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Das Single: Gesellschaftliche Folgen eines Trends PDF

161 Pages·1994·3.237 MB·German
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Das Single Gerd Grozinger (Hrsg.) Das Single Gesellschaftliche Folgen eines Trends + Leske Budrich, Opladen 1994 Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Motivs von Dieter Zembsch / Miinchen ISBN 978-3-8100-1073-5 ISBN 978-3-322-93658-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93658-5 © 1994 by Leske + Budrich, Opladen 1994 Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuliissig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielraltigungen, Ubersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich, Opladen Inhalt Gerd Gr6zinger Einleitung ....................................................................... 7 Arthur E. Imhof Von der schlechten alten Zwangsgemeinschaft zum guten neuen Single? ........................................................... 17 Horst W. Opaschowski Singles: Die Hatschelkinder der Konsumgesellschaft ........... ......... 25 Katharina Pohl Singles im Alltag. Sozio-demographische Aspekte der Lebenssituation Alleinstehender ................................................................ 41 Elisabeth Schlemmer "Singles" in den neuen Bundeslandern und ihre Netzwerke ............ 65 Gunhild Gutschmidt Single mit Satelliten ........................................................... 93 Friedemann Gschwind Neue Lebensformen als stadtebauliche Herausforderung .. ........... ... 107 Susanne Busch und Klaus Deimer Lebenweisen und staatliche Rahmenbedingungen. Probleme und LOsungsansatze anhand ausgewahlter Beispiele ........................... 117 Eggo Maller Zu Paaren getrieben. Die neuen Liebes-Spiele im Fernsehen ........... 149 5 Einleitung Singles sind vielen ein Argernis. Das Unbehagen beginnt schon bei den Sozial statistikern, die diese Gruppe nicht recht einzuordnen vermogen und bei Aus ziihlungen hilfsweise auf die amtlicherseits vorgegebenen Bestimmungen ,le dig' und ,Einpersonenhaushalte' zUrUckgreifen miissen. Und es findet sich verstiirkt bei einigen Bevolkerungswissenschaftlern, die genau zu wissen scheinen, was von den Motiven dieser Lebensform zu halten ist, z.B.: "Kon taktschwiiche und Ausnutzung von Beziehungen reichen sich die Hiinde." 1 Singles sind anderen dagegen eine rechte Freude. Ihr vermutetes Wohlbefin den bringt kriiftige Farbtupfer mit sich. Die Medien - in deren Reihen sich nicht wenige Exemplare dieser Spezies tummeln diirften - werfen mit scho ner RegelmiiBigkeit Titelgeschichten, Specials und ganze Serien dazu auf den Markt. Offensichtlich vermuten sie eine weiter lebhafte Nachfrage ihrer Leser-, Horer- und Zuschauerschaft daran, eine noch unbefriedigte Neugier der einen am alternativen Lebensentwurf, der anderen an der Darstellung der eigenen, neuen Existenzweise. Es diirften die darob ausgeschickten Journalisten gelegentlich kriiftig an den Stories mitgestaltet haben. Denn bei einer GroBzahl der dabei auftauchenden Fragen war zumeist nur soviel klar, daB noch nicht besonders viel klar sein konnte. Auch neuere Arbeiten zustiindiger Fachdisziplinen zum Thema Sin gles miissen einriiumen, daB es "bislang kaum empirische Untersuchungen dazu gibt"Z, wundern sich, daB "dies kaum als ein soziologisch relevantes Thema betrachtet worden,,3 ist oder "wie wenig sich die Sozialwissenschaften mit diesem Phiinomen beschiiftigt haben".4 Das Erstaunen iiber die lange wissenschaftliche Inkubationszeit ist nachvoll ziehbar. SchlieBlich klettert die Zahl der Einpersonenhaushalte - und das AI leinewohnen ist immer noch das wichtigste Hilfskennzeichen von Singles - bereits seit langem und mit stupender Stetigkeit. Auch wenn einige kleinere Moglichkeiten statistischer Ungenauigkeiten wegen Zweitwohnungen und un genauer Erfassung von Wohngemeinschaften zu beklagen sind, bleibt der 7 Trend beeindruckend: mittlerweile ist knapp jeder dritte Haushaltsvorstand al leinlebend, im Westen schon einiges mehr, im Osten noch etwas weniger. Zum Vergleich: Anfang 1940 beschrieb dies nur die Situation jedes zehnten Haus halts, 1950 und 1960 in Westdeutschland trotz der Auswirkung der Kriegsver witwung nur die jedes fUnften und 1970 erst jedes vierten.5 Den Anstieg kann selbst der Leitstern der Familiensoziologie nicht mehr iiberstrahlen. Die Standardeinheit ,Vater & Mutter & Kind(er), an der sich frii her jede andere Lebensform als Abweichung mafi, hat den Spitzenplatz in der Haushaltsstatistik schon an die Alleiniebenden abtreten miissen: "In der Bun desrepublik ist inzwischen die Zahl der kernfamilialen Haushalte kleiner als die Zahl der Einpersonenhaushalte.,,6 In absoluten Zahlen machte das nach den letztvorliegenden Daten des Mikrozensus fUr Anfang 1991 betriichtliche 11,9 Mill. Einwohner aus.? Nicht aIle davon sind natiirlich Singles im heute zumeist mitschwingenden Sprachgebrauch einer von Angehorigen jiingerer und mittel alter Gruppen frei gewiihlten Unabhiingigkeit. An der Steigerung mitgewirkt haben auch demo graphische Strukturveriinderungen, die vor allem eine Stiirkung des Anteils Verwitweter mit sich brachten. So waren z.B. in Baden-Wiirttemberg 1989 von den 1,5 Mill. Einpersonenhaushalten etwas mehr als ein Drittel in der Alters gruppe der iiber 60jiihrigen zu finden. Aber: Ihre Zunahme gegeniiber 1960 lag mit 186 % nur unwesentlich iiber der allgemeinen Steigerung der Zahl aller Einpersonenhaushalte urn 171 %. Mehr als verdreifacht hatte sich dagegen die Altersgruppe der 30-35jiihrigen Alleiniebenden, eine weniger strukturell denn als Verhaltensiinderung zu erkliirenden Entwicklung.8 Sozialwissenschaftler haben versucht, solche Differenzierungen des For schungsgegenstands in Typologisierungen urnzusetzen. Das auch in der Bun desrepublik meistbenutzte Schema stammt aus den USA und unterscheidet entlang der Determinanten von Freiheit und Dauer.9 Dadurch wird eine Vierer-Matrix von Singles erzeugt: freiwillig erzwungen zeitweilig I Die Ambivalenten II Die Hoffenden dauemd III Die Uberzeugten IV Die Resignierenden So schwierig die Operationalisierung solcher Gliederungen in der praktischen Sozialforschung sein mag, so sehr niitzen sie als gedankliches Korrektiv ge geniiber zu einfachen Einschiitzungen. Es sind z.B. fast aIle Langfristdaten iiber den Gesundheitszustand und die Sterblichkeit Alleiniebender zu Zeiten entstanden, in denen die Gruppe der ,Resignierenden' besonders stark vertre ten gewesen sein diirfte. Uber das psychische und physische Wohlbefinden in nerhalb des neuen Massenphiinomens freiwilliger Singles sagen sie entspre chend wenig aus. 8 Dafi wir alltiiglich mit dem fremdsprachigen Begriff ,Single' operieren und wissenschaftlich mit amerikanischen Typologisierungen arbeiten, ist kein Zu fall. In den USA, die von dem Trend zum Alleinleben friiher und stiirker erfafit wurden als Deutschland, sind auch seit Mitte der siebziger Jahre die ersten groBeren Arbeiten dazu publiziert worden. In der Bundesrepublik beginnt eine eigene Forschung etwa eine Dekade spiiter, und erst langsam verkniipfen sich bei uns die einzelnen Erkenntnisfaden zu einem Muster. Die Evangelische Akademie Bad Boll hat darum 1992 eine Tagung unter dem Titel dieses Buches veranstaltet, die den neuesten Erkenntnisstand fUr Deutschland offenlegen wollte und besonderen Wert auf die Reflexion der ge sellschaftlichen Folgen legte. Aus den iiberarbeiteten Referaten dieser Veran staltung und einigen thematisch wichtigen schriftlichen Ergiinzungen ist der vorliegende Band entstanden. Zu Beginn stehen sieben Thesen von Arthur E. Imhof iiber die langsame Herauslosung des Individuums aus friiher notwendigen Zwangsgemeinschaf ten. Sie basieren auf der Ausgangsiiberlegung: "Der Mensch ist gar kein so ziales Wesen, wie wir das bisher so lange glaubten. Er war bloB iiber die Jahr hunderte und Jahrtausende bei uns und heute noch anderswo dazu gezwungen, die Rolle eines sozialen Wesens zu spielen. Fallen jedoch die bisherigen le bensbedrohlichen ,Pest, Hunger und Krieg' -Zustiinde weg - etwas historisch wie weltweit ganz und gar Ungewohnliches und Einmaliges -, dann streifen mehr und mehr Menschen diese Rolle ab und gehen als Einzelgiinger durchs Leben." 10 Diese Entwicklung muB aber nicht automatisch als ein das soziale GefUge zersetzender Vorgang interpretiert werden. Arthur E. Imhof betont die gesell schaftlichen Chancen, die darin liegen konnen, wenn Alleinlebende allge meine Aufgaben iibernehmen, die Familiengebundenen mangels eines ausrei chenden Zeitbudgets schwerer fallen. Db und wie sich ein so1ches Ethos auf breiter Front durchsetzen wird, muB noch als ungewiB gelten. Immerhin gibt es aber dafUr trotz aller Unkenrufe iiber die egoistischen Singles erste positive Anzeichen, nennt doch z.B. eine neuere Studie iiber Frauen als Gruppe mit der hochsten Quote ehrenamtlicher Mitarbeit in Vereinen, Verbiinden und sozialen Diensten: jiingere, alleinlebende Ledige.11 Horst W Opaschowski hiilt in seinem Beitrag dagegen die Freizeitorientiert heit der Singles fUr das alles andere iiberstrahlende Merkmal. Fast jeder zweite der unter fUnfzigjiihrigen Alleinlebenden geht mindestens einmal die Woche essen sowie in die Kneipe und jeder dritte ins Kino. Dazu kommt ein verstiirktes Auftreten bei Festen, auf Sportstiitten sowie in Diskotheken. Das sind Umfragewerte - bei allerdings etwas differenter Altersstruktur -, die weit iiber dem Durchschnitt der Bevolkerung liegen. Fiir Alleinlebende steigen nicht nur die Ausgaben fUr kommerzielle Frei zeitangebote und das Telefonbudget iiber den Durchschnitt an, sie geben auch 9 deutlich mehr bejahende Antworten auf die Frage, ob Sex / Erotik zu den Akti vitaten der letzten Woche gehorten. Doch ware hier der naheliegende SchluB von solchen ersten Ergebnissen auf das mediale Traumbild alIgegenwartiger ,Swinging Singles' alIzu vorschnell. Katharina Pohl hat mehrere Tausend westdeutsche Unverheiratete im dafiir interessanten Alter von Mitte Zwanzig bis Mitte Fiinfzig befragt: die ein Swinger-Dasein befOrdernde Triade ,allein lebend & kinderlos & ohne feste Partnerbeziehung' wird nur von etwa einem Drittel der Manner und einem Viertel der Frauen erfiilIt. Dieser Niveauunterschied ist nicht die einzige Geschlechtsdifferenz. Schon die Altersverteilung ergibt getrennte Bilder - Singles sind in Deutschlands Westen bisher vor allem alte Frauen oder jiingere Manner. Doch auch die Zahl der jungen Frauen zieht seit den siebziger 1ahren kraftig an. In Baden-Wiirt temberg etwa iibertrifft in den letzten zwei Dekaden ihr Zuwachs bei den unter 30jahrigen den der gleichaltrigen Manner urn das Mehrfache.12 Eine neue Schicht weiblicher Singles ist am Entstehen, iiberdurchschnittlich gut ausge bildet13, mit entsprechend hoherem Einkommen versehen und nicht allzu ge willt, diese Vorteile kiinftig aufzugeben. Bei der Untersuchung von Katharina Pohl verhalten sich die Befragten recht zogernd gegeniiber Vorgaben nach moglicherweise gewiinschten Veranderun gen der personlichen Lebens-und Wohnsituation in der Zukunft. Die Ledigen beider Geschlechter scheinen in der Mehrzahl nicht unzufrieden mit ihrer Si tuation, wobei die Neigung zu einem Situationswechsel mit steigendem Alter weiter abnimmt. Auch hier wieder der ,groBe' Unterschied: ab der Grenze von 30 1ahren sind es stets die Manner und nicht die Frauen, die weiter ein erhebli ches Interesse an einer wieder festeren Bindung oder einem Zusammenwoh nen bekunden. Das starker genannte Geschlecht erweist sich in Wirklichkeit nur als starker unf<ihig, mit dem Alleinsein oder einer bloB schwachen Verbindlichkeit in inti men Beziehungen zurechtzukommen. Diese aktuelle Korrespondenz zwi schen Freiheitswunsch & Frau findet sich in ahnlicher Weise iibrigens auch bei Zusammenlebenden: subjektiv am meisten zufrieden mit ihrer Situation sind dort bei weiblichen Befragten nicht etwa die diversen Altersgruppen von Ver heirateten mit und ohne Nachwuchs sondernjiingere Ledige ohne Kinder, just die gleiche Kategorie, die bei den Mannern den relativ schlechtesten Zustim mungswert erbringt. 14 Den amerikanischen Frauen hat man den Trend zur Selbstandigkeit nicht durchgehen lassen wollen. In den - trotz aller Scheidungsversessenheit - im mer noch stark heiratsverliebten USA bekamen sie etwa Mitte der achtziger 1ahre zu Prasident Reagans Zeiten auf allen Fernsehkanalen und Magazinsei ten vorgefiihrt, daB eine eigene Karriere statt friiher Heirat / Familiengriindung auch eine diesbeziigliche Zukunfts-Option mit zerstoren wiirde. Unter dem Label einer angeblichen Studie der Eliteuniversitiiten Yale und Harvard sollte 10 die Chance einer dreiBigjahrigen CoUegeabsolvention auf eheliche Verbindung schon auf ein Fiinftel gesunken sein und mit 40 nur noch knapp iiber einem Pro zent liegen. Es war weder Wort noch Zahl davon wahr, wie es bei der Pulitzer-Preistra gerin Susan Faludi in ihrem in den Neunzigem bestsellenden Buch detailliert nachzulesen ist. Demographen wamten vielmehr vor der umgekehrten Knapp heit, einem deutlichen Manneriiberschu6 bei den 30-50jahrigen.15 Aber der mediale Trend lie6 sich durch leicht zugangliche Tatsachen noch lange nicht beeinflussen: "Zwischen 1980 und 1982 brachten ... amerikanische Zeitschrif ten nur fiinf Beitrage iiber Single-Frauen; zwischen 1983 und 1986 waren es dreiundfiinfzig - und fast aIle waren von Kritik und Mitleid gepragt. (Im glei chen Zeitraum erscheinen iibrigens nur sieben Artikel iiber mannliche Sin gles.)" Auch Deutschland blieb von einigen Auslaufem der Katastrophenmel 16 dung nicht verschont. Noch 1991 wurden diese falschen Zahlen etwa in einem langeren SPIEGEL-Essay zum Thema Singles zitiert, selbstverstiindlich in der verscharften Popular-Version, daB es fiir eine iiber 40jahrige ledige College Absolventin statistisch eine hohere Chance gebe, von einem Terroristen er schossen zu werden denn einem Ehemann in die Hande zu fallen. 17 1m friiheren Aus-Landsteil des jetzigen Ein-Lands Bundesrepublik war da gegen eine gleiche Beteiligung an der Erwerbsarbeit fiir Manner und Frauen gesellschaftlich gewiinscht und erfolgreich durchgesetzt. Was dies fiir Verhal tensmodifikationen im Alltagsleben nach sich zog, blieb aHerdings wenig er forscht. Soziologisch gesehen war das Gebiet der Fiinf N euen Lander weitge hend Terra Incognita, das erst jetzt in gro6erem Ausma6 kartographiert wird. Elisabeth Schlemmer hat dort Anfang der neunziger Jahre eine reprasentative Stichprobe von 18 - 55 jahrigen zu ihren Lebensumstiinden befragt und die Antworten der Singles mit westlichen Komplementiirdaten verglichen. Aus ih rer detaillierten Arbeit schalt sich heraus, daB auch in den Neuen Landem das AHeinleben auf dem Vorrnarsch ist, aber andere Gruppen mit anderen Zielset zungen und unter anderen Verhaltnissen als im Westen lebend dominant sind. So wohnen etwa viele als Singles Einzuordnende in den Neuen Landem nicht in eigenen Einpersonen-Haushalten, sondem zusamrnen mit Kindem oder in jiingeren Jahren - vor aHem wegen mangelnder Wohnaltemativen - noch mit den Eltem. Die im Westen als attraktiv geltende Lebensform Single wird im Osten eher negativ bewertet, sie scheint bisher auch mehr Notrutsche aus ungliicklichen Beziyhungen denn gewahltes Schicksal zu sein. Besonders Frauen der mittleren Generation scherten dort aus der iiblichen Doppelbela stung von eigener Berufstiitigkeit und weiter zugeschriebener Zustiindigkeit fiir Haushalt und Familie aus. Trotz einer erheblich gro6eren Wertschatzung von Familie im Osten - 84 % der Bev61kerung gegeniiber 69 % im Westen empfinden diese z.B. notig fiirs Gliicklichsein18 -, der Alltag hielt diesen ho hen Erwartungen haufig nicht stand. 11 Die jiingeren Frauen haben schon in der DDR Ehe und Familie als trennbare Funktionen aufgefa6t und danach gelebt. Knapp ein Drittel der Geburten war dort unehelich, gut das Dreifache des westdeutschen Werts. Darum sind im ostdeutschen Sample auch etwa ein Viertel der befragten Singles - hier als ,er wachsene Person ohne Partner im Haushalt' definiert - Alleinerziehende, fast ausschlie61ich Frauen. Wegen der Kinder weist diese Gruppe eine ganz spe zielle Struktur ihrer komrnunikativen Netzwerke auf; sie scheinen mehr auf Unterstiitzungsfunktionen gerichtet, auf Kosten der sonst wichtigen Funktion einer gemeinsamen Gestaltung von Freizeit. Die Freundes-und Familiennetze der Alleinerziehenden sind dadurch sogar umfangreicher als die der anderen Singles, aber die me6bare Intensitiit der Kontakte rallt geringer aus. Auch im Westen steigt die Zahl Alleinerziehender. Und ein immer gro6er werdender Anteil - mittlerweile ein Viertel aller Einelternfamilien - bilden darin ledige Miitter. Zwar werden nicht wenige davon nach einiger Zeit heira ten oder andere Beziehungen eingehen. Aber es gibt auch eine bemerkens werte neue Entwicklung, die Gunhild Gutschmidt in einer explorativen Studie untersucht hat. Ebenso wie bei den anderen modernen weiblichen Singles exi stiert eine wachsende Gruppe jiingerer, aber nicht mehr ganz junger, gut bis sehr gut ausgebildeten Frauen, die Kinder ,solo' aufzieht. Gleich, ob es sich dabei urn eine von Anfang an geplante Aktivitiit handelt oder die Viiter sich friih zuriickzogen, als personliche Katastrophe mu6 das nach den Befragungen gegenwiirtig nicht mehr erlebt werden. Auf das Wohlergehen mag eine unge wisse Berufsaussicht sogar mehr Einflu6 haben als die Abwesenheit eines mit erziehenden Mannes. Sind die Singles von heute also weder besonders ungliicklich noch notwen digerweise einsam und bilden auch sonst keine direkte Bedrohung fur den so zialen Kitt der Gesellschaft? Die hier priisentierten Ergebnisse deuten in diese Richtung. Aber was individuell durchaus lebbar und sogar attraktiv erschei nen mag, kann imrner noch indirekte Folgen zeitigen, die anderen erhebliches Kopfzerbrechen bereiten. Friedemann Gschwind nimmt sich in seinem Beitrag einen Zusamrnenhang vor, der in der offentlichen Diskussion bisher wenig thematisiert wird: die Wohnraumversorgung. Singles belegen statistisch eine viel hohere Quadratmeterzahl pro Person als andere Lebensformen. Das triigt erheblich zur Verschiirfung der aktuell zu be klagenden Krise am Wohnungsmarkt bei. Der naheliegende Einwand, dies sei vor allem der demographischen Strukturveriinderung zuzuschreiben, beson ders den urnzugsunwilligen Verwitweten mit den fur sie nach dem Tode des Ehegatten eigentlich zu gro6en Wohnungen, ist nicht stichhaltig. Verwitwete iiber sechzig Jahre bewohnen mit 2,68 Wohnraurnen kaum mehr Raum als Le dige iiber drei6ig mit durchschnittlich 2,53 Riiumen.19 Besonders betroffen von der wachsenden Marktmacht gutverdienender Sin gles sind die Gr06stiidte, in die es sie bevorzugt hinzieht: von den 12,8 Mill. 12

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