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Demosthenes, >Gegen Aristokrates PDF

696 Pages·2022·5.669 MB·German
by  ZajonzSandra
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Sandra Zajonz Demosthenes, Gegen Aristokrates TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe Herausgegeben von Michael Dewar, Karla Pollmann, Ruth Scodel, Alexander Sens Band 71 De Gruyter Demosthenes, Gegen Aristokrates Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar von Sandra Zajonz De Gruyter ISBN 978-3-11-079267-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079381-9 ISSN 0563-3087 Library of Congress Control Number: 2022941767 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Vorwort Die Aristocratea des Demosthenes stieß bislang vornehmlich bei Alt- und Rechtshistorikern als Quelle für die Geschichte Thrakiens in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts bzw. als Materialsammlung archaischer Geset- zestexte auf einiges Interesse, während sie in der Klassischen Philologie kein großes Echo fand. Zwar gibt es mit Ernst Wilhelm Webers umfang- reichem, in lateinischer Sprache verfasstem Kommentar aus dem Jahr 1845 sowie mit den kommentierten Ausgaben von Robert Whiston (1868), Henri Weil (1886) und Anton Westermann (1890) wenn auch nicht ganz aktuelle, so doch nützliche Lektürebegleiter, die das Textverständnis durch sprach- liche Einzelerklärungen befördern, sowie mit Terry Papillons Monogra- phie zur rhetorischen Technik der Aristocratea eine neuere Studie, die die Rede als Ganze in den Blick nimmt, doch vermag auch die kombinierte Verwendung dieser Hilfsmittel dem Leser nicht vollends die Verwirrung zu nehmen, die die stellenweise geradezu rabulistische ‚Beweisführung‘ des Demosthenes hervorruft. Mit dem vorliegenden Kommentar wird der Versuch unternommen, durch detaillierte sprachliche und inhaltliche Er- läuterungen, verbunden mit einer kritischen Analyse der Argumentations- struktur, zumindest ein wenig mehr Licht in die absichtsvolle Obskurität der Aristocratea zu bringen – in der Hoffnung, damit den Zugang zu einer rhetorisch brillanten Rede zu erleichtern, die ein größeres Publikum ver- dient hat. Um den Kommentar bestmöglich vor Spuren der Betriebsblindheit zu be- wahren, ließ es sich nicht vermeiden, die Leidensfähigkeit von Freunden und Kollegen zu strapazieren. So gaben mir René Nünlist und Jan Felix Gaertner die Gelegenheit, ausgewählte Passagen in Forschungskolloquien vorzustellen; ihnen sowie allen Teilnehmern sei für ihre konstruktiven Diskussionsbeiträge gedankt. Sehr zu würdigen ist ferner die Bereitschaft der Studierenden meiner Lektüreübung, sich ein Semester lang nicht nur mit dem widerspenstigen Text der Aristocratea auseinanderzusetzen, son- dern dabei auch den (fast) fertiggestellten Kommentar einem Praxistest zu unterziehen. Für die daraus hervorgegangenen Ergänzungen, Präzisierun- gen und Korrekturen danke ich Marius Fleischli, Jana Klasberg, Marion VI Mathieu, Jonas Müller, Albert Richenhagen, Friedhelm Risse und ganz be- sonders Simon Hartl. Mit Stephan Schröder durfte ich einzelne textkritische Probleme erör- tern; sein Sprachgefühl und seine profunde Sachkenntnis haben mir zu mancher wertvollen Einsicht verholfen. Gar nicht genug danken kann ich Bernd Manuwald, der die Mühe auf sich nahm, die gesamte Arbeit mit der ihm eigenen analytischen Gründlichkeit durchzusehen. Zahlreiche sub- stanzielle Verbesserungen gehen auf ihn zurück. Schließlich gilt mein Dank den Herausgebern für die Aufnahme in die Reihe ‚Texte und Kommentare‘ sowie Florian Ruppenstein für seine enga- gierte und kompetente Unterstützung in technischen Fragen. Köln, im Mai 2022 S.Z. Inhalt Einleitung ............................................................................................................... 1 1. Demosthenes, Athen und die außenpolitischen Brennpunkte in der Mitte des 4. Jahrhunderts ....................................................................... 1 2. Der Antrag des Aristokrates und die Paranomieklage des Euthykles ......................................................................................................10 3. Zur Bewertung des Paranomievorwurfs ..................................................17 4. Die Anklagerede gegen Aristokrates: Aufbau und Argumentation .............................................................................................23 5. Datierung.......................................................................................................29 6. Redaktion, Publikation und eingelegte Dokumente ..............................32 7. Text und Überlieferung ...............................................................................36 8. Abweichungen von Dilts’ Text ..................................................................40 9. Addenda und Corrigenda zu Dilts’ Apparat ............................................42 10. Hinweise zur Benutzung von Übersetzung und Kommentar ...............44 11. Gliederung der Rede ....................................................................................45 Text und Übersetzung ........................................................................................47 Kommentar.........................................................................................................163 I. Proömium (§§1–5)......................................................................................163 II. ‚Explicatio‘ (§§8–17) ..................................................................................180 III. Partitio (§§18–21) .......................................................................................203 IV. Argumentatio (§§22–186) .........................................................................213 1. Die Gesetzwidrigkeit des Antrags (§§22–99) ....................................213 2. Die Schädlichkeit des Antrags (§§102–143) ......................................412 3. Die Unangemessenheit des Antrags (§§148–186) ............................494 V. Epilog (§§187–220) ......................................................................................571 Literaturverzeichnis ..........................................................................................635 Register ...............................................................................................................655 1. Stellen (in Auswahl) ..................................................................................655 2. Sachen und Personen ................................................................................686 3. Sprachliches und Stilistisches ..................................................................687 Einleitung 1. Demosthenes, Athen und die außenpolitischen Brennpunkte in der Mitte des 4. Jahrhunderts Zur Abfassungszeit der Aristocratea befindet sich Demosthenes, 384 als Sohn eines wohlhabenden Fabrikbesitzers gleichen Namens und dessen Frau Kleobule in Athen geboren,1 in einer Phase der beruflichen Neuorien- tierung und Weiterentwicklung; der Schwerpunkt seiner Tätigkeit verla- gert sich von der forensischen zur politischen Rede. Vor Gericht hatte seine Karriere begonnen, und es ist in gewisser Weise bezeichnend für den stei- nigen Lebensweg des wohl bedeutendsten der attischen Redner,2 dass den 1 Das Geburtsjahr errechnet sich aus der Angabe des Demosthenes, er sei gleich nach der Hochzeit seines Cousins Aphobos, die unter dem Archontat des Polyzelos (i.e. 366) geschlossen wurde, in die Bürgerliste aufgenommen worden (Dem. 30,15). Er war also zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Die davon abweichende Altersangabe in der Rede gegen Meidias (21,154) ist allem Anschein nach fehlerhaft; vgl. MacDo- well 1990 z.St. (S. 370f.) und Schaefer I 269 Anm. 2. 2 Während Demosthenes von vielen seiner Zeitgenossen vor allem aufgrund seiner politischen Tätigkeit eher kritisch beurteilt wurde, wandelte sich das Bild mit der stärkeren Fokussierung auf seine rhetorische Kunst in der Folgezeit so sehr, dass er im 1. Jh. v. Chr. als der Redner schlechthin galt. Vgl. etwa Cic. Brut. 35 nam plane quidem perfectum et cui nihil admodum desit Demosthenem facile dixeris; 141 a doctis oratorum est princeps iudicatus sowie Anastassiou 1966. Geradezu hymni- sches Lob wurde ihm auch in der modernen Philologie bis weit ins 19. Jh. zuteil, vgl. z.B. Rehdantz/Blass I 1, 71: „Demosthenes war der hochherzigste Grieche und tiefstblickende Staatsmann seiner Zeit, der letzte große Redner, den Griechenland, und der größte, den die Erde geboren hat.“ Dagegen sahen andere, insbesondere Historiker, in ihm nicht den aufopferungsvoll für die Bewahrung der griechischen Freiheit kämpfenden Patrioten, sondern eher einen des Weitblicks ermangelnden, starrsinnigen Provinzpolitiker, der die unaufhaltsame Dynamik der historischen Entwicklungen mitsamt der ihnen innewohnenden Chancen verkannte: „… und dennoch zeigt die Geschichte wenig so traurige Gestalten wie die des großen Red- ners von Athen; er mißkannte seine Zeit, sein Volk, seinen Gegner und sich selbst: sein Leben, die ermüdende Consequenz eines Grundirrtums, hat keinen andern Erfolg gehabt, als den Sieg Macedoniens nur entschiedener und erfolgreicher zu machen; und mit dem Eigensinn der Ohnmacht und Gewohnheit ließ er selbst nach dem vollkommenen Sieg Macedoniens, nach dem Beginn einer neuen, die Welt umgestaltenden Aera, seine alten Pläne und Hoffnungen nicht, die mit ihm sich 2 Einleitung Anlass dazu die Ungunst des Schicksals gab: Im Alter von nur sieben Jah- ren verlor er seinen Vater. Der testamentarischen Verfügung des Verstor- benen gemäß wurden Therippides, Aphobos und Demophon, ersterer ein alter Freund, letztere Neffen des Vaters, mit der Vormundschaft sowie mit der Verwaltung des Vermögens betraut.3 Diese Entscheidung erwies sich als fatal, zeigten doch die Vormünder keinerlei Bemühen, den in sie gesetz- ten Erwartungen gerecht zu werden. Vielmehr mussten der junge Demo- sthenes, seine Schwester und seine Mutter jahrelang hilflos dabei zusehen, wie das Familienvermögen durch die Leichtfertigkeit und Habgier derjeni- gen Menschen aufgezehrt wurde, die ihnen eigentlich schützenden Bei- stand hätten leisten sollen. Das erlittene Unrecht brachte bei Demosthenes Eigenschaften an den Tag, die sein weiteres Leben und Wirken prägen soll- ten: ein tief verwurzeltes Misstrauen, einen allen Widrigkeiten trotzenden Willen und eine außergewöhnliche Begabung, seinen Überzeugungen mit den Mitteln der Sprache zur Geltung zu verhelfen. Die erste Probe seines Könnens gab er der Öffentlichkeit, nach Jahren akribischer Vorbereitung, 364 im Prozess gegen seinen unredlichen Vormund Aphobos.4 Auch wenn die Streitsumme, die sich auf stattliche 30 Talente belief, letztlich verloren blieb – Aphobos war es gelungen, große Teile des Vermögens beiseite zu schaffen –, errang der junge Demosthenes einen beeindruckenden Erfolg in der Sache. Gleich mit seinem ersten Auftreten hatte er sich einen Namen als Redner gemacht, und so lag es nahe, den einmal eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Demosthenes arbeitete in den folgenden Jahren zunächst als Logo- graph, d.h., er schrieb Reden für Personen, die, sei es als Kläger, sei es als Beklagte, in einen Gerichtsprozess involviert waren, bei dem sie nach atti- schem Recht in eigener Sache sprechen mussten und allenfalls einen Un- terstützer, einen sogenannten Synḗgoros (συνήγορος), beiziehen durften. Die Logographentätigkeit brachte ihn in Kontakt zu führenden Persönlich- keiten der Stadt, hatte aber das Odium einer niederen Beschäftigung, die zwar für Metöken wie Lysias und Isaios angemessen sein mochte, sich auf Dauer aber nicht als ‚Hauptberuf‘ für einen athenischen Vollbürger selbst überlebt hatten“ (Droysen 1833, 13f.). Eine kompakte Zusammenfassung der Nachwirkung des Demosthenes bietet Schindel 1987 in der Einleitung des von ihm herausgegebenen Sammelbandes. Wie stark das jeweilige Urteil über Demosthenes vom historischen und ideologischen Umfeld der Urteilenden beeinflusst ist, zeigen Paulsen 1999, 9–13 und, auf das 18. Jh. bezogen, Schindel 1963. 3 Vgl. Dem. 27,4–5. 4 Erhalten sind uns in dieser Angelegenheit drei Reden gegen Aphobos (orr. 27–29) sowie zwei Reden gegen dessen Schwager Onetor (orr. 30 u. 31).

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