaftlichen Interesse für die Arbeit nicht nur mit Rat zur Seite stand, sondern auch Einsicht in unveröffentlichte Manuskripte gewährte und Dokumente zur Verfügung stellte. Herrn Reinhard Markner, M.A. (Berlin) bin ich zu Dank verpflichtet für Hinweise, vor allem in Detailfragen sowie für kritische Anmerkungen. Frau Lange und Frau Knöfler vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin-Dahlem) möchte ich danken für ihre freundliche Unterstützung bei der Einsichtnahme und Vervielfältigung der Dokumente der Schwedenkiste. Dies gilt ebenso für die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ Berlin, insbesondere Herrn Schwartz. Durch die tatkräftige und freundliche Unterstützung von Frau Elke Girrulat, Mitarbeiterin der ThULB Jena, war es mir stets möglich, über die notwendigen Publikationen zum Thema zu verfügen, auch ihr gilt mein Dank. Herrn Prof. Dr. Stephan Patt (Jena/ Berlin) und Herrn Stefan Kratochvil (Jena) bin ich dankbar für geistreiche Anregungen und Diskussionen sowie für Korrekturen im Endstadium der Arbeit. Unterstützung und unkomplizierte Hilfe in technischen Fragen erhielt ich von Herrn Ulrich Weber (Jena), vielen Dank auch hierfür. Herr Peter Wild (Bad Wörishofen) und Herr Stephan Diehm (Erlangen) haben durch ihre Freundschaft, ihren Humor und ihre Herzlichkeit vieles leichter gemacht. Frau Dorothea und Herr Wolfgang Friederich (Mankenbach/ Thüringen) haben oft, ohne es zu wissen, Unterstützung geleistet, indem sie mich als Gast in ihrem Haus willkommen hießen und umsorgten, ihnen fühle ich mich nicht nur deshalb besonders verbunden. Danken möchte ich auch Herrn Marcel Pawlowski (Jena), der mich während der Durchführung meines Vorhabens, wo er konnte, unterstützt hat. Herr Dr. Friedrich Matthis Baumann (Berlin/ Torrevieja, Spanien) hatte im Endstadium des Promotionsverfahrens einen großen Anteil daran, daß meine Gedanken wieder zu fließen begannen; unsere Gespräche, vor allem seine Ideen und Eingebungen sind `as dear as gold dust´ für mich. Viele Freunde bleiben hier unerwähnt, ihr Beistand ist jedoch nicht unbemerkt geblieben - ihnen ein besonderer Dank. Berlin im April 2004 peggy pawlowski Inhaltsübersicht Vorwort Seite I. Zur Einführung 1. Illuminatismus und Pädagogik................................................................................................1 2. Zum Stand der Illuminatismusforschung ...............................................................................8 3. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit.......................................................................................20 II. Johann Adam Weishaupt – der Gründer des Illuminatenordens 1. Zum biographischen Hintergrund.........................................................................................23 2. Weishaupts Denkungsart......................................................................................................29 3. Überblick über das Schaffen.................................................................................................34 III. Der Stufengang der Bildung 1. Das pädagogisch motivierte Gradsystem..............................................................................40 2. Die erste Klasse – Propädeutische Bildung 1. Das Noviziat - Erwerb von Arbeitstechniken.................................................................48 2. Der Minervalgrad - Wissenschaftliche Grundbildung....................................................54 3. Illuminatus minor – Grundlagen der Menschenführung.................................................61 3. Die zweite Klasse – im Zeichen der Autonomie 1. Illuminatus maior – Wege zur Selbst- und Menschenkenntnis.......................................65 2. Illuminatus dirigens – Administration des unteren Ordensgebäudes..............................69 4. Die dritte Klasse – Führungskompetenz und Freiheit 1. Priester – Leitung der illuminatischen Akademie...........................................................74 2. Regent – Lenkung des gesamten Ordens........................................................................79 3. Philosoph – Überwindung von Denk- und Handlungsgewohnheiten............................84 4. Docet – Einsicht in die Unverfügbarkeit des Absoluten.................................................89 IV. Die konstituierenden Momente des pädagogischen Prozesses 1. Vorbemerkungen...................................................................................................................96 2. Formen und Wege der Präparation 1. Funktion und Maßnahmen der ersten Vorbereitung..........................................................97 2. Weiterführung in Stufen...................................................................................................100 3. Die Beobachtung – ihre Funktion und ihre Folgen 1. Schulung des Beobachtungsgeistes................................................................................104 2. Ideenreihe – ihre Bedeutung als Faktor bei der Bewußtseinsbildung.............................108 3. Selbsterkenntnis als Schlüsselkompetenz.......................................................................111 4. Ziele illuminatischen Unterrichts 1. Einheitliche Ausrichtung und Wirksamkeit......................................................................114 2. Wissenschaftlichkeit und Aufklärung...............................................................................117 3. Menschenkenntnis und Menschenführung........................................................................120 4. Welt- und Regierungskunst...............................................................................................124 5. Sittliche Vollkommenheit als oberste Bildungsmaxime...................................................127 V. Mittel und Techniken illuminatischer Bildungspraxis 1. Vorbemerkungen.................................................................................................................131 2. quibus-licet als Führungs- und Bildungsmittel...................................................................133 3. Reprochen zur Ermutigung, Belehrung und Evaluation der Adepten................................140 4. conduite-Tabellen zur Menschenführung...........................................................................146 5. Beförderung der Gelehrsamkeit durch pensa......................................................................151 6. Lektüre zur Entwicklung von Sittlichkeit und Gelehrsamkeit............................................155 VI. Johann Adam Weishaupt als Beförderer der pädagogischen Idee der Aufklärung 1. Pädagogische Impulse im postilluminatischen Schrifttum Weishaupts.............................161 2. Weishaupts pädagogische Lebensleistung..........................................................................183 Appendix Tabellen und Übersichten Chronologische und thematische Übersicht der Schriften Johann Adam Weishaupts.....192 Entwicklungsstufen des Gradsystems...............................................................................194 Übersicht der in der Schwedenkiste verzeichneten quibus licet und Reprochen..............200 Beispiele illuminatischer Tabellen....................................................................................204 Das Themenspektrum illuminatischer pensa....................................................................206 Auswahl von zur Selbstbildung der Ordensmitglieder empfohlener Lektüre...................216 Texte und Materialien Materialien zur Menschenkenntnis und –führung............................................................220 Fragenkataloge für die einzelnen Grade...........................................................................236 Die wissenschaftliche Akademie nach dem Plan des Priestergrades der Illuminaten......240 Verzeichnis der Sigla und Abkürzungen............................................................................246 Quellen- und Literaturverzeichnis.....................................................................................248 1 Wenn sich also in jedem gegebenen Volk die Anzahl der sittlichen Menschen vermehrt, in dem Maaß vermehrt sich die Sittlichkeit eines Volks: und wer einzelne Menschen ins bessere verändert, verbessert das Volk; und mit dieser Verbesserung mehrerer Völker wird das Schicksal der Erde ins bessere verändert. Adam Weishaupt, Verbessertes System der Illuminaten I. Zur Einführung 1. Illuminatismus und Pädagogik Der Illuminatenorden und die in ihm vertretenen Ideen sind nach ihrem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit und dem sich anschließenden offiziellen Verbot in Bayern als Vermessenheit in das Bewußtsein des ausgehenden 18. Jahrhunderts projiziert worden.1 Dies kann nicht verwundern angesichts der Pläne und Aktivitäten dieses Bundes, die dem absolutistischen System verdächtig vorkommen mußten, da sie vordergründig auf nichts weniger als dessen Ablösung gerichtet verstanden werden mußten. Man wird bei eingehender Betrachtung feststellen, daß sich in diesem Orden all jenes in verdichteter Form wiederfinden läßt, das die zu einem eigenen Bewußtsein gelangende bürgerliche Gesellschaft im Zuge der Aufklärung gegenüber der ihr verbindlichen Herrschaftsform als Anspruch formulieren konnte, namentlich die Nivellierung von Standesunterschieden, das Zusammenfinden als Interessengruppe, den Anspruch auf Bildung. Dem Illuminatenorden revolutionäre Sprengkraft im Sinne der Ereignisse von 1789 zu unterstellen, bedeutete jedoch eine Fehleinschätzung2. Obwohl die Ideen der Illuminaten in ihrer Zeit3, in der sich gesellschaftliche Umwälzungen wie die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika und die französische Revolution vollzogen, von seiten vieler Machtausübender als umstürzlerisch verdächtigt 1 Die Initialzündung zu dieser Einschätzung war die von der bayerischen Regierung unterstützte Publikation Einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwackh durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. October 1786 vorgefunden worden. München 1787 (im folgenden OS), die eindeutig einen propagandistischen Zweck verfolgte. Damit begann eine öffentliche Diskussion, die bis hin zu polemischen Fehden führte. Davor hatten sich bereits vereinzelt Stimmen geregt, die jedoch nicht eine solch starke Resonanz gefunden hatten. Hierzu gehört beispielsweise: [Babo, Joseph Marius]: Über Freymaurer, besonders in Bayern. Erste Warnung. [München] 1784. 2 Die als Verschwörungsthese bekannte Vermutung, der Illuminatenorden hätte u.a. den geistigen Hauptanteil an der französischen Revolution und wäre noch dazu verantwortlich für die bis heute andauernde Weltverschwörung, soll an dieser Stelle noch einmal entkräftet werden. Vgl. hierzu auch: Rogalla von Bieberstein, Johannes: Die These von der Verschwörung 1776 – 1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung. Bern 1976. 3 Die Hauptaktivitäten fanden in der Zeit zwischen 1776 und 1785 statt, einige Illuminatenlogen bestanden allerdings weiter. Es wird allgemein angenommen, daß mit dem Tod Johann Joachim Christoph Bodes {Aemilius} im Jahre 1793 die Ordenstätigkeit insgesamt eingestellt wurde; für nähere Hinweise dazu siehe Schüttler, Hermann: Die Mitglieder des Illuminatenordens 1776 – 1787/ 93. München 1991 hier vor allem das Vorwort, in dem der Autor auf die einzelnen Phasen, die der Orden durchlaufen hat, eingeht. 2 wurden, haben sie sich vor allem für die neuere Forschung seit Mitte des 20. Jahrhunderts4 als eine wertvolle Quelle der gesellschaftlichen Innovation erwiesen. Innerhalb der relativ kurzen Zeitspanne von den etwas mehr als zehn Jahren seines Bestehens hat der Illuminatenorden Impulse gegeben, die Wissenschaftler zu Studien u.a. über seine historische, politische oder soziologische Dimension herausgefordert haben. In den meisten dieser Arbeiten wird ihm eine Schlüsselposition bei der Umgestaltung zur modernen Gesellschaft zugestanden. Seine Bedeutung wird beispielsweise deutlich in der Charakterisierung „Prototyp einer radikalen Aufklärergesellschaft“5, die Monika Neugebauer-Wölk gefunden hat. Ein ähnlich vernehmliches Votum gibt in diesem Zusammenhang Klaus M. Kodalle, der konstatiert, daß „die ursprünglichen Anliegen der Geheimgesellschaften [...] inzwischen, im Fortgang der Geschichte, zu anerkannten öffentlichen Angelegenheiten“6 geworden sind. Das von der Illuminatismusforschung in bezug auf den Orden entwickelte Sensorium ist vor allem gerichtet auf dessen Strukturen und Wirkmechanismen, die von verschiedensten Blickwinkeln, wie in neuerer Zeit dem des Esoterischen7, betrachtet werden. Angesichts der großen Erkundungsdichte, welche die Illuminatismusforschung vorweisen kann8 und der Tatsache, daß das 18. Jahrhundert sich als das pädagogische9 verstand, das der Pädagogik, wie Manfred Agethen unterstreicht, den Rang einer Religion10 zugewiesen hat, weil nahezu jede gesellschaftliche Regung von einem sowohl auf Bildung zielenden als auch erzieherischem Impetus getragen wurde, muß der Erziehungswissenschaftler verwundert feststellen, daß bisher über die pädagogische Programmatik des Illuminatenordens und seine damit einhergehenden in erster Linie praktischen Ambitionen keine einzige monographische Arbeit vorliegt. Indizien für die Relevanz einer erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Illuminatenorden lassen sich in großer Fülle innerhalb der Korrespondenz der 4 Den Beginn dieser Forschung markiert Reinhart Koselleck mit seiner Dissertation: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Freiburg i. Br. 1959. 5 Neugebauer-Wölk, Monika: „‚Höhere Vernunft’ und ‚höheres Wissen’ als Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewegung. Vom Nachleben eines Renaissancekonzepts im Jahrhundert der Aufklärung.“ in: M. Neugebauer-Wölk u. H. Zaunstöck (Hgg.): Aufklärung und Esoterik. Hamburg 1999, S. 170 – 210, hier S. 171. 6 Kodalle, Klaus M.: „Der Ruf nach Eliten.“ in: Kritisches Jahrbuch der Philosophie. Beiheft 2 (1999), S. 5 – 23, hier S. 14. 7 Hierzu ist vor allem die vom Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA) in Halle ausgehende Diskussion zu nennen. 8 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Umfang und Geschichte der Illuminatismusforschung in folgenden Abschnitt. 9 Dieser im 18. Jahrhundert gängige Terminus bedarf im Grunde keiner weiteren Klärung. Ulrich Herrmann hat ihn in: Schneiders, Werner: Lexikon der Aufklärung. Stuttgart 1995, S. 110 Johann Heinrich Campe zugeschrieben. Bei Franz Neumann: Der Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte der Erziehung im achtzehnten Jahrhundert. Halle 1930, S. 1 wird er Friedrich Immanuel Niethammer zugewiesen. Tatsächlich muß man jedoch annehmen, daß das Bemühen um eine personenbezogene Zuschreibung müßig wäre. 10 Agethen, Manfred: Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung. München 1984, S. 165 3 Ordensmitglieder, anhand des Procederes der Ordensversammlungen, des Gradsystems und nicht zuletzt der Schriften des sich im Orden Spartacus nennenden Gründers Johann Adam Weishaupt (1748 – 1830) ausmachen. Daraus wird erkennbar, daß Erziehung und Bildung als maßgebliche Beförderungsmittel zur Erlangung dessen fungieren sollten, was als Ziel aller Aktivitäten des Ordens angesehen wurde, die Vollkommenheit des Menschen. Dem Handeln wies Weishaupt den Primat zu, „denn nicht nur durch Reden, sondern durch Handlungen wird die Ehre des Ordens am meisten geschützt.“11 Maximen wie diese prägten das Ordensprogramm und eben diese pragmatische Ausrichtung gab einem Pädagogen wie Pestalozzi den entscheidenden Anstoß zum Eintritt in den Orden.12 Zwar ist das Fehlen einer einschlägigen Monographie zur Pädagogik der Illuminaten zu beklagen, doch sind Verweise auf die pädagogische Dimension des Illuminatismus in der mittlerweile reichlich vorhandenen Sekundärliteratur allenthalben zu finden, vor allem Arbeiten von Historikern weisen immer wieder auf das illuminatische Lehr- bzw. Erziehungssystem hin. Eines der frühen Standardwerke zum Illuminatenorden von René LeForestier aus dem Jahre 1914 verwirft jedoch den Gedanken einer eventuellen pädagogischen Relevanz des Ordens, obwohl die Quellenlage bereits damals ein anderes Bild darbot: « En réalité la valeur éducatrice de l´Ordre était nulle parce que la plupart des théories dont son fondateur etait le plus fier, non seulement sont fausses ou inapplicables, mais encore vont directement à l´encontre du but poursuivi. »13 Dem entgegen steht beispielsweise das durch Julie von Zerzog an uns gekommene Urteil des Grafen von Montgelas {Musaeus}14, „Der Minerval-Grad des Illuminaten-Ordens [...] war der Inbegriff der menschlichen Tugend. Es gibt nichts Edleres, nichts Erhabeneres als das, was man da vom Menschen verlangte.“15 Ebenso verteidigt Franz Maria Freiherr von Bassus {Hannibal} das Ordenssystem und stellt fest, ihm hätten die „bekannten Grade dieses Ordens und Einrichtungen, in jedem Betracht höchstrühmlich und bewundernswert geschienen; da sie nichts als wahre Tugend, 11 Bassus, Thomas Franz Maria Freiherr von: Vorstellung, denen hohen Standeshäuptern der erlauchten Republik Graubünden in Ansehung des Illuminatenordens auf hohen Befehl vorgelegt. [Nürnberg] 1788, S. 62 12 Siehe dazu: Friedrich, Leonhard: „Makler zwischen Macht und Moral? Pestalozzis Stellungnahme zur Französischen Revolution.“ in: K.-J. Flessow u. F. Jacobs: Pädagogisches Denken im Bannkreis der Französischen Revolution. Bochum 1998, S. 229 – 261, hier S. 237. 13 LeForestier, Renè: Les Illuminés de Bavière et la franc-maçonnerie allemande. Paris 1914, S. 82 14 Zur Ergänzung und besseren Orientierung werden die Ordensnamen von Mitgliedern oder Orten bzw. die entsprechenden Klarnamen jeweils in geschweifte Klammern gesetzt. Informationen zu den einzelnen Persönlichkeiten sind in prägnanter, nicht zu überbietender, Form bei Schüttler, Mitglieder zu finden; hier S. 170. Nach Auskunft des Autors steht die überarbeitete und ergänzte Auflage dieses Werkes zu erwarten. Der Verfasser möchte an dieser Stelle für die Überlassung des Typoskripts vor der Drucklegung danken. Angaben, die der ersten Fassung noch nicht berücksichtigt sind, wurden diesem entnommen und mit MitgliederNEU gekennzeichnet. 15 zitiert nach: Weis, Eberhard: Montgelas. Bd. 1: Zwischen Revolution und Reform 1759–1799. München 1971, S. 40. 4 Wissenschaften, und eine genauere Erfüllung der christlichen und bürgerlichen Pflichten zum Gegenstand haben“.16 In Übereinstimmung mit diesen Auffassungen würdigt Jacques d’Hondt ganz explizit das pädagogische Anliegen des Illuminatengründers: „Tatsächlich setzte er in der Hauptsache auf die Erziehung. Er glaubte, daß man alles dank einer guten Bildung und Erziehung umgestalten könne [...]. Wenn sich später Spuren des Illuminatentums im Preußen Hardenbergs und Altensteins finden sollten, dann womöglich gerade in seinem – übrigens verdienstvollen – Bemühen um den Aufbau des öffentlichen Bildungswesens.“17 Das eindeutig positive Urteil d’Hondts über die pädagogische Intention und Leistung des Ordens bereitet damit den Boden für eine erziehungswissenschaftliche Betrachtung. Auch Michael Fischer hat in seiner Studie ganz nachdrücklich darauf hingewiesen, daß mit den Reformideen des Ordens ein bildungspolitischer Anspruch verbunden ist: „Der Orden ist nunmehr ein auf Reform der ganzen Gesellschaft hin orientiertes Bildungssystem“18 Diesem System geht er in seiner Arbeit lediglich deshalb nicht auf den Grund, weil sie nicht als erziehungswissenschaftliche angelegt ist. In einem Aufsatz über das Verhältnis Pestalozzis {Alfred}19 zur französischen Revolution stellt Leonhard Friedrich die pädagogische und damit verbunden politische Akzentuierung der Illuminaten heraus, indem er anmerkt: „Das pädagogische und politische Programm der Illuminaten zielte über die Vervollkommnung des einzelnen auf Verbesserung des Gemeinwesens und der Verhältnisse überhaupt. Diese Hauptaufgabe sollte – im Sinne der Aufklärung – auf dem Wege der Erziehung, durch eine geistig-moralische Reform, gelöst werden.“20 Die gesamte Bandbreite an pädagogischen Bemühungen, mit denen der Illuminatenorden Wirksamkeit erlangen wollte, faßt Bassus {Hannibal} wie folgt zusammen: „Wohl der Menschheit, Beförderung ungeheuchelter Tugend und nützlicher Wissenschaften.“21 All diese Charakterisierungen erweisen sich innerhalb des pädagogischen Programms des Ordens als zutreffend, es gilt daher, den einzelnen Momenten nachzuspüren und sie im Detail aufzuzeigen. In Ansätzen ist dies bereits geschehen, wie die Arbeit von Gudrun Burggraf aus dem Jahre 1967 beweist. Burggraf stellt den Philanthropen und Pädagogen Christian Gotthilf 16 Bassus, S. 95 17 d’Hondt, Jacques: Verborgene Quellen des Hegelschen Denkens. Berlin 1972, S. 57 18 Fischer, Michael W.: Die Aufklärung und ihr Gegenteil. Die Rolle der Geheimbünde in Wissenschaft und Politik. Berlin 1982, S. 217 19 Johann Heinrich Pestalozzi {Alfred} gehört neben solchen Persönlichkeiten wie dem Leiter von Schulpforta Johan Gottfried Geißler {Quintus Cicero} oder auch dem Lehrer Schillers Jakob Friedrich von Abel {Pythagoras Abderitis} zu einer Reihe von Pädagogen, die im Illuminatenbund eine Plattform zur Verwirklichung ihrer Ideen sahen. 20 Friedrich, „Makler“, S. 238 21 Bassus, S. 6 5 Salzmann22 in die Nähe der Illuminaten und zeigt Verbindungen zu anderen pädagogischen Konzepten der Zeit auf. Was hier angerissen wird, wurde von Christine Schaubs Mitte der neunziger Jahre wieder aufgenommen und vorwiegend unter institutionsgeschichtlichem Aspekt ausgebaut, dabei gelang der Autorin der Nachweis darüber, daß das Philanthropin Schnepfenthal als illuminatische Pflanzschule anzusehen ist, bei deren Gründung beispielsweise der Volksaufklärer und Illuminat Rudolph Zacharias Becker {Henricus Stephanus} eine zentrale Rolle innehatte.23 Jedoch waren für derartige Projekte nicht alle damals etablierten pädagogischen Einrichtungen gleichermaßen geeignet: „Die angestrebte Revolution des menschlichen Charakters konnte ihren Anfang nicht in herkömmlichen Bildungseinrichtungen nehmen, denn die dort praktizierte Wissensvermittlung widersprach den Zielen der Illuminaten, ganz zu schweigen von den Methoden der Erziehung.“24 Einen richtungweisenden Vorstoß in bezug auf das Verhältnis von Illuminatismus und Pädagogik hat Manfred Agethen in seiner Dissertation Geheimbund und Utopie von 1984 gewagt. Agethen spricht drei relevante Aspekte innerhalb der illuminatischen Pädagogik an. Zunächst nennt er die Verbindung und Verschränkung der Ideen von Illuminatismus und Philanthropismus, denn führende Philanthropen waren aktive Mitglieder des Ordens. Darüber hinaus wendet er sich den illuminatischen Aktivitäten innerhalb der Volksaufklärung zu, wobei die Tätigkeit Rudolph Zacharias Beckers {Henricus Stephanus} im Mittelpunkt steht. Sein dritter Abschnitt, den er als ‚utopisches Modell im Erziehungssystem der Illuminaten’ überschreibt, geht vor allem auf die Erziehungspraxis in den unteren Graden ein. Agethen empfindet die illuminatischen Bildungsmittel als nicht ungefährlich im Hinblick auf die Manipulierbarkeit der Adepten. Er glaubt, sie wurden eingesetzt, um die Illuminaten „gefügig, einsetzbar, beherrschbar“25 zu machen. Aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Quellen ist diese Beurteilung verständlich, dennoch ist sie bei näherer Betrachtung wenn überhaupt, nur im Einzelfall zutreffend. Nichtsdestotrotz kann diese Arbeit als einer der Grundsteine für 22 Burggraf, Gudrun: Christian Gotthilf Salzmann im Vorfeld der Französischen Revolution. Germering bei München 1966; Salzmanns Nähe zum Orden ist verbrieft, doch konnte bislang nicht nachgewiesen werden, daß er echtes Mitglied der Verbindung war. Vgl. hierzu einen Brief Salzmanns an seinen Pflegesohn und späteren Nachfolger Johann Wilhelm Ausfeld, den er diesem während seiner Ausbildung zum Lehrer am Dessauer Philanthropin schrieb: „Wenn meine Gesellschaft die Freyheit, die ich ihr verschafft habe, behaupten will: so muß sie practisch seyn und die Kunst verstehen, durch ihre eigenen Kraft etwas zu wirken und zu substituiren.“ Christian Gotthilf Salzmann an Johann Wilhelm Ausfeld Schnepfenthal, 10. 1. 1794 in: Salzmannarchiv Schnepfenthal. Obwohl Salzmann die Nähe geheimer Gesellschaften gesucht hat, belegt dieses Dokument, daß es ihm ein Anliegen war, autark zu operieren. 23 Die Autorin hat in ihrem Artikel darauf hingewiesen, daß ihr Dissertationsprojekt die Beziehungen Salzmanns zum Illuminatenorden und dessen pädagogischer Ausrichtung thematisiert. Diese in nächster Zeit zu erwartende Arbeit wird dazu beitragen, die oben angesprochene Forschungslücke zu schließen. 24 Schaubs, Christine: „Die Illuminaten und ihre Bemühungen um eine Reform der Pädagogik im Zeitalter der deutschen Spätaufklärung. Dargestellt an der Quellenforschung zu Christian Gotthilf Salzmann.“ in: Tau Nr. 1 (1995), S. 46- 65, hier S. 49

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.