Demenz Was nun? Hilfen für Menschen mit Demenz und deren Angehörige im Werra-Meißner-Kreis Anzeichen einer Demenz Tipps zum Umgang mit demenzkranken Personen Rechtliche Fragen Leistungen der Pflegeversicherung Hilfen für pflegende Angehörige Regionale Hilfen Impressum Herausgeber Werra-Meißner-Kreis, Der Kreisausschuss Schlossplatz 1, 37269 Eschwege 05651 3020, [email protected] Erarbeitet vom Fachgremium »Demenz« im Rahmen der Kreispflegekonferenz 2009, Aktualisierung durch Seniorenbüro/Pflegestützpunkt Werra-Meißner Stand Januar 2017 Kontakt Seniorenbüro Werra-Meißner Schlossplatz 1 37269 Eschwege Tel. 05651 302-1433 oder -1434 [email protected] Gestaltung Grafikatelier Antje Köhler www.die-visiomaten.de Fotos Fotolia.de: ©JSB31 (1), ©Africa Studio (4), ©Barabas Attila (12), ©photocrew (14), ©Alexander Raths (16), ©JSB31 (17), ©Hunor Kristo (18); Shutterstock.de: ©Ocskay Mark (5), ©Robert Kneschke (6), ©Maren Winter (9), ©gresei (13); Photocase.de: ©Fritz (8), ©wagg66 (9), ©Bonk!Bild (19), © cw-design (20); iSockphoto.com: ©BraunS (11); 2 Pixelio.de: ©Gerd Altmann (10) Vorwort Anfänglich kleine Vergesslichkeiten ent- ner-Kreis. So gibt es wickeln sich zunehmend zum Verlust der mittlerweile ein flächen- vertrauten Identität. Dieser Prozess ist für deckendes Angebot der alle Beteiligten mit viel Unsicherheit und Einzel- und Gruppen- Angst verbunden, die Zukunft erscheint betreuung für demenz- unsicher, die Vergangenheit verliert sich kranke Personen und die für die Betroffenen im Strom der Zeit – Pflegeversicherung re- zurück bleiben nur kleine Inseln der Erin- agierte mit den gesetz- nerung. lichen Neuerungen erst- mals weitreichend auf demenzspezifische Demenz – ein Thema, dass uns alle treffen Pflegesituationen. kann. Demenzerkrankungen sind eine der häufigsten Leiden im höheren Alter. Mög- Die Beschreibung möglicher Symptome licherweise stoßen wir im familiären Um- einer Demenzerkrankung, die Tipps zum feld, im Freundes- oder Bekanntenkreis da- Umgang mit erkrankten Personen und die rauf, möglicherweise sind wir persönlich beschriebenen Hilfen für pflegende Ange- betroffen. Gleichzeitig stellen dementi- hörige können eine frühzeitige Diagnose- elle Erkrankungen mit der Betreuung und stellung und die Alltagsbewältigung un- Pflege der betroffenen Personen eine be- terstützen. Darüber hinaus informiert die sondere Herausforderung, speziell für pfle- Broschüre zu rechtlichen Fragen, zu den ak- gende Angehörige, dar. tuellen Leistungen der Pflegerversicherung und zu regionalen Ansprechpartnern und Der Wert des Engagements der pflegenden Unterstützungsangeboten. Angehörigen kann nicht hoch genug ein- geschätzt werden. Das Gefühl, dabei allein Es ist uns ein Anliegen, Sie mit Ihren Fra- zu sein und sich mehr und mehr selbst aus gen nicht allein zu lassen! Das Senio- dem vertrauten Lebensumfeld herauszu- renbüro/der Pflegestützpunkt des Wer- nehmen, wird häufig zur Realität. Deshalb ra-Meißner-Kreises steht als kompetente möchten wir mit dieser Broschüre Betrof- Beratungsstelle gern zur Verfügung. fenen und Angehörigen im Werra-Meiß- ner-Kreis helfen, Unterstützung durch Mit freundlichen Grüßen Informationen und praktische Hilfe zu Ihr finden. Die zunehmende Zahl der Betrof- fenen, aber auch die wachsende Präsenz des Themas in der Öffentlichkeit führte in den vergangenen Jahren zu einem Ausbau 3 entsprechender Angebote im Werra-Meiß- Stefan G. Reuß, Landrat Demenz Was nun? Anzeichen einer Demenz Die geistige Leistungsfähigkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab, Menschen werden vergesslich. Doch wo hört die normale Vergesslichkeit auf und fängt eine krankhafte Veränderung an? Während von den 70- bis 74jährigen etwa 3,5 Prozent an einer Demenz erkranken, ist es bei den über 85jährigen schon fast ein Drittel der Alters- gruppe. Betroffene verlegen Dinge, erinnern sich nicht mehr an Geburtstage oder vergessen, was sie am Tag zuvor getan haben. Manche können sich nur noch schwer konzentrieren oder sich Neues nicht mehr merken. Die Orientierung wird schwierig – nach einem Spaziergang finden sie nicht mehr nach Hause oder sie leben in längst vergangenen Zeiten. Die Betroffenen merken am Beginn der Erkrankung, dass sie sich verändern. Sie ziehen sich zurück, isolieren sich, werden unruhig weil sie ständig auf der Suche sind und reagieren manchmal auch aggressiv, wenn man versucht, ihnen zu helfen. Das erschwert den Umgang und belastet die Beziehung zu den Angehöri- gen. Diesen fällt es häufig schwer, die Verhaltensänderung als Folge einer Demenz zu begreifen. Frühzeitige Information kann helfen, den Umgang mit einer Demenz zu 4 lernen und zu gestalten. Stellen Sie fest, dass ... • kurz zurückliegende Ereignisse vergessen werden? • bei der Ausübung gewohnter Tätig- keiten Schwierigkeiten auftreten? • Fehler, Irrtümer oder Verwechslungen hartnäckig abgestritten werden? • das Interesse an Arbeit, Hobbys und Kontakten nachlässt? • Schwierigkeiten auftreten, sich in einer fremden Umgebung zurecht- zufinden? • der Überblick über finanzielle Ange- legenheiten verloren geht? ginnt und nach heutigem Kenntnisstand • bislang nicht gekannte Stimmungs- unheilbar ist, können die Symptome bei schwankungen, andauernde Ängst- einer sekundären Demenz (ca. 10% der lichkeit, Reizbarkeit und Misstrauen Erkrankungen) als Folge anderer Grund- auftreten? erkrankungen, z. B. Stoffwechselerkran- • Gefahren falsch eingeschätzt werden? kungen, Dehydration, Stoffwechselerkran- • Sprachstörungen vorhanden sind? kungen oder Dehydration auftreten und mit der Behandlung der Grunderkrankung Diese Symptome können gelindert werden oder sogar wieder ganz auf eine Demenzerkrankung verschwinden. hindeuten! Je früher die ersten Anzeichen richtig ge- deutet werden und ein Arzt aufgesucht wird, umso besser ist die Chance, die Ur- Was kann man tun? sachen zu klären und bei primären De- menzformen das Fortschreiten der Er- Demenz ist der Oberbegriff für Erkran- krankung zeitlich aufzuschieben und die kungen, die mit nachlassenden geistigen geistige Leistungsfähigkeit des Betrof- Fähigkeiten, wie zum Beispiel Vergesslich- fenen so lange wie möglich zu erhalten. keit, Verwirrtheit, Desorientierung, u.v.m. einhergehen. Sie können verschiedene Zunächst sollte der Hausarzt kontaktiert Ursachen haben und werden grundsätz- werden, dieser kann zur weiteren Abklä- lich in primäre und sekundäre Demenzen rung die Überweisung an einen Facharzt unterteilt. Während bei der primären De- für Psychiatrie oder Neurologie oder an ei- 5 menz die Erkrankung direkt im Gehirn be- ne Gedächtnissprech stunde veran lassen. Tipps zum Umgang mit Demenzkranken Die Versorgung von Demenzkranken Prinzipiell ist es hilfreich, das Verhalten stellt insbesondere die Angehörigen vor der/des Erkrankten genau zu beobach- große Herausforderungen. Um diese zu ten, um es verstehen und entsprechend meistern, möchte das folgende Kapitel handeln zu können. Beispielsweise kann hilfreiche Anregungen geben. die Ablehnung von Essen Folge von Ap- petitlosigkeit, Schluckstörungen oder • Grundsätzlich gilt es, ein Klima zu einem drückenden Gebiss sein, was je- schaffen, in dem sich der Betroffene si- weils unterschiedliche Interventionen cher und geborgen fühlt, um Angst und erfordert. Unsicherheiten zu minimieren. • Darüber hinaus ist es für die Betroffe- Bei störendem Verhalten können die Pfle- nen wichtig, mit ihren Fähigkeiten in genden versuchen, die Situation (z. B. viele den Alltag eingebunden zu werden und Menschen) oder das eigene Verhalten, z. B. aktiv sein zu dürfen, unabhängig vom die Sprache (einfache Sätze, langsam, ...) Ergebnis ihrer Bemühungen. zu verändern. Manchmal hilft es aller- • Überhaupt sollten die alltäglichen Ak- dings nur, gegenüber dem Verhalten der tivitäten dem Erkrankten Spaß machen Erkrankten Gelassenheit zu entwickeln. und an seine Fähigkeiten und Vorlie- Das gelingt, wenn das Umfeld über die ben anknüpfen. Das kann Bewegung Erkrankung aufgeklärt ist und sich die in Form von Spaziergängen sein, das Pflegeperson genügend Freiräume und Gedächtnis kann spielerisch trainiert Entlastung schafft. werden, alte Fotoalben unterstützen die Erinnerungen, Musik spricht die Im Folgenden finden Sie emotionale Ebene an und kann durch hilfreiche Tipps für den das Singen bekannter Melodien für Ver- Umgang mit demenzkranken 6 trautheit sorgen. Menschen. Allgemeine Kommunikation • die Beibehaltung der gewohnten • Stellen Sie Blickkontakt her und hören Ordnung von Möbel- und Erinnerungs- Sie gut zu. stücken, auch nach einem Umzug. • Sprechen Sie langsam und deutlich • das Akzeptieren des von den Kranken und verwenden Sie einfache, kurze als angenehm empfundenen Maßes an Sätze. Ordnung bzw. Unordnung, bei dem sie • Machen Sie immer nur eine Aussage sich am besten zurechtfinden. bzw. stellen Sie nur eine Frage. • die Reduzierung von Zahl und Vielfalt • Wiederholen Sie Ihre Aussagen/ von Reizen im Raum (z. B. könnten Fragen, wandeln Sie diese nicht ab. Teppichmuster als Hindernisse • Stellen Sie ja – nein- Fragen, wieso, gedeutet werden). weshalb, warum kann Betroffene • die Kennzeichnung von Räumen sowie überfordern. von Aufbewahrungsorten für persön- • Lassen Sie zum Antworten genügend liche Dinge (z. B. Kochtopfzeichen an Zeit. der Küchentür). • die Nutzung von Kontrastfarben zum Wiederholtes Fragen Herausheben von Geländern, Türen, • Versuchen Sie, die Fragen zu elektrischen Schaltern usw. beantworten. • eine helle und möglichst schattenfreie • Schreiben Sie die Antwort gut lesbar Beleuchtung. auf und zeigen Sie auf die Notiz, sobald Ihr Angehöriger die Frage stellt. Aktivieren verbliebener • Geben Sie nicht nur eine Antwort, Fähigkeiten sondern auch Beruhigung (z. B. durch Zum Beispiel können Sie ... eine Berührung). • Bewegungsübungen, Musik- und • Wenn Sie die Geduld verlieren, gehen Kunsttherapie durchführen. Sie für kurze Zeit aus dem Zimmer. • Tätigkeiten der Selbstversorgung • Falls Sie die Frage nicht beantworten, (z. B. Körperpflege, Mahlzeiten widmen Sie ihr/ihm anderweitig mehr zubereiten, ...) üben. Aufmerksamkeit. • die Kommunikation fördern. • Unterbrechen Sie die Situation, indem • Wahrnehmungsübungen und die Sie die betroffene Person mit etwas Anregung der Sinne (z.B. durch ver- anderem beschäftigen. traute Düfte) in den Alltag einbinden. • alte Erinnerungen (Fotoalben, Orientierungshilfen Gespräche über früher) und vertraute Die räumliche Orientierung der kranken Aktivitäten (z. B. Handarbeiten) Person wird erleichtert durch ... wiederbeleben. • eine einfache und übersichtliche Ge- 7 staltung des Wohnbereichs. • Nehmen Sie das Verhalten des Er- krankten nicht persönlich, z. B. wenn sie/er Ihren Namen vergisst. • Eine gleichbleibende Umgebung und ein strukturierter Tagesablauf reduzie- ren die Probleme, die durch Gedächt- nisstörungen auftreten. • Halten Sie lebensgeschichtliche Erin- nerungen der/des Kranken lebendig, schauen Sie sich z. B. gemeinsam alte Fotos an. Wirklichkeitsfremde Überzeu- gungen – Beschuldigungen • Versuchen Sie einen Überblick zu behalten, wo Ihr Angehöriger Gegen- stände normalerweise versteckt. • Helfen Sie bei der Suche vermisster Gegenstände und beruhigen Sie den Gestörte Merkfähigkeit und dementiell Erkrankten. Gedächtnisabbau • Suchen Sie die Ihnen bekannten Ver- • Im Anfangsstadium der Krankheit stecke von Zeit zu Zeit nach gehorteter können Notizen (Tagebucheinträge Nahrung ab. usw.), Schilder an Türen und Ähnliches • Achten Sie beim Leeren von Papier- helfen, das Erinnerungsvermögen zu körben auf versteckte Gegenstände. stützen. • Nehmen Sie – auch wenn es schwer • Verzichten Sie auf Korrekturen von fällt – Anschuldigungen nicht Fehlleistungen, wann immer das persönlich, sondern als Symptom der möglich ist, da dies die Erkrankten Krankheit. beunruhigt und beschämt. • Versuchen Sie zu erklären und zu • Lassen Sie vergessene Informationen beruhigen, ohne den Wahrheitsgehalt wie das aktuelle Datum oder Namen der Aussagen des Kranken in Frage unauffällig ins Gespräch einfließen. zu stellen (z. B. Ich habe niemanden • Vermeiden Sie Gehirntraining in gesehen, der ...). Form von Abfrageübungen – da die • Versuchen Sie, Ihren Angehörigen Vergesslichkeit nicht mehr rückgängig abzulenken. gemacht werden kann, sind solche • Entfernen Sie Bilder und Tapeten mit Übungen lediglich quälend und irritierenden Mustern oder Motiven 8 8 beschämend. und leuchten Sie dunkle Ecken gut aus. Umgang mit Gefühlen Auffälliges oder peinliches • Akzeptieren Sie unreife Notreak- Verhalten tionen wie z. B. ein das war ich nicht • Gehen Sie offen mit der Erkrankung für ein eingenässtes Bett als Zuflucht Ihres Angehörigen um und informieren zu einem ungenügenden Bewälti- Sie Ihr Umfeld, gerade wenn schwie- gungsversuch. rige Verhaltensweisen auftreten. • Vermeiden Sie soweit als möglich al- • Treffen Sie ggf. Arrangements, les, was negative Gefühle der Kranken z. B. dass der Laden anschreibt, zur Folge hat, wie Kritik, Überforde- wenn die erkrankte Person einfach rung oder unangenehme Situationen. etwas mitnimmt. • Ermutigen und loben Sie Ihren Ange- • Sie können unauffällig Verständnis- hörigen oft. kärtchen mit der Information zur Er- • Beruhigen Sie sie/ihn bei Angst- oder krankung Ihres Angehörigen austeilen. Furchtreaktionen und halten Sie • Beruhigen bzw. lenken Sie ab. Körperkontakt. • Beziehen Sie starke Gefühlschwan- Umgang mit Aggressionen kungen nicht auf sich. Versuchen Sie ... • Wenn sich der dementiell Erkrankte • gelassen zu bleiben und die kranke bei Ihnen anklammert oder Ihnen Person zu beruhigen. hinterherläuft, versichern Sie ihr/ihm, • die kranke Person abzulenken. dass Sie wiederkommen und suchen • die kranke Person durch Körperkontakt Sie jemanden, der sich während Ihrer zu beruhigen. Abwesenheit um die kranke Person • auf Ihre Sicherheit zu achten, in dem kümmert. Sie sich einen Fluchtweg offen halten und lernen, wie man sich sanft aus einem festen Griff befreit. • Sprechen Sie, sobald Sie sich überfor- dert oder bedroht fühlen, mit einer Person ihres Vertrauens. 9 • Informieren Sie einen Arzt. Vermeiden Sie ... • Begrenzen Sie den Schlaf der Kranken • Konfrontation, Diskussion und Streit. tagsüber und sorgen Sie dafür, dass • die kranke Person gewaltsam fest- sie/er ausreichend Bewegung hat. zuhalten. • Ein bequemes Bett, eine angenehme • sich selbst in eine Ecke treiben zu Raumtemperatur und ein warmes lassen. Getränk helfen beim Einschlafen. • der/dem Kranken keinen Platz zu • Falsch dosierte Beruhigungsmittel kön- lassen. nen nächtliches Wandern verstärken. • Provokation durch Necken oder Lachen. • Angst zu zeigen. Nervöses Hin- und Herlaufen • gewaltsames Losreißen, wenn die/ • Laufen lassen in geeigneter Umge- der Kranke Sie festhält. bung ist oft die beste Lösung. • Bestrafung der kranken Person. • Suchen Sie nach Ursachen für die Un- ruhe wie z. B. Langeweile, körperliches Nächtliches Wandern Unwohlsein, ein spitzer Stein und Unruhe im Schuh usw. Nächtliches Wandern: • Das gemeinsame Beginnen einer an- • Versuchen Sie, eine sichere Umgebung deren Aktivität oder ein gemeinsamer zu schaffen und sorgen Sie dafür, Ortswechsel kann die Unruhe lindern. dass die Türen nach draußen nachts • Finden Sie gemeinsam mit dem verschlossen sind. Erkrankten eine sinnvolle Tätigkeit wie • Bewegungsmelder zeigen an, wann die Kartoffelschälen, Gartenarbeit usw. kranke Person das Zimmer verlässt oder • Versuchen Sie ihr/ihm zu vermitteln, sorgen für automatische Beleuchtung, dass sie/er in Ihrer Nähe sicher und so vermeiden Sie es, unnötig wach zu geborgen ist. 10 werden.
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