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Der arme Heinrich PDF

68 Pages·1972·3.237 MB·German
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ALTDEUTSCHE TEXTBIBLIOTHEK Begründet von Hermann Paul Fortgeführt von G. Baesecke Herausgegeben von Hugo Kuhn Nr. 3 Hartmann von Aue Der arme Heinrich Herausgegeben von Hermann Paul 14., neu bearbeitete Auflage besorgt von Ludwig Wolff MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1972 1. Auflage 1882 2. Auflage 1893 3. Auflage 1904 4. Auflage 1907 5. Auflage 1912 6. Auflage 1921 7. Auflage 1930 8. Auflage 1941 besorgt von Albert Leitzmann 9. Auflage 1949 10. Auflage 1953 11. Auflage 19S8 besorgt von Ludwig Wolff 12. Auflage 1961 13. Auflage 1966 Geb. Ausgabe ISBN 3-448-20060-x Kart. Ausgabe ISBN 3-448-20061-8 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1972 Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany Satz: Karl Schenk, Reutlingen-Sondelfingen Druck: Karl Grammlich, Pliezhausen Einband von Heinr. Koch, Tübingen VORWORT Der Arme Heinrich Hartmanns erweist mit seiner reinen Geistig- keit und der anmutig klaren Form immer wieder seinen Reiz. Schon viele Germanisten haben ihn in der Ausgabe von Hermann Paul gelesen, die 1882 erstmalig erschienen ist. In der 7. Auflage (1930) hatte sie Albert Leitzmann übernommen und sie gründ- lich durchgearbeitet und in Orthographie und Lautform nach den neueren Anschauungen über Hartmanns Sprache normalisiert. Seinem Text war namentlich auch die Ausgabe von Erich Gierach zugute gekommen, die das Überlieferte behutsam prüft und alles, was wir überhaupt über Sprache, Stil und Verskunst Hartmanns er- mitteln können, dafür heranzieht. Während Paul ihm gegenüber noch große Zurückhaltung gezeigt hatte, erkannte Leitzmann die Herstellung Gierachs in den meisten Fällen an. Freilich wies er mit ihm auf die starke Durchsetzung des überlieferten Textes mit überschüssigen Formwörtern (auch gerade in der Straßburger Handschrift) hin, die es unmöglich mache, in jedem Einzelfall herauszufinden, welche unecht sind. Die Überlieferung, die schlechter sei als selbst beim Erec mit seiner späten Handschrift, schließe es aus, den originalen Wortlaut auch nur annähernd wie- derzugewinnen, bestenfalls, so sagte er mit Gierach, könne man den Armen Heinrich so herstellen, wie ihn Hartmann gedichtet haben könnte. „Ich habe deshalb auch im quälenden Gefühl die- ser Unsicherheit des Bodens den meisten von mir in der Rezen- sion von Gierachs zweiter Auflage vorgeschlagenen, oft radikalen Eingriffen den Zugang zum Text verschlossen." Schon damals habe ich den Armen Heinrich mit Leitzmann zu- sammen durchgearbeitet und viele Einzelheiten mit ihm erörtert, V er hatte auch eine Reihe von Besserungsvorschlägen aufgenom- men, und so habe ich die Ausgabe mit der 10. Auflage in meine Obhut übernommen, zunächst ohne größere Änderungen. Ich er- wähne die Einschränkung der Elisionspunkte, die Leitzmann erst in den späteren Auflagen so ausgiebig verwendet hatte, auch wo es zu unnatürlicher und unschöner Rhythmisierung führte. Voll- ständige Vermeidung des Hiatus ist für Hartmann nicht zu bewei- sen, und auch Leitzmann hat ihn trotz allem durchaus nicht in al- len Fällen tilgen können. Ähnlich wie in anderen Dingen darf man aus einem feststellbaren Streben, das dem Empfinden für das Schöne folgt, keine starre, rücksichtslos durchzuführende Regel machen. In der 11. und 13. (sowie 14.) Auflage sind die Literaturan- gaben ergänzt. Unbedeutende Berichtigungen im Text betreffen die Orthographie und die Interpunktion. Bei den Adjektivbildun- gen auf -ec, -ic habe ich die Regel der Hs. A durchgeführt: -eclich immer mit e, sonst aber nur ic. Für die Superlativendung habe ich auch das e von A eingesetzt. Geändert habe ich — veranlaßt durch die Einwendungen von Fr. Neumann, Zfd Ph. 75, 242 - V. 404, wo übermuotes je- der handschriftlichen Grundlage entbehrt. Bei vollkommen ent- sprechender Überlieferung ist es nicht berechtigt, V. 404 anders zu behandeln als V. 82. Vgl. hierzu die Überlieferung Parz. 219, 22; Willeh. 268, 28; 372, 18; Biterolf 7713; 10915; Pilgerfahrt des tr. Mönchs 8716. Für V. 390 habe ich eine andere Besserung ver- sucht. Bei V. 1010 bin ich zur Überlieferung zurückgekehrt. In der 14. Auflage forderte das neugefundene Benediktbeurer Bruchstück Berücksichtigung. Auch sonst schienen allerlei Ände- rungen und Ergänzungen angebracht. Nach dem, was sich bei der Neubearbeitung des Iwein ergab, habe ich auch die Formen ode und seiher durchgeführt. Fräulein Dr. Gesa Bonath danke ich herzlich für ihre Hilfe bei der Korrektur. Marburg, im Herbst 1971 Ludwig Wolff VI EINLEITUNG Unter den Werken Hartmanns, mit denen sich die deutsche Phi- lologie dauernd beschäftigt hat1, wird der Arme Heinrich jetzt allgemein zwischen den Gregorius und den Iwein gesetzt2. Na- mentlich die Beobachtungen über Reimtechnik und Sprachfor- men weisen daraufhin3. Nach A. Schirokauer, ZfdA. 83, 59 fiele der Arme Heinrich jedoch in eine Arbeitspause am Iwein nach den ersten 1000 Versen. Zur absoluten Chronologie jetzt Fr. Neu- mann in den Studien zur dt. Phil, des Mittelalters (Festschr. f. Fr. Panzer, 1950) 59 sowie ZfdA. 75 (1956), 225. Der Arme Heinrich wäre danach wohl um 1195 anzusetzen. Abweichende Auffassungen über die chronologische Folge bei W. Schröder, DVjs. 31 (1957), 275. 1 Eine eingehende Behandlung aller mit Hartmann zusammenhängenden Fragen gab G. Ehrismann, Gesch. d. dt. Lit. bis zum Ausgang des Mit- telalters 2, 2 (München 1927), 196. Vgl. auch H. Sparnaay, Hartmann von Aue, Halle 1933 u. 1938, mit Bibliographie Bd. 2, 107 ff. und P. Wapnewski, Hartmann v. Aue (Sammlung Metzler), 4. Aufl. 1969. 2 So schon von Benecke (zu Iw. 22), von Haupt (Einleitung zu seiner Ausgabe S. XIX), von E. Naumann (ZfdA. 22, 42). Früher wurde er von manchen als das letzte Werk betrachtet, z. B. von Fr. Saran, Hartmann von Aue als Lyriker, HaUe 1889, S. 46. 106; Beitr. 24, 30. 65, von F. Bech, Ausgabe Hartmanns3 1, X, von A.Schön- bach, Über Hartmann von Aue, Graz 1894, S. 455, von F. Piquet, Étude sur Hartmann d'Aue, Paris 1898, S. 357. 3 Vgl. namentlich Κ. Zwierzina, Beobachtungen zum Keimgebrauch Hart- manns u. Wolframs (Abh. zur germ. Phil, für R. Heinzel, Halle 1898) S. 437, besonders S. 451 Anm. 2. 497 u. ZfdA.44,36. 52. 66; 45, 253. 269. 310. 355. 369. 389; ferner B. J. Vos, The diction and rimetechnic of Hartmann von Aue, New-York u. Leipzig 1896, Sparnaay, ZfdA. 67 (1930), 23. VII Während uns für die übrigen erzählenden Dichtungen Hart- manns seine Vorlagen bekannt sind, entzieht sich die Quelle für den Armen Heinrich unserer Kenntnis. Ein deutliches Zeugnis dafür, daß er eine Vorlage, und zwar eine schriftliche Aufzeich- nung gehabt hat, geben seine eigenen Worte V. 16 u. 29; darauf, daß sie in einer fremden Sprache abgefaßt war, weist der Aus- druck diuten V. 16. Man wird an die lateinische Erzählung eines deutschen Geistlichen denken müssen, dem das Buch Hiob ver- traut war. Auf eine französische Dichtung deutet nichts; eine an- dere Anknüpfung und landschaftliche Festlegung der Erzählung, die dort kaum hätte fehlen können, hätte Hartmann nach seiner Art schwerlich durch die deutsche ersetzt, die im engsten heimat- lichen Kreise bleibt. Es ist anzunehmen, daß er in der Vorlage für die Handlung schon die wesentlichen Züge vorgefunden hat. Die Verbindung mit dem Geschlecht von Aue braucht nicht dazuzu- gehören. Hartmann hat sich den Helden wohl als einen Vorfahren seiner Dienstherren gedacht. In der geistigen Durchdringung und der lebendigen menschlichen Ausgestaltung wird niemand seine dichterische Eigenleistung bezweifeln4. Wenn uns die unmittelbare Vorlage Hartmanns fehlt, so ist bisher auch noch keine nah verwandte Erzählung nachgewiesen. Der Glaube, daß der Aussatz durch Menschenblut, besonders durch das Blut unschuldiger Kinder, zu heilen sei, ist alt und weit verbreitet und erscheint auch häufig als Sagenmotiv5. Plinius der Ältere berichtet (Nat. hist. 26,8): Aegypti peculiare hoc malum 4 Eine kurze lateinische Fassung der Geschichte von Henricus oder Al- bertus pauper ist in zwei Breslauer Predigtsammlungen des 14. und 15. Jhs. auf Grund älterer Vorlagen erhalten und von J. Klapper (Er- zählungen des Mittelalters, Breslau 1914, S. 233) ans Licht gegeben. Sie war schwerlich die Quelle Hartmanns, wie jetzt H. Rosenfeld ZfdA. 98 (1969), 50 wieder wahrscheinlich machen will. Nach C. v. Kraus in der Festgabe S. Singer, Tübingen 1930 fußten die beiden Exempelfas- sungen auf der Dichtung Hartmanns, während Sparnaay, Hartmann v. Aue Bd. 2, 5 (vorher Verschmelzung legend, und weltl. Motive in der Poesie des Mittelalters, Groningen 1922, S. 118) Gründe für die Her- kunft beider Seiten aus einer gemeinsamen Quelle vorbrachte. 5 Vgl. darüber die Ausgabe der Brüder Grimm S. 172, die von Wackernagel- Stadler S. 189, P. Cassel im Weim. Jahrb. für dt. Sprache, Lit. und Kunst VIII (der Aussatz) et, cum in reges incidisset, populis funebre, quippe in balneis solia temperabantur humano sanguine ad medicinam earn. Weit verbreitet waren namentlich zwei Erzählungen, die hierher gehören. Die eine war die legendarische von der Bekeh- rung Konstantins, die u. a. in der Kaiserchronik und im Silvester Konrads v. Würzburg behandelt ist6. Wie im Armen Heinrich ver- zichtet hier der Aussätzige - der Kaiser ist es - im letzten Augen- blick auf die Durchführung, auf die Opferung der Kinder und wird dafür von Gott geheilt. Der sich selbst überwindende Ver- zicht des Kranken und als Lohn die Gnadenheilung, die ihm von Gott zuteil wird, bilden hier Gipfel und Sinn der Handlung. Bei der andern, der Sage von Amicus und Amelius, die auch dem En- gelhard Konrads v. Würzburg zugrunde liegt7, wird das Opfer wirklich vollzogen und fuhrt die Heilung herbei. Hier geht es nur um die des schwersten Opfers fähige Freundestreue, in einer Epi- sode der Queste del Saint Graal® aber um die reine Caritas der ihr Leben hingebenden Jungfrau, die hier das Opfer sein mufi>. Beide Typen sind bei Hartmann verbunden9. G. Eis, Forschungen u. Fortschritte 31 (1957), 77 ff. vergleicht die (doch recht abweichende) Erzählung von der Heilung Roberts von der Normandie in Salerno und Volksüberlieferungen von ri- tueller Nacktheit. I, 408 und Die Symbolik des Blutes und der Arme Heinrich, Berlin 1882; H. Strack, Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit', Mün- chen 1900 und das Handwb. des dt. Aberglaubens unter „Aussatz" und „Blut". 6 Vgl. zur Legende von Konstantin und Papst Silvester W. Grimms Einlei- tung zu Konrads v. W. Silv. S. XII; H. F. Maßmann, Die Kaiserchronik III, Quedlinburg und Leipzig 1854, 854;G. Prochnow, ZfdPh. 33 (1901), 145, auch E. Fr. Ohly, Sage und Legende in der Kaiserchronik, Münster 1940, 105. 7 Vgl. Kolbing, Beitr. 4, 271, P. Gereke, Engelhard, Halle 1912,IX; wei- tere Nachweise bei Ehrismann, Schlußband (1935), 49 A. 1. 8 Nacherzählt in der Ausgabe des Armen Heinrich von den Brüdern Grimm S. 180. Vgl. K. Ruh, Wolfram-Studien hg. v. W. Schröder (Ber- lin 1970), 255. 9 Hierzu die S. XVI genannte Arbeit von Kurt Ruh. IX Die Überlieferung des Armen Heinrich ist leider so unzurei- chend, daß vieles unsicher bleibt, sogar der Versbestand. Vollstän- dig ist die Dichtung nur in drei Pergament-Sanunelhandschriften des 14. Jhs. auf uns gekommen, die nur den Wert von zweien ha- ben. Weitaus am besten war eine Straßburger Handschrift (A), die im Jahre 1870 verbrannt ist10. Sie war jedoch durchaus nicht ein- wandfrei, läßt auch die Negation en- schon oftmals fort. Ver- schiedentlich ist nachzuweisen, daß sie Verse ausgelassen hat. Er- gänzungen aus andern Hss. sind in der Ausgabe mit Buchstaben bezeichnet (auch die zwei stark verderbt in A überlieferten, von Lachmann und Haupt verworfenen, aber als echt gesicherten Verse 852a.b). Weiter findet sich der Arme Heinrich in einer Heidelber- ger Hs., Cod. pal. germ. 341 (Ba), die wohl bald nach 1300 ge- schrieben ist, vielleicht in Böhmen. Eine weitere Hs. aus der erz- bischöflichen Bibliothek zu Kalocsa (Bb)11 ist jetzt verschollen. Sie ist zur gleichen Zeit in derselben Schreibstube entstanden und teilweise auch von Ba abgeschrieben12. Für den Armen Heinrich gilt das trotz engsten Zusammengehens nicht, lOmal (dabei V. 7/8 und 357) bringt sie nach dem Zeugnis von A den besseren Wort- laut. Die Übereinstimmung beider Handschriften zeigt, daß sie an der Vorlage kaum geändert haben. Diese, die Fassung B, ist mit dem Text sehr frei umgesprungen, versetzt oftmals Verse an an- dere Stellen und hat viele neu gedichtet, während andere fehlen. Man hat den Eindruck, daß sie nach dem Gedächtnis geschrieben ist. Ein Zusatz am Schluß läßt den Armen Heinrich und seine kone ins Kloster gehen. Trotz ihrer Unzulänglichkeiten kann Β in manchen Fällen doch gegen A das Echte bieten. Das bezeu- 10 Abgedruckt in C. H. My Hers Sammlung deutscher Gedichte aus dem 12., 13. u. 14. Ih. I, Berlin 1784, 197. Die Brüder Grimm haben die Hs. noch in Strafiburg mit dem Abdruck verglichen. 11 Abgedruckt v. J. N. Mailath u. P. Köffinger, Der Kaloczaer Codex alt- deutscher Gedichte, Pest 1817. 12 Vgl. Zwierzina in der Pestschrift Max H. Jellinek, Wien 1928, 209. Dazu H.-G. Richert, Beitr. 88 (Tübingen 1967), 347. Eine sorgfältige Abschrift der Hs. von Otto Lippstreu hat das Germanische Seminar der Universität Hamburg. Zum Schicksal der Hs. s. Herbert Wolf, ZfdPti. 90(1971), 99 f. X

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