Fontes Christiani EINE RELIGIONSKONFERENZ IN PERSIEN Fontes Christiani Zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter In Verbindung mit der Görres-Gesellschaft herausgegeben von Marc-Aeilko Aris, Peter Gemeinhardt, Martina Giese, Winfried Haunerland, Roland Kany, Isabelle Mandrella, Andreas Schwab Band 87 EINE RELIGIONSKONFERENZ IN PERSIEN GRIECHISCH DEUTSCH EINE RELIGIONSKONFERENZ IN PERSIEN DE GESTIS IN PERSIDE EINGELEITET, ÜBERSETZT UND KOMMENTIERT VON KATHARINA HEYDEN GriechischerText:E.Bratke(TUNF4/3a=Bd.19). Redaktion: HorstSchneider ZurAutorin:KatharinaHeydenistProfessorinfürÄltereGeschichtedes ChristentumsundderinterreligiösenBegegnungenamInstitutfürHisto- rischeTheologiederUniversitätBern/Schweiz. Umschlagbild:Marmorplatte, Ravenna,S.ApollinareNuovo,6.Jh. © VerlagHerderGmbH,FreiburgimBreisgau2019 AlleRechtevorbehalten www.herder.de Satz:HeidiHein,Heidelberg–MichaelTrauth,Trier Herstellung:GGPMedia,Pößneck PrintedinGermany ISBN978–3–451–32904–3 INHALTSVERZEICHNIS Einleitung ............................................. 8 I.DerliterarischeCharakter ............................ 11 1. Disputationsroman ................................ 11 2. KompositioninvierAkten ......................... 16 3. VerschränkungvonFigurenundThemen ............. 23 a) KönigArrenatos,seinSohnMithrobadesunddiepersi- scheMacht .................................... 24 b) AphroditianunddieWeisheitderHellenen ........ 27 c) DerpersischeZaubererOrikatosunddieMagie .... 30 d) DieJudenunddieSchriftauslegung ............... 32 e) DieChristenunddasProblemderUneinigkeit ..... 35 II.Quellen,Referenztexte,intertextuelleBezüge ............ 37 1. „HellenischeOrakel“ausderChristlichenGeschichtedes PhilippvonSide ................................. 37 a) DieKassandros-Erzählung ....................... 41 b) DieErzählungdesAphroditian ................... 44 c) HellenischeApophthegmata ..................... 49 d) AsketischeExempla............................. 50 e) DieKoatos-Sage ............................... 50 2. SpätantikeAlexandertraditionen ..................... 51 3. EineDisputatioadversusIudaeos .................... 57 4. Bibel ............................................ 59 a) Daniel-Buch ................................... 59 b) AltesTestament ................................ 61 c) NeuesTestament ............................... 63 III. ZeitundOrtderAbfassung .......................... 66 IV.Autor,Adressaten,Intentionen ........................ 82 1. DeranonymeAutor ............................... 82 6 Inhaltsverzeichnis a) Selbstaussagen ................................. 82 b) DerhandschriftlicheBefund ..................... 82 c) Anastasios? .................................... 83 d) ProfileinesUnbekannten ........................ 86 2. IntendierteAdressaten ............................. 88 3. Intentionen ...................................... 89 a) UnterhaltungundUnterweisung.................. 89 b) EinantijüdischesPamphlet?...................... 89 c) UmfassenderErweisderchristlichenWahrheit ...... 95 d) SyntheseausHellenentumundChristentum ....... 96 e) ReligiöseEinheit ............................... 97 f) Pragmatismus,Philanthropie,religiöseToleranz ..... 99 g) AskesealsreligionsübergreifendesLebensideal ...... 101 V.ÜberlieferungundRezeption ......................... 103 1. Handschriften .................................... 103 2. Übersetzungen ................................... 110 3. DiePredigtDenativitatedominidesJohannesvon Damaskus........................................ 110 4. DiePredigtInsanctamgenerationemChristides Ps.-Basilios ....................................... 112 5. DieErzählungdesAphroditianbeidenSlaven ........ 112 VI.ZudieserAusgabe ................................... 116 1. EditionenundÜbersetzungen ...................... 116 2. DergriechischeText ............................... 118 3. BemerkungenzurÜbersetzung ..................... 120 a) ÏEllhn/ëEllhnikoÂw .............................. 120 b) urhskeiÂa ...................................... 122 c) XristoÂw ....................................... 123 d) doÂja/doÂjai .................................... 124 Inhaltsverzeichnis 7 Text und Übersetzung DegestisinPerside–EineReligionskonferenzinPersien .... 127 Anhang Abkürzungen Werkabkürzungen .................................... 219 AllgemeineAbkürzungen ............................. 221 BibliographischeAbkürzungen ......................... 222 Bibliographie Quellen ............................................. 225 Literatur ............................................ 233 Register Bibelstellen .......................................... 243 Namen ............................................. 245 Sachen .............................................. 250 GriechischeBegriffe .................................. 256 8 Einleitung Persien als Ort der Koexistenz und Konfrontation verschiede- ner Religionen unter der Herrschaft eines allmächtigen Königs: In diese Kulisse sind die Ereignisse eingezeichnet, die ein na- mentlichunbekannterAutorinseinem„BerichtüberdieinPer- sien geschehenen Dinge“ schildert. Aus einem Streit zwischen Hellenen(ÏEllhnew)1undChristen(XristianoiÂ)entwickeltsich ein Kräftemessen zwischen Vertretern verschiedener im Persi- schen Reich ansässiger Religionsgemeinschaften, das sich über mehrereTagehinzieht.ZunächstdiskutierengebildeteHellenen und Christen die Frage, ob griechische Weissagungen und Ora- kel Christus verkündet hätten. Nachdem der Schiedsrichter Aphroditian den Christen in dieser Frage recht gegeben hat, fordert der oberste Magier Persiens, Orikatos, die christliche DelegationzueinemWettbewerbmagischerKünsteheraus.Als auch dieser zugunsten der Christen ausgeht, bitten jüdische RabbinendenKönigumdieErlaubnis, mitdenBischöfenüber dieMessias-Fragedisputierenzudürfen.DieausdieserDiskus- sionresultierendeKonversionderbeidenRedeführerJakobund Pharas zum Christentum führt zu einer Spaltung unter den Ju- den Persiens. Dank der Vermittlung des Schiedsrichters Aphro- ditian gehen die Parteien jedoch am Ende friedlich auseinander und einigen sich darauf, dass jede der beteiligten Gruppen ihre Art der Gottesverehrung frei wählen darf – obgleich für die Leserdeutlichseindürfte,dassWahrheitundSiegeigentlichauf der Seite der Christen sind. De gestis in Perside2 gehört zu jenen Werken der frühchrist- lichen Literatur, die in Antike und Mittelalter zahlreiche Leser 1 ImUnterschiedzumpolemischen,aufdiekultisch-religiöseDifferenzzu JudenundChristenabzielendenBegriff„Heiden“betontdasgriechische Lehnwort „Hellenen“ stärker den kulturellen Aspekt hellenistischer Bil- dung,derimKontextvonDegestisinPersidevonentscheidenderBedeu- tungundäußerstpositivkonnotiertist.ZurÜbersetzungundBedeutung von ÏEllhnew im Rahmen dieser Ausgabe von De gestis in Perside siehe untenEinleitungVI.3.a). 2 CPG6968. Einleitung 9 fanden,abervondermodernenForschungnurseltenbehandelt und dann meist mit abfälligen Urteilen bedacht wurden.3 Zu phantastisch wirktedieseinBerichtsform gekleideteWerbeschrift fürdasChristentum,zuwenigrationalschienendiezumErweis derchristlichenWahrheitangeführtenWundertatenundArgumen- tationen, zu plump die geschilderten exegetischen Dispute, als dass sie den Ansprüchen an historische Zuverlässigkeit und lo- gische Stringenz genügen könnten, die eine von aufklärerischen Idealengeprägte,westlicheLeserschaftandieTexteheranträgt.4 InByzanz,inderslavischenWeltundimmittelalterlichenRuss- land aber ist diese phantasievolle Erzählung eines oströmischen Christen darüber, wie ein friedliches Zusammenleben verschiede- ner Religionsgemeinschaften trotz unversöhnbarer Wahrheitsan- sprüche möglich wäre, viel und gern gelesen worden. Darauf deuten neben zahlreichen Handschriften auch ikonographische Zeugnisse und Wiederverwendungen des Stoffes hin.5 3 DiefürlangeZeiteinzigemonographischeStudiezuDegestisinPerside hatE.BratkeimJahr1899zusammenmiteinerkritischenEditionvorge- legt (Bratke, Religionsgespräch). Nachdem das Werk im 20.Jahrhundert nurvereinzeltbeachtetwordenwar(BelegebeiHeyden,Erzählung118), widmetesichP.BringeleinerNeueditionmitausführlicherKommentie- rungundknapperEinleitungimRahmenihrer2006abgeschlossenen,aber nur auf Microfiche zugänglichen Dissertationsschrift. (Ich danke P.Brin- gel,dasssiemirihrManuskriptzurVerfügunggestellthat.)Alseinlitera- rischerKontextdersogenanntenErzählungdesAphroditianwirdDegestis inPersideinHeyden,Erzählung116–170ausführlichbehandelt.Zuletzt hat sich Uthemann, Anastasios 617–690 im Zusammenhang mit seinen ForschungenzuAnastasiosSinaitesumfassendundinkritischerAuseinan- dersetzungmitBratkeundHeydenzudemWerkgeäußert.Zurälteren ForschungsgeschichtesieheBratke,Religionsgespräch47–61undHeyden, Erzählung118sowie226–282. 4 VielsagendistindieserHinsichtdieAussagedesJesuitenJ.Gretser,Ad Lectorem32:Sedoratioillaoletnescioquidfabularum ... nequeulliputo hancdihÂghsinforeperviam,nisiemendatiorem;vgl.unten116Anm.271. Es verwundert nicht, dass De gestis in Perside von explizit religionsge- schichtlich interessierten Forschern ‚entdeckt‘ und gewürdigt wurde: Schwartz,Aphroditianos;Usener,Weihnachsfest;Dölger,Fisch;Muth- mann,Mutter.AllerdingsbeschränktesichdasreligionsgeschichtlicheIn- teresseaufdenersten,derAuseinandersetzungmitdemHellenentumge- widmeten,TeildesWerks(Pers.1–38). 5 SieheuntenEinleitungV. 10 Einleitung DerunbekannteAutortutvieldafür,dassseinBerichtglaub- würdig wirkt: Er beruft sich mehrmals auf Aufzeichnungen in den königlichen Archiven,6 streut immer wieder pseudo-persi- sche ‚amtliche‘ Floskeln in seinen Bericht ein7 und fingiert am SchlussdiepersönlicheBeglaubigungdurchAngehörigedeskö- niglichen Hofstaates.8 Dennoch kann kein Zweifel bestehen, dassessichinsgesamtumeinfiktivesWerkhandelt.Daraufdeu- ten etwa die Personennamen hin, von denen kaum einer durch andereQuellenbezeugtist,dieaberimBlickaufCharakteroder Funktion der Figuren in vielen Fällen aussagekräftig sind.9 Ein- zigbeidemvondenChristenfavorisiertenHistorikerPhilippos scheintessichumeinehistorischePersonzuhandeln.Dochist dieserPhilipposnichtimSassanidenreich,sonderninByzanzzu finden. Bei der Suche nach dem historischen Kern des Werks führt die wichtigste Spur zu ihm: Die umstrittene Christliche Geschichte (XristianikhÁ ëIstoriÂa) des Philipp von Side war möglicherweise der Anlass für die Abfassung von De gestis in Perside. Es ist jedoch bei weitem nicht die einzige Quelle, die der Autor in seinem romanhaften Bericht verarbeitet. Der Text erweist sich vielmehr als ein Gewebe aus zahlreichen intertex- tuellenBezügenund(mehroderwenigerexpliziten)Zitatenaus ganz verschiedenen Kontexten. Wer diesen Text verstehen und historische Erkenntnis aus ihm ziehen möchte, muss den literarischen Charakter und das damit verbundene spezifische Verhältnis von Fiktion und Rea- litätsbezugberücksichtigen.10AntwortenaufdieklassischenEin- leitungsfragen nach Autor, Ort und Zeit der Abfassung sowie 6 Pers.1.20.82. 7 Diese(Pseudo-)PersicawerdenindenHandschriftensehrunterschiedlich überliefert. Zwei Manuskripte – der dieser Ausgabe zugrunde liegende Codex Parisinus graecus 1084 (A) sowie der Vaticanus graecus 866 (B) – gebensieansiebenStellen,inPers.1.10.39.41.50.68.82,wieder.EineAuf- listung,welcheHandschriftwelchedieserPassagenüberliefert,gibtBrin- gelUnepole´mique109f. 8 Pers.82. 9 SieheuntenEinleitungI.3. 10 Zum fiktionalen Charakter von De gestis in Perside siehe zuletzt An- drist,Literarydistance51–54.