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Denkweisen großer Mathematiker: Ein Weg zur Geschichte der Mathematik PDF

103 Pages·1961·2.98 MB·German
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Herbert M esckkowski Denkweisen groBer Mathematiker HERBERT MESCHKOWSKI Denkweisen groBer Mathematiker Ein Weg zur Geschichte der Mathematik Mit 18 Abbildungen 2., uberarbeitete Auflage FRIEDR. VIEWEG & SOHN BRAUNSCHWEIG Herbert Mesăzkowski, Dr. phil. ist o. Professor an der Pădagogismen Homsmu\e Berlin und apl. Professor an der Freien Universităt Berlin ISBN 978-3-322-97949-0 ISBN 978-3-322-98516-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-98516-3 1967 © 1961 by FRIEDR. VIEWEG & SOHN GMBH, VERLAG, BRAUNSCHWEIG Alle Rechte vorbehalten Offsetdruck: Ernst Hunold, Braunschwe!g Best.·Nr. 8179 Vorwort Wer die Grundlagenprobleme der modemen Mathematik verstehen will, muB sich zuerst mit der Geschichte der Mathematik befassen. Der Sinn des modemen Formalismus etwa geht einem an den Schwierigkeiten auf, die der klassischen Konzeption yom Wesen der Mathematik im 19. Jahr hundert erwuchs. Es ist aber fiir den modemen Mathematiker nicht so ganz leicht, einen Zugang zur Geschichte seiner Wissenschaft zu finden. Die meisten Schriften zu diesem Thema sind um eine umfassende und nichts Wichtiges iibersehende Darstellung bemiiht. Auf diese Weise nehmen in den diinnen Biichem die Aufzahlungen von Namen und Jahreszahlen einen relativ breiten Raum ein. Aber auch in den weiter angelegten Schriften kann iiber die Leistungen der einzelnen Forscher immer nur einigermaBen summarisch berichtet werden. Es erscheint deshalb der Versuch berechtigt, die gewiB wichtigen und unentbehrlichen Gesamtdarstellungen (einer Zeit, einer Personlichkeit) durch einen andersartigen Zugang zur Geschichte der Mathematik zu erganzen. Wir verzichten ausdriicklich auf Vollstandigkeit und wollen versuchen, an einzelnen ausfiihrlicher dargestellten Exempeln die Denk weise der Mathematiker vergangener Jahrhunderte lebendig werden zu lassen. Die Auswahl, die hier getroffen wurde, ist naturgemaB einigermaBen willkiirlich. Wir hiitten zum Beispiel Nikolaus von Cues und Georg Boole weglassen und dafiir Newton und Euler aufnehmen konnen. Immerhin das wollen wir gem gestehen - haben wir bei der Auswahl eine gewisse Absicht walten lassen. Man sagt gelegentlich, daB der modeme Mathe matiker in einer Art Ghetto lebt, in einer selbstgewahlten Isolierung, aus der es kaum einen Zugang gibt zu Problemen, die nicht mit dem mathematischen Kalkiil angefaBt werden konnen. In friiherer Zeit war das anders, und einige unserer Beispiele sind ausgewii.hlt worden, um das nachzuweisen. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daB wir heute wie einst Georg Cantor die Mathematik zur dienenden Magd einer sich wissenschaftlich gebenden Metaphysik machen oder sie nach dem Vorbild des Cusaners ala Beispiel sammlung fiir philosophische oder theologische Deduktionen benutzen sollten. Das ist nach der Grundlagenkrise um die J ahrhundertwende nicht mehr gut moglich. Der Beitrag der Mathematik zum philosophischen v Gesprach unserer Tage ist anderer Art: Er liegt nach unserer Auffassung 1) im Bereich der Erkenntniskritik, nicht in der Metaphysik. Gerade der Blick auf die Geschichte unserer Wissenschaft ist geeignet, diesen Wandel deutlich zu machen. Oft, besonders in den letzten Kapiteln, haben wir den Forschern selbst das Wort gegeben. Einige der dabei zitierten Briefe werden bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal veroffentlicht: 1. Der Brief von H. A. Schwarz an Georg Cantor (Kap. VIII) und der von Georg Cantor an Pater Esser (Kap. IX) wurden uns freundlicher weise von privater Seite zur Verfugung gestellt. 2. Der Brief von Georg Cantor an F. Goldscheider (Kap. IX) stammt aus der Niedersachsischen Staats- und Universitatsbibliothek Gottingen. Das Literaturverzeichnis am SchluB des Buches (Hinweise auf die Nummern in eckigen Klammern) will zu weiterer Arbeit anregen. Berlin, im Juni 1961 Herbert M eschkowski 1) Siehe dazu Lit.-Verz_ [A 12] Kap_ XIII. VI Inhaltsverzeichnis I. Die Pytkagoreer ........................................... 1 1. Der Orden .• • . . . • . . • • . . . • • • • . • • • . • • . • • • • • • . . • • . . • . . . . • . • • . • . • . . . . . • 1 2. Der Weg zu den "pythagoreischen Zahlen" .•...•..•...••.•.....•..•••• 3 3. Die Entdeckung der stetigen Teilung ••.•..••.••..••.••.•.•......••••• 6 II. Archi'l'1tedeB ••.••.••.......•••....................•....... 15 1. Die Anwendbarkeit der Mathematik ..••.•...•...•..••.•.•.•••..•••.•• 15 2. Die Oberflii.che der Kugel •••••.••••••..•••••...•.••..•••.•....•••..• 17 3. Ein heuristisches Verfa.hren •..•..••.•••.•.........••.•••••.•..••...•. 22 III. Nikolaus von Oues •••.................................... 26 1. Von der "wissenden Unwissenheit" •••.••.••...••.•...••...••••••••••• 26 2. Die Quadratur des Kreises ••••••••••••••••••••••.•••••.•••••.••••••• 28 IV. Blaise Paaca1 ............................................ 33 1. Der Weg eines Wunderkindes .••....••.•..••.••.••...•...••.••••••••• 33 2. Das Prinzip'der vollstindigen Induktion ••..•...•...•.....••••••..•••• 35 3. "Vom geometrischen Beweis" ...••..•............••......••.•.••..••• 42 V. Gottfried Wilhelm Leibniz .......•.......................... 44 1. Der Polyhistor •..•••..•..••.•..........••.•.....•....•...........•• 44 2. Das "harmonische Dreieck" .•.•.•••.•....•...•..•......••.•....•••••. 46 3. Die Leibnizsche Reihe ••••••••..•.•....•..••...•.•....••..•...•.••.. 50 4. Das "Unendlich Kleine" .••....••..•.•....•....•..•.....•.....•..••• 52 VI. Oarl Friedrich GaufJ ...................................... 55 1. "Princeps Mathematicorum" •••.....•.....••..••...•.••..•....••..••• 55 2. Analytischer Beweis des FundamentaJsatzes der Algebra ......•...•••••. 57 VII. George Boole ............................................ 63 1. Der Autodidakt . • . • • • . . . . • • . • • . • • . . • . • • • . . • . . • . . . • . . • . • • . • . . . . . . .• 63 2. Eine neue Algebra •........•...........•......•........•.•...•..•.•. 66 3. Anwendung auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung •..•..•.....••..••.••.• 71 4. Boolesche Algebra heute •••..•..••..•.••...•..•..••...••••..•••.•••• 72 VII VIII. WeierstrafJ und 8eine Schute .............................. 76 1. Arithmetisierung der Analysis •..•....•...•......................... " 76 2. Ein Brief von H. A. Sohwarz an Georg Cantor ...................•.•••• 78 IX. Georg Oantor •.......................................... " 80 1. Ein umstrittenes "Paradies" ..........•.............................. 80 2. Ein Brief von Georg Cantor an F. Goldsoheider ........................ 83 3. Beispiel einer nioht abzii.h1baren Menge .............................. " 90 Literaturverzeichni8 ........................................... 92 N arnenverzeichni8 ............................................ 95 I. Die Pythagoreer In der Tat hat ja alles, was man erkennen kann, Zahl. Denn es ist nicht mOglich, irgend etwas mit dem Gedanken zu erfussen oder zu erkennen ohne diese. Philolaos aus Kroton1) 1. Der Orden Die Urspriinge der Mathematik liegen im Dunkeln. Der Historiker, der etwa die Geschichte der Mathematik im alten Agypten erforschen will, muB seine Einsichten aus dem Studium von nur drei groBeren Doku menten (und einigen Fragmenten) herleiten ([I 6], S. 15). Diese Papyri waren Rechenanleitungen fiir den praktischen Gebrauch: Die Beamten des Pharao sollten daraus lernen, wie man Lohnsummen berechnet oder den Bedarf an Getreide fiir das Backen einer bestimmten Menge Brot. Der auf sehr praktische Ziele gerichtete "Papyrus Rhind" beginnt aber trotzdem mit gewagten Versprechungen. Er kiindigt "kunstgerechtes Eindringen in aIle Dinge, Erkenntnis alles Seienden, aller Geheimnisse" an. Tatsachlich werden aber nur die "Geheimnisse" des Multiplizierens und Dividierens enthiillt. Hinter diesem anspruchsvollen Satz steht offenbar die in den alten Kulturen allgemein verbreitete Auffassung, daB die Gesetze der Zahl nicht nur eine praktische, sondern auch eine mystische oder religiose Bedeutung haben. Diese Denkweise werden wir spater auch noch bei den Pythagoreern vorfinden. Erst bei den Griechen ist aus der praktischen MeB- und Rechenkunst und dem mystischen Zahlenspiel jene axiomatisch fundierte und streng beweisende Wissenschaft gewachsen, die wir heute als Mathematik be zeichnen. Die Epoche der Pythagoreer ist dabei fiir den an kultur geschichtlichen Zusammenhangen interessierten Historiker der Mathe matik besonders wichtig, weil hier uralte mystische Beziige neben zahlen theoretischen oder geometrischen Aussagen stehen, die auch dem Anspruch des modernen Forschers geniigen. Uns Heutigen gilt Pythagoras (etwa 580-500 v. Chr.) als Mathematiker. Seine Zeitgenossen charakterisierten ihn meist anders: Herodotos sah 1) Aua [I 8], S. 77. 1 Meschkowskl. Denkweisen 1 in ihm einen "bedeutenden Sophisten". Andere kennen ihn als den Griinder eines religiOsen Ordens, von dem mancherlei Wundergeschichten erzahlt wurden. Die Komodiendichter schlieBlich stellten die Jiinger des Pythagoras als arme und schmutzige Vegetarier dar und erwahnen nichts von ihren mathematischen Leistungen. "Ober das Leben des Pythagoras ist wenig bekannt. Tatsache ist wohl, daB er in jungen J ahren eine Studienreise nach Agypten unternahm. Vielleicht war er auch in Babylon; der Zusammenhang der pythago raischen Arithmetik mit der babylonischen legt jedenfalls eine solche Vermutung nahe. Urn 530 floh er vor dem Diktator Polykrates nach Kroton in Oberitalien. Dort solI er einen Kreis begeisterter Jiinger urn sich gesammelt haben. Er predigte ihnen die Unsterblichkeit der Seele, forderte eine Lebensfiihrung der Enthaltsamkeit und MaBigung und lehrte Astronomie, Mathematik, Musikwissenschaft und Philosophie. Vielen modernen Menschen wird die im Orden der pythagoreer gelebte enge Verbindung religios-sittlicher Postulate mit Aussagen der exakten Forschung befremdlich erscheinen. Fiir die Pythagoreer war diese Einheit Grundlage ihrer Weltsicht, in der die Mathematik ein Teil der Religion war. Nach ihrer Lehre ist Gott der Eine, und die Vielheit der Welt wird durchschaubar durch die Gesetze der Zahl. Das war die groBe Entdeckung der Pythagoreer: DaB die Bahnen der Sterne, aber auch die Gesetze der musikalischen Harmonie und der architektonischen Schonheit bestimmt waren durch einfache Verhaltnisse ganzer2) Zahlen: "Die ganze Welt ist Harmonie und Zahl". Wir miissen uns versagen, auf diese philosophischen Konzeptionen der Pythagoreer ausfiihrlicher einzugehen. Uns solI ihre mathematische Leistung beschaftigen. Es ist freilich fiir den modernen Historiker der Mathematik nicht leicht, zuverlassige Aussagen iiber den Ursprung spezieller mathematischer Satze und Methoden aus jener Zeit zu machen. Von Pythagoras selbst ist keine Zeile iiberliefert. Man kann daher nicht, mit Sicherheit feststellen, welche Erkenntnis vom "Meister" selbst, welche von seinen Schiilern stammt. Bei der groBen Verehrung fiir den "Wundertater" Pythagoras ist es durchaus moglich, daB ihm spatere Generationen auch solche Leistungen zuschrieben, die tatsachlich Erfolge seiner Schiiler oder Epigonen sind. Wir wollen uns darauf beschranken, von zwei Entdeckungen aus dem Kreis der Pythagoreer ausfiihrlicher zu berichten. 2) Es ist zu beachten, daB in der griechischen Mathematik die Irrationalzahlen unbekannt waren. "ZahlverhiHtnisse" sind immer VerhiHtnisse ganzer Zahlen. 2 2. Der Weg zu den "pythagoreischen Zahlen" Nikomachos von Gerasa hat in seiner Einleitung in die Zahlenlehre das Wissen der Pythagoreer iiber die Gesetze der ganzen Zahlen zusammen gestellt. Es ist anzunehmen, daB in dieser um das Jahr 100 n. Ohr. verfaBten Schrift solche Satze zusammengefaBt sind, die tatsachlich auf Pythagoras selbst und seinen Kreis zuriickgehen. Die Pythagoreer veranschaulichten sich die Zahlen an Gruppen von Punkten, die man mit Sternbildern vergleichen konnte. An solchen "Punktrastern" kann man bemerkenswerte zahlentheoretische Gesetze ablesen. So zeigt uns das in Abb. 1 dargestellte Punktschema die • • • • • • • • • • • • • • Abb.l "Dreieckszahlen": In den "Zeilen" des Dreiecks befinden sic!! 1, 2, 3, 4, ... Punkte, und die Anzahl der Punkte in einem n-zeiligen Dreieck stellt die Summe der ersten n natiirlichen Zahlen dar. So ist z. B. 1 + 2 = 3, 1 + 2 + 3 = 6, 1 + 2 + 3 + 4 = 10, ... , usf. Auf diese Weise gewinnen die Pythagoreer die bekannte Folge der Dreieckszahlen: 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28, ... I 1 1 ele,el_ • __ .J : I _•_ __• -At • :I . • _•_ __• __• JI . • • • • • • • • • • • Abb.2 Noch bemerkenswerter sind die Gesetze, die man an einem quadratischen Raster ablesen kann (Abb. 2): 3

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