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Das Thema des Weges und der Reise im Islam PDF

31 Pages·1994·0.931 MB·German
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tW~ESTFAlISC1 ~ ~ Z m ~ WISSENSCHA~ N ordrhein-Westfalische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vortrage . G 329 Herausgegeben von der Nordrhein-Westfalischen Akademie der Wissenschaften ANNEMARIE SCHIMMEL Das Thema des Weges und der Reise im Islam Westdeutscher Verlag 371. Sitzung am 19. Januar 1994 in Diisseldorf Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Schimmel, Annemarie: Das 'Thema des Weges und der Reise im Islam / Annemarie SchimmeL -Opladen: Westdt_ VerI., 1994 (Vortrige / Nordrhein-Westfiilische Akademie der Wissenschaften: Gemes wBsenschaften; G 329) NE: Nordrhein-Westfalische Akademie der Wissenschaften (DUsseldorf): Vonrage / Geisteswissenschaften Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertdsmann International. © 1994 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag Satz, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Boss-Druck, Kleve ISBN 978-3-531-07329-3 ISBN 978-3-322-88511-1 (eBook) DOl 10.1007/978-3-322-88511-1 Fiihre uns den Weg, den geraden, den Weg derer, denen Du gnadig bist, nicht derer, denen geztirnt wird oder die da irregehen! So betet der Muslim jeden Tag mehrfach, da die Fati&a, die erste Sure des Korans, die mit diesen Worten schlieBt, zumindest in den flinf taglichen Pflicht gebeten rezitiert werden muB, im taglichen Leben aber bei jeder Gelegenheit verwendet wird - viel haufiger als das Vaterunser im Christentum. Gibt es fiir den Glaubigen denn iiberhaupt etwas Wichtigeres als den geraden Weg, den ?irat al - mustaqim, der ihn in die Gegenwart Gottes lei ten wird? Es ist kein Zufall, daB eine Reihe von Veroffentlichungen europaischer und amerikanischer Orientalisten in den letzten Ja hrzehnten den Titel Islam, the straight path tra gen! Der Begriff des Weges ist zentral im Islam. Natiirlich kennt jede Religion diesen Begriff, da jeder Mensch sich ja standig auf seinem Lebenswege dem Ziel nahert; doch im Islam kommen noch einige Besonderheiten sprachlicher Art dazu, die dieses Konzept besonders hervorheben. Es ist nicht nur jener gerade Weg, der in der Fati&a erbeten wird; nein, eine ganze Reihe von Schliisselbegrif fen der islarnischen Theologie und Frommigkeit sind von arabischen Wurzeln abgeleitet, die "Weg", "Reise", "Bewegung" bedeuten. Umso erstaunlicher ist es, daB eine der Symbolik von Weg und Reise gewidmete Sammlung von Aufsatzen der Schweizerischen Gesellschaft fUr Symbolforschung keinen einzigen Beitrag tiber den Islam enthalt. Zunachst £allt dem Orientalisten in diesem Zusammenhang das Wort ein, das immer wieder verwendet wird, wenn man vom Religionsgesetz spricht, namlich §aria. Aber wer denkt daran, daB §aria im Grunde den "breiten Weg", die "StraBe" bezeichnet, die den Wanderer in der Wiiste zur lebenspendenden Was serquelle fiihrt? Das Wort kommt zwar im Koran nur in Sura 45:18 vor, wo von ~ariatun fl'd-din, einem "festgelegten Weg in der Religion" die Rede ist; doch ist es tatsachlich ein Schliisselwort. Wer sich auf diesen von Gott durch die koranische Offenbarung vorgezeich neten Weg begibt und sich an seine Wegzeichen halt, der wird die Quelle errei- 6 Annemarie Schimmel chen; sonst aber wird er sich wahrscheinlich in der wasserlosen Wiiste verlie ren und dort verdursten - die Querverbindung zu den "Irrenden", die in der FatiIJa erwahnt sind, wird sogleich deutlich. Und wenn der Koran so haufig von atf,alla, "in die Irre gehen lassen", spricht, so ist ein solches Irregehen das Schicksal eben derer, die die Iari~ verlassen und die Gott deswegen nicht mehr auf den rechten Weg zuriickzufiihren droht. Als theologisches Problem ergibt sich dann: Werden diejenigen, die zwar den Weg kennen und trotzdem von der !ari~ abirren - willendich und wissentlich! - fur alle Ewigkeit verdammt? Oder diirfen auch sie am Ende auf Vergebung hoffen? Wie die Iari~ eine von vielen beschrittene StraBe ist (das Wort !ari; "groSe StraBe, Avenue" kommt von der gleichen Wurzel), so ist auch das Gesetz fur aile Menschen notwendig: In Gemeinschaft mit den anderen Glaubigen wird der Muslim sich den auf diesem Heilsweg geltenden Regeln beugen, wird sich in der Karawane der zu Gott Strebenden geborgen fuhlen. Solange er die Not wendigkeit der Iari ~ anerkennt, selbst wenn er hin und wieder yom breiten Weg abirrt, ist er nicht ganz verloren, es sei denn, er leugne die Giiltigkeit des gottgegebenen Weges ab und geselle dem einen und einzigen Gott Nebengotter bei. Doch gibt es auch Wanderer, die aus langer Erfahrung einen kiirzeren, aber schwierigeren Pfad zu kennen meinen. Das ist die tariqa oder der tariq. DaB dies ein wundersamer Weg ist, erfahrt man wiederum aus dem Koran, wo Sura 20:77 von Moses spricht, der mit seinem Stab einen trockenen Pfad, tariqan yabisan, durch das Meer offnen konnte. Tariqa ist nun der pfad, den der Mysti ker einschliigt und, in Ausweitung des Begriffes, die "Bruderschaft" der Mysti ker, der Derwisch-Orden. Diesen pfad konnen nur wenige beschreiten; denn auch wenn sich tariqa aus der Iari<a entwickelt - es gibt keine echte tariqa ohne den breiten Konigsweg der Gesetzestreue, wie die klassischen Sufis immer betont haben -, ist es doch schwierig, den Pfad erfolgreich zu durchwandern. Hier liegt ein wichtiger Unterschied zu der im Altertum und vor aHem in der christlichen Tradition gelaufigen Vorstellung, daB der enge pfad fur die wahren Sucher bestimmt sei, wwend der breite Weg, die bequeme StraBe fur die Leichtfertigen, ja, die Siinder da ist, die aile Anstrengung scheuen. Der Islam aber definiert die breite Stra6e als die unabdingbare Grundlage fur die Mitglie der der Glaubensgemeinschaft. (Die Wichtigkeit des Begriffs der umma, der Glaubensgemeinschaft, im Islam wird auch aus diesem Unterschied deutlich.) Der Wanderer, der die tariqa beschreitet, muG ail seine Beziehungen.zur Welt und ihren Verlockungen abbrechen, muG "der Natur entgegen" handeln und vor ailem sich einem besonderen Fiihrer anvertrauen. Der lange pfad fuhrt durch Stationen, maqam, und Zustande, alJwal, bis der Wanderer - vielleicht - das Ziel, das ,,Entwerden in Gott", erreicht. Die gesamte Erziehung des Sufis, Das Thema des Weges und der Reise im Islam 7 des Mystikers, besteht aus dem Versuch, durch Askese und Gehorsam, durch supererogative Gehorsamswerke von Stufe zu Stufe, manzil (das ist der "Rast ort"), zu gelangen, beginnend mit Reue und Armut, zum Gottvertrauen und zur Zufriedenheit mit Gottes RatschluB, bis er Liebe und Erkenntnis erreicht, getragen von Furcht und Hoffnung, und im standigen Kampf mit den Angriffen der Triebseele, der Heuchelei, Uberheblichkeit und was sonst noch fur Gefahren dem Menschen aus seinem eigenen Innern schlangengleich drohen. Nicht von ungefahr spricht der ostpersische Mystiker 'Abdullah-i An~ari (gest. in Herat 1089) von den Sad Manzil, den "Hundert Rastplatzen", in seinem Livre des Etapes (wie S. de Laugier de Beaureceuil den Titel ubersetzt). Die Vorschriften des Pfades umfassen nachtliche Gebete, Gottgedenken (dhikr), welches den Spie gel des Herzens poliert, und zusatzliches Fasten neben dem vorgeschriebenen Fasten im Monat Ramadan; doch vergesse man nicht, daB eine Askese, die den Korper schwacht, unislamisch ist: Man benotigt den Leib ja zur Durchfiihrung der gottlich angeordneten Pflichten; wer auf dem Weg der ~ri'a wandert, muB auch korperlich widerstandsfahig sein. Am Ende jedoch, so wuBte man, wird der Leib zuruckgelassen: Wie Jesu Esel in Jerusalem zuruckblieb, als Jesus selbst in den Himmel aufgenommen wurde, so auch der Leib, das alte Eselchen, das den Reisenden treulich, wenn auch oft widerspenstig und widerwillig, zum Ziel gebracht hat. "Wanderer", salik, wird der Mensch genannt, der sich auf den suluk, die "Reise" begibt (ein Wort ubrigens, von dessen Wurzel auch maslak, "Weg" und, heutzutage, "Beruf" abgeleitet ist). Es ist typisch, daB der groBte mystische Dichter des arabischen Mittelalters, Ibn al-Fari<;f (gest. 1235 in Kairo), seine lange arabische Qa~ida Na?m as-suluk, "die Ordnung (oder: Das Gedicht) des Fort schreitens auf dem Pfade" genannt hat - wenn es auch dem nicht initiierten Leser schwerfallen mag, eine logische Ordnung in den 765 Doppelzeilen seines Gedichtes zu erkennen. Auf diesem Wege ist die Fuhrung durch einen Meister unbedingt erforder lich - eines Menschen, der die Stufen, aber auch die Gefahren des Pfades kennt und seinen Junger ebenso vorsichtig wie streng leiten kann; denn: "Wer keinen Meister, ~ib, hat, dessen Meister ist Satan." So sagt das alte, dem Propheten zugeschriebene Wort, und "ohne einen Fuhrer braucht man zweihundert Jahre fur einen Weg von zwei Tagen", wie Maulana Riimi (gest. 1273) diesen Gedan ken in seinem groBen persischen Lehrgedicht, dem Matnawi, ausdruckt. Mit Recht wird der geistige Leiter mur~, "der zur Rechtleitung, ruM, ra§{id, fuhrt", genannt (die Wurzel ruM erscheint im Koran in Sure 40:29). Der Ausdruck ir§adl, "Fuhrung, Leitung!", wird ubrigens zumindest im turkisch-persischen Bereich auch einem Redner oder Sanger zugerufen, der mit seinen Worten die Zuhorer "rechtleiten" solI. Der geistige Fuhrer vertritt gewissermaBen lji<;fr, 8 Annemarie Schimmel den geheimnisvollen Prophet-Heiligen, der den Weg zu der im tiefsten Dunkel verborgenen, nur nach miihsamer Reise zu erreichenden Lebensquelle weist. Wie bei der wirklichen Reise in der Friihzeit richtet sich der Wanderer nach den Sternen, und so sagt der Prophet: "Meine Gefahrten sind wie Sterne - welchem ihr folgt, ihr werdet rechtgeleitet." U nd in Erweiterung dieses Gedan kens ist es nicht verwunderlich, daB der h&hste geistige Leiter im Sufismus als qutb, ,,Pol", bezeichnet wird, war es doch der Polarstern, nach dem sich der Wanderer am sichersten orientieren konnte. Es konnte natiirlich vorkortunen, daB ein Mystiker die Lebensquelle, den ga4/Ja. Gnadenzustand,erreichte, weil ihn eine plotzliche gottliche Anziehung, iiberkommen hatte, ohne daB er den Pfad miihsam Schritt fUr Schritt durch messen hatte; dann ist er nicht als geistiger Fiihrer geeignet, da ihm die Schwie rigkeiten des Weges unbekannt sind. Ja, ein solcher Mensch mag sogar verges sen, daB er die .¥an ~ den Heilsweg, nicht aus den Augen verlieren darf, denn, wie Ni~uddin Auliya von Delhi (gest. 1325) sagt: "Wenn der Reisende seine Gehorsamswerke vernachHissigt, bleibt er stehen; wenn er sie wieder aufnimmt, geht er weiter; doch wenn er sie weiterhin vernachlassigt, schreitet er zuriick." Natiirlich wuBten die Sucher im Islam wie in allen Religionen, daB ihr Pfad nur metaphorisch bestand und daB es in Wirklichkeit innere Reisen waren, die sie unternahmen. Der agyptische Mystiker Ibn 'A~a' Allah, einige Jahrzehnte jiinger als sein Landsmann Ibn al-Fari4 (er starb 1309), hat ausgedriickt, was die meisten empfanden und wuBten: Waren nicht die weiten Felder der Seele, so gabe es keine wirkliche Reise der Wandernden; denn es gibt keine Entfernung zwischen dir und Ibm, die deine Wanderung iiberwinden konnte, und keine Trennung zwischen dir und Ibm, die dein Ankommen ausloschen konnte (I;likam Nr. 224). Doch die Weg-Metaphorik durchdringt den Islam noch weiter. Der Koran spricht haufig davon, daB der Mensch dieses oder jenes fi sabil Allah, "im Wege Gottes" tun solI: Um Gottes Willen solI man Almosen geben, solI sich "im Wege Gottes" im Kampf gegen die Feinde anstrengen, d. h. um der Sache Got tes willen gegen die Unglaubigen oder, wie es die Sufis verinnerlichten, gegen seine eigenen schlechten Eigenschaften kampfen. Die Sitte, etwas Gutes "im Wege Gottes" zu tun, hat dazu gefiihrt, daB mancherorts, z. B. in der Tiirkei, die offentlichen Brunnenhauser, die zum Nutzen der Bevolkerung als fromme Stiftung erbaut wurden, einfach sabil; "Weg", genannt werden. Noch ein weiterer theologischer Begriff hat mit dem Wege zu tun. Das ist ma4hab. Wenn Goethe im West-Ostlichen Divan sagt: Das Thema des Weges und der Reise im Islam 9 SoIl man dich nicht aufs schmahlichste berauben, verbirg dein Gold, de in Weggehn, deinen Glauben, so klingt das im Deutschen sonderbar; aber das arabische Weisheitswort (wie derum dem Prophet en zugeschrieben), spricht von drei Begriffen, die aIle (einer davon mit falscher Etymologie) der Wurzel dahaba, "gehen", zugehoren, nam lich dahab, "Gold", dahab, "Weggehen" und madhab, das ist der religiose Pfad, den man beschreitet, die Zugehorigkeit zu einer - wie wir analog sagen wur den - Konfession. 1m Islam bedeutet es die Zugehorigkeit zu einer bestimmten Rechtsschule, wie dem madhab des Abu I:Ianifa (gest. 767) oder des Malik (gest. 795). Man wandelt also auf den Spuren des Griinders der Rechtsschule, ahmt seine Art des Denkens, Argumentierens und Handelns nacho Heutzutage wird das Wort madhab oft einfach im Sinn von "Religion" in ihrer historischen Aus bildung verwendet. Man spricht nicht gern von ta'nlJ al-adyan, wenn man "Religionsgeschichte" ubersetzt, sondern lieber von ta'nlJ al-madahib, weil din, "Religion", nach muslimischem Verstandnis ja nur eine sein kann. Der echte Fromme, so hei6t es vor aIlem in neuzeitlicher Literatur, sucht den wahren din, der hinter den madahib, den historisch gewachsenen au6eren Formen liegt. Ein guter Muslim folgt also der 1an 'a, kann in die tanqa des - sagen wir - 'Abdul Qadir al-GIlani (gest. 1166) eingeweiht sein, wobei dieser oder jener lebende Ordensfuhrer sein qutb sein wird; er kann dabei dem madhab des Safi'l (gest. 820) folgen und im saml Allah, "auf dem Wege Gottes", gute Werke tun; denn er betet ja immer urn hady, hidaya "rechte Leitung", die ihn wie ein Licht (vgl. Sura 5:44ff.) davor bewahrt, irrezugehen. Sehr typisch ist, da6 die achte Form von hada, "leiten", namlich ihtada, "geleitet werden", den Sinn angenom men hat: "den Weg zum rechten Glauben finden'; d. h. sich zum Islam bekeh reno Der mahdi aber, der "Rechtgeleitete", wird nach weitverbreiteter Auffas sung am Ende der Zeiten aus der Familie des Propheten erscheinen, urn die wahre Religion zum Sieg zu fuhren. Aber noch mehr: Auch nahg, "der offene Weg", gehort zu den religiosen Weg-Bildern. Der Glaubige folgt dem nahg al-qawim, der richtigen Art und Weise, sein Leben zu fuhren. Dabei mag er von den zahlreichen Buchern Nutzen ziehen, in deren Titel das Wort nahg oder die Ableitung minhag vorkommt. (Brockelmann fuhrt in seiner Geschichte der Arabischen Literatur aIlein fur das Arabische mehr als funfzig Titel auf, die diese Begriffe enthalten; man kann dies auf persische und turkische wie auch Urduschriften ausdehnen.) Bekannt ist besonders Nahg al·balaga, "der Konigsweg der Eloquenz", der die dem vierten Kalif und ersten Imam der Schia, 'All ibn Abi Talib (gest. 661), zugeschriebe nen weisen Worte in wundervoIl klarem Arabisch enthalt. Man findet natur lich auch den minhag as·salikin, den "rechten Weg fur die Wanderer". Solche 10 Annemarie Schimmel naht Werke wollen dem Leser den in diesem oder jenem Zusammenhang wei sen, denn Sura 5:49 spricht davon, cia« Gott jedem Volke !ar~n wa minhiigan, Heine Norm (oder StraBe) und einen breiten Weg" gegeben habe. SchlieBlich wird der Muslim, der sich auf dem rechten Pfade befindet, sicher lich auch die sira des Propheten studieren, seine Biographie - ein Begriff, der ebenfalls eigentlich den Weg, den man geht, und davon ausgehend den "Lebens weg", die Lebensgeschichte, bedeutet. Zahlreich sind daher die Werke, die eine sira (in den zwanziger Jahren kommt sogar eine arabische Sira Mustafa Kemal Atatiirks vorl behandeln oder im Plural von den siyar al-auliya, den "Lebens laufen der Gottesfreunde", oder al-awwalin, der "Vorvater", sprechen. Auf ihrem Wege zu wandeln, ihre Sitten weitgehend nachzuahmen, wird den Glaubigen, so hofft man, des Heils teilhaftig werden lassen. In diesem Zusammenhang muB festgehalten werden, daB die Nachfolge des Propheten zentral im Islam ist. Muhammad wird - im Gegensatz zu Jesus, der als "der Weg, die Wahrheit und das Leben" erscheint - nie als "Weg" bezeich net - er ist der KarawanenfUhrer oder, in wasserreichen Gebieten wie Bengalen, der Steuermann, der das zerbrechliche Boot ,,Mensch" zum fernen Ufer der Wahrheit lenkt. Seine Rolle als KarawanenfUhrer macht es notwendig, seinem Beispiel genau nachzufolgen, ist er doch im Koran als uswa ~asana, "schones Beispiel" bezeichnet (Sura 33:21). Man muB dabei den phanomenologischen Unterschied zwischen Jesus und Muhammad im Auge behalten: Fiir den Chri sten ist Jesus das ,inkarnierte' Gotteswort, fUr den Muslim ist der Koran das - wie Harri Wolfson definiert - ,inlibrierte', "Buch gewordene" Gotteswort_ Damit ist der Koran mit seinen Geboten der wahre Weg, wahrend Muhammad es ist, der auf diesem Wege fiihrt. Es ist die iiberaus skrupulose Seelenanalyse auf der Suche nach dem rechten Weg, die den frommen Muslim kennzeichnet: Zwi schen den klaren Geboten und Verboten liegen noch viele Moglichkeiten des Irrtums, die der ernste Glaubige sich immer wieder vor Augen halt, damit er nicht strauchele und so vielleicht ins Verderben geriete. Das aber bedeutet, daB man sich bemiiht, jedwedem Schritt des Propheten, der den Weg ja am besten kannte, genau nachzufolgen, und aus diesem Grunde war die Wissenschaft der ~i!-Uberlieferung so wichtig, da das ~i! AufschluB iiber seine Worte und Taten gab - wobei sich natiirlich die Frage nach der Authentizitat der Uberlie ferungen stellte. Doch fUr den Frommen waren die durch ein griindliches Aus leseverfahren gepriiften Uberlieferungen Wegweiser fUr ihr Leben: Sie lernten daraus, wie er seinen Turban wand und was fUr Speisen er liebte, wie er sich auf Reisen verhielt - und ihm auf diesem Wege selbst in den auBeren Formen zu folgen, verhieB Sicherheit. Jedes ~i! wird durch eine Kette von Uberliefe rern, isniid, bis zu seinem Ursprung zuriickgefiihrt, und so fiihlt der Muslim sich geleitet, als hielte er sich an einem bis zum Propheten reichenden Strick

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