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Das verbrecherische Weib PDF

457 Pages·1910·13.515 MB·German
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SEXUALPSYCHOLOGISCHE BIBLIOTHEK ERSTE SERIE Bd. i Die Memoiren des Grafen von Tilly I Bd. II Die Memoiren des Grafen von Tilly II Bd. in Prostitution und Verbrechertum in Madrid (Quiros-Aguilaniedo) Bd. IV Yoshiwara. Die Liebesstadt der Japaner (Dr.Tresmin-Tränoliires) Bd. v Das verbrecherische Weib (Granier) Bd. vi Das Ende einer Gesellschaft Neue Formen der Korruption in Paris (Talmeyr) HERAUSGEBER DR. MED. IWAN BLOCH CAMILLE GRANIER GENERALINSPEKTOR DER VERWALTUNGS- ABTEILUNG IM MINISTERIUM DES INNERN DAS VERBRECHERISCHE WEIB AUTORISIERTE UEBERSETZUNG VON DR. MED. OTTO VON BOLTENSTERN ERSTE BIS FÜNFTE AUFLAGE LOUIS MARCUS VERLAGSBUCHHANDLUNG BERLIN Alle Rechte Vorbehalten Vorbemerkung des Herausgebers. Das französische Original des Werkes des Herrn Camille Granier ist in einem äußerst schwierigen, konzisen Stile geschrieben, der im Gegensätze zu der sonst bei Franzosen üblichen Klarheit und Durchsichtig­ keit der Darstellung durch die Häufung zahlreicher Ge­ danken in einem Satze, die Vorliebe für seltsame Ver­ gleiche, den Gebrauch altertümlicher Redewendungen vielfach selbst französischen Lesern dunkel und unver­ ständlich ist. Deshalb dürfte eine deutsche Uebersetzung, die natürlich möglichst wortgetreu ist und den merk­ würdigen Stil des Originals nicht ganz verleugnen kann, um so willkommener sein, als der Inhalt des Buches für den Kriminal- und Sexualpsychologen von größtem Interesse ist, nicht bloß durch die reiche Kasuistik, sondern vor allem durch die scharfsinnigen psychologischen De­ duktionen des Verfassers über die Rolle der Frauen in der Kriminologie und ihre Behandlung von seiten der Strafrechtswissenschaft. Die eingehende Lektüre und Ver­ tiefung in das bedeutsame Werk läßt bald die ungelenke äußere Form über dem gediegenen und stets anregenden Inhalt vergessen. Vorwort des Verfassers. In vielen graphischen Künsten gewinnt man die Ge­ staltung mittels Schatten. Die Zeichnung, die gebräuch­ lichste unter ihnen, stellt die Gegenstände mit Hilfe einer konventionellen schwarzen Linie dar. Um die weibliche Einheit herauszuheben, ist dem Soziologen das Studium ihres düsteren Schattens, der Kriminalität, ebenso von Nutzen wie dem Zeichner das Dunkle. Nach Dr. Toulouse1) gestattet auch die vertiefte Kenntnis der Geisteskranken den Charakter der Frau zu beschreiben. Doch darf man nicht die Irrwege dieses Gesichtspunktes außer acht lassen, die das wahre Bild trüben können. Der Nachteil der pathologischen Studien beruht auf der Wahl der Beobachtungen. Die schwersten Fälle, so interessant sie sein mögen, geben nicht immer einen genauen Einblick in die Krankheit, oder entsprechen nicht ihren häufigsten Aeußerungen. In der Kriminologie muß die romantische Seite der Sensationsprozesse geopfert werden. Die gewöhnlichsten Fälle verdienen den Vorzug vor den außergewöhn­ lichen Affären, welche die Sammlungen mit Vorliebe i) i) Toulouse, Etudes sociales, Paris, Fasquelle, I. pag. 1, registrieren. Den genauen Begriff eines Verbrechertums erhält man, wenn man eine sehr große Zahl den kriminellen Akten entnimmt. Ihre Interpretation erfordert für die­ jenigen, welche sich für diese Fragen interessieren, Bei­ spiele, welche den bekanntesten Affären entlehnt sind, unter der Bedingung, daß sie aller origineller Einzelheiten entkleidet werden, welche gerade die öffentliche Aufmerk­ samkeit auf sich gelenkt haben. Das Charakteristische des weiblichen Verbrechertums findet man nur um den Preis des Opfers der oft übertriebenen und von den Oerichtschronisten hinzugefügten dramatischen Seite. Wodurch unterscheidet sich die Frau vom Manne im Verbrechen? Findet sich in den antisozialen Aeuße- rungen ihre Eigennatur wieder? Dies Problem ist in allgemeinen Ausdrücken schon von Dr. Toulouse gelegent­ lich des Einflusses der sozialen Bedingungen auf die Bildung des verbrecherischen Typus des Weibes aufgestellt worden. Die kriminelle Auffassung ist einseitig. Ihre Origi­ nalität entspringt, wenn nicht der Hinzufügung von Ab­ sichten, welche während der Vernehmung suggeriert sind, zum wenigsten dem Relief, welches in der Anklage den zu­ fälligen Einzelheiten gegeben wird, obwohl sie zumeist vom Willen der Angeschuldigten unabhängig sind. Eine dem Gerichtssaal eigene Rhetorik, welche der Uebertreibung der Immoralität gewidmet ist, ist ebenso überflüssig wie die Literatur, welche sich das Lob und die Empfehlung der Tugend auf der Kanzel oder in den Akademien zum Ziele wählt Es ist nicht überraschend, daß es ihr ge­ lungen ist, die Besonderheit jeden Verbrechens an­ zunehmen. Ohne Zweifel überlegt die Verbrecherin ihr Attentat und kompliziert es viel lieber als der Mann. Sie bringt es nicht dahin, die Wiederholungen zu vermeiden oder die Armut ihrer Erfindungsgabe zu verheimlichen. Bei dem Vergleich mit dem männlichen Verbrecher­ tum stellt die Statistik zunächst einen quantitativen Unter­ schied fest. Die verschiedenen Erklärungen dieser wohl- bekannten Tatsache werden auf den ersten Seiten dieses Buches erörtert werden. Die anthropologischen Daten, welche im Gegenteil zu einer Vermischung beider Ge­ schlechter im verbrecherischen Typus neigen, werden dann als Gegenstück zur ersten Auffassung zur Darstellung gelangen. Die Soziologie berücksichtigt mehr den qualitativen Unterschied beider Kriminalitäten. Indes geben die natürlichen Funktionen der Frau eine Gruppierung der Delikte, welche sich zu leicht dem Geiste aufdrängt, um ihr nicht einigen logischen Wert zuzuerkennen. Die numerische Bedeutung der Missetaten dürfte hinreichen, die folgende Einteilung zu rechtfertigen. Das Studium der m ütterlichen Kriminali- t ä t umfaßt nach natürlichstem Schema die Fruchtabtreibung, den Kindesmord, die schlechte Behandlung von Kindern. Die Entführung von Minderjährigen, die Kindesunter­ schiebung und die Verheimlichung eines Neugeborenen reihen sich dieser Gruppe von Delikten an und bilden gewissermaßen einen Uebergang zur zweiten, welche man mit einem allzu verständlichen Sprung, als daß er ent­ schuldigt zu werden brauchte, die sexuelle Krimi­ nalität nennen kann. Hier wird die Mutterschaft simuliert, um einem Meineid vorzubeugen. Schwefelsäure und Revolver be­ strafen ihn. Arsenik dagegen erleichtert eine andere Verräterei. Die in Mitschuld verwandelte gesetzliche oder ungesetzliche Ehe, und allgemeiner die Rolle der Frau in der großen Kriminalität, können in diesem Teile auch geprüft werden oder für die letzte Gruppe der weiblichen Delikte reserviert werden, die Akte der Begehrlichkeit. Ihre Ausführung ist ebenso charakteristisch. Das ge­ wöhnlichste Delikt, der Diebstahl, teilt sich in zwei spezielle Delikte ein, die Entwendung in großen Waren­ häusern und die Entölage. Der Betrug mit besonderen Mitteln nimmt riesen­ hafte Verhältnisse an, ohne daß finanzielle Prozeduren dabei in Betracht kommen, welche den Männern gestatten, diese Höhen allgemeiner Ausbeutung zu erreichen. Wegen ihrer Unbedeutenheit könnte die p o I i t i s c h e Krim inalität der Frau außer acht gelassen werden. Ihr Studium hat nur historischen Wert Man kann dabei an das Wort von Frau de Condorcet erinnern: „Da die Frauen wie die Männer das Schaffot besteigen, haben sie wie sie das Recht, auf die Tribüne hinaufzusteigen.“ Die Prämissen dieses Beweises sind glücklicherweise nicht exakt, ihr Schluß ist immer falsch. Die Gleichheit vor dem Strafgesetz zu verlangen oder zu betonen, um in der Verfassung oder dem Zivilgesetz sie zu erreichen, ist vom juristischen Standpunkt ganz unannehmbar. Das öffent­ liche Recht liefert einen Präzedenzfall, welcher die Ver­ mischung der beiden anderen Teile zurückweist Die Aus­ länder sind in der Tat den Polizeigesetzen des Staates unterworfen, in welchem sie wohnen, und ihre diplo­ matischen Vertreter haben niemals daran gedacht, für sie die verfassungsmäßigen Vorteile zu fordern, welche die Inländer genießen. Die Notwendigkeit des Unterschiedes im Strafvollzug ist in einer Art Anhang auseinandergesetzt, welcher die einzige Schlußfolgerung der Studie darstellt. Die un­ widerleglichen sexuellen Merkmale zeigen einen hinreichend bedeutenden Unterschied, um, abgesehen von jedem anderen Beweise, die Ungleichheit der Behandlung vor dem Strafgericht zu rechtfertigen. Um bei der Krimi­ nologie zu bleiben, würde jeder andere Schluß verfrüht ¡-ts-is-As- Xi sein und uns als ein Paradoxon, anderen als eine voreinge­ nommene Idee erscheinen. Die französische Wissenschaft hat als Ueberlieferung und glänzende Erbschaft die Methode überkommen. Sie scheut vor Uebereilung zurück und wird noch lange Zeit der Forschung und der Sammlung von Beobachtungen und Beweisen widmen. Ihre systematische Einteilung ist das einzige Ziel, welches in diesem Werke vorgeschlagen werden kann. Ohne das Verdienst zu haben, eine schon skizzierte wissenschaftliche Bewegung zu schaffen, indem es die Produktion neuer Studien über denselben Gegenstand anregt, strebt es nach der Ehre der Kritik seitens der Rechtsgelehrten, der Philo­ sophen und auch der Feministen.

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