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David Gauthiers moralischer Kontraktualismus: Eine kritische Analyse PDF

368 Pages·2014·0.955 MB·German
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Raffael Iturrizaga David Gauthiers moralischer Kontraktualismus PRACTICAL PHILOSOPHY Herausgegeben von / Edited by Herlinde Pauer-Studer • Neil Roughley Peter Schaber • Ralf Stoecker Band 9 / Volume 9 Raffael Iturrizaga David Gauthiers moralischer Kontraktualismus Eine kritische Analyse ontos verlag Frankfurt I Paris I Ebikon I Lancaster I New Brunswick Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliographie; detailed bibliographic data is available in the Internet at http://dnb.ddb.de North and South America by Transaction Books Rutgers University Piscataway, NJ 08854-8042 [email protected] United Kingdom, Ire, Iceland, Turkey, Malta, Portugal by Gazelle Books Services Limited White Cross Mills Hightown LANCASTER, LA1 4XS [email protected] Livraison pour la France et la Belgique: Librairie Philosophique J.Vrin 6, place de la Sorbonne ; F-75005 PARIS Tel. +33 (0)1 43 54 03 47 ; Fax +33 (0)1 43 54 48 18 www.vrin.fr 2007 ontos verlag P.O. Box 15 41, D-63133 Heusenstamm nr. Frankfurt www.ontosverlag.com ISBN 10: 3-938793-60-0 ISBN 13: 978-3-938793-60-2 2007 No part of this book may be reproduced, stored in retrieval systems or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use of the purchaser of the work Printed on acid-free paper ISO-Norm 970-6 This hardcover binding meets the International Library standard Printed in Germany by buch bücher dd ag Inhalt I. Einleitung................................................................................................7 A. Gauthiers Projekt des moralischen Kontraktualismus: Morals by Agreement........................................................................................11 1. Moral versus Rationalität oder Moral durch Rationalität?.............11 2. Reichweite der Theorie Gauthiers..................................................29 B. Gleichheit als zentrale Konzeption in MbA......................................36 C. Argumentationsgang ........................................................................47 II. Die Argumentation in MbA .................................................................49 A. Die Problemstellung.........................................................................53 B. Der Lösungsweg...............................................................................54 III. Gleichheit in der Verhandlung...........................................................71 A. Möglichkeiten der Verteilung des Kooperationsertrages.................74 B. Verhandlungstheorien in der RCT....................................................81 1. Das Selbstverständnis der Verhandlungstheorien..........................85 2. Nashs Verhandlungstheorie.........................................................100 3. Die asymmetrische Nash-Lösung von Kalai................................116 4. Die Monotonie-Lösung von Kalai-Smorodinsky.........................118 C. Gauthiers Antwort auf das Verhandlungsproblem.........................123 1. Das MRC-Prinzip ........................................................................125 2. Herleitung des MRC-Prinzips in MbA.........................................133 3. Das MRC-Prinzip als ein Prinzip der Gerechtigkeit....................145 D. Kritik an der Herleitung und den Verteilungsergebnissen des MRC-Prinzips ................................................................................155 1. Axiomatische oder kompetitive Verhandlungstheorie?...............156 2. 2-Personen- oder n-Personen-Spiel?............................................162 3. Kooperationsteilnahme als Verteilungskriterium.........................163 4. Das MRC-Prinzip als ein proportionales Verteilungsprinzip.......169 5. Bevorzugung der Schwachen durch das MRC-Prinzip................185 6. Zusammenfassung .......................................................................188 E. Das MRC-Prinzip im langfristigen Einsatz unter wechselnden Randbedingungen...........................................................................188 F. AKM-P1-Verteilung als Alternative zum MRC-Prinzip.................203 G. Rationalität im Verhandlungsverfahren..........................................211 1. Zwei Konzepte der Rationalität....................................................211 2. Annahme der Gleichheit der Rationalität.....................................253 H. Zusammenfassung.........................................................................266 IV. Gleichheit im Proviso.......................................................................275 A. Inhalt des Provisos und seine argumentative Stellung in der Theorie Gauthiers............................................................................277 B. Kritische Analyse des Provisos.......................................................291 1. Unparteilichkeit der Anfangsbedingungen...................................292 2. Unproduktive Transfers................................................................299 3. Gauthiers Ablehnung von Zwang und Drohstrategien.................308 4. Kosten des Provisos für die Mächtigen........................................327 5. Annahme der Gleichverteilung von Rationalität und Macht........335 6. Stabilität .......................................................................................341 7. Unparteilichkeit als das Resultat von Robinson-Handlungen ......344 C. Ergebnis.........................................................................................347 V. Fazit..................................................................................................353 VI. Literatur............................................................................................359 I. Einleitung Zwei Tendenzen beeinflussen im 20. Jahrhundert die Entwicklung der Gesellschaften in zunehmendem Maße: Säkularisierung und Globalisierung. Die Säkularisierung hat ihren Ursprung und heute noch größten Einfluss in der westlichen Welt, dringt aber durch die Globalisierung verstärkt auch in andere, mehr traditionsorientierte und religiös verankerte Gesellschaften vor. Die Globalisierung manifestiert sich unter anderem in der ständigen Auswei- tung von Kommunikationsnetzen, der Internationalisierung von Wirtschaftsprozessen und des Wissenschaftsbetriebs. Die Mobilitätssteige- rung und die allgemein verfügbaren Kommunikationstechnologien überwinden im Grunde jede geografische, politische oder kulturelle Grenze. Eine noch intensivere wechselseitige Durchdringung von verschiedenen Kulturen erleben wir durch Migrations- und Flüchtlingsbewegungen. Das Phänomen des kulturellen Pluralismus bzw. der multikulturellen Gesellschaft ist heute in den Industrienationen fester Bestandteil der Realität. Während in der erstgenannten Gruppe von Globalisierungsphänomenen Interaktionen zwischen den Mitgliedern verschiedener Kulturen nur zeitlich und auf bestimmte Handlungssituationen begrenzt sind, sind sie in multikulturellen Gesellschaften permanent und auf allen Ebenen anzutreffen. In beiden Fällen der Interaktionen, im letztgenannten offensichtlich dringlicher als im ersten, bedarf es auf Dauer einer von allen beteiligten Akteuren akzeptierten Hand- lungsgrundlage, einem Regelwerk über erlaubte und verbotene, erwünschte und unerwünschte Handlungsweisen; in nuce: einer Moral. Bisher war Moral meistens in religiösen oder partikular bedingten Auffassungen verankert. Nun stellen aber Säkularisierung und Globalisierung gerade diese überkommenen, religiösen oder partikularen Auffassungen als Basis der Moral in Frage, da diese Auffassungen der verschiedenen Kulturen in vielen Fällen nicht mitein- ander vereinbar sind und daher als gemeinsame Grundlage ausfallen. Gleichzeitig bringen die beiden Tendenzen eine fast unüberschaubare Vielfalt an Wertvorstellungen, Lebensauffassungen und Lebensweisen in einem Lebensraum oder in delokalisierten Handlungsstrukturen miteinander in Verbindung. Eine moderne Moral muss also unabhängig von dieser Vielfalt und ohne die Möglichkeit zum Rückgriff auf eine bereits etablierte moralische Basis bestehen können, wenn sie Personen mit so verschiedenen Überzeugun- 8 gen einbinden soll. Eine weitere Herausforderung für eine moderne Moral besteht in dem enorm beschleunigten Fortschritt, insbesondere von Wissen und Technologien, der zu sich ständig wandelnden Problemstellungen führt, auf die die Moral eine Antwort geben können sollte. Die Moral kann daher die heute an sie gestellten Anforderungen nicht nur in Gestalt eines starren Systems von Handlungsnormen erfüllen, sondern muss auch ein Prozedere für das Generieren neuer Handlungsnormen bei sich ändernden Ausgangsbedin- gungen bereitstellen und begründen. In einem solchen Szenario wird eine Moraltheorie benötigt, die mit schwachen Annahmen auskommt und dennoch zu substantiellen Ergebnissen gelangt. Die kontraktualistische Moraltheorie, die David Gauthier vor allem in seinem Buch Morals by Agreement (1986) - nachfolgend mit MbA abgekürzt - entfaltet hat, ist ein Versuch, eine solche Moral zu entwickeln. Darüber hinaus besitzt sie noch einige weitere attraktive Charakteristika. Wenn Gauthiers Theorie ihre Ansprüche einlösen könnte, hätte man einen sehr starken Kon- kurrenten im Wettstreit der Moraltheorien. Was ist hier mit „schwachen“ Annahmen gemeint? Es sind Annahmen, die auf kontroverse, nur partikulare Inhalte verzichten, nicht umfangreich und nicht komplex sind. Solche An- nahmen erleichtern es, dass eine Theorie von Personen mit den verschiedensten moralischen Standpunkten und auch unter sich ändernden Lebensbedingungen oder Meinungen akzeptiert werden kann. Starke Annah- men dagegen wären in der Moral z. B. die Annahme metaphysischer Entitäten wie objektiver Werte, einer absoluten Vernunft oder religiöser Konzeptionen, die allesamt stark begründungsbedürftig sind und keinesfalls als allgemein akzeptiert vorausgesetzt werden können. Gleiches gilt für individuelle moralische Präferenzen oder Dispositionen in spezifischen Konzeptionen der Fairness, des Guten, eines Sinns für Gerechtigkeit oder bestimmter Tugenden wie Aufrichtigkeit oder Treue. Die Individuen in der Theorie Gauthiers müssen keine spezifischen Präferenzen oder Dispositionen besitzen. Nur eines wird von ihnen vorausgesetzt: Sie handeln rational. Diese Einschränkung ist die einzige substantielle Anforderung Gauthiers an die Teilnehmer der Moral. Er geht dabei von einem sehr verbreiteten und vergleichsweise unkontrover- sen Konzept der Rationalität aus, das im Kern in der Nutzenmaximierung individueller Interessen besteht. Zugegebenermaßen ist die Anwendung dieses Rationalitätskonzeptes auf die Moral keineswegs unkontrovers. Was an dieser 9 Form der Rationalität für eine Moraltheorie jedoch zweifellos attraktiv ist, ist ihre klare und einfache Überprüfbarkeit. Durch die größtenteils sehr klar definierte Struktur des Rationalitätskonzeptes ist eine für Moraltheorien ungewöhnlich detaillierte Prüfung von Gauthiers Theorie möglich. Der zweite Grundbaustein dieser vertragstheoretischen Moralkonzeption neben der Rationalität sind die Interessen der Individuen. Das Ziel und die intellektuelle Herausforderung der Theorie ist es, aus beiden Grundbausteinen eine Konzep- tion zu konstruieren, die in ihrem Ergebnis mit den gewöhnlichen moralischen Vorstellungen übereinstimmt und somit die Bezeichnung „Moral“ zu Recht trägt. Das zentrale Element, mit dem vertragstheoretische Moraltheorien diese Herausforderung bewältigen, ist die Übereinkunft der Mitglieder der Gesell- schaft in Form eines Vertrages, an dessen Zustandekommen und Einhaltung alle ein Interesse haben. Ein weiterer Aspekt von MbA, der es als Moraltheo- rie attraktiv macht, ist, dass nicht nur die Frage nach den Inhalten der Moral („Was soll ich tun?“) beantwortet wird, sondern auch die Frage nach der Motivation oder Begründung der Moral („Warum soll ich moralisch sein bzw. warum soll ich meine geschlossenen Verträge einhalten?“). Wir haben es hier also mit einer in mehrerer Hinsicht umfassenden Theorie zu tun. Alle aufge- zählten Punkte zusammen machen eine eingehende Auseinandersetzung mit der Theorie Gauthiers lohnenswert. Gauthiers Theorie verpflichtet sich mit aller Konsequenz der Beschrän- kung auf individuelle Interessen und Rationalität. Die Radikalität seines Vorhabens offenbart sich darin, dass er Moral nicht nur primär oder zu wesentlichen Teilen, sondern ausschließlich aus Rationalität generieren will. Annahmen wie objektive Werte, metaphysische Entitäten oder individuelle Affekte schließt er aus seiner Theorie aus. „It [Morals by Agreement; Anm. d. Verf.] is an attempt to write moral theory for adults, for persons who live consciously in a post-anthropomorphic, post-theocentric, post-technocratic world. It is an attempt to allay the fear, or suspicion, or hope, that with- out a foundation in objective value or objective reason, in sympathy or sociality, the moral enterprise must fail.“ 1 1 D. Gauthier: "Moral Artifice" (1988), 385. 10 Rationalität wird in Gauthiers Theorie in Form der Rational Choice Theory (RCT) expliziert, die die Gesamtheit von Entscheidungs- und Spieltheorie umfasst.2 Seine Moraltheorie konstruiert er als einen Bestandteil der RCT. Sie konstituiert sich aus genau denjenigen rationalen Prinzipien der Entscheidung, die die Verfolgung eigener Interessen unparteiisch zugunsten anderer ein- schränken. Der Rationalitätsbegriff in der RCT orientiert sich an der Konzeption von Bayes und ist durch den Schlüsselbegriff der individuellen Nutzenmaximierung gekennzeichnet. Der Schlüsselbegriff für die Moralkon- zeption Gauthiers ist die Unparteilichkeit im Sinne einer gleichen Berücksichtigung der Interessen aller jeweils betroffenen Individuen. Ausge- hend von dem genannten Rationalitätsbegriff ist folglich Moral bei Gauthier dem Wesen nach eine Einschränkung nutzenmaximierenden Handelns. Er stellt sich daher die Aufgabe zu zeigen, dass es für einen Akteur rational ist, die Verfolgung der eigenen Interessen zugunsten anderer Akteure einzu- schränken. Das bedeutet, dass altruistisches Handeln - also ein Handeln, bei dem ohne Gegenleistung aus freien Stücken auf die Maximierung des eigenen Nutzens verzichtet wird - nicht Teil der Moral in Gauthiers Theorie ist. Vielmehr ist Gauthiers Theorie erneut ein Versuch, das Hobbessche Problem zu lösen: Das Paradox, dass es der Verfolgung des Eigennutzens dient, die Verfolgung des Eigennutzens einzuschränken. Den Schlüssel zur Lösung des Problems sieht Gauthier in der Idee einer wechselseitigen Kooperation, die in einer Vereinbarung fixiert wird. Damit ist Gauthiers Theorie neben diversen Theorien des Kontraktualismus der politi- schen Philosophie eine der sehr wenigen eines rein moralischen Kontraktualismus.3 Das meint einen Kontraktualismus ohne ein staatlich institutionalisiertes Gewaltmonopol zur Gewährleistung der Vertragstreue der Vertragsparteien. Die häufigste Kritik an kontraktualistischen Moralkonzep- ten richtet sich gegen das aus ihm folgende Ergebnis, das am Ende als Moral bezeichnet wird. In der Regel zielt dieser Typ von Kritik darauf, den kontrak- tualistischen Moralbegriff mit einem anderen Moralbegriff zu konfrontieren, 2 R. Hegselmann: “Spieltheorie„ (1995), 1392: “Die Spieltheorie ist eine allgemeine Theorie des rationalen Entscheidens unter Bedingungen strategischer Interdependenz der Akteure.“ In Abgrenzung dazu, ist die Entscheidungstheorie als eine allgemeine Theorie des rationalen Entscheidens ohne strategische Interdependenzen zu verstehen. 3 Vgl. z. B. P. Stemmer: Handeln zugunsten anderer (2000).

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