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Demokratie nach dem Ende des Kommunismus: Regimewechsel, Transition und Demokratisierung im Postkommunismus PDF

438 Pages·1994·10.635 MB·German
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Gert-Joachim Glaeßner Demokratie nach dem Ende des Kommunismus Gert-Joachim Glaeßner Deßlokratie nach deßl Ende des KOßlßlunisßlus Regimewechsel, Transition und Demokratisierung im Postkommunismus Westdeutscher Verlag Alle Rechte vorbehalten © 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzun gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Umschlagbild: The Hungarian Observer, April 1993, Vol. 6, No. 4 Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12538-1 ISBN 978-3-322-92474-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92474-2 Aber Freiheit ist ja ein anderes Wort für Subjektivität, und eines Tages hält die es nicht mehr mit sich au~~ irgendwann verzweifelt sie an der Möglichkeit, von sich aus schöpferisch zu sein, und sucht Schutz und Sicherheit beim Objektiven. Die Freiheit neigt immer zum dialektischen Umschlag. Sie erkennt sich selbst sehr bald in der Gebundenheit, erfüllt sich in der Unterordnung unter Gesetz, Zwang, System -erfüllt sich darin, das will sagen: hört darum nicht auf, Freiheit zu sein. (Thomas Mann, Doktor Faustu,\~ Kap. XXII) Inhalt Einleitung ..................................................................................... 11 1. Das Erbe des Kommunismus: Staat und Politik im "realen Sozialismus" ................................... 15 1.2. Der Sozialismus als Modernisierungssystem ............... 16 1.3. Bürokratischer Sozialismus und blockierte Reformen ..................................................................... 23 1.4. Neue Problemlagen und Strukturdefekte des politischen Systems ...................................................... 33 1.5. Die verhinderte politische Modernisierung: Systemreform oder kurieren an Symptomen? ..................................... 37 2. Nationenbildung und Nationalismus ............................ 49 2.1. Partikularismus und Universalismus ............................ 50 2.2. Gefahren und Chancen des neuen Nationalismus ........ 59 2.3. Nationenbildung und Integration ................................. 67 2.4. Deutsche Einheit und Nationenbildung ........................ 75 2.5. Europäische Herausforderungen am Ende des Ost-West-Konflikts ................................................ 81 3. Regimewechsel, Revolution und Transition ................ 89 3.1. Problemaufriß: Zur Kritik der Kommunismusforschung ............................................. 93 3.2. Neuere Revolutionstheorien und die Revolutionen des Jahres 1989 .......................................................... 105 3.3. Methodische Probleme der Transitionsforschung ...... 126 3.3.1. Historisch-systematische Verlaufsmodelle ................ 129 3.3.1.1. Entwicklungspfade der Re-Demokratisierung ........... 131 3.3.1.2. Liberalisierung und "civii society" ............................. 142 3.3.1.3. Phasen der Abkehr vom Kommunismus .................... 145 3.3.2. Liberalisierung oder Systemreform? .......................... 148 8 3.3.3. Systematische Erklärungsmodelle für Regimewechsel und Transition .................................. 157 3.3.3.1. Die Akteure des Umbruchs ........................................ 157 3.3.3.2. Verhandlungen und politische Optionen .................... 164 3.4. Vom Autoritarismus zur Demokratie ......................... 173 4. Umbau der politischen Systeme ................................. 185 4.1. Wahl des wirtschaftlichen und politischen Ordnungsmodells ....................................................... 186 4.2. Institutionenbildung und Demokratisierung ............... 196 4.3. Verfassungsordnung und Verfassungspolitik ............. 207 4.3.1. Verfassungspolitische Weichenstellungen ................. 212 4.3.2. Grundrechte und Staatsziele ....................................... 225 4.3.3. Verfassungsrechtliche Gestaltung der Wirtschaftsordnungen ................................................ 227 4.4. Verfassungsgerichtsbarkeit ........................................ 233 4.5. Wahl des Regierungssystems: Parlamentarismus oder Präsidentialismus? ................ 237 4.6. Parteiensysteme ......................................................... 251 5. Demokratie am Scheideweg -Das Ende des Kommunismus und die westlichen Demokratien ....... 271 5.1. Konsens, Konflikt und Partizipation im Postkommunismus ..................................................... 272 5.2. Freiheitsrechte, politische Tugend und Gerechtigkeit ....................................................... 285 5.3. Bürger und Staat: Demokratisierung, bürgerschaftliche Kompetenz und der "adequate citizen" ................................................ 305 5.4. Der Staat als Gemeinschaftsordnung ......................... 324 Anhang ....................................................................................... 335 Bibliographie .............................................................................. 421 9 Verzeichnis der Abbildungen 1. Typen des Nationalismus .................................................... 57 2. Unterschiede zwischen "neuen" und "klassischen" Revolutionen (nach Goldstone/Gurr) ...................................................... 114 3. Die Ursachen der Revolution (nach Chalmers Johnson) .................................................. 122 4. Wege der Re-Demokratisierung (nach Alfred Stepan) ......................................................... 132 5. Demokratie (Polyarchie) und Diktatur (nach Robert A. Dahl) ....................................................... 148 6. Bedingungen, die eine Polyarchie begünstigen (nach Robert A. Dahl) ....................................................... 175 7. Transitions from Nonpolyarchical Regimes (nach Robert A. Dahl) ....................................................... 178 8. Wirtschaftliche und politische Ordnungsmodelle ............. 187 9. Regimewechsel und Transition ......................................... 193 10. Verfassungspolitik in postkommu- nistischen Ländern ............................................................ 214 11. Mehrheits- und Konsensdemokratie (nach Arend Lijphart) ....................................................... 241 12. Formen demokratischer Systeme ...................................... 246 13. Regierungssysteme in postkommunistischen Ländern ............................................................................. 249 14. Grundpositionen im Parteienspektrum postkommunistischer Länder ............................................ 260 15. Demokratisierung in postkommunistischen Gesellschaften - Bedingungen und Einflußfaktoren ......... 275 Einleitung Demokratie nach dem Ende des Kommunismus -dieser Titel wirft zwei Fragen auf: 1. Wird am Ende des welthistorischen Umbruchs, der etwa 1985 mit Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion begann, der 1989 in die Revolutionen in Mittel-Ost- und Südosteu ropa mündete und 1991 zum Ende der einstmaligen "Vorhut der Weltrevolution", der Sowjetunion führte, die Demokratie stehen? 2. Wie stellt sich die Zukunft der etablierten Demokratien des We stens nach dem Umbruch in den kommunistischen Ländern dar? In der Euphorie des Jahres 1989 schien es für kurze Zeit, als wäre die liberale Demokratie als "Sieger" aus der Systemausein andersetzung hervorgegangen. Es verwundert nicht, daß angesichts dieser Entwicklung große Hoffnungen in eine demokratische und damit friedlichere Zukunft gesetzt wurden. Der israelische Poli tikwissenschaftler Shlomo A vineri hat in diesem Zusammenhang von einer fast messianischen Hoffnung in den Gesellschaften, die den Kommunismus überwunden hatten, aber auch im Westen gesprochen. Während der atemberaubenden Ereignisse Ende 1989/Anfang 1990 bezweifelten nur wenige, daß der schnelle Übergang zur Marktwirtschaft nötig und möglich und die Demokratie das gleich sam natürliche Korrelat zur Marktwirtschaft sei. Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Die Demokratisierung in den postkommunistischen Ländern geht mühsamer voran, als erwartet und in manchen Ländern, allen voran im "Kernland" des ehemaligen sowjetischen Imperiums, Rußland, regen sich neue diktatorische Bestrebungen. Trotz dieser, in ihren möglichen Konsequenzen noch nicht abzu schätzenden Gefährdungen hat der Zerfall des Kommunismus die mehr als ein halbes Jahrhundert bestehenden Konfrontationen beendet. Daß damit aber auch der sichere Rahmen, in dem sich 12 politisches Denken bewegte, verlorenging, kommt den Zeitgenossen erst allmählich zu Bewußtsein. Die alte Unterscheidung Freiheit gegen Totalitarismus, Demo kratie gegen Diktatur, West gegen Ost ist hinfällig, solange die Demokratisierung das Ziel der postkommunistischen Länder ist und bleibt. Hinfällig ist - zumindest gegenwärtig - auch die Angst vor der atomaren Apokalypse. Statt dessen finden die regional be grenzten Ungeheuerlichkeiten direkt vor unserer Tür in Europa statt, und nicht mehr nur "weit hinten" in der sogenannten Dritten Welt. Nach dem Ende der Sowjetunion hat jedoch nicht nur der ideo logische und politisch-militärische Gegner, sondern auch eine "Ordnungsrnacht" die weltpolitische Bühne verlassen, deren Feh len die Entwicklung in dieser Region unberechenbar macht. Die Folgen des Jahres 1989 führten zum einen zum Ende der Blöcke mit ihren höchst fragilen Sicherheitsstrukturen und gegenseitigen Abhängigkeiten. Zum anderen bedeuten sie aber auch das Ende von Demokratie vorstellungen, die ihre Legitimation im wesentlichen aus der Ab grenzung gegenüber dem Kommunismus bezogen. Die revolutionären Umbrüche des Jahres 1989 haben, indem sie das Ende des Sozialismus sowjetischen Typs und der Weltmacht Sowjetunion herbeiführten, einen "Eckstein des westlichen demo kratischen Ethos" (Shlomo Avineri) aus unserem politischen Ge dankengebände herausgebrochen, nämlich die Verdammung von Regimen sowjetischen Typs. Der Antikommunismus (und mit ihm der Anti-Antikommunismus) waren mehr als eine Generation lang eine wichtige Stütze westlicher Politik. Die Folgen dieser hier nur angedeuteten Entwicklung für die neuen Demokratien im Osten und für die Demokratien im Westen ist noch gar nicht abzusehen. Zweifel an einem allgemeinen Sieg der Demokratie sind ange bracht. Ob der Transitionsprozeß in den postkommunistischen Ländern mit verläßlicher Sicherheit zur Entwicklung pluralisti- 13 scher Demokratien führen wird, ist mit wissenschaftlichen Argu menten nicht zu beantworten. Wie die Zukunft der westlichen Demokratien sich gestalten wird, ist angesichts unübersehbarer Krisenerscheinungen offen. In dieser Situation bleibt nicht viel mehr, als sich an den Rat von Gabriel A. Almond zu halten, der Ende der 60er Jahre meinte, die Politikwissenschaftler möchten, wenn sie die Vielfalt und Instabi lität der heutigen politischen Systeme betrachten, sich ihre Hoff nung auf den allgemeinen Sieg der Demokratie bewahren. Wir könnten aber kaum annehmen, daß dieses Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen sei. Die Analyse der Chancen und Risiken der Demokratisierung in den postkommunistischen Ländern, aber auch ihre Auswirkungen auf die etablierten Demokratien des Westens sind der Gegenstand dieses Buches. Welche konkreten und alltäglichen Probleme und Schwierig keiten auf dem Wege zur Etablierung einer funktionsfähigen und dauerhaften Demokratie zu bewältigen sind, ist dem Verfasser vor allem in mehr als zwei Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit an der Humboldt-Universität zu Berlin und in vielen fruchtbaren Dis kussionen mit Sozialwissenschaftlern und Historikern aus den postkommunistischen Ländern bewußt geworden. Die Notwendig keit, diese Erfahrungen nicht nur praktisch, sondern auch theore tisch zu verarbeiten, hat den Anstoß zu diesem Buch gegeben. Zu Dank verpflichtet bin ich Lilian Klein, ohne deren sachkun dige und engagierte Unterstützung die Arbeit an diesem Vorhaben in einer komplizierten Aufbausituation nicht möglich gewesen wäre. Zu danken habe ich ferner für die Hilfe von Monika Schröder bei der Zusammenstellung des Anhangs sowie Milko Eilers und Andre Noeske für die Bearbeitung und Präsentation der Umfragedaten. Cathleen Kantner und Carola Becker waren bei der Zusammenstellung der Bibliographie behilflich. Gert-Joachim Glaeßner

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