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Denker der Politik: Zur Ideengeschichte der bürgerlichen Gesellschaft PDF

232 Pages·1990·4.361 MB·German
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Wilfried Röhrich Denker der Politik WV studium Band 155 "Politik als Wissenschaft" Herausgegeben von Wilfried Röhrich Wilfried Röhrich Denker der Politik Zur Ideengeschichte der bürgerlichen GeseOschaft Westdeutscher Verlag Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Alle Rechte vorbehalten © 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, über setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Satz: agentur comptext, Pottum ISBN 978-3-531-22155-7 ISBN 978-3-322-92431-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92431-5 Inhalt Einführung 7 1. Kapitel Thomas Hobbes und die Eigentumsmarktgesellschaft ...... 18 Komponenten zur Sozialgeschichte 20 - Hobbes' Marktmodell 25 - Vom Naturzustand 28 - Zur Staatsrnacht 30 - Der Souverän 33 2. Kapitel John Locke und die englische "Klassengesellschaft.. ...... 37 Komponenten zur Sozialgeschichte 39 - Naturzustand und Eigen tumstheorie 41 - Der Staat und die Klassengesellschaft 49 3. Kapitel Jean-Jacques Rousseau vor der Französischen Revolution 56 Komponenten zur Sozialgeschichte 59 - Entfremdung und die gesellschaftliche Ungleichheit 62 - Der Contrat Social 66 - Ober den Gemeinwillen und den Gesetzgeber 69 - Grundlagen der Rousseauschen Republik 75 4. Kapitel Karl Marx und Friedrich Engels - Die kapitalistische Gesellschaftsformation .................... 80 Bürgerliche Gesellschaft und Emanzipation 84 - Privateigentum und Entfremdung 90 - Die Klassenkämpfe in Frankreich 95 - Zur materialistischen Geschichtsauffassung 104 - Die Tausch- gesellschaft 111 5. Kapitel Max Weber und die "verspätete Nation" Deutschland ...... 118 Komponenten zur Sozialgeschichte 122 - Vom Geist des Kapitalis- mus 127 - Die imperialistische Machtpolitik 132 - Bürokratie und die "plebiszitäre Führerdemokratie" 137 6. Kapitel Robert Michels und der italienische Faschismus 144 Komponenten zur Sozialgeschichte 147 - Michels und die Trans formation der Demokratie 152 - Das Mussolini-Regime 157 7. Kapitel Max Horkheimer und Theodor W. Adorno - Die bürgerliche Gesellschaft als Denkmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Komponenten zur Sozialgeschichte 168 - Horkheimer und die Kritische Theorie 173 - Kritik der instrumentellen Vernunft und Dialektik der Aufklärung 179 - Spätkapitalismus und Negative Dialektik 184 Anmerkungen 191 Literaturhinweise 214 Ober den Verfasser ............. . 232 Einführung "Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Au genblick ihrer Verwirklichung versäumt ward". Mit diesen Worten beginnt Theodor W. Adorno seine Negative Dialektik; sie lassen sich gleichermaßen auf die kritische Politische Philosophie wie auf eine von ihr her motivierte Politische Ideengeschichte beziehen. Die so verstandene Philosophie erfährt ihre Bedeutung, wenn die "These vom Überholtsein der Besin nung"! selber in den geschichtlichen Prozeß einbezogen und die gesell schaftliche Realität in ihrer historischen Dynamik begriffen wird. Philoso phie und philosophische Problematik - von Adorno der Gesellschaftskritik überantwortet - zeigen ihren engen Gesellschaftsbezug. Mit Recht wurde darauf verwiesen2, daß ein solcher Terminus der Philosophie wiederum viel von dem einbeschließt, was sich als Aufhebung der Philosophie in be griffene Geschichte und geschichtliche Praxis bezeichnen läßt. Philoso phie hat "nach dem versäumten Augenblick" zu erkennen, "warum die Welt, die jetzt, hier das Paradies sein könnte, morgen zur Hölle werden kann". In einer Welt vorherrschender positivistisch verkürzter Praxis wird deren Kritik und Reflexion zur Sache der Philosophie, und zwar zugunsten einer Praxis, "welche die Herstellung einer vernünftigen und mündigen Menschheit bezweckt ... "3. Das damit angedeutete Konzept eines realen Humanismus soll vorab ins Bewußtsein gerufen werden, ohne schon detailliert auf Adornos Posi tion, mit der die vorliegende Untersuchung abschließt, einzugehen. Doch auch das Erkenntnisinteresse der hier vertretenen Politischen Ideenge schichte wird von der Idee realer Humanität geleitet, die sich gestaltend in geschichtlicher Praxis zu verkörpern hat und die sich derart mit der Lehre vom nZeitkern" der Wahrheit (Walter Benjamin) verbindet, wonach Wahr heit nicht in der Zeit, sondern Zeit, umgekehrt, in der Wahrheit ist. Ange deutet in Hegels Satz, Philosophie sei ihre Zeit, in Gedanken erfaßt, grün det diese Lehre auf der Einsicht Friedrich Nietzsches, daß die Wahrheit nicht mit einem zeitlos Allgemeinen identisch sei\ sondern daß allein das Geschichtliche (für) die Gestalt des Absoluten zeuge. Wie der kritischen Politischen Philosophie ist der von ihr her motivierten Politischen Ideen- 7 geschichte ein solches Verhältnis von Wahrheit und Geschichte immanent, denn sie verzichtet auf den Anspruch der philosophia perennis, ihr sei die ewige Wahrheit verbrieft. In der Geschichte der politischen Ideen geht es um eine Vielzahl von Denkern der Politik, die - analog zu dem, was Hegel über die Philosophen vermerkt - als "Söhne ihrer Zeit" diese auf Begriffe bringen und bisweilen der Wirklichkeit die Bedingungen ihres Erschei nens vorzeichnen wollen. Ihre Ideen stellen verbalisierte Antworten auf zeitgenössische Problemlagen dar; sie stehen zur Realgeschichte im Ver hältnis von Herausforderung und Antwort5, wobei die Antwort wiederum sowohl eine reale wie eine theoretische Herausforderung beinhalten kann. Die so charakterisierte Politische Ideengeschichte hat die historisch zu ver stehen gesuchte Dynamik nicht nur als Gegenstand zur Voraussetzung, sondern ebenso methodisch; das kennzeichnet ihr hermeneutisches Grundproblem. Diesbezügliche Wissenschaftsentwicklung kann, wie die Erkenntnis allgemein, nur im Zusammenhang mit dem historisch-gesell schaftlichen Lebensprozeß adäquat verstanden werden. Erkenntnis ist je spezifisch vermittelt. Orientiert an einem solchen Konzept geschichtlicher Wahrheit, das Max Horkheimer als "unabgeschlossene Dialektik" bezeichnet, korrespondiert die vorliegende Politische Ideengeschichte in ihrem Erkenntnisinteresse mit einem Kerngehalt Adornoscher Philosophie: mit der "Lehre vom rich tigen Leben" der Individuen auch in dem Sinne, daß insbesondere "kraft des Gegensatzes zur Produktion", also zum materiellen Produktionspro zeß, sich eine "menschenwürdigere Ordnung" bestimmen läßt. Die damit angesprochene Hoffnung auf einen humaneren Zustand bestand und besteht nur so lange, wie das durch absolute Produktion "reduzierte und degradierte Wesen" Mensch sich seiner"V erzauberung in Fassade" wider setzt(e). Weil dies zumeist mißlang und das Individuum "von der Vergesell schaftung der Gesellschaft geschwächt und ausgehöhlt wurde", müssen kritische Politische Philosophie und Ideengeschichte wie Adornos Philo sophie - wenn "die Wahrheit übers unmittelbare Leben" erfahren werden soll - "dessen entfremdeter Gestalt nachforschen, den objektiven Mächten, die die individuelle Existenz bis ins Verborgenste bestimmen"6. Diese nun durch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse bedingte entfremdete Gestalt des Lebens (in eins mit dem perennierenden menschlichen Herr schafts-Knechtschafts-Verhältnis) stellt in seiner Realitätsnähe für die Poli tische Ideengeschichte der bürgerlichen Gesellschaft ein Phänomen dar, das, wie Hegel dies im Hinblick auf die öffentliche Meinung vorschlägt, zu gleich "beachtet" und"v erachtet" werden muß. 8 Die »Verachtung" des Phänomens menschlicher Entfremdung manife stiert sich im Konzept der menschlichen Emanzipation entsprechend dem eines realen Humanismus. Es geht hierbei nicht nur um eine bürgerlich systemimmanente Freiheit, sondern um menschliche Freiheit schlechthin. Deren Horizont muß durch die Bemühung um die kritische Analyse jener Vernunft vorbereitet werden, die sich - als subjektive, praktisch verwert bare Vernunft - als das erweist, was namentlich Max Horkheimer »instru mentelle Vernunft" nennt. Im Zuge der Genese der instrumentellen Ver nunft verschmilzt die technische Rationalität mit der Rationalität der Herr schaft selbst; das entspricht dem Herrschaftscharakter der Vernunft von An beginn, welcher der kritischen Reflexion bedarf. Dabei ist die Vernunft - als Instrument menschlicher Herrschaft - sowohl apologetisch, als sie ge schichtlich auch als Beitrag zum (bürgerlichen) Emanzipationsprozeß Kritik war und ist. In verschiedenster Art haben die Denker der Politik die apologetische Komponente der Vernunft vertreten, die Machtverhältnisse instrumentell ermöglicht, absichert und ideologisch stütze. Ein umfassen der Vernunftbegriff hingegen geht in der Apologie des Bestehenden nicht nur nicht auf, ihm entspricht die Kritik der herrschenden Verhältnisse und ihrer Apologie. Ein solcher Vernunftbegriff findet sich in der Geschichte der politischen Ideen nicht erst, aber ausgeprägt in Adornos negativer Dia lektik, die Medium der Vernunftkritik und - in bestimmter Negation - Organon des Vernünftigen zugleich sein will. Ohne hier näher auf das schwierige Unterfangen eingehen zu können, ein Hegel-kritisches Ziel mit Hegelschen Mitteln zu erreichen, soll allein auf Adornos Idee von Dialek tik als Vernunftkritik (Denken »vermag gegen sich selbst zu denken, ohne sich preiszugeben"8) und auf sein Geschichtsverständnis im Sinne einer noch nicht wirklichen vernünftigen Selbstbestimmung der Menschheit hingewiesen werden. Kritik wie Selbstkritik und -reflexion wurzeln in der Tradition der Kritischen Theorie. Deren Thema ist, wie es in der gemein sam mit Horkheimer verfaßten Dialektik der Aufklärung heißt, die »Un terdrückung", ihr Element aber die »Freiheit"9. Diese Freiheit ist eng mit der Kritik am Vernunftbegriff der cartesischen Theorie der kausal-mechanischen Erkenntnis verbunden, die in der Neuzeit wirksam wird und vorwiegend die Philosophie des Manufaktur zeitalters kennzeichnet. Während sich die Aufklärung auf die Idee autono mer Selbstbestimmung beruft und zu konstruieren versucht, wie die Menschheit aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit hinausgelangen kann, wird seitens der neuzeitlichen Naturwissenschaft allein das zweck gerichtete Verhalten als rational definiert. In der Vor-Aufklärung zeigen 9 sich beide Elemente - die autonome Selbstbestimmung des Subjekts und sein zweckgerichtetes Verhalten - in der Konzeption des großen, systema tisch konstruktiven Denkers Thomas Hobbes. Die politische Vernunft, die sich hier im Akt des Staatsvertrags selbst konstituiert, verkörpert weitge hend eine instrumentelle Vernunft: zur Vorausberechnung der Wirkung für praktische Zwecke. In dieser Konzeption ist der Mensch bereits ein Bürger, der auf Naturbeherrschung, auf die Verfolgung von Interessen und auf den Mechanismus insbesondere der Stärkung des Staates zielt. Der Theorie kommt es zu, die Welt zu beherrschen - ein Moment des Eingriffs in die Praxis wie im Marxschen Materialismus, dem es aber darum geht, die Welt strukturell zu verändern. Schon dieser frühbürgerlichen Philosophie ist jene "Verselbständigung des DenkeIls" inhärent, in dem sich Adorno zufolge die "Kraft von Aufklärung" inhaltlich vervielfacht, in dem aber das Denken auch zur "selbstherrlichen Methode" gerinnt 10. Hobbes' unmittelbarer Nachfolger John Locke prägt - um hier wenige Aspekte der zu behandelnden Politischen Ideengeschichte weiter zu skiz zieren - das verselbständigte Denken noch stärker aus. Weil er entgegen Hobbes davon ausgeht, daß die Menschen ihr Leben statt durch Angriff und Verteidigung vorrangig durch Arbeit erhalten, ist in seiner Konzeption die mit dem Interesse an Selbsterhaltung einhergehende instrumentelle Vernunft auf die Sicherung des privaten Eigentums konzentriert, worin auch Leben und Freiheit der Person inbegriffen sind. Locke identifiziert hierbei die politische Emanzipation des Besitzbürgers mit der "menschli chen" im Sinne der Unterscheidung von Marx, wie er auch (was Marx erkennt) in seinem Essay Concerning Human Understanding den "bürger lichen" Verstand zumindest tendenziell als "menschlichen Normalver stand" darzustellen suchtl1• Und schließlich erweist sich Locke noch viel differenzierter als Hobbes als ein systembildender Denker, indem er die Überzeugung von Adam Smith vorwegnimmt, daß sich die Gesellschaft als ein arbeitsteiliges System der Bedürfnisse naturwüchsig harmonisch ent faltet. Es ist jenes bürgerliche System, an dessen tragenden Kategorien Marx durch die Analyse ihres ideologischen, d. h. apologetischen Charakters dessen Scheinhaftigkeit verdeutlicht. Marx vermag hierbei den Locke schen Begriff der "ratio" noch als solchen aufzugreifen, um die bürgerliche politische Ökonomie bei ihrer eigenen "ratio" zu nehmen. Bei Adorno schließlich wird diese in der Spätphase der bürgerlichen Ökonomie"v ir tuell durch unmittelbare Verfügung ersetzt" 12, und zwar parallel zum welt geschichtlichen Vorgang einer von Max Weber historisch beschriebenen 10

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