Hans - Christian Schneider Das Problem der Veteranenversorgung in der späteren römischen Republik in Kommission bei Rudolf Habelt Verlag GmbH Bonn 1977 CIF- Kurztitelauf nähme der Deutschen Bibliothek Schneider, Hans-Christian Das Problem der Veteranenversorgung in der späteren römischen Republik. — Bonn: Habelt (in Komm.), 1977. ISBN 3-7749-1425-7 " D 6 " ISBN 3-7749-1425-7 Copyright 1977 by Rudolf Habelt Verlag GmbH Bonn Printed in Germany Inhaltsverzeichnis Seite I. Abgrenzung des Themas 1 II. Der miles veteranus 4 1. Die rechtlichen Grundlagen 4 III. Das Rekrutierungssystem des 10 römischen Heeres 1. Die Census - Grundlage und der 10 betroffene Personenkreis 2. Die Situation des mittleren 17 und kleinen Bauernstandes und die ökonomischen Auswirkungen des Kriegsdienstes auf die italische Agrarstruktur IV. Die soziale und wirtschaftliche 29 Lage des Veteranen 1• Berechnungen zum Sold des Soldaten 29 2. Lebenshaltungskosten, Ersparnisse 38 und Investitionsmöglichkeiten 3. Militärische und soziale Aufstiegs- 48 möglichkeiten des miles V. Versuche und Möglichkeiten einer 54 •Veteranenversorgung• im 2. Jh. v. Chr. 1. Auswirkungen des 2. punischen Krieges' 54 und erste Gegenmaßnahmen a) Die demographische Krise Roms 54 b) Die Versorgung der Soldaten des Scipio 58 Africanus Maior c) Laelius als Vorläufer der Gracchen 64 2. Die Bedeutung der Gracchen für die 73 Veteranenversorgung a) Inhalt und Zweck der Agrargesetze 73 des Ti. Gracchus b) Die Arbeit der gracchischen Agrar- 84 Kommission und das Problem der Censuszahlen Seite c) Die Opposition und das »Konkurrenz- 94 unternehmen1 des Senats 3. Marius und seine Soldaten 99 a) Die Aufnahme von Proletariern in 99 das Heer und die Landanweisungen des Jahres 103 v. Chr. b) Das Vorgehen des Saturninus im 116 Jahre 100 v. Chr. und seine Folgen Die Situation unter Sulla und 126 Pompeius 1. Die Intentionen der Veteranen- 126 ansiedlungen Sullas 2. Form und Größenordnung der An- 141 Siedlungen 3. Pompeius' vergebliches Eintreten 152 für seine Veteranen I. Die Ansiedlungspolitik Casars 161 1. Das erste Agrargesetz des Jahres 161 59 v. Chr. und die Versorgung der pompeianischen Veteranen 2. Das 'zweite' Agrargesetz des Jahres 165 59 v. Chr. 3. Casars Konzeption einer Veteranen- 171 Versorgung und die sog. lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia 4. Die Assignationen seit dem Jahre 182 47 v. Chr. 5. Zwei Probleme hinsichtlich der Vete- 196 ranenversorgung Casars 6. Liste zu den Ansiedlungen Casars 201 II. Das Veteranenproblem vom Tode Casars onc bis Augustus ^üb 1. Die Ansiedlungsgesetze des Antonius 206 2. Plane des Senats zur Zivilversorgung OAft der Soldaten 209 3. Die Beschlüsse der Triumvirn und ihre - 01 Auswirkungen Z1J Seite 4. Ein Edikt des Triumvirn Oktavian 226 5. Letzte Auseinandersetzungen der Soldaten mit Oktavian 229 6. Die Lösung des Veteranenproblems unter Augustus 236 7. Liste zu den Ansiedlungen nach 30. v. Chr. 245 IX. Zusammenfassende Schlußbetrachtung 254 Literaturverzeichnis 264 I. Abgrenzung des Themas Relativ gut erforscht scheint das Heerwesen der späte ren römischen Republik unter dem Aspekt des Aufbaus, der Organisation und der Taktik^. Daneben wurde fast aus schließlich die Rolle der großen militärischen Führungs kräfte und ihr mehr oder minder direktes Eingreifen in politische Geschehnisse in den Mittelpunkt der Betrach- 2 tungen gestellt . Nur eine geringe Anzahl von Studien befaßt sich mit dem 'Instrumentarium' der die Szenerie beherrschenden Feld herrn, mit der großen Masse des miles gregarius. Darüber hinaus ist der Zeitausschnitt, in dem die Einstellung und eine gewisse politische Aktivität der Truppe unter sucht wurde, sehr begrenzt gewählt**. 1) dabei ist u. a. auf folgende Arbeiten hinzuweisen: Kromayer, J.-Veith, G., Heerwesen und Kriegsfüh rung der Griechen und Römer, in: Hdbuch.d. Alter- tumswiss., Bd. IV 3,2, München 1928, Nachdruck 1963, Ritterling, E., legio, RE XII (1925) Sp. 1211ff., Do- maszewski, A. von, Die Rangordnung des Rom. Heeres, Vorwort von E. Birley, Einleitung u. Anhang von B. Dobson, Köln 2/1967; zur Analyse einzelner Schich ten innerhalb des Heeres sei u. a. ein Aufsatz Dob- sons genannt, der sich mit den Centurionen des röm. Heeres beschäftigt: Dobson, B., The Centurionate and social Mobility during the Principate, in: Recherches sur les structures sociales dans l'antiquite classi- que, Paris 1970, S. 99ff.; 2) gedacht ist beispielsweise an die Biographien Geizers; 3) cf. vor allem Schmitthenner, W., Politik und Armee in der späten römischen Republik, HZ 190 (1968) S. 1ff. u. Botermann, H., Die Soldaten und die römische Republik in der Zeit von Caesars Tod bis zur Begrün dung des Zweiten Triumvirats, Zetemata 46, München 1968; eine Ausnahme bildet die maschinenschriftliche Dissertation von H. Chocholle, Die Veteranenversor gung im röm. Heer von den Anfängen bis auf Augustus (14 n. Chr.), Diss. Wien 1952 - 2 - Innerhalb eines größeren Zeitraums - von Marius bis Cäsar - und in einem thematisch umfasserenden Komplex hat lediglich Elisabeth Erdmann die Wechselbeziehungen 4 zwischen Feldherrn und Soldaten beleuchtet . Die vorliegende Studie wird sich der wirtschaftlichen und sozialen Lage des einfachen römischen Soldaten vor allem nach seiner Entlassung widmen. Es liegt in der Natur der Sache, daß dabei einige der erwähnten Fragen am Rande einzubeziehen sind. Ferner ist eine enge Be rührung der Veteranenversorgung mit der römischen Agrar- geschichte nicht nur unvermeidlich, sondern vielmehr erforderlich. Der betrachtete Zeitraum dieser Arbeit erstreckt sich vom Ende des 2. punischen Krieges, als auf Grund zuneh mender Kriegsdauer und weiter entfernter Kriegsschau plätze die Probleme der Demobilisierung eines Miliz heeres offen zutage traten, bis in die Spätzeit der Regierung des Augustus, in der die Neuordnung des Heer wesens ihren Abschluß fand. Ein chronologisches Vorgehen der Untersuchung nach Klä rung "der materiellen Probleme bietet sich an. Während der Vorbereitung und der Abfassung mehrerer Ka pitel dieser Arbeit erschien das Buch Brunts, Italian Manpower5, das einige meiner Ergebnisse vorwegnimmt. 4) Erdmann. E. H., Die Rolle des Heeres in der Zeit von Marius bis Caesar. Militärische und politische Pro bleme einer Berufsarmee, Neustadt/Aisch 1972 (Diss. Konstanz 1971); doch vorher cf. u. a. schon Vogt, J., Caesar und seine Soldaten, Orbis, Ausgewählte Schrif ten zur Geschichte des Altertums, Freiburg 1960; vor her Leipzig/Berlin 1940; 5) dieses Werk erschien zwar 1971, war mir jedoch erst ab Mitte des folgenden Jahres zugänglich; - 3 - Kürzlich veröffentlichte Literatur, deren Gesichtspunkte zu Randgebieten des von mir behandelten Problemkreises von Belang gewesen wäre, konnten nicht mehr oder nur in geringem Umfang berücksichtigt werden6. 6) bes. Gabba, E., Esercito e societä nella tarda repub- blica romana, Florenz 1973, doch werden hier z. T. Aufsätze Gabbas der Jahre 1949 u. 1951 aufgearbei tet (cf. dazu das Literaturverzeichnis); Duncan- Jones, R., The Economy of the Roman Empire, London 1973; ferner Hinrichs, F.T., Die Geschichte der gromatischen Institutionen, Wiesbaden 1974; E. S. Gruen The Last Generation of the Roman Republic, Berkeley & Los Angeles 1974; Aigner, H., Die Soldaten als Machtfaktor in der ausgehenden römischen Republik, Innsbruck 1974? Schneider, H., Wirtschaft und Politik, Un« tersuchungen zur Geschichte der späten römischen Re publik, Erlanger Studien 3, Erlangen 1974; - 4 - II. Der miles veteranus 1. Die rechtlichen Grundlagen Als miles veteranus galt im römischen Heer der Sol dat vom einfachen miles bis hin zum centurio, der seine Dienstzeit abgeleistet hatte und ehrenvoll entlassen worden war1. In den beiden letzten Jahrhunderten der römischen Republik war das der Fall nach dem 46. Le- 2 bensjahr, d. h. nach 16 bzw. nach 20 Jahren Kriegsdienst , was allerdings nach Kromayer - Veith nur einen Anspruch auf Enthebung, nicht auf Entlassung vom Kriegsdienst be~ 3 deutete . In der Praxis des letzten Jahrhunderts der römischen Re publik scheint das jedoch anders ausgesehen zu haben - genau läßt sich die Dienstzeit der Soldaten kaum fest- 4 stellen - : die Soldaten fühlten sich z. T. nach weit kürzerer Dienstzeit als der vorgeschriebenen als Vete ranen. 1) cf. Dig. 27,1 ,8. 49,18,2; Cod. Iust. IV 21,7 ( a. 286 ) ; Dig. 29,1,21 u. 27,1,8,6 zeigen, daß die Bezeichnung veteranus vom miles gregarius bis zum centurio galt u. für alle Truppenteile u. Waffen gattungen verwendet wurde; bei den Centurionen fin det sich die Bezeichnung selten, cf. Mommsen, Obs. Epigr. S. 161; Domaszewski, Rangordnung, S. 80:"... aber sie . heissen nicht nach der Entlassung Veterani.", doch bringt er S. 80 A 5 Ausnahmen; Mispoulet, veteranus, S. 773 A 3 ; Neumann, veterani, Sp. 1597; leider weist dieser ausführliche Artikel eine Reihe falscher Stellenangaben auf; allgemein cf. auch Watson, Sol- dier, S. 122 ff. u. S. 202 f. A 385 f f. 2) cf. dazu S. 17 A.24f. ; 3) Kromayer - Veith, S. 303; weitere Gründe für Enthe bung a.a.O. S. 302 A 1; 4) cf. dazu die Ausführungen über Casars Veteranen und die der Triumvirn; cf. auch S. 148 A. 84 ; - 5 - Diese Tatsache deutet wohl nicht auf eine wirkliche Verkürzung der Wehrdienstzeit hin, sondern zeigt ledig lich, wie, bedingt durch die politische Situation der Spätrepublik, der Einfluß der Soldaten gegenüber ihren Feldherrn immer größer wurde^. In der Kaiserzeit lassen sich drei Hauptformen der Ent lassung aus dem römischen Heeresdienst unterscheiden: missio honesta, missio causaria und missio ignominiosa6. Ihre Entstehung dürfte in die Spätzeit der römischen Republik fallen, wobei die in der Regel an die Ablei stung der vollen Dienstzeit gebundene missio honesta sicherlich die älteste Entlassungsform war7. In welchen Fällen der Kaiser vor Ende der offiziellen Dienstzeit eine missio honesta zulassen konnte - diese Möglichkeit er wähnt Ulpian -, ist nicht sicher. Eine derartige Nach sicht fehlender Dienstzeit findet sich schon in der o Republik . 5) dazu cf. S. 206 A 1 ff und insgesamt zu diesem Thema die Dissertation von E. Erdmann; 6) Dig. 3, 2,2,2 (Ulpian) u. 49, 16,13,3 (Macer); Ulpian nennt noch eine vierte Art der missio, die vor allem für die späte Kaiserzeit Bedeutung besaß; von Macer wird sie nicht erwähnt, wohl weil hier eher eine Annullierung der Dienstzeit vorlag; 7) cf. dazu u. a. Neumann, veterani, Sp. 1599; 8) Dig. 3, 2,2,2 (Ulpian): est honesta, quae emeritis stipendiis vel ante ab imperatore indulgetur; Macer erwähnt diese Möglichkeit nicht; CIL VIII 4594 bietet ein Beispiel einer missio ex indulgentia impe- ratoris; zur Republik cf. Liv. 43,14,9 u. Caes. BCiv. 85 u. 86: auf die Besonderheit dieser Entlassung wird in der Forschung häufig nicht hingewiesen, cf. u.a. Rambaud, S. 124 ff. u. Kraner - Hofmann - Mensel, S. 109 f.; diese Sonderform der missio honesta - es handelt sich um ein Privileg (Watson, Soldier, S. 200 A 390) - hat ihre Geltung in der Kaiserzeit, doch muß sie auch im letzten Jahrhundert der Republik häufig vorgekommen sein; hier ging aber die Nachsicht fehlender Dienstzeit auf das Verlangen und den politischen Druck der Soldaten zurück;