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Das rot-grüne Projekt: Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002 PDF

440 Pages·2003·78.264 MB·German
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Christoph Egle . Tobias Ostheim Reimut Zohlnh6fer (Hrsg.) Das rot-griine Projekt Christoph Egle . Tobias Ostheim Reimut Zohlnhofer (Hrsg.) Das rot- griine Projekt Eine Bilanz der Regierung Schroder 1998-2002 Westdeutscher Verlag Bibliografische Information Del' Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in del' Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Marz 2003 Alle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden2003 Lektorat: Frank Schindler / Nadine Kinne Del' Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen del' Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.westdeutscher-verlag.de Das Werk einschlieElich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb del' engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in e1ektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu del' Annahme, dass solehe Namen im Sinne del' Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jeder mann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier lSBN-13:978-3-531-13791-9 e-lSBN-13:978-3-322-83375-4 DOl: 10.1007/978-3-322-83375-4 Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................................... 7 Christoph Egle, Tobias Ostheim und Reimut ZohlnhOJer: Einfiihrung: Eine Topographie des rot-griinen Projekts ............................................. 9 I. Parteien nnd Strategien Dieter Roth: Das rot-griine Projekt an der Wahlurne: Eine Analyse der Bundestagswahl yom 22. September 2002 ................................... 29 Klaus von Beyme: Die Entwicklung des Parteienwettbewerbs .............................................................. 53 Christoph Egle und Christian Henkes: Spater Sieg der Modemisierer tiber die Traditionalisten? Die Programmdebatte in der SPD ............................................................................. 67 Christoph Egle: Lemen unter Stress: Politik und Programmatik von Biindnis 90IDie Griinen .......... 93 Axel Murswieck: Des Kanzlers Macht: Zum Regierungsstil Gerhard SchrOders ................................ 117 RolfG. Heinze: Das "Btindnis fur Arbeit" - Innovativer Konsens oder institutionelle Erstarrung? ............................................. 137 Wolfgang Merkel: Institutionen und Reformpolitik: Drei Fallstudien zur Vetospieler-Theorie ........... 163 II. Politikfelder Reimut ZohlnhOJer: Rot-griine Finanzpolitik zwischen traditioneller Sozialdemokratie und neuer Mitte ....................................................................................................... 193 Susanne Blancke und JoseJSchmid: Bilanz der Bundesregierung Schroder in der Arbeitsmarktpolitik 1998 -2002: Ansatze zu einer doppelten Wende ......................................................................... 215 6 Inhaltsverzeichnis Manfred G. Schmidt: Rot-griine Sozialpolitik (1998-2002) ...................................................................... 239 Anja K. Hartmann: Patientennah, leistungsstark, finanzbewusst? Die Gesundheitspolitik der rot-griinen Bundesregierung ........................................ 259 Christian Henkes und Sascha Kneip: Die Bildungspolitik def rot-griinen Bundesregierung 1998-2002 ........................... 283 Andreas Busch: Extensive Politik in den Klippen der Semisouveranitat: Die Innen-und Rechtspolitik der rot-griinen Koalition .......................................... 305 Lutz Mez: Okologische Modernisierung und Vorreiterrolle in der Energie-und Umweltpolitik? Eine vorlaufige Bilanz .................................................................. 329 Tobias Ostheim: Praxis und Rhetorik deutscher Europapolitik ......................................................... 351 Frank R. PJetsch: Die rot-griine AuBenpolitik ..................................................................................... 381 Reimut ZohlnhOJer: Rot-griine Regierungspo1itik in Deutschland 1998-2002. Versuch einer Zwischenbilanz ................................................................................ 399 III. Anhang Heike Quader Chronik der 14. Legislaturperiode .......................................................................... 423 Heike Quader Glossar .................................................................................................................... 439 Autorenverzeichnis ................................................................................................. 451 Vorwort 1m Herbst 1998 fand zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein richtiger Regierungswechsel statt: Bei den vorangegangenen Regie rungswechseln war jeweils eine Partei schon an der Vorgangerregierung beteiligt gewesen: 1966 verblieb die CDU in der Regierung, regierte aber in einer GroBen Koalition mit der SPD, 1969 blieben die Sozialdemokraten an der Regierung und bildeten eine Koalition mit der FDP, und diese verlie13 1982 wiederum die SPD, urn gemeinsam mit der CDU eine neue Regierung zu bilden. Erst durch die Regierungs ubemahme der rot-griinen Koalition aus SPD und Biindnis 90JDie Griinen wurden erstmals die Parteien, die bisher die Regierung gestellt hatten, komplett durch bishe rige Oppositionsparteien ersetzt. Dieser Umstand wirft die Frage auf, ob diesem ersten wirklichen Regierungswechsel auch ein ebenso pragnanter Politikwechsel folgte, wie dies der Begriff des "rot-griinen Projekts" suggeriert, oder ob ein so1cher durch die haufig beschriebenen Grenzen und Schranken des deutschen Regierungs systems verhindert wurde. Die Beantwortung dieser Frage ist das Ziel des vorliegen den Sammelbandes. Das Wirken der rot-griinen Koalition war in den vergangenen vier lahren schon Gegenstand zahlreicher Publikationen. Allerdings wurden viele Beitrage zur Bilanz der Regierung Schroder friihzeitig und manchmal auch voreilig verfasst, und nicht wenige Analysen und Bewertungen dieser Koalition wurden primar in normativer Absicht geschrieben. Eine fundierte politikwissenschaftliche Analyse der gesamten 14. Legislaturperiode stand bisher aus. Diese Lucke solI mit dem vorliegenden Band geschlossen werden. Der Dank der Herausgeber gilt vor allem den Autoren fur deren engagierte Mit arbeit, die eine ziigige Fertigstellung des Buches ennoglichte. Als produktiv erwies sich auch ein Workshop in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im Sep tember 2002, bei dem die Autoren die einzelnen Beitrage miteinander diskutieren konnten. Fur die Ubemahme der Kosten dieses Workshops danken wir dem West deutschen Verlag. Besonderer Dank gebuhrt Nina Genzel, Miriam Sontheim und Heike Quader, die sowohl bei der Durchfiihrung dieses Workshops als auch bei der Fertigstellung des Manuskriptes eine gro13e Hilfe waren. Heidelberg, im Dezember 2002 Christoph Egle Tobias Ostheim Reimut Zohlnh6fer Einfiihrung: Eine Topographie des rot-griinen Projekts Christoph Egle, Tobias Ostheim und Reimut ZohlnhOJer 1 Einleitung Der Regierungswechsel vom Oktober 1998 brachte eine ganze Reihe von Neuheiten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit sich: Zum ersten Mal wurde ein Regierungswechsel durch eine Wahl und nicht durch einen Koalitionswechsel einer Partei herbeigemhrt, und erstmalig wurde eine Regierung gebildet, der keine Partei angehOrte, die schon reil der vorangegangenen Regierungskoalition gewesen war. "Zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik war das eigentlich Selbst verstiindliche selbstversmndlich geworden. Das war der Zauber, der diesem Anfang innewohnte" (Prantl 1999: 9). Deshalb wurde dieser Machtwechsel auch "historisch" genannt -; seine Geschichtlichkeit konnte man ihm jedoch kaum anmerken, dazu verlief der Wechsel von Kohl zu SchrOder zu unspektakuliir. Nach 16 lahren wurde die christlich-liberale Koalition ersetzt durch eine Koalition aus der SPD und den Griinen, die - ein weiteres Novum - zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte im Bund mitregierten. Auch regierte mit den Griinen nun erstmals eine Partei, deren historische Wurzeln nicht bis in das 19. lahrhundert zurUckreichen, sondem die ein ausschlieBliches Kind der Bundesrepublik ist. AuBerdem wurde an der Spitze des Staates ein Generationenwechsel vollzogen: Viele Kabinettsmitglieder haben ihre politische Sozialisation im 68er-Umfeld und in den friihen 70er Jahre erfahren, wiih rend die Kabinette Kohl noch von der Nachkriegsgeneration gepriigt waren. Der vielzitierte "Marsch durch die Institutionen" war durch das Ergebnis der Bundes tagswahl von 1998 Wirklichkeit geworden, und nun sollten die Marschierer zeigen, was sie konnten. Dabei durften so viele Frauen mitmarschieren wie noch nie zuvor in einer bundesdeutschen Regierung: immerhin 5 Ministerinnen und 9 parlamentarische Staatssekretiirinnen. Der Regierungswechsel 1998 war somit nicht nur ein politi scher, sondem auch ein kultureller Wandel. Dies alles schlug sich im Begriff des ,,rot-griinen Projekts" nieder, das nun verwirklicht werden sollte. Auch aus diesem Grund erweckte die rot-griine Bundesregierung bei einigen besondere Hoffnungen, bei anderen groBe Befiirchtungen. Folgte dieser markanten Ziisur aber auch ein ebenso signifikanter Politikwechsel? Und falls dies der Fall war: In welche Richtung wurde die Bundesrepublik von der rot-griinen Koalition gefiihrt? Diese Fragen bilden das zentraleErkenntnisinteresse dieses Sammelbandes. Da zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik 10 Christoph Egle, Tobias Ostheim und Reimut Zohlnhofer keine Regierungspartei schon der Vorgangerregierung angehort harte, durfte ein hoheres AusmaB an Politikwandel vermutet werden als bei den bisherigen Regie rungswechseln. Die Frage, ob sich diese Erwartung erfullte, wird in den Beitragen zu den einzelnen Politikfeldem beantwortet. 1m ersten Teil des Buches werden zunachst das Ergebnis der Bundestagswahl 2002, die programmatische Entwicklung der Re gierungsparteien, die Struktur des Parteienwertbewerbs sowie das institutionelle Umfeld der rot-griinen Regierung und deren Regierungsstil analysiert. 2 Rot-Grull - "Projekt" oder elektoraler Zufall? Nicht wenige Stimmen behaupten, dass Rot-Griin eine verspatete Koalition war, d.h. erst zu einem Zeitpunkt realisiert wurde, als eine solche Koalition schon lange nicht mehr emphatisch als ein ,,Projekt" bezeichnet werden konnte: Der Begriff habe schlieBlich eine "konkrete Utopie des Postmaterialismus" (v. Lucke 2002: 5) zum In halt und sei somit im Erwartungshorizont der 80er Jahre verhaftet. Nach der Deutschen Einheit, den darauf folgenden okonomischen Problemen und der Auflosung des Ost blocks standen postmaterialistische Themen wie Okologie, Frieden und Gleichberech tigung jedoch nicht mehr auf der Agenda politisch wichtiger Themen. In den 80er Jah ren ware eine rot-griine Koalitionjedoch kaum moglich gewesen, konnte sich innerhalb der Griinen doch erst Anfang der 90er Jahre der realpolitische Flugel durchsetzen, der eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene uberhaupt anstrebte. Als die Griinen 1985 in Hessen zum ersten Mal in eine Landesregierung eingetreten waren, harte dies noch heftige innerparteiliche Konflikte zur Folge, denn die sog. ,Fundamentalisten', die vor allem in der FUhrung der Bundespartei stark vertreten waren, lehnten eine Regierungs beteiligung kategorisch abo Auf Bundesebene sind die Griinen somit erst seit dem Aus zug dieses Flugels im Jahre 1991 als ,regierungsfahig' anzusehen (Egle i.d.B.). Somit bestand erstmals 1994 eine wirkliche Option auf eine rot-griine Koalition, die auch die Griinen mitzutragen bereit waren. Parallel dazu erwuchs in der SPD erst langsam die Bereitschaft, in der neu entstandenen Partei der Griinen nicht nur eine elektorale Kon kurrenz, sondem auch einen moglichen Koalitionspartner zu sehen. Wahrend Willy Brandt schon friihzeitig von der Vision einer "Mehrheit diesseits der Union" traumte und einer Verbindung der alten Reformbewegung (also der SPD) mit der neuen Re formbewegung der Griinen das Wort redete, legte die SPD erst mit dem 1989 verab schiedeten Berliner Programm die Grundlage fur eine solche Regierungszusammenar beit. Erst dort hielten die im Zuge des Wertewandels prominent gewordenen Themen der sog. "Neuen Linken" bzw. der "Neuen Politik" Einzug in die sozialdemokratische Programmatik (Meyer 1997, 1999). Somit harte es von der SPD aus erstmals 1990 eine rot-griine Koalition geben konnen; und die Wahlforschung lehrt, dass Oskar Lafontaine tatsachlich gute Chancen gehabt harte, Kanzler zu werden, wenn nicht Mauerfall und die Wiedervereinigung dazwischen gekommen waren (Roth 2001: 71). 1994 entkam Einfiihrung: Eine Topographie des rot-griinen Projekts 11 Helmut Kohl nur sehr knapp seiner Abwahl (JungIRoth 1994), die vier Jahre spater erfolgte. Rot-Griin galt 1998 wahlarithrnetisch jedoch nicht als die wahrschein1ichste Alter native, zumal dem Kanzlerkandidaten der SPD, Gerhard SchrOder, eine Praferenz zu einer groBen Koalition nachgesagt wurde, die von der Bevolkerung auch mehrheitlich gewlinscht wurde (s.u.). Allerdings hatte die SPD mit Schroder erstmals einen Kandi daten, der auf Landesebene schon einmal eine rot-griine Regierung gefiihrt hatte/ und dem Parteivorsitzenden der SPD, Oskar Lafontaine, durfte der Wunsch nach Rot-Griin zweifellos unterstellt werden. Kurz nach den Bundestagswahlen bezeichnete Schroder die Bildung einer rot-griinen Koalition als die "logische Folge" (FAZ 29.09.l998, 1) des Wahlergebnisses, das diese Konstellation uberraschend deutlich moglich gemacht hatte. Dennoch konnte ein Kanzler Schroder nicht als die natiirliche Verkorperung des rot-griinen "Projektes" angesehen werden - dafUr ist er zu sehr nuchtemer Pragmatiker als Anhanger eines koharenten programmatischen Politikkonzeptes (dazu Hogrefe 2002: 131ff.). AuBerdem wies er schon Anfang 1997 darauf hin, dass in einer rot griinen Koalition klar sein musse, wer "Koch und Kellner" sei: Eine Koalition mit den Griinen war und ist fUr Gerhard SchrOder in erster Linie eine arithmetische Notwendig keit, Kanzler zu werden oder es zu bleiben. Was aber verbirgt sich inhaltlich hinter dem Begriff des "rot-griinen Projektes"? Ein Projekt ist ein Vorhaben, ein Entwurf - was also hatte Rot-Griin vor? 1m allge meinsten Sinne konnte man eine okologische Modemisierung der Okonomie (zu diesem Begriff Janicke 1988, 1993,2001; MollSpaargaren 2000; v. Prittwitz 1993) und postmaterialistisch gefarbte Reformen in der Gesellschaftspolitik erwarten. Der Ausgangspunkt der okologischen Modernisierung ist die Diagnose, dass die dran genden Probleme der strukturellen Arbeitslosigkeit und der fortgesetzten Umwelt zerstOrung nur zusammen ge16st werden konnten, da die Anreizstrukturen des Wirt schafts- und Sozialsystems der Bundesrepublik sowohl einen hohen Ressourcenver brauch als auch die Rationalisierung von Arbeitskraft begiinstigten. Die Zauberformel der okologischen Modemisierung - verbunden mit dem Konzept einer okologischen Steuerreform - lautete: "Beschiiftigungswirksame Umweltinnovatio nen" (Janicke 2001: 1). Diese Leitidee, Anfang der 80er Jahre von Martin Janicke entwickelt und von diesem und anderen Berliner Sozialwissenschaftlem fortgefiihrt, beeinflusste seither die beiden spateren Regierungsparteien, bis schlieBlich ein gan zes Kapitel der Koalitionsvereinbarung von 1998 den Titel "okologische Moderni sierung" trug. Neben der Einfiihrung einer okologischen Steuerreform waren der Ausstieg aus der Kemenergie, der Ausbau regenerativer Energiequellen und eine Bezeichnenderweise verdankte Gerhard Schroder seine Kanzlerkandidatur dem fulmi nanten Wahlsieg der SPD bei den Landtagswahlen in Niedersachsen am 1. Miirz 1998, der die dort amtierende rot-griine Koalition iiberfliissig machte, da SchrOder die absolute Mehrheit erringen konnte. 12 Christoph Eg1e, Tobias Ostheim und Reimut Zohlnhofer Verkehrspolitik jenseits des Automobils konkrete Anforderungen an eine so1che Politik. Gesellschafispolitisch stand fiir das rot-griine Projekt eine bUrgerrechtliche Liberalisierung und eine minderheitensensible Politik auf der Agenda, vor aHem in Bezug auf Migranten. AuBenpolitisch ist dieses Vorhaben durch einen militar skeptischen, multilateral konzipierten Idealismus zu kennzeichnen. Abriistung und ein neues Nord-Siid-Verhaltnis sind weitere Stichworte. Schon dieser Versuch einer Annaherung an Begriff und Inhalt des rot-griinen Projektes zeigt auf, dass die Kem punkte dieses Konzeptes originar oder zumindest mehrheitlich ,griine' Themen sind, wahrend sich die SPD diese Themen erst langsam zu eigen machte: "Die Haupttatig keit der Sozialdemokratie in den 80er Jahren lasst sich als der Versuch interpretie ren, griine Politik auf eine verrnittelte Art und Weise in die Praxis urnzusetzen" (Markovits/Gorski 1997: 392). Rot-Griin war somit vor aHem fiir die Griinen ein "Projekt" und eine Hoffnung, fiir die SPD eher eine Option neb en anderen. Wie weit hatten sich die beiden Parteien im Jahre 1998 aufeinander zu bewegt? Aus den Wahlprogrammen der SPD und der Griinen fur die Bundestagswahl 1998 lassen sich folgende Schliisse ziehen (vgl. auch Lees 1999): Ein koharentes rot-griines Profil gab es in erster Linie bei den gesellschaftspolitischen Themen der Innen- und Rechts politik, wahrend vor allem in der AuBenpolitik die SPD der CDU naher stand als den Griinen. Wertet man die Wahlprogramme quantitativ nach der Bedeutung einzelner Politikpositionen im Programm aus, so ergibt sich der Befund, dass besonders groBe Differenzen zwischen beiden Parteien ausgerechnet in zwei Politikfeldem aufireten, die fur die Griinen von hochster Prioritat waren: Umweltschutz und antimilitaristische AuBenpolitik. AuBerdem legte die SPD viel mehr Wert auf wirtschaftspolitische The men, die bei den Griinen kaum vorkamen (TabeHe 1). Die Koalitionsvereinbarung wurde dementsprechend wirtschaftspolitisch klar von der SPD bestimmt, wamend die Griinen ihre zentralen Anliegen wie Atornausstieg, Okosteuer, Energiewende und Reform des StaatsangehOrigkeitsrechtes nur mit Abstri chen einbringen konnten. Urn mit George Tsebelis' (1995,2002) Veto-Spieler-Modell zu sprechen, woHten beide Parteien in den fiir das Profil einer rot-griinen Regierung konstitutiven Themen den Status quo zwar in die gleiche Richtung verandem, aber unterschiedlich weit. Somit lag das winset fur eine Veranderung des Status quo direkt auf der Politikposition der SPD. Das rot-griine Regierungsprojekt war programmatisch also von zwei Grundsatzen bestimmt: Es wurde wirtschaftspolitisch von der SPD do miniert, schOpfte sein distinktes Profil aber aus einer griinen Programmatik in der Um welt-und GeseHschaftspolitik, die wiederum von der SPD ,begrenzt' wurde,z Die von der SPD vorgenommene ,Begrenzung' der Grunen muss dabei nicht zwangslau fig auf divergierende politische Vorstellungen zuruckgehen, sondem kann auch wahlstra tegisch bedingt sein. So kann ein Teil der Wahlerschaft der SPD in Fragen der Auslander bzw. Zuwanderungspolitik leicht populistisch ausgebeutet werden, was den vorsichtigen Kurs der SPD bei diesen Fragen erklart. V gl. EglelHenkes i.d.B.

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