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Demokratie und Technik — (k)eine Wahlverwandtschaft? PDF

424 Pages·2000·12.13 MB·German
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Demokratie und Technik - (keine) Wahlverwandtschaft? Renate MartinseniGeorg Simonis (Hrsg.) Demokratie und Technik - (k)eine Wahlverwandtschaft? Leske + Budrich, Opladen 2000 Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr in Wien Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Demokratie und Technik - (k)eine Wahlverwandtschaft? / Hrsg.: Renate Martinsen ; Georg Simonis. - Opladen : Leske und Budrich, 2000 ISBN 978-3-8100-2473-2 ISBN 978-3-322-92304-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92304-2 NE: Martinsen, Renate [Hrsg.]; 2000 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Titelgrafik: mit freundlicher Genehmigung der c't (magazin für computer technik) Inhaltsverzeichnis VORWORT Renate Martinsen, Georg Simonis Demokratie und Technik ...................................................... 9 BÜRGERINNEN, TECHNIK UND DEMOKRATIE Thomas Saretzki Technologische Bürgerschaft? Anmerkungen zur Konstruktion von "citizenship" in einer technologischen "polity" ............................................. 17 Renate Martinsen Angst als politische Kategorie Zum Verhältnis von Gentechnik und Demokratie 53 DEMOKRATIEVERTRAGLICHE TECHNIKENTWICKLUNG? GlafWinkel Telekommunikationssicherheit im Spannungsfeld von Kommerzialisierungsinteressen und den Zukunfts anforderungen der demokratischen Gesellschaft ................. .............................. ... 71 ManfredMai Strategien zur Sicherung der Rundfunkfreiheit Die Rolle der Technik in der Massenkommunikation 101 Stephan A/brecht Wie demokratieverträglich ist die Nutzung der Gentechnik? Ökologisierung der Industriegesellschaften als Industrialisierung des Lebendigen ............................................ 123 5 DEMOKRATIEDEFIZITE AUF DER EUROpAISCHEN EBENE Maria Behrens, Georg Simonis, RalfD roz Die blockierte Demokratie Von der politischen Regulierung gentechnisch hergestellter Nahrungsmittel................ ................................... 155 Andreas Hasenkamp Europäische Raumfahrt High-Tech ohne demokratische Teilhabe? ................................... 179 RESONANZFÄHIGKEIT DER POLITIK ALS VORAUSSETZUNG INNOVATIVER TEC~GULIERUNG Volker M Brennecke Demokratie und Technik im kooperativen Staat Zum Dilemma staatlicher Technikregulierung am Beispiel der umwe1ttechnischen Grenzwertbildung .................................. 199 RalfHerbold, Wolfgang Krohn, Markus Timmermeister Innovationsnetzwerke: Organisationsbedingung fiir Innovationsdynamik - und Demokratie? .............................................................. 225 Matthias Gsänger Selbststeuerung des kommunalpolitischen Systems? Partizipative Optionen in der Verkehrspolitik .. ........... .... ............. 247 INSTRUMENTE REFLEXIVER TECHNIKSTEUERUNG Hans J. Kleinsteuber Technikberatung in der Demokratie: Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu ,,zukunft der Medien". Ein Erfahrungsbericht .............................. 271 Ste/an Kuhlmann Moderation von Forschungs-und Technologiepolitik? Evaluationsverfahren als ,,reflexives" Medium ............................. 305 6 DAS DEMOKRATISCHE POTENTIAL INTERAKTIVER MEDIEN Peter Mambrey Neue interaktive Medien eröffnen Potentiale fiir digitale politische Partizipation und neue Fonnen von Öffentlichkeit . ......... ............... 335 Volker Leib Bürger mit Netzanschluß Über Partizipation, Internet und "elektronische Demokratie" 363 Roland Wirth Bürger und öffentliche Verwaltung im Internet: Infonnationsversorgung - Serviceleistungen - Beteiligungsoptionen ... 387 Hans Geser Auf dem Weg zur Neuerfmdung der politischen Öffentlichkeit Das Internet als Plattfonn der Medienentwicklung und des sozio-politischen Wandels ..................................................... 401 AUTORENVERZEICHNIS ......................................................... 431 7 Renate Martinsen, Georg Simonis Demokratie und Technik Die Problemstellung ist nicht neu. Doch ist es für die Politikwissenschaft un vermeidlich sich mit ihr von Zeit zu Zeit erneut zu befassen. Nicht nur ver ändert sich die Realität: die Demokratie, die Technik und ihre Wechselbezie hungen, sondern auch der wissenschaftliche Blick: und somit ihre disziplinäre Konstruktion, analytische Dekonstruktion und Bewertung, ganz zu schweigen von den sich wandelnden politischen Rahmenbedingungen. Und in der Tat besteht am Ende des ,,kurzen 20. Jahrhunderts" (Hobsbawrn) Anlaß genug für eine vertiefte und zugleich reorientierte wissenschaftliche Diskussion des Verhältnisses von Demokratie und Technik. Die Politikwissenschaft hat sich letztmalig als Disziplin Mitte der 80er Jahre im Rahmen ihres 16. wissenschaftlichen Kongresses in Bochum unter dem Leitgedanken ,,Politik und die Macht der Technik" (Hartwich 1986) mit der Thematik auseinandergesetzt. Sie reagierte mit dieser thematischen Aus richtung ihrer dreijährig stattfindenden Selbstvergewisserung auf die damali ge, mit viel Leidenschaft ausgetragene, öffentliche Technikdebatte, in der es vor allem um die Chancen und Risiken sowie die gesellschaftlichen und poli tischen Folgen der neuen Informations- und Kommunikationstechniken ging. Viele Beiträge formulierten erste Hypothesen, erörterten mögliche Entwick lungen, wogen optimistische und pessimistische Entwicklungspfade gegen einander ab, diskutierten mehr oder weniger wahrscheinliche politische Fehl entwicklungen und sich aus ihnen ergebende Gestaltungserfordernisse (bspw. U. von Alemann, P. Kevenhörster, O. Ullrich, K. Eßer, H. Schatz, F. Naschold). Empirische Befunde wurden allerdings nicht präsentiert, nur informierte Ver mutungen. Diese Chancen-Risiko-Debatte über die neuen IuK-Technologien wurde nicht im luftleeren Raum gefiihrt, sie war geprägt von den Erfahrungen und Ergebnissen der vorangegangenen Technikdiskurse der Disziplin. Die von Hartwich herausgegebene Kongreßdokumentation enthält eine Reihe von Bei trägen, die den damals erreichten Wissensstand der 60er und 70er Jahre zu sammenfaßte und weiterentwickelte. Insbesondere zwei vorangegangene Tech nikdebatten waren im Gedächtnis der Disziplin haften gelieben: Die Ausein andersetzung in den 60er Jahren mit dem konservativen Konzept des "Techni schen Staates" (Schelsky), in der es um die Frage ging, ob die Eigengesetz- 9 lichkeit des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts der Politik über haupt noch Handlungsspielräume belasse, ob nicht die Logik der Technik die Logik der Politik breche und zukünftig beherrsche (vgl. K. Lenk, R. Saage, H. Dubiel, B. Willms); sowie zweitens die von der Notwendigkeit von Refor men einerseits und der Skepsis gegenüber der staatlichen Reformfahigkeit andererseits geprägte Debatte um die Institutionalisierung einer Technologie politik als staatliche Aufgabe, die den Fortschritt sichern, Nebenwirkungen vermeiden und zur Humanisierung des Arbeitslebens und der Gesellschaft insgesamt beitragen sollte (u. a. H.-H. Hartwich, M. Dierkes, 1. Reese, C. Böh ret F. Lehner, G. Bräunling, V. Ronge). Demokratietheoretische und mit der Entwicklung des demokratischen Systems eng verknüpfte normative Fragestellungen wie die Sicherung und der Ausbau des demokratischen Sozialstaates spielten in den drei großen Tech nikdebatten der Politikwissenschaft bis Mitte der 80er Jahre immer eine wichtige Rolle, auch wenn sie in vielen Beiträgen nicht explizit ausgeführt wurden. Letztlich ging es in allen drei Debatten bis Mitte der 80er Jahre - allerdings mit je spezifischer Akzentuierung - um zwei Problemkreise: um die den demokratischen Staat eingrenzenden, aushöhlenden oder gar transfor mierenden Auswirkungen von neuen Technologien ("Technikstaat", ,,Atom staat", "Überwachungsstaat", "Sicherheitsstaat" als negative Leitbilder) sowie um die Fähigkeit des demokratischen Staates, trotz mächtiger Einzelinteres sen durch die Förderung bestimmter Technologien und die gleichzeitige Kon trolle unerwünschter Neben- und Folgewirkungen das Gemeinwohl zu si chern. Seit Mitte der 80er Jahre verblaßte die erkenntnisleitende Wirkung der demokratietheoretischen Problematik auf die technologiepolitische For schungslandschaft. Dies hatte vor allem damit zu tun, daß die grobkörnige und hochgradig abstrakte Betrachtungsebene mehr und mehr verlassen wurde und empirisch ausgerichtete und methodisch differenzierter angelegte Analy sen stärkere Beachtung fanden. Gleichzeitig verlagerte sich die durch staat liche Förderprogramme (Programm ,,Arbeit und Technik", "SoTech-Pro gramm", "Verbund Sozialwissenschaftliehe Technikforschung") und durch die weitere Einrichtung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen (MPIfG1, IAT2) unterstützte Technikforschung mehr und mehr aus den Universitäten. Dabei blieben zwar die beiden großen Forschungsrichtungen, die Wirkungs und Gestaltungsforschung einerseits und die Steuerungsforschung anderer seits, erhalten; ihr Erscheinungsbild - die theoretischen Erklärungsansätze, die konkret untersuchten Gegenstandsbereiche, die empirische Fundierung, 1 Max-Planck-Institut fiir Gesellschaftsforschung, Köln. 2 Institut fiir Arbeit und Technik, Gelsenkirchen. 10 die wissenschaftlichen Kooperationsmuster - änderte sich aber beträchtlich. Vor allem verloren normative Fragestellungen und demokratietheoretische Argumentationen an Gewicht. Bemerkenswert war der enorme Anstieg von anwendungsbezogener sozi alwissenschaftlicher Technikforschung seit Ende der 80er Jahre. Die mögli chen und tatsächlichen Wirkungen der neuen Informations- und Kommunika tionstechniken wurden in allen nur denkbaren Anwendungskontexten unter sucht und auch daraufhin befragt, ob sich neue Handlungsspielräume insbe sondere für die Anwender und Nutzer ergäben, ob mit Machtverschiebungen zu rechnen sei oder ob sich Verletzungen von Normen des demokratischen Rechtsstaates (Stichworte: Datenschutz, Arztgeheimnis, privacy) abzeichne ten. An diesen Studien waren zwar auch gelegentlich Politologlnnen beteiligt; aber es dominierten die Bereichs- und Technikspezialisten, die sich partiell auf traditionelle politikwissenschaftliche Themen wie Partizipation und Macht strukturen einließen, sie aber ohne Rückbezug auf das politische Gemeinwe sen (z. B. Wandel der Interessenartikulation) untersuchten. Mit der Professio nalisierung der anwendungsbezogenen Technikforschung ging deren Versozi alwissenschaftlichung einher. Die PolitologInnen spielen heute, vielleicht abgesehen von der Verwaltungs forschung, in diesem Forschungsgebiet nur eine untergeordnete Rolle. Die Disziplin hat das Terrain des technikvermit teIten Wandels gesellschaftlicher Mikropolitik anderen Disziplinen zur Bear beitung freigegeben (vgl. Böckler/Simonis 1999). Dies läßt befiirchten, daß die Auswirkungen der Veränderungen von Mikrostrukturen auf die politi schen Makrostrukturen aus dem Blickfeld der Politikwissenschaft geraten und damit zentrale Fragen nach den Chancen und Risiken neuer Technologien fiir das (demokratische) politische System (z.B. die politischen Folgen sich wan delnder Kontrollformen in der Arbeitswelt) weitgehend unbeantwortet blei ben. Für die Politikwissenschaft erfolgreicher verlief die Diskussion um die Steuerungsfähigkeit der Politik und des Staates bezüglich der Entwicklung, Förderung und Kontrolle von Technik, oder genauer: von sozio-technischen Systemen. Zahlreiche empirisch gehaltvolle Forschungsprojekte wurden durch gefiihrt, die nicht nur auf politische Handlungsspielräume verweisen konnten, sondern auch zur Klärung konzeptioneller und theoretischer Fragen einer steuerungstheoretischen Betrachtungsweise staatlichen HandeIns beigetragen haben (vgl. u. a. die Sammelbände des Arbeitskreises "Politik und Technik" der Deutschen Vereinigung fiir Politikwissenschaft: Grimmer/Häusler/Kuhl mann/Simonis 1992; MartinseniSimonis 1995 sowie Martinsen 1997). Ob wohl sich die steuerungstheoretisch angelegten Technikstudien fiir die demo kratische Fundierung und die Formen der Legitimierung, also fiir die Input Seite staatlichen HandeIns, im allgemeinen nur randständig interessierten, 11 gelangten sie zu Ergebnissen, die auch aus einer demokratietheoretischen Per spektive von Bedeutung sind. Die Effektivität staatlichen Steuerungshandelns läßt sich unter den Bedingungen horizontal und vertikal ausdifferenzierter politischer Systeme einerseits und zunehmender Pluralisierung der Werthal tungen der BürgerInnen andererseits nur durch einen differenziellen und in teraktiven Steuerungsmodus, in den Momente des Verhandelns und der Be teiligung integriert sind, einigermaßen garantieren. Doch ist keineswegs si cher, in welchem Umfang und in welchen Formen das Spannungsverhältnis zwischen techno-elitären Verhandlungssystemen, den wachsenden Beteili gungsansprüchen verbandlich organisierter Bürger- und Verbraucherinteres sen oder von lokalen Bürgerinitiativen und den parlamentarischen Einrich tungen gewahrt und austariert werden kann. So mündet die steuerungstheore tische Debatte ironischerweise in eine demokratietheoretische Problematik und Diskussion. Neben der sich aus einer immanenten Entwicklungslogik ergebenden Rückgewinnung der demokratietheoretischen Perspektive haben auch äußere Entwicklungen zu einer Rückbesinnung auf Fragen der Interessenartikulation, der Beteiligung an und der Legitimation von staatlicher Politik geführt. Die Transitionsprozesse in Osteuropa und in Lateinamerika und die Globalisie rungsthematik spielen hier allerdings nur eine marginale Rolle. Wichtiger sind drei andere Entwicklungen gewesen: • Die mit Beginn der 90er Jahre zunehmende Diffusion gentechnischer Verfahren stößt nicht nur auf Akzeptanzbarrieren (vor allem bei der grü nen Gentechnologie), sondern erfordert auch komplizierte Konsensbil dungsprozesse in vielen Teilbereichen der Gesellschaft (Gesundheits wesen, Religionsgemeinschaften, Verbraucher-und Umweltschutz). • Die Community der Technikfolgenabschätzung reagierte auf die Imple mentationsprobleme von TA-Studien, auf Technikblockaden durch gut organisierte Kritiker sowie auf die wachsende Multiperspektivität der Technikbewertung mit der Entwicklung und Durchfiihrung von Modera tions- und Diskursverfahren und mit dem Versuch, durch Verhandlungen mit stake-holdern neue Handlungs- und Innovationspotentiale zu er schließen. • Schließlich ergab sich durch die Installierung und zunehmende Nutzung des Internet eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit wie unter Tech nikforscherInnen, welche Auswirkungen das neue Medium auf den öf fentlichen Raum und auf die politische Kommunikation haben werde. Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß wir nach den Debatten über den "Technischen Staat" (60er Jahre), die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Technologiepolitik (70er Jahre), die Chancen und Risiken der Informations- 12

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Die Problemstellung "Demokratie und Technik" ist nicht neu. Doch ist es für die Politikwissenschaft unvermeidlich, sich mit ihr von Zeit zu Zeit erneut zu befassen. Nicht nur verändert sich die Realität: die Demokratie, die Technik und ihre Wechselbeziehungen, sondern auch der wissenschaftliche B
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