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Das Zitat in der Erzählkunst PDF

271 Pages·1961·22.543 MB·German
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Herman Meyer Das Zitat in der Erzählkunst Zur Geschichte und Poetik des Europäischen Romans DAS ZITAT IN DER ERZÄHLKUNST HERMAN MEYER DAS ZITAT IN DER ERZÄHLKUNST ZUR GESCHICHTE UND POETIK DES EUROPÄISCHEN ROMANS J. B. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART ISBN 978-3-476-99173-7 ISBN 978-3-476-99172-0 (eBook) DOI 1O.1007/978-3-476-99172-O © Springer-Verlag GmbH Deutschland 1961 Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und earl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1961 INMEMORIAM WOLFGANG KAYSER INHALT 1. Einleitung 9 EUROPÄISCHE VORAUSSETZUNGEN Die Zitierkunst der großen Humoristen 2. Franliois Rabelais »Gargantua und Pantagruel« 28 O. Miguel de Cervantes »Don Quijote« 54 4. Laurence Sterne »Tristram Shandy« 69 ENTFALTUNG DER ZITIERKUNST IN DEUTSCHLAND 5. Christoph Martin Wieland »Der goldene Spiegel« 89 und »Die Geschichte des weisen Danischmend« 6. E. T.A. Hoffmann »Lebensansichten des Katers 114 Murr« 7. Karl Leberecht Immermann »Münchhausen« 155 8. Theodor Fontane »L'A dultera« und »Der Stechlin« 155 9. Wilhelm Raabe »Hastenbeck« 186 10. Thomas Mann »Der Zauberberg« 207 und »Lotte in Weimar« Anmerkungen 246 Namenverzeichnis 266 Nur aus innig verbundenem Ernst und Spiel kann wahre Kunst entspringen. GOETHE 1 Dieses einleitende Kapitel bietet dem Verfasser willkommene Gelegenheit, seine Karten offen auf den Tisch zu legen. Die Ab- sicht dieser Untersuchung ist eine mehrfache. Der methodische Ansatz ist strukturanalytisch : es soll der Frage nachgegangen werden, was das literarische Zitat im neuzeitlichen Roman - das heißt: jeweils im einzelnen der zu behandelnden Romane - als Strukturelement bedeutet und leistet. Dabei wollen wir unter Struktur die das jeweilige Werk durchwaltende Ordnung ver- stehen, die durch den Charakter des Ganzen und der Teile in ihrem gegenseitigen Zusammenhang bedingt wird und die glei- chermaßen Elemente der Form, des Gehalts und des Inhalts umfaßt. In welcher Richtung wir glauben, über die bloße Struktur- analyse hinausgehen zu müssen, davon wird noch die Rede sein. Beschränken wir uns vorläufig auf den strukturanalytischen Aspekt. Der Gedanke, ausgerechnet Zitate auf ihre strukturelle Leistung hin zu untersuchen, mag manchem als eine sonderbare und überspannte Schrulle vorkommen, die dem unvergeßlichen Steckenpferdreiter WalterShandy nicht übel zu Gesicht gestanden hätte, denn was kann das literarische Zitat, dieser kleine dem Er- zählwerk eingefügte Fremdkörper, anderes bedeuten und leisten als bloß inhaltliche oder, wenn es hochkommt, gehaltlieh relevante Aussage? Daß es in irgendwelchem Sinne für den Geist eines Romans bezeichnend sein kann, wenn ein Romanschreiber Worte und Sätze aus dem Werk eines anderen Autors übernimmt, das ist freilich leicht einzusehen. Es werden sich gewisse gehaltliehe Beziehungen zwischen dem Zitierten und dem neuen Sinnzusam- menhang, in den es aufgenommen wird, feststellen lassen, und dies wird den Geist des betreffenden Romans bis zu einem gewissen Grade erhellen. Weiter wird man erforschen können, 9 EINLEITUNG welchen speziellen Literaturbereichen der Romanschreiber seine Zitate entnimmt, und man wird sich überlegen, welche Schlüsse sich hieraus hinsichtlich seines Geschmacks, seiner Bildung und seiner weltanschaulichen Einstellung ziehen lassen. Das alles hat aber mit der Struktur des Romans sehr wenig zu schaffen, sondern vielmehr mit dessen Gehalt oder-noch genauer-mit dem Gehaltrudiment, das uns in Händen bleibt, wenn wir die primor- dial gegebene Einheit von Gehalt und Gestalt, in welcher der Gehalt erst zu sich selbst kommt, in zwei isolierte Teile auf- spalten. Können wir weitergehen und dem Zitat, über jene Isolierung hinaus, die Bedeutung eines wirklichen Struktur- elements beimessen? Anders gefragt: Kann das Zitat trotz seines teilhaften Charakters eine wesentliche Rolle in der das Einzelne übergreifenden Gesamtstruktur eines Erzählwerks spielen? Kön- nen Zitate mehr bedeuten als bloß die Rosinen im Kuchen und kann ihre ästhetische Wirkung über den Augenblicksreiz hin- ausgehen, den die Rosinen für den Gaumen haben? Wie sich aus unserer Umschreibung des Begriffes Struktur mit Notwendigkeit ergibt, hat sich die Strukturanalyse sowohl auf den Inhalt und den Gehalt wie auf die Form zu erstrecken. Dabei ist es aber unumgänglich, daß wir vor allem die formale Beschaffenheit der betreffenden Romane in die Mitte unseres Blickfeldes rücken, wobei sich die Gehalts- und Inhaltsdeutung doch vorwiegend sub specie formae anschließt. Dies ist nicht die Folge subjektiver Willkür oder formalistischer Voreingenom- menheit, sondern ergibt sich mit logischer Konsequenz aus dem objektiven Sachverhalt, den Goethe einmal mit unübertrefflicher Präzision so umschrieben hat: "Den Stoff sieht jedermann vor sich, den Gehalt findet nur der, der etwas dazu zu thun hat, und die Form ist ein Geheimniß den meisten." 1 In den letzten W or- ten dieses Satzes spricht sich sicher kein esoterischer Hochmut aus, sondern sie sind eine nüchterne Feststellung, die eine höchst ernst zu nehmende Forderung einschließt. Einen Fingerzeig, auf welchem Wege die Lösung des Geheimnisses zu finden sei, gibt Goethe an anderer Stelle, wo nun zwar nicht der Leser, sondern der schaffende Künstler selbst in den Mittelpunkt der Betrach- tung gestellt wird: 10 EINLEITUNG "Die Besonnenheit des Dichters bezieht sich eigentlich auf die Form, den Stoff gibt ihm die Welt nur allzufreigebig, der Gehalt entspringt freiwillig aus der Fülle seines Innern; be- wußtlos begegnen beide einander und zuletzt weiß man nicht. wem eigentlich der Reichthum angehöre. Aber die Form, ob sie schon vorzüglich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht sein, und hier wird Besonnenheit erfordert, daß Form, Stoff und Gehalt sich zu einander schicken, sich in einander fügen, sich einander durchdringen." 2 Das Gesagte bezieht sich auf den Dichter, aber Vergleichung der beiden zitierten Stellen macht evident, wie schwer die onto- logische Analogie von Schaffen und Genießen, von Dichter und Leser für Goethe wog. Im Hinblick auf »Wilhelm Meister« schreibt er einmal, "daß sich der Leser productiv verhalten muß, wenn er an irgend einer Production Theil nehmen will" 3. Der Begriff des produktiven Verhaltens erläutert die Wendung, daß der Leser "etwas dazu zu thun hat", wenn er den Gehalt finden will. Fraglos ist es aber die Form, die den höchsten Anspruch an das produktive Vermögen des Lesers stellt. Auch für den Leser gilt, daß die Form "erkannt" und "bedacht" sein will und daß von ihm "Besonnenheit" gefordert wird, damit auch in seiner Apperzeption "Form, Stoff und Gehalt sich zu ein- ander schicken, sich in einander fügen, sich einander durch- dringen". Wir wüßten keine bessere Formulierung zu finden, um auszudrücken, was uns als Ideal bei dieser Untersuchung vorgeschwebt hat, wie tief die Verwirklichung auch unter dem Ideal bleiben mag. Unsere Fragestellung hat sich uns förmlich von der Fülle der realen Gegebenheiten der Erzählkunst aus aufgedrängt. Beim Lesen bestimmter Romane, auf deren typologische Beschaffen- heit wir noch zu sprechen kommen, fällt es immer wieder auf, daß sich die Leistung der verwendeten Zitate nicht auf deren gehaltlicheAussage beschränkt, sondern daß sie in übergreifende Zusammenhänge gestalthafter Art hineingestellt werden und in diesen eine wesentliche Aufgabe erfüllen. Diese Beobachtung ist der Keimpunkt der vorliegenden Untersuchung gewesen und es konnte nicht ausbleiben, daß sie sich mit allgemeineren Über- 11

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