Das TV-Duell in Baden-Württemberg 2011 Marko Bachl • Frank Brettschneider Simon Ottler (Hrsg.) Das TV-Duell in Baden- Württemberg 2011 Inhalte, Wahrnehmungen und Wirkungen Herausgeber Marko Bachl Prof. Dr. Simon Ottler Universität Hohenheim Duale Hochschule Baden- Deutschland Württemberg Ravensburg Deutschland Prof. Dr. Frank Brettschneider Universität Hohenheim Deutschland ISBN 978-3-658-00791-1 ISBN 978-3-658-00792-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-00792-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Lektorat: Frank Schindler, Daniel Hawig Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhalt I. Einleitung: Die TV-Duell-Studie Baden-Württemberg 2011 ....................... 7 Marko Bachl/Frank Brettschneider/Simon Ottler 2. Parteien, Massenmedien, Wähler und TV-Debatten in Landtagswahlkämpfen ............................................................................ 29 Catharina Vögele/Frank Brettschneider / Marko Bachl 3. Das TV-Duell Mappus gegen Schmid - die Ausgangslage ........................ 47 Catharina Vögele 4. Die Inhalte des TV-Duells .......................................................................... 57 Marko Bachl/Katharina Käfferlein/A rne Spieker 5. Klartext oder Politikersprech? Zur Sprache von Stefan Mappus und Nils Schmid im TV-Duell ............... 87 JanKercher 6. RTR-Messung: Möglichkeiten und Grenzen einer sozialwissenschaftlichen Methode ........................................................... 113 Simon Ottler 7. Die Wahrnehmung des TV-Duells ............................................................ 135 MarkoBachl 8. Die Wirkung des TV-Duells auf die Bewertung der Kandidaten und die Wahlabsicht .................................................................................. 171 MarkoBachl 9. Kandidaten-Images und ihre Bedentung für die Wahlabsicht ................. 199 Frank Brettschneider /Marko Bachl 6 Inhalt 10. "Bildung, Bildung und nochmals Bildung." Die Bildungspolitik im TV-Duell ............................................................ 219 Catharina Vögele/lnkeri Schmalz 11. Das TV-Duell aus Sicht der Wahlkämpfer- Ein Blick in die Kampagnenpraxis .......................................................... 237 Amely Krajft/Volker Zaiss 1. Die TV-Duell-Studie Baden-Württemberg 2011 Marko Bachl/FrankBreUschneider/Simon OU/er 1. Hintergrund und Ziele der TV-Duell-Studie TV-Duelle der aussichtsreichsten Kandidaten um politische Spitzenämter haben sich seit den ersten ,Kanzlerduellen' zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber vor der Bundestagswahl 2002 als zentrale Ereignisse des Medienwahl kampfs etabliert (vgl. zu den folgenden Passagen Bachl und Brettschneider 2013). Sie zählen zu den reichweitenstärksten und medial meistdiskutierten Ereignissen der Wahlkämpfe (Zubayr et al. 2009). In der Folge hat sich auch die politische Kommunikationsforschung intensiv mit der Wahrnehmung und den Wirkungen der Kanzlerduelle beschäftigt. In der Landespolitik debütierten die Fernsehde batten bereits 1997 mit einem Duell zwischen Henning Voscherau und OIe von Beust vor der Hamburger Bürgerschaftswahl. In Baden-Württemberg trat die SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt gegen die Amtsinhaber Erwin Teufel (2000) und Günther Oettinger (2006) an. Die Fernsehdebatten auf Landesebene errei chen regelmäßig einen bedeutsamen Anteil der Bevölkerung, auch wenn sie nicht ganz an die Spitzenwerte der Kanzlerduelle herankommen. So verfolgtenjeweils etwa eine halbe Million Zuschauer die ersten beiden TV-Duelle in Baden-Würt temberg (vgl. Kapitel 2 in diesem Band). Während die Kanzlerduelle seit 2002 intensiv erforscht wurden, liegen bis lang keine Erkenntnisse zur Wahrnehmung und zur Wirkung von TV-Duellen vor Landtagswahlen vor. Dies ist nicht nur angesichts der direkten Reichweite die ser Debatten in der Bevölkerung bedauerlich. Auch aus kommunikationswissen schaftlicher Perspektive blieb damit eine wertvolle Gelegenheit ungenutzt: Denn in den Fernsehdebatten treffen in einem beschränkten Zeitraum zentrale Akteure der Landespolitik aufeinander, um die wichtigsten Themen des Wahlkampfs direkt vor den Augen der Zuschauer zu diskutieren. Sie dienen der politischen Kommu nikationsforschung damit als "Wahlkämpfe im Miniaturformat" (Faas und Maier 2004, S. 56), deren Wahrnehmung und Wirkungen in vergleichsweise kontrol lierten Untersuchungsdesigns erfasst werden können und auch Rückschlüsse auf die Wahlkampfkommunikation jenseits des eigentlichen TV-Ereignisses erlau- M. Bachl et al. (Hrsg.), Das TV-Duell in Baden-Württemberg 2011, DOI 10.1007/978-3-658-00792-8_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 8 Marko Bachl/Frank Brettschneider I Simon Dtller ben. Besonders fiir die Erforschung der kommunikationswissenschaftlich bisher weitgehend vernachlässigten politischen Kommunikation in Landtagswahlkämp fen ergibt sich hier ein vielversprechender Ansatzpunkt. Vor diesem Hintergrund haben wir eine umfangreiche Rezeptions- und Wirkungs studie zum TV-Duell zwischen Ministerpräsident Stefan Mappus und SPD-Spitzenkaudidat Nils Schmid vor der baden-württembergischen Landtags wahl 2011 durchgeführt.' Knapp 500.000 Zuschauer verfolgten das am 16. März 2011 vom SWR-Fernsehen veranstaltete und live übertragene Duell. Ihm waren Diskussionen über die Frage vorausgegangen, wer überhaupt miteinander disku tieren sollte. Angesichts ihrer hervorragenden Urnfragewerte forderten die Grü nen in einem offenen Briefa n den SWR eine Beteiligung ihres Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann. Das Angebot der CDU, zwei Duelle auszurichten - ei nes zwischen Mappus und Schmid, eines zwischen Mappus und Kretschmann -, wurde vom SWR abgelehnt, da dies den Wettbewerb zugunsten von Mappus verzerrt hätte. Der SWR nannte als Kriterium fiir die Auswahl der Duell-Teilneh mer Mappus und Schmid die Stimmenzahl ihrer Parteien bei der letzten Land tagswahl (vgl. Kapitel 3 in diesem Band). Mit der Nichtberücksichtigung von Kretschmann fehlte, wie die Landtagswahl am 27. März 2011 zeigen würde, der zukünftige Ministerpräsident in der Debatte. Trotzdem wurde das Medienereig nis mit Spannung erwartet, da erstmals seit langer Zeit eine Regierungsmehrheit ohne die CDU möglich erschien. Zudem hatten "Stnttgart 21" und die Folgen der Reaktorkatastrophe in Japan dem Wahlkampf eine besondere Dynamik verlie hen, und auch bei anderen Themen waren klare Konfliktlinien zwischen den po litischen Lagern erkennbar (vgl. Kapitel 3 in diesem Band). TV-Duelle können aus unterschiedlichsten Perspektiven untersucht werden (vgl. zu den Kanzlerduellen z.B. Maier und Faas 2011; Maurer und Reinernann 2003; Maurer et al. 2007). Die vorliegende Studie verfolgt drei zentrale Ziele. Ers tens gilt unser Forschungsinteresse der Beschreibung und Erklärung von Inhalt, Wahrnehmung und Wirkung des TV-Duells zwischen Stefan Mappus und Nils Schmid vor der Landtagswahl2011 in Baden-Württernberg. Zweitens werden die Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Wirkung von TV-Duellen, die vor allem im Kontext von US-amerikanischen Präsidentschaftsdebatten und bundesdeutschen Kanzlerduellen gewonnen wurden, auf ihre Gültigkeit im Rahmen einer Landtags wahl überprüft sowie landespolitische Unterschiede zu diesen Ergehnissen her ausgearbeitet. Natürlich ist auch die vorliegende Arbeit nur eine Fallstudie eines einzigen spezifischen Duells, das in einem ganz bestimmten (landes-) politischen Die Studie wurde von der Fritz Thysscn-Stiftung mit einer Projektforderung unterstützt. Für diese Unterstützung möchten wir uns bedanken. I. Die TV-Duell-Studie Baden-Wilittemberg 2011 9 Umfeld stattfand. Da zu TV-Debatten in Landtagswablkämpfen bisher unseres Wissens noch keine empirischen Erkenntnisse vorliegen, ist diese Arbeit als ein erster Schritt zur Behebung dieser Forschungslücke zu verstehen. Drittens wol len wir versuchen, über das eigentliche TV-Duell hinaus Schlüsse auf den Land tagswablkampfund insbesondere auf die Wirkung der Wahlkampfkommunika tion der Parteien zu ziehen. Die Studie ist so angelegt, dass folgende allgemeine Forschungsfragen be antwortet werden können: 1. Debatteninhalte: Welche Inhalte werden im TV-Duell thematisiert? Welche rhetorischen Strategien wenden die Kandidaten an? 2. Debattenwahrnehmung: Wie werden die in der Debatte diskotierten Inhalte vom Publikom wahrgenommen? Welche Aussagen kommen beim Publikum besonders gut an, welche besonders schlecht? 3. Debattenwirkung: Welchen Einfluss hat das TV-Duell aufp olitische Einstel lungen und Verhaltensabsichten? Wie verändert das Duell die Einstellungen zu den Kandidaten, ihren Parteien und politischen Positionen? Welchen Einfluss hat das Duell auf die Wablabsicht bei der LandtagswabI? Die Wabmehmungen und die Wirkungen des Duells werden unter Berücksichti gung der Zusammenhänge zwischen individuellen Prädispositionen (z. B. Bewer tung der Kandidaten oder Parteiidentifikation) vor und nach der Debatte sowie individuellen Wabrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen während der De batte untersucht. Nur so können auch die Wirkungen einzelner Duellinhalte auf die individuellen Rezipienten direkt analysiert werden. Durch die Erfassung der Bewertung einzelner Aussagen im Duell werden zudem Schlüsse auf die Wabl kampfkommunikation während des Landtagswablkampfs ermöglicht. Weun wir beispielsweise wissen, wie bestimmte Aussagen von Sclnnid und Mappus zur Bildungspolitik während des Duells bewertet wurden, so ist dies auch ein Indi kator dafür, wie diese Argumente während des Wablkampfs bei den Wählerin nen und Wählern ankamen. 2. Design der TV-Duell-Studie In der vorliegenden Stodie haben wir ein Mehr-Methoden-Design eingesetzt, das den Rezeptionsprozess der Duell-Zuschauer genau nachzeichnet. Um die unmittel bare Wabmehmung und Wirkong des TV-Duells vor der Landtagswahl in Baden Württemberg zu untersuchen, kombinieren wir eine quasi-experimentelle Rezepti- 10 Marko Bachl/Frank Brettschneider I Simon Dtller onsstudie an zwei Standorten (Stuttgart und Ravensburg) mit einer Inhaltsanalyse der Debatte. Abbildung 1 zeigt den Aufbau des Studiendesigns im Überblick. Abbildung 1: Das Design der TV-Duell-Studie im Überblick Vor der Debatte Während der Debatte Nach der Debatte Rekrutierung Echtzen- Schriftliche Schriftliche (Quoten Bewertung der Befragung Befragung Verknüpfung stichprobe) Kandidaten '-----JI der Daten und Standardisierte Auswertung Inhaltsanalyse der Debatte Durch die Befragnngen direkt vor und nach dem Duell, die rezeptionsbegleitende Messung der Debattenwahrnehmung und die systematische Analyse der Debat teninhalte ist es möglich, den gesamten Prozess des Zusammenwirkens von Vor einstellungen, Wahrnehmung der Debatteninhalte und unmittelbaren Einflüssen der Debatte auf die Einstellungen der Rezipientinnen und Rezipienten nachzu vollziehen. Dieses Design ist zwar deutlich aufwändiger als eine ,einfache' Be fragung, ermöglicht uns aber auch einen sehr viel größeren Erkenntuisgewinn. Vergleichbare Studiendesigns haben sich bereits bei Untersuchungen zu TV-Du ellen vor den Bundestagswahlen seit 2002 (Faas et al. 2009; Maurer und Reine mann 2003; Maurer et al. 2007) sowie im internationalen Kontext bei Studien zu TV-Debatten zum Beispiel in den USA (z.B. McKinnon und Tedesco 1999) oder Schweden (Maier und Strömbäck 2009) bewährt. Im Folgenden werden die ein zelnen Bestandteile der Studie detailliert erläutert. 2.1 Rekrutierung und Quotierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die Rezeptionsstudie zum baden-württembergischen TV-Duell wurde an zwei Standorten durchgeführt: in Stuttgart (an der Universität Hohenheim) und in Ra vensburg (an der DHBW - Duale Hochschule Baden-Württemberg). Limitiert durch die technische Ausstattung, die zur Durchführung der rezeptionsbegleiten den Erhebung der Kandidatenbewertung nötig ist, konnten in Stuttgart maximal 120 Personen und in Ravensburg maximal 80 Personen an allen Teilen der Stu die teilnehmen. Die Rekrutierung der TeiInehmerinnen und Teilnehmer erfolgte
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