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Demokratie in einer globalen Welt: Überwindung der Denk- und Handlungskrise unserer Parteien PDF

269 Pages·2015·1.67 MB·German
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Demokratie in einer globalen Welt Heinz Kruse Demokratie in einer globalen Welt Überwindung der Denk- und Handlungskrise unserer Parteien Heinz Kruse Hannover, Deutschland ISBN 978-3-658-06695-6 ISBN 978-3-658-06696-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-06696-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ........................................................................................................ 7 2. Wandel durch Aufklärung ............................................................................. 13 2.1 Umbruch und industrielle Revolution .................................................... 13 2.2 Preußische Reformen ............................................................................. 24 2.3 Die negative Erbschaft des preußischen Obrigkeitsstaates .................... 33 2.4 Kontinuität des Obrigkeitsstaates ........................................................... 37 3. Der soziale Wohlfahrtsstaat .......................................................................... 47 3.1 Politik im Umbruch ............................................................................... 47 3.2 Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition ......................................... 54 3.3 Parteien werden elitäre Kaderorganisationen ........................................ 59 3.4 Parteien und politische Administration .................................................. 65 4. Die globale Welt – das Ende der Moderne .................................................... 71 4.1 Die Globalisierung ................................................................................ 71 4.1.1 Wandel durch neue Technologien ................................................. 71 4.1.2 Die soziale Formierung des Fortschritts ......................................... 75 4.1.3 Die Ablösung der Moderne ............................................................ 81 4.2 Die Wirkung der Globalisierung auf Politik und Administration ........ 88 4.2.1 Globale Herausforderungen und politische Restriktionen.............. 89 4.2.2 Abhängigkeiten und Risiken der neuen Finanzordnung ................ 93 4.2.3 Sklerose unseres Parteiensystems ................................................ 104 4.2.4 Legitimationskrise der Parteiendemokratie .................................. 111 5. Demokratie in einer globalen Welt ............................................................. 119 5.1 Ableitung eines Anforderungsprofils .................................................. 120 5.2 Das Volk im Reformprozess ............................................................... 131 5.2.1 Bürgergesellschaft und Zivilgesellschaft ..................................... 133 5.2.2 Zivilgesellschaft Begriff und historische Entwicklung ................ 139 5 6. Wege in eine Bürgerdemokratie – ein Reformmodell ................................. 151 6.1 Die Institutionen der Zivilgesellschaft ............................................... 151 6.1.1 Bürgerdemokratie im Überblick................................................... 151 6.1.2 Verfassungskonvent .................................................................... 158 6.1.3 Rechte und Pflichten im Verfassungskonvent .............................. 166 6.1.4 Forum Deutschland ..................................................................... 170 6.1.5 Rechte und Pflichten im Forum Deutschland ............................... 189 6.1.6 Regionalkonferenzen.................................................................... 194 6.1.7 Rechte und Pflichten in den Regionalkonferenzen ...................... 208 6.1.8 Ein Beispiel: Subventionen regional gesteuert ............................. 215 6.2 Direkte Demokratie; der Bundespräsident als Bürgerpräsident .......... 220 6.2.1 Zivilgesellschaft und direkte Demokratie .................................... 220 6.2.2 Bundespräsident als Bürgerpräsident ........................................... 226 7. Startmöglichkeiten und Chancen für Reformen .......................................... 231 7.1 Einstieg in einen Reformprozess ........................................................ 233 7.1.1 Legitimation, ein Schlüssel der politischen Macht....................... 234 7.1.2 Reformschritte nach einem Vertrauensentzug ............................. 244 7.1.3 Entwicklung neuer Organisations- und Arbeitsformen ................ 251 7.1.4 Lernen und Experimentieren in Zukunftswerkstätten .................. 253 7.2 Reformpotentiale – Versuch einer Einschätzung ................................ 256 7.2.1 Bürgerinnen und Bürger ............................................................... 258 7.2.2 Organisierte Gruppen ................................................................... 262 7.2.3 Parteien ........................................................................................ 264 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 269 6 1. Einleitung Viele Bürgerinnen und Bürger glauben, dass unsere Demokratie in einer Krise steckt. Sie befürchten eine Entwicklung, mit der sich die Politik immer mehr von der Ordnung des Rechts löst und vor allem, dass sie sich offensichtlich nicht mehr an das allgemeine Wohl als ihr oberstes Ziel gebunden fühlt. Sie befürchten eine Krisenentwicklung, für die die Finanzkrise nur eine Station sein könnte. Die Maßnahmen zur Rettung von Euro, Ländern und Banken zeigen, dass die Krisenbefürchtungen berechtigt sind. Diese Krisen in Deutschland, wie in anderen europäischen Gesellschaften, sind eng verwoben mit schweren Beschädigungen des Rechtsstaates. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass parteipolitische Eliten den Begriff der Demokratie in Beschlag genommen haben. Sie haben ihn entwer- tet und ihn inhaltlich entleert. Von der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes ist nichts übrig geblieben als eine Ideologie zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Herrschaftssystems. Die wechselseitige Entfremdung zwischen Bürgerschaft und politischem Per- sonal sollte in einer funktionierenden Demokratie ausgeschlossen sein, weil – je- denfalls nach der herrschenden Ideologie – mit Wahlen auftretendem Übel abge- holfen werden kann. Das aber scheint nicht der Falle zu sein. Im Gegenteil - die politischen Eliten haben sich in ihrer Macht eingerichtet und demokratische Struk- turen sind anscheinend nur noch eine formale Folie über einer sich strukturell ver- festigenden Macht. Es gibt formal eine freie Wahl zwischen unterschiedlichen Parteien. Aber es scheint gleich zu sein, welche Wahl ausgeübt wird. Offensicht- lich haben sich in den Parteieliten und Kadern überwiegend gleichgeschaltete In- teressen entwickelt. Dies löst die (normative) Frage aus, mit welchen Mitteln un- sere Politik wieder demokratisiert werden könnte. Beispiele aus vielen politischen Handlungsfeldern, vor allem aber das Beispiel der Finanzkrise zeigen, dass wir nicht nur eine normative Krise unserer Demokra- 7 H. Kruse, Demokratie in einer globalen Welt, DOI 10.1007/978-3-658-06696-3_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 tie haben. Die Welt der Parteiendemokratie ist mit der Industriegesellschaft ent- standen. Die aber ist einem tief greifenden Wandel von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur unterworfen. Die Moderne, die einst als End- und Zielpunkt der Ent- wicklung galt, ist selbst Geschichte geworden. Im Zusammenhang mit diesem Wandel hat es eine Zerstörung der traditionellen Gewissheiten der Industriegesellschaft gegeben. Der Glaube an die Machbarkeit der Welt mit den Mitteln einer zentralistischen Bürokratie ist im Kern erschüttert und inzwischen auch zerstört worden. Die Vorstellungen von der ‚Machbarkeit der Welt’ mit den Mitteln einer zentral gelenkten Bürokratie sind nicht nur im Sozialismus, sondern auch in den westlichen Ländern geplatzt. Zudem zeigen sich in Umwelt, Kultur und im sozialen Miteinander Begrenzungen einer Wirtschafts- weise, die auf den unbegrenzten Verbrauch von sozialen und ökologischen Gütern angewiesen ist, die sie selbst aber nicht reproduzieren kann. Offensichtlich stellt sich die Aufgabe, über die politischen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen neu nachzudenken. Eine Überprüfung unserer grundlegenden Ordnung ist auch deshalb notwendig, weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Umgestaltung geführt haben, die Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen betrifft. Die Veränderungen sind ähnlich tief greifend, wie es die Veränderungen waren, die das Mittelalter beende- ten und mit denen die Industriegesellschaft erst möglich wurde. Die Industriegesellschaft und mit ihr die Moderne werden durch eine neue Ent- wicklung abgelöst. Dies erfordert auch die Reform unserer politischen und admi- nistrativen Strukturen. Ihre Denk- und Handlungsmuster sind strukturell ungeeig- net, mit den neuen Herausforderungen fertig zu werden. Im Internet habe ich dazu eine treffende Formulierung gefunden: „Wir brauchen ein neues Betriebssystem der Demokratie“. Neue Antworten sind erforderlich. Sie können sich nicht nur auf die materiellen Inhalte der Politik beziehen, sondern sie müssen ausdrücklich auch die Formen und Strukturen der Politik auf den Prüfstand stellen. Das galt vor etwa zwanzig Jahren schon für den Sozialismus, der an der Herausforderung gescheitert ist, sich anzupassen. Seine rigiden bürokratischen Formen ließen Anpassungen nicht zu. Dem Sozialismus mangelte es an Lern- und damit an Veränderungsfähigkeit. Es schien der große Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus zu sein. Inzwi- schen aber zeigt sich, dass auch der Kapitalismus nicht gesiegt hat, sondern dass seine Krisenphase nur etwas später einsetzte. Sozialismus und Kapitalismus sind offensichtlich nur das ‚Geschwisterpaar der Moderne’. Beide Strukturmodelle der Organisation des Gemeinwesens wurden von einer Entwicklung überholt, die uns vor neue, differenzierte und komplexe Herausforderungen stellt. Das ist im histo- rischen Ablauf nicht ungewöhnlich, sondern eine normale Entwicklung. 8 Die Geschichte des Mittelalters zeigt, dass die Ablösung der politischen Ord- nung durch große und kleine Krisen gekennzeichnet war. Deshalb ist es nicht über- raschend, wenn wir auch den gegenwärtigen Wandel als Krise erleben. Neue Zeiten erfordern neue Lösungen mit neuen Formen und Strukturen. Da- gegen wehren sich die Träger der politischen Macht. Sie behaupten, sie seien „al- ternativlos“, um ihr Monopol auf die Macht im Staate zu sichern. Diese Erfahrung ist alt, aber neu ist die Erfahrung, dass dies in unserer Demokratie ebenso gilt wie in einer Diktatur. Jedenfalls ist es den Kadern und Eliten unserer Parteienherr- schaft bisher gelungen, sich unangreifbar zu machen. Sie haben ein Kartell der Macht gebildet und sie haben sich durch die Verbindung mit gesellschaftlich rele- vanten Gruppen und Kräften scheinbar unangreifbare Bastionen gegenüber ihrer Bevölkerung geschaffen. Der Wandel betrifft nicht nur die Parteien, sondern auch die wirtschaftlichen Oligarchien der großen Finanzkomplexe. Auch sie versuchen, ihre Machtbastio- nen gegen eine historische Entwicklung zu behaupten. Gemeinsam mit der Politik agieren sie im Kernbereich der politischen wie der wirtschaftlichen Macht. Sie sind aktuell in der Rolle, die Klerus und Feudalherren im ausgehenden Mittelalter hatten. Zur Verteidigung ihrer Macht setzen sie zwar andere Mittel ein, aber die Form der Konflikte ist vergleichbar. Der rapide wachsende Einfluss der Lobby auf politische Entscheidungen ist deshalb kein Zufall, sondern Ausfluss dieser Inte- ressenkonstellation. Deshalb geht es nicht nur um den Austausch von Personen und Parteien durch Abwahl und Neuwahl. Es geht um die gegenwärtigen Formen der Organisation politischer Macht. Wir brauchen eine ‚Demokratie neuen Typs’, die den gegen- wärtigen Herausforderungen gewachsen ist. Sie ist nicht nur normativ wünschbar, sie ist auch funktional notwendig (um Not zu wenden). Ich will zeigen, dass Veränderungen möglich sind und dass es Wege in neue Formen von Demokratie geben kann. Ein wichtiger Schlüssel für demokratische Reformen liegt in der Aufklärung mit den Ideen zur Gewaltenteilung und zur Kon- trolle der Verfassung durch das Volk – dem Souverän der Demokratie. Sie sind auch die Schlüsselbegriffe für demokratische Reformen. Dazu ist es erforderlich, die Frage einer neuen Demokratie in einen historischen Kontext zu stellen. Es geht mir dabei allerdings nicht um eine Geschichte der Demokratie, sondern aus- schließlich darum, Hinweise für Antworten zu finden. Die bereits vorhandenen Erkenntnisse und Erfahrungen müssen vor dem Hintergrund der neuen Herausfor- derungen überprüft werden. Aber es geht nicht nur um die Wiederherstellung demokratischer Entschei- dungs- und Kontrollmechanismen, sondern auch um eine Anpassung von Politik und Administration an die Herausforderungen einer differenzierten und komple- xen Welt. Sie ist mit neuen Denk- und Handlungsformen verbunden, die auch eine Herausforderung an politisches Handeln darstellen. 9 Eine zentrale Frage ist, wie man die wachsende Differenzierung und Komple- xität der Welt politisch beantworten kann. Dafür gibt es zwar keine Patentrezepte, aber immerhin gibt es Hinweise, die sich aus der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ableiten lassen. Auch hier liefert die Geschichte Vorlagen, die zu interpretieren sind. Zum Beispiel stand das Land Preußen als industrieller Nach- zügler vor vergleichbaren Problemen einer nachholenden Modernisierung. Die preußischen Reformen zeigen uns, dass es notwendig ist, komplexe Herausforde- rungen ganzheitlich zu beantworten. Dieses Buch will politisch Stellung beziehen. Aber mir geht es nicht darum, Vorwürfe gegenüber Personen und Parteien zu sammeln. Letztlich haben sich auch die Bürgerinnen und Bürger in den Verhältnissen eingerichtet und ihre Selbstverantwortung für sich und ihre Gemeinschaft dem vordergründigen Wohl- stand und der politischen und medialen Fremdbestimmung öffentlicher Räume ge- opfert. Die Krise unserer Demokratie sehe ich vielmehr vor dem Hintergrund des Wandels. Natürlich gibt es in Gemengelagen tief greifender Veränderungen auch immer Personen und Institutionen, die zum Ausdruck von Krisen und von Ver- fallserscheinungen werden. Eine Krise (wie ein moralischer Verfall) haben immer auch ihre Gesichter. Entscheidend ist jedoch eine Antwort auf die Frage nach We- gen aus der Krise, die friedlich sein sollen und die eine qualitativ neue Demokratie zum Gegenstand haben sollen. Insofern bezieht dieses Buch Stellung für eine demokratische Bürgerschaft. Das Schicksal dieser Bürgerschaft wird gewiss davon abhängen, dass sie lernt, wieder selbstverantwortlich und selbstorganisatorisch zu handeln. Die hier erarbeiteten Ansätze sind auf die Belebung einer bürgerlichen Kultur der Selbstverantwortung angewiesen. Insofern sind die hier entwickelten Reformwege nicht im Sinne von Patentrezepten zu verstehen. Eine Arbeit, die Stellung beziehen will, muss nicht nur zur praktischen Mach- barkeit des vorgeschlagenen Weges Stellung nehmen, sondern sich auch zu der Frage äußern, mit welchen Mitteln die politische Auseinandersetzung geführt wer- den könnte – oder sollte, um wieder Bewegung in eine verkrustete politische Struktur zu bringen. Weil in diesem Zusammenhang, Erkenntnisse und Experi- mente eng verbunden sind, brauchen alternative Ansätze einer neuen Demokratie ebenso wie Wege dahin eine dezentrale Ebene, um neue Formen von Partizipation und Kooperation zu erproben. Zudem ist die Dezentralisierung politischer Kom- petenzen auch ein zukunftsfähiges Strukturmuster zum Umgang mit Komplexität. Die Frage, ob es tatsächlich gelingen kann, einen friedlichen demokratischen Wandel zu erreichen, ist offen. Die Verbindung aus Politik und partiellen wirt- schaftlichen Interessen hat im finanziellen Bereich einen Punkt erlangt, der die Politik anscheinend nur noch zu Erfüllungsgehilfen von Einzelinteressen des Fi- nanzkomplexes gemacht hat. Dieses Bollwerk stemmt sich Reformen entgegen und es dominiert vor allem die internationalen Institutionen. 10

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