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Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung PDF

93 Pages·1963·3.754 MB·German
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN GEISTESWISSENSCHAFTEN 81. SITZUNG AM 21. JUNI 1961 IN DüSSELDORF ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN GEISTESWISSENSCHAFTEN HEFT 109 HANS PETERS Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DES MINISTERPRASIDENTEN Dr. FRANZ MEYERS VON STAATS SEKRETAR PROFESSOR Dr. h. c. Dr. E. h. LEO BRANDT HANS PETERS Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-322-98161-5 ISBN 978-3-322-98826-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-98826-3 @ 1963 by Springer Facbmedien Wiesbaden Urspriinglich erschienen bei Westdeutscher Vedag 1963 Inhaltsverzeichnis I. Begründung für die Behandlung des Themas . . 7 II. Die bindende Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 10 III. Kritische Auseinandersetzung mit dem Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom 16. Januar 1957 . . . . . . . 15 IV. Weiterer Ausbau der Interpretation des Art. 2 Abs. 1 durch das Bundesverfassungsgericht ............ 21 V. Beispiele aus der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte im Hinblick auf die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 32 1. Bundesverwaltungsgericht 32 2. Bundesgerichtshof 35 3. Bundessozialgericht . 38 4. Bundesarbeitsgericht 38 5. Bundesfinanzhof . . 39 VI. Entsprechende Beispiele aus der Rechtsprechung der höheren Ländergerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 VII. Einfluß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Literatur ............ 44 VIII. Zusammenfassende eigene Kritik . . . . 47 1. Autorität des Bundesverfassungsgerichts 47 2. Richtige Auslegung des 1. Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG 47 3. Die» verfassungsmäßige" Ordnung . . . . . 49 4. Unerwünschte Folgerungen . . . . . 50 a) Verlust der Eigenständigkeit des Art. 2 Abs. 1 50 b) Wertverlust als lex generalis 50 IX. Schlußwort 51 Diskussionsbeiträge 59 Abkürzungsverzeichnis a.a.O. am angegebenen Orte Abs. Absatz Arch. öff. R. Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel BArbG Bundesarbeitsgericht Bd. Band BFinH Bundesfinanzhof BGH Bundesgerichtshof BGHZ Bundesgerichtshof, Amtliche Entscheidungen in Zivilsachen BSozG Bundessozialgericht BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. Mai 1951 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht E Entscheidung (einer amtlichen Reihe von Entscheidungen) GG Grundgesetz JZ Juristenzeitung StGB (Reichs-) Strafgesetzbuch vom 15. März 1871 I. Begründung für die Behandlung des Themas Das Thema scheint mir eine Behandlung in einern Vortrag aus mehr fachen Gründen zu lohnen: Zunächst handelt es sich bei dem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, das in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet ist, letztlich um die Grundlage des gesamten Grundrechts systems und demgemäß um ein Problem, das genausoweit reicht wie über haupt das Eigeninteresse jedes Bürgers an den Grundrechten. Daher darf man ein besonderes Sachinteresse auch bei Nichtj uristen voraussetzen und die Probe aufs Exempel machen, ob die von Juristen getragene Recht sprechung wirklich den Vorstellungen überlegender Bürger gerecht wird. Dadurch ist bei diesem Thema wohl allen Zuhörern Gelegenheit zur Beteili gung an der Diskussion gegeben, deren Ergebnis für meine eigene Stellung nahme von Bedeutung sein wird. Als Zweites will ich mit meinen Ausfüh rungen einen Gedanken fortspinnen und verdeutlichen, den ich an anderer Stelle bereits herausgestellt habe und der auf die Gefahren einer Positi 1 vierung der Menschen- und Grundrechte hinweist, - Gefahren, die letztlich zu einer Entwertung der Anerkennung unveräußerlicher Menschenrechte füh ren können, wenn man sich dieser Entwicklung nicht beizeiten bewußt wird. Das Anliegen, um das es dabei geht, besteht darin, daß der Verfassungs gesetzgeber - in unserem Falle der Parlamentarische Rat in Bonn in den Jahren 1948/49 - die juristische Formulierung von Menschenrechten ge troffen hat, dabei ideengeschichtlich und ethisch verankerte Wertvorstellun gen unverbunden nebeneinanderstellen und in die abstraktformale Sprache der Juristen übersetzen mußte. Damit sind überstaatliche Forderungen - ich möchte den Ausdruck "Naturrecht", den ich selbst hier gern gebrauchen würde, vermeiden, um nicht den Streit um das Naturrecht, sein Wesen und seine Arten hier aufzurollen in das positive Recht aufgenommen worden 2, - 1 Vgl. H. Peters, die Positivierung der Menschenredlte und ihre Folgen i. "Naturordnung in Gesellschaft, Staat, Wirtschaft". Festschrift für Johannes Messner, hrsg. v. Jos. HöHner, Alf. Verdross, Francesco Vito. Innsbruck 1961, S. 363 H. 2 Vgl. Art. "Naturrecht" i. Bd. 5 des "Staatslexikons der Görres-Gesellschaft" (1960), S. 929 H. 8 Hans Peters und geraten in die Auslegung einer am Bürgerlichen Recht positivistisch geschulten Juristengeneration, deren Mängel 3 vielleicht auch an dem hier zur Erörterung stehenden Problem offenbar werden. Vielen Juristen ist bisher weithin noch nicht aufgegangen, daß im Staatsrecht teilweise andere Interpretationsregeln zur Anwendung kommen müssen als im Bürgerlichen Recht '. Gerade an Sätzen wie der Sicherung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zeigt sich, daß hier normativ politische und ethische Prinzipien aufgestellt sind, deren Grundgedanken und Wertvorstellungen der Jurist bei der Rechtsanwendung zu beachten hat, weil hier nämlich Begriffe und Formulierung lediglich der gesetzgeberische Weg sind, um ihnen als Grundlagen des Staats aufbaus Anerkennung zu verschaffen. Da her kann es sein, daß mehrere solcher Prinzipien formal nicht klar aufein ander abgestellt sind, so daß der Interpret aus dem dahinter steckenden Wertsystem der Verfassung selbst, nicht aber durch Wortauslegung, Unklar heiten beseitigen muß. Die Erforschung des Sinnes der positivrechtlichen Formulierung, also die Erfassung des politischen Gehalts der Bestimmung, den die Verfassung herausstellen will und nun formuliert ist die entschei 5, dende Aufgabe. Umgekehrt also wie Ernst Forsthoff • meine ich, daß das Wertsystem,geradezu der wichtigste Faktor bei Auslegung von Verfassungs insbesondere Grundrechtsbestimmungen ist und daher nicht außerhalb ju ristischer Interpretation liegen kann. Nicht vernichtet sich die Jurispru denz - wie Forsthoff meint -, wenn sie sich bei Auslegung von juristischen Normen in eine geistige Dimension erhebt, die außergesetzliche Faktoren berücksichtigt, sondern umgekehrt schiene es mir die Bankerotterklärung der Staatsrechtswissenschaft zu bedeuten, wenn sie sich unter Außerachtlassung 8 Welche Problematik in der heutigen faktischen Ausbildung der Juristen liegt, ist allen klar, auch wenn über die Mittel zur Abhilfe die Meinungen weit auseinandergehen; vgl. dazu z. B. Nr. 2 der Veröffentlichungen des Arbeitskreises für Fragen der Juristenaus bildung e. V.: "Die Ausbildung der Deutschen Juristen", Tübingen 1960, dazu aus vielen Ferid i. Jur. Zt. 1961, S. 318. 4 Am 6. Oktober 1961 hat die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (vgl. Heft 20 der Veröffentlichungen dieser Vereinigung, 1963) dieses Thema als Verhandlungsgegenstand aufgenommen. 5 Vgl. earl Schmitt, Verfassungslehre 1928, S. 23: "Vor jeder Normierung liegt eine grundlegende politische Entscheidung". • Vgl. E. Forsthojj. Die Umbildung des Verfassungsgesetzes in Festschrift für earl Schroitt. 1959, S. 40 ff. Hier wird insbesondere gegen Rudolf Smend polemisiert, der in seinem bedeutenden Werk: Verfassung und Verfassungsrecht (1928, S. 161 ff.) das Wesen der Grundrechte durchaus richtig erfaßt hatte; sie liegen nach ihm auf ganz anderer Ebene als das spezielle Verwaltungsrecht, sind eben Verfassungsrecht und wollen nicht nur den Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung spezialisieren. Das Redtt auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 9 des der Verfassung zugrunde liegenden Wertsystems darauf beschränkte, Gesetzesauslegung nur als "die Ermittlung der richtigen Subsumtion im Sinne des syllogistischen Schlusses" aufzufassen. Gerade in einer solchen 7 verengten Gesetzesinterpretation scheinen mir die Fehler zu liegen, die heute speziell bei der Auslegung der Grundrechtsvorschriften zu so vielen, den unbefangenen Laien und Politiker überraschenden Fehlschlüssen führen 8. Gerade auch unter diesen Aspekten die höchstrichterliche Rechtsprechung zu untersuchen, scheint mir daher vonnöten, wenn wir noch den im Grund rechtssystem des Grundgesetzes enthaltenen wertgebundenen Gedanken inhalt retten wollen. Endlich sollen aber meine Darlegungen an eine unter anderen Gesichts punkten in der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein Westfalen durchgeführte Untersuchung von Westermann anknüpfen, der 9 sich vor einigen Jahren in diesem Kreise mit dem Begriff der "Persönlich keit im Zivilrecht" auseinandergesetzt hat. Damals fiel das Wort, daß das Recht "einen Mantel um die Person zieht, die sich zur Persönlichkeit ent falten will" Scheuner unterstrich die Schranken, die der Ausweitung 10. 11 der Persönlichkeit im öffentlichen Recht vorgezeichnet sind, und wies auf die Bedeutung der Einbettung des Persönlichkeitsschutzes in das soziale Gesamt gefüge hin, wobei ihm der Referent Westermann im Schlußwort weitgehend beitrat. Angesichts dieser Erörterungen scheint mir eine kritische Unter suchung der Auslegung und Konsequenzen höchstrichterlicher Rechtspre chung zu Art. 2 Abs. 1 GG durchaus der Erörterung wert. Daß dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts am ausführlichsten zu be handeln sein wird, liegt in der Natur der Sache, weil sich dieses Gericht von Amts wegen gerade mit der Verfassungsauslegung zu befassen hat 12. 7 Forstho/l, a. a. 0., S.41. 8 Vgl. z. B. die seit 1949 entwic:kelte, m. E. unhaltbare Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG, dazu H. Peters, Die Zulassung von Hypothekenbanken. Gedruc:ktes Gutachten, 1959, S. 35 H. e Harry W'estermann, Person und Persönlichkeit im Zivilrecht. Heft 47, Reihe Geistes wissenschaften der Arbeitsgemeinschaft für Forschung, 1957. Auf S. 18 deutet W'estermann auf den Versuch des Gesetzgebers hin, den PersönlichkeitsbegriH von dem der Person in Art. 2 Abs. 1 GG zu sondern. 10 A. a. 0., S. 54. 11 A. a. 0., S. 33 H. 11 Erst nachdem dieser Vortrag gehalten (21. Juni 1961) und abgeschlossen war, kurz vor der Druc:klegung erschien im Jahre 1962 die wohl bedeutendste literarische Spezial arbeit zu dem hier in Rede stehenden Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit: H. C. Nipperdey, Freie Entfaltung der Persönlichkeit i. Bettermann-Nipperdey, Die Grund rechte, 4. Bd. 2. Halbbd., 1962, S.742-909. Die ThemensteIlung meines - im Umfang auf 10 Hans Peters Im Mittelpunkt meiner Darlegungen steht Art. 2 Abs. 1 GG, der folgen den Wortlaut hat: »Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sitten gesetz verstößt." Da ich mich vor Jahren noch ehe von einer höchstrichterlichen Recht 13, sprechung die Rede sein konnte, mit der Auslegung dieses Artikels befaßt habe, muß auch ich meine damalige Auffassung kontrollieren, weil die Rechtsprechung teilweise andere Wege gegangen ist. So sind es also ver schiedene Gründe, aus denen sich die Behandlung meines Themas in diesem Kreise rechtfertigen läßt und vielleicht auch für die Staatsrechtswissen schaft lohnt. 1/. Die bindende Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Treten wir gleich in die Behandlung der Rechtsprechung ein, indem am ausführlichsten am Beginn die wichtigste Entscheidung erörtert werden möge, welche größten Einfluß auf Rechtsprechung und Praxis ausgeübt hat und von dort vielfach ziemlich kritiklos übernommen worden ist; es ist die Ent- die Kritik der Rechtsprechung beschränkten - Vortrags und die Gesamtdarstellung Nipper deys sind verschieden; immerhin halte ich es für notwendig, wenigstens in einigen An merkungen - deren Inhalt damals im Vortrag nicht berücksichtigt werden konnte - auf Nipperdeys Ausführungen wenigstens summarisch einzugehen. In einigen Fällen konnte auch durch einen Hinweis auf Nipperdey's Anmerkungen die für einen Vortrag immer etwas mißliche größere Literaturzusammenstellung nachträglich verkürzt werden. In der Sache stimme ich mit Nipperdey dahin überein, daß Art. 2 Abs. 1 GG einen richtung weisenden Obersatz, einen Freiheitsrechtsleitsatz, ein »Muttergrundrecht" enthält, also sowohl ein Grundrecht darstellt als auch eine besondere Wichtigkeit im Grundrechtssystem dokumentiert. Nicht kann ich Nipperdey folgen: a) hinsichtlich der von ihm begründeten Theorie von der Drittwirkung der Grundrechte, wenngleich ich hier im Ergebnis mit ihm weithin übereinstimme, insofern als grundlegende Verstöße in der Privatrechtssphäre gegen Grundrechte zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen, b) hinsichtlich seiner Ablehnung der von mir unten vertretenen Persönlichkeitskerntheorie; er steht dabei auf dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts; doch macht er dessen fehlerhafte Aus legung des Begriffs »verfassungsmäßige Ordnung" nicht mit, ohne freilich hierbei zu letzter Eindeutigkeit vorzudringen. 18 Vgl. H. Peters, »Die freie Entfaltung der Persönlidtkeit als Verfassungsziel" i. Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts und der Rechtsphilosophie. Festschrift für Rudolf Laun, 1953, S. 669 H.

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