ebook img

Demographisierung des Gesellschaftlichen: Analysen und Debatten zur demographischen Zukunft Deutschlands PDF

238 Pages·2007·10.4 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Demographisierung des Gesellschaftlichen: Analysen und Debatten zur demographischen Zukunft Deutschlands

Eva Barlosius • Daniela Schiek (Hrsg.) Demographisierung des Gesellschaftlichen Eva Barlosius Daniela Schiek (Hrsg.) Demographisierung des Gesellschaftlichen Analysen und Debatten zur demographischen Zukunft Deutschlands VSVERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothel< verzeichnet diese Publil<ation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage Mai 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag fiJr Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS Verlag fiJr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Sphnger Science+Business Media. www.vs-verlag.de DasWerk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlichgeschiJtzt.Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiJr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: KunkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbindehsche Verarbeitung: Krips b.v, Meppel Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15094-9 Inhalt Vorwort 7 Die Demographisiemng des Gesellschaftlichen Zur Bedeutung der Reprasentationspraxis Eva Barlosius dffentliche Standortbestimmungen Die Kinder der Akademdkerinnen Familienplanung als eine Frage des Stils 37 Susanne Lang Das groBe Schrumpfen Von Wohlstandsinseln und Verliererregionen 43 Cordula Tutt Kinderlosigkeit in Deutschland Ein Problemaufriss aus ministerieller Perspektive 49 Christiane Hug-von Lieven Registrierung Wie viele Kinder haben Familien? Moglichkeiten und Grenzen der statistischen Erfassung 59 Ivar Cornelius Bildungsspezifische Unterschiede im Geburtenverhalten in Ost- und Westdeutschland 83 Michaela Kreyenfeld _6 Inhalt Ursachensuche Erwerbsarbeit und Eltemschaft Das deutsche Modell im europaischen Vergleich 115 Christiane Lindecke Vereinbarkeit von Bemf und Familie - ein Problem fiir Manner? Familien und Lebensverlaufsplanung bei Mannem 135 Michael Meuser Suche nach Abhilfe Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit Neue Strategien bei der Lebens- imd Familienplanung 153 Kathrin Dress el Demographische Entwicklung: Problem oder Phantom? 165 Sebastian Schroer und Thomas Straubhaar Die Macht der Demographisierung Vom Ubervolkerungs- zum Uberaltemngsparadigma Das Verhaltnis zwischen Demographie imd BevolkerungspoHtik in historischer Perspektive 187 Martin Lengwiler „Frauen wollen beides" Die Vereinbarkeitsdebatte als Symptom geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung 205 Daniela Schiek Die Demographisierung 5konomischer, kultureller und sozialer Verandemngen am Beispiel des landlichen Raums 221 Stephan Beetz Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 247 Vorwort Manchmal, wenn sich Themen und Sichtweisen neu formieren, gehen von diesen bereits Impulse aus, auch wenn sie sich noch nicht klar abzeichnen. So ist es uns ergangen, als wir im Sommer 2005 eine Tagung zu den „Chancen des demogra- phischen Wandels" planten. Wir waren zu der Uberzeugung gelangt: Uber Schrumpfen und Leerlaufen, Uberalterung und Vergreisung, Niedergang und Verfall sei hinlanglich geklagt und seien mehr als geniigend Horrorszenarien gezeichnet worden, nun ware es an Zeit, nach den Chancen zu fragen und nach- zuforschen, ob der demographische Wandel nicht auch Gelegenheiten in sich birgt - z.B. lang diskutierte Projekte zu verwirklichen. So zu fragen ist mittler- weile nicht mehr ungewohnlich: Diese Themenstellung und Sichtweise etabliert sich mehr und mehr. Der vorliegende Band ist das Ergebnis unserer Tagung, die im November 2005 vom Kompetenzzentrum „Gender und Emahrung" der Universitat Hohen- heim organisiert wurde. Er spiegelt das Konzept der Tagung wider; fur die Ver- offentlichung wurden jedoch weitere Beitrage eingeworben. Ihm liegt die bereits 1928 von Karl Mannheim in seinem Aufsatz „Das Problem der Generationen" geaufierte Einsicht zugrunde, dass aus „Leben und Tod" und der ,yZahlenma6ig erfafibaren Lebensdauer" keine „gesellschaftliche Dynamik" entsteht. Um die „geistigen und sozialen Stromungen zu verstehen", muss die Soziologie „aus der Sphare der Biologic" heraustreten, auch und insbesondere um zu verstehen, wes- halb die deutsche Gegenwartsgesellschaft ihre Zukunft so stark von ihren „vita- len Unterlagen" - ihrer demographischen Lage - her erfasst. Die Tagung ware ohne groBziigige Fdrderung durch die Fritz-Thyssen- Stiftung nicht mdglich gewesen und dieser Band ware ohne finanzielle Unter- stiitzung durch das Kompetenzzentrum „Gender und Emahrung" der Universitat Hohenheim nicht zustande gekommen. Renate Prust und Lars Menzel haben die Arbeit an dieser Publikation durch zahlreiche Recherchen, Diskussionen und redaktionelle Unterstiitzung begleitet. Wichtige Nachforschungen hat Till Stre- cker iibemommen. Udo Borchert und Petra Barsch haben durch sorgfaltige Durchsicht und Gestaltung des Manuskripts zu diesem Buch beigetragen. Ihnen alien mochten wir hiermit unseren groBten Dank aussprechen. Eva Barlosius und Daniela Schick Essen, im Januar 2007 Die Demographisierung des Gesellschaftlichen Zur Bedeutung der Reprasentationspraxis Eva Barlosius^ „Dem Deutschen Volke", so hatte es sein Architekt Paul Wallot 1882 vorgese- hen, sollte das Reichstagsgebaude gewidmet werden. Diesen Schriftzug auf dem Portikus anzubringen lehnte jedoch Wilhelm II ab. Erst 1916, nachdem die SPD den Kriegskrediten zugestimmt hatte, lieB sich der Kaiser umstimmen. Die poli- tische Loyalitat der SPD gegeniiber dem Kaiserreich wurde honoriert, die Zueig- nung angebracht. Nachdem der deutsche Bundestag in Bonn mit knapper Mehr- heit beschlossen hatte, nach Berlin umzuziehen und nun wieder stets im Reich- tagsgebaude zu tagen, gait es mit den undemokratischen Traditionen des Hauses zu brechen und es mit Symbolen gelingender Demokratie auszustatten. Eine neue, offentlich zugangliche Kuppel wurde aufgesetzt und im nordlichen Licht- hof ein hochbeetartiger Kasten mit der Widmung „Der Bevolkerung" eingelas- sen. Diesen sollten die Abgeordneten mit Erde aus ihrem Wahlkreis auffiillen. Die neue Zueignung „Der Bevolkerung" - so Hans Haacke, der das Kunstwerk entwarf - soil eine Distanzierung gegeniiber der „Wortkombination 'deutsches Volk'" ausdriicken, bei welcher es sich um einen „Blutgemeinschaft suggerie- renden Volksbegriff handelt, „der noch immer Unheil stiftet" (Haacke 1999). Es ist nahe liegend, den historisch belasteten Begriff des Volkes, insbesondere mit dem Zusatz „deutsch", zu vermeiden und ihn durch den scheinbar neutralen der Bevdlkerung zu ersetzen. Aber der Begriff Bevolkerung reprasentiert nicht eine sachlichere Fassung des Wortsinns von Volk. „Wir sind das Volk", riefen die Montagsdemonstranten und begehrten mit diesem Mahnruf mehr Demokratie. Hatten sie „Wir sind die Bevolkerung" skandiert, ware ihre politische Forderung nicht so eindeutig gewe- sen - schlieBlich meint Demokratie Volksherrschaft. Vor allem aber hatten sie sich nicht als „gesellschaftliches Subjekt" zu erkennen gegeben, als eine Gruppe, die gemeinsame Interessen einen. Bevolkerung meint die Einwohner auf einem geographisch bestimmten Territorium. Insofem war es folgerichtig, die Abge- 1 Ich danke Daniela Schick fur ihre Untcrstiitzung. 10 Eva Barlosius ordneten dazu zu bewegen, die Erde aus ihren Wahlkreisen zusammenzutragen und miteinander zu vermischen, um so die territoriale Einheit der Bundesrepu- blik Deutschland zu symbolisieren. Eine gesellschaftliche Einheit reprasentiert die Bevolkerung jedoch nicht, es sei denn, sie wird mit einem sie naher bestim- menden Merkmal versehen, wie die junge, die weibliche oder die wahlberechtig- te Bevdlkerung. Erst durch eine solche Prazisierung, die eine kategoriale Ord- nung einfuhrt und auf einen sozialen Zusammenhang verweist - die Gruppe der jungen, der weiblichen oder wahlberechtigten Einwohner - und gleichzeitig mar- kiert, welche Personen nicht dazugehdren, wird die Bevolkerung als soziale Ein heit aufgefasst. Im Gegensatz dazu zeichnet sich der altertumliche und in der deutschen Geschichte schrecklich missbrauchte Begriff Volk dadurch aus, dass er auch ohne nahere Bestimmung einen sozialen Zusammenhang ausdriickt. Er charakterisiert eine gesellschaftliche Einheit - eine Gruppe von Menschen -, die ein oder mehrere soziale, politische oder kulturelle Merkmale miteinander teilen oder sich durch diese miteinander verbunden fuhlen. Die Abgeordneten des Bundestages - so steht es im Grundgesetz - sind die gewahlten „Vertreter des ganzen Volkes". Sie sollen somit - soziologisch ge- sprochen - die Gesellschaft reprasentieren. Und damit ist nicht die gesamte Be volkerung gemeint, die auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland lebt: Nur deutsche Staatsbiirger haben das passive und aktive Wahlrecht, und nur sie werden direkt durch die Abgeordneten reprasentiert.^ Wenn das Anliegen des Kunstwerks im ndrdlichen Lichthof ist, die ausgrenzenden Eigenschaften der Portalinschrift zu kritisieren, ihr eine Zueignung des Gebaudes entgegenzuset- zen, die auf die Reprasentation aller dringt, dann hatte in der Widmung das eini- gende Band - die gegenseitige Anerkennung von Zugehorigkeit - deutlich wer den miissen. Die generalisierteste Form von Zugehorigkeit - abgesehen davon, Teil der Menschheit zu sein -, die sich Menschen gegenseitig bekunden konnen, ist gesellschaftliche Zugehorigkeit. 7. Bevolkerung und Gesellschaft Freilich, dieses Buch handelt nicht von der Erfindung neuer Symbole fiir das vereinigte Deutschland. Die Geschichte der neuen Zueignung des Reichstagsge- baudes wurde erzahlt, weil sich darin ein Perspektivenwechsel widerspiegelt, der an vielen Stellen zu beobachten ist. Statt iiber die Gesellschaft wird immer hau- figer von der Bevdlkerung gesprochen, statt von gesellschaftlichem Wandel wird immer ofter vom demographischen Wandel berichtet, wenn iiber die Zukunftsfa- 2 Sieht man vom Kommunalwahlrecht der EU-Biirger ab. Die Demographisierung des Gesellschaftlichen 11 higkeit Deutschlands debattiert wird, dann wird diese vermehrt an der Bevdlke- mngszahl und -zusammensetzung denn an okonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Potenzialen festgemacht. Und dieser Perspektivenwechsel scheint sich zumeist unbewusst zu vollziehen. Bei der Unterscheidung in Bevolkerung und Gesellschaft handelt es sich jedoch keineswegs um Begriffsspalterei. Viel- mehr ist darin ein grundsatzlich unterschiedliches Verstandnis daruber enthalten, was Menschen miteinander verbindet, welche Verantwortung sie fiireinander ha- ben, welche gegenseitigen Verpflichtungen sie iibemehmen und insbesondere ob und inwieweit das Zusammenleben iiber einen „Gesellschaftsvertrag" geregelt ist. Die Bevolkerung ist im Laufe der Geschichte, wie Michel Foucault (2004) gezeigt hat, unter verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen worden: als Gegenteil von Entvolkerung, als Machtressource des Souverans, die die Staatskasse fuUt und die militarischen Truppen stellt, als produktive Kraft, wel che die Voraussetzung, aber auch die Grenze ftir wirtschaftliche Dynamik bildet. Besonders ausgepragt wurde die letzte Sichtweise von Thomas Robert Malthus vertreten, der „das Problem der Bevolkerung wesentlich als ein Problem der Bio- Okonomie" begriff (Foucault 2004: 117). Dass nicht die Bev61kerung(sgro6e) die Moglichkeiten und Grenzen der Entwicklung und vor allem nicht die Art und Weise der Produktion bestimmt, sondem die Produktionsweise - d.h. die gesell- schaftliche Verfasstheit der Produktion -, zeichnete sich spatestens seit der in- dustriellen Revolution ab. Um genau dies zu unterstreichen - so Foucault -, ver- suchte Karl Marx „das Problem der Bevolkerung zu umgehen und sogar den Begriff der Bevolkerung auszulagem, um sie dann doch in der ... historisch- politischen Gestalt der Klasse, des Klassengegensatzes und des Klassenkampfes wiederzufinden" (ebd.: 118). Ob Marx mit dem Begriff der Klasse tatsachlich einen liberzeugenden Gegenbegriff zu Bevolkerung als naturaler Kategorie ge- wahlt hat, kann man bestreiten. Allerdings markiert die Gegeniiberstellung „ent- weder die Bevolkerung oder die Klassen" (ebd.) deutlich den Auffassungswan- del von der Bevolkerung als Objekt, welches als Ressource in den Produktions- prozess einflieBt, zu der Bevdlkerung als Subjekt, welches die Produktion gesell- schaftlich einrichtet. Dass wir uns in einer Phase eines beschleunigten demographischen Wan- dels befinden, ist unbestritten. Seit iiber 150 Jahren sinkt die Geburtenrate mit wenigen Ausnahmen stetig, in ahnlicher Weise steigt die Lebenserwartung seit vielen Jahrzehnten - sieht man von massiven Krisen ab wie den beiden Welt- kriegen und dem kurzfristigen extremen Riickgang in den ersten Jahren nach der Wende in Ostdeutschland. Ob allerdings samtliche Phanomene, Probleme, Gren zen und Optionen, die gegenwartig in Zusammenhang mit dem demographischen Wandel gebracht oder gar als dessen Folge gesehen werden, tatsachlich durch ihn bedingt sind, ist fraglich. So kiindigt Herwig Birg an, dass „ganz gegen alle

Description:
Zukunftsfähigkeit – hört man allerorten – hänge zuvörderst von der demographischen Lage ab. Folglich wird immer seltener über die Gesellschaft und vom sozialen Wandel berichtet und stattdessen vermehrt über die Bevölkerung informiert und eine Umkehr der demographischen Entwicklung angemah
See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.