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Das Philosophische Abc PDF

313 Pages·2016·0.95 MB·German
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FRIEDER LAUXMANN DAS PHILOSOPHISCHE Abc NEUE WEGE ZU ALTEN EINSICHTEN Scanned by Warthog2000 NYMPHENBURGER Für Helga, die immer dafür sorgt, daß ich mit den Füßen auf dem Boden bleibe Alle behandelten Begriffe des ABCs sind im Register am Ende des Buches hervorgehoben. Sonderproduktion 2. Auflage 2000 ® 1997 nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Alle Rechte, auch der photomechanischen Vervielfältigung und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten. Schutzumschlag: W. Heinzel Schutzumschlagmotiv: AKG, Berlin Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels Gesetzt aus 10/12,5 Punkt ITC Slimbach in PostScript Druck und Binden: GGP Media, Pößneck Printed in Germany ISBN 3-485-00775-7 Alle Dinge sind miteinander verflochten, und ihr Band ist heilig. Schwerlich ist eins dem ändern fremd, denn sie bilden ja zu- sammen ein Ganzes und tragen zusammen zu ein und derselben Weltordnung bei. MARC AUREL Eine Reise durch das menschliche Denken Dies ist ein Buch für Menschen, die sich gerne von philo- sophischen Gedanken gefangen nehmen lassen. Es ist kein Nachschlagewerk im üblichen Sinne, sondern es will anregen, an einer Denk-Reise entlang des philosophi- schen ABCs teilzunehmen. Das Buch kann also buchstäb- lich von A-Z, von Abbild bis Zynismus, gelesen werden, das gibt in dieser Reihenfolge sogar einen Sinn. Ist die Gliederung dieser »Reise« anhand des Alphabets nicht absurd? Ist es denn im Hinblick auf philosophische Zusammenhänge nicht Zufall, mit welchem Buchstaben ein Begriff anfängt, zumal man ja weiß, daß in jeder an- deren Sprache sich eine ganz andere Reihenfolge ergeben würde? Ja und nein! Natürlich wäre auch eine systemati- sche Gliederung der einzelnen Abschnitte möglich. Aber welche? Im Grunde wäre fast jede andere Gliederung ebenso zufällig wie die hier vorgelegte, denn auch philo- sophische Begriffe halten sich nicht an Systeme, sondern zerschneiden sie und gehen mitten durch sie hindurch. Im Bereich des Geistigen gibt es unendlich viele Zusam- menhänge, alles ist mit allem verknüpft. Diese Erkenntnis ist seit Menschengedenken immer wieder erfahren worden. Die »Gliederung« dieses Buchs zeigt, wie solche Zusam- menhänge fast überall aufzuspüren sind, also auch dem ABC entlang. Anhand der vieldimensionalen Verflechtun- gen werden sich dabei ganz neue, überraschende Querver- bindungen zeigen, die uns auf neue Fährten des Denkens anhand oft viel zu wenig beachteter Erkenntnisse führen. Deshalb stehen in den folgenden Texten nicht Abhandlun- gen im Vordergrund, die auf Vollständigkeit bedacht sind. Das Wesentliche ist die Anregung zum Selberdenken und zum Weiterdenken, die dann eintritt, wenn wir den hier vorgestellten Denkmöglichkeiten ein wenig nachspüren. Wenn das Freude bereitet, dann ist dies wichtiger als das Gefühl, man habe sich ein nützliches Wissen angepaukt. Über die »Methode« dieses Buches möchte ich vorneweg noch ein paar Worte sagen: 1. Zu jedem der hier behandelten Begriffe gibt es zahlrei- che Wege und Belege. Hier werden jeweils nur einige we- nige, besonders prägnante ausgewählt. Man kann ein Haus nie durch alle Türen gleichzeitig betreten. 2. Die Denker, die sich mit diesen Themen befaßt haben, werden hier möglichst mit ihren eigenen Sätzen herbeizi- tiert. Sie sollen also gewissermaßen selbst »reden« und uns einladen, sich näher mit ihnen zu befassen. 3. Daß man auch weitgehend ohne die den Philosophen so oft verübelte Fachsprache über philosophische The- men nachdenken kann, soll hier gezeigt werden. Es kommt ja in erster Linie darauf an, selbst nachzudenken. Und das kann man nur in seiner eigenen Sprache. 4. Viele der hier erörterten Begriffe haben kein eigenes Stichwort, sie werden im Zusammenhang mit anderen er- klärt. Wer also einen Begriff sucht, kann im Register nachsehen. 5. Die behandelten Ausdrücke werden in den folgenden Stichworten vorausgesetzt und nur dann noch einmal kurz erklärt, wenn dies in diesem Zusammenhang not- wendig erscheint. 6. Über allem steht das Bemühen, die schier unendliche Kompliziertheit philosophischer Probleme auf möglichst klare Linien zu reduzieren. Es ist niemandem gedient, wenn er vor lauter Wald die Bäume nicht sieht. Hier wird, um im Bild zu bleiben, eine Art »Waldlehrpfad« einge- richtet, und jeder weiß, daß dieser nie die ganze Vielfalt eines Waldes umfassen kann. Doch wird er seine Wande- rung mit anderen Augen fortsetzen. Abbild »Wir spüren, wie uns der Heilige ins Herz blickt, wenn wir seine Ikone küssen.« Diese Worte einer Frau aus Ni- kosia passen scheinbar nicht so recht in unsere rationale Zeit, und doch wird an ihnen ein Beginn der Philosophie erkennbar, der bis in unsere Zeit reicht. Von Abbild bis Zynismus geht unsere philosophi- sche Reise. Diese beiden Begriffe umfassen aber nicht nur dieses Buch als erstes und letztes Stichwort, sie um- fassen zugleich auch die »Geschichte« des menschlichen Denkens, wobei sich die Geschehnisse nicht nur in zeit- licher Reihenfolge abspielen, sondern mitunter auch gleichzeitig, je nach dem Erkenntnis- und Entwicklungs- stand einer Person oder Gesellschaft. Die Frage, wann aus einem primatenähnlichen Tier ein Mensch geworden ist, läßt sich, unabhängig von der Bio- logie, auf verschiedene Weise geistesgeschichtlich erör- tern. Die folgenden Thesen widersprechen sich nicht, sie alle sind ein Beitrag zur Wahrheit: • Der erste Mensch war der, der ein Werkzeug angefer- tigt und wieder verwendet hat. Einen Prügel ergreifen, um eine Frucht vom Baum herunterzuschlagen, das kann der Affe auch. Dieses Werkzeug jedoch anfertigen, um es immer wieder einzusetzen, das ist »neu« gegenüber dem Tierreich. 9 • Der erste Mensch war der, der Feuer sinnvoll nutzen und bereiten konnte. • Der erste Mensch schuf aus unartikulierten Urlauten eine Sprache, die sich, wie das Werkzeug, aus wiederver- wendbaren Worten und Begriffen zusammensetzt. • Der erste Mensch war der, der zu sich gesagt hat: »Das bin ich, ein sterblicher Mensch.« • Der erste Mensch war der, der ein Abbild schaffen konnte. Das erste Abbild, das der Mensch bewußt wahrnehmen konnte, erblickte er im Wasserspiegel des ruhenden Sees. Er stellte fest, daß es zwei verschiedene Ebenen der Rea- lität geben mußte: Die Wirklichkeit und ihr Bild. Von der Beobachtung des Spiegelbilds bis zum Versuch, selbst ein künstliches Abbild der Dinge zu schaffen, wird ein langer evolutionärer Zeitraum gelegen haben. Die frühe- sten Zeugnisse einer menschlichen Kultur, die neben dem Kampf um das nackte Überleben höhere Werte empfin- det, sind Abbilder: Höhlenmalereien, Idole aus Stein, Ton, Knochen. Das waren keine Verschönerungen in der Art von »Kunst am Bau«, sondern diese Bilder hatten kulti- sche Bedeutung. Irgendwann hat ein Mensch, wie Platon in seinem Dialog »Phaidros« sagt, in einer Vision das »Ab- bild des Jenseitigen« geschaut, »war erschüttert und seiner selbst nicht mehr mächtig«. Das griechische Wort »eido- lon« für Abbild im religiösen Sinne hat allgemeine Bedeu- tung. Die »Idole« der ursprünglichen Religionen waren nicht nur der Versuch, das Göttliche bildhaft darzustel- len, sie erinnerten zugleich den Menschen an seine Zeit- gebundenheit. Sie wurden zu Zeugnissen von längst ver- storbenen Personen und Geschlechtern und sicherten das Überleben von Traditionen. Wer das Abbild besitzt, hat Macht aus dem Abgebildeten und über das Abgebildete. Das Abbild, die Ikone, wird an- gebetet und beherrscht. Es wird (leider auch heute noch) 10 verbrannt, wenn das Abgebildete bekämpft werden soll. Wer das »Idol« in Händen hält, herrscht mit ihm. Es kann Geistiges dem vermitteln, der nur das Sehen gelernt hat. Dies gilt auch für Heiligenstatuen und Glasfenster in alten Domen. Sie sind in Materie übergegangene und aus der Materie sprechende Geisteskräfte. Die Gefahr, daß die Unvollkommenheit menschlicher Vor- stellungskraft und Kunstfertigkeit zu Rückschlüssen auf die Unvollkommenheit der Götter führt, ist in manchen Religionen frühzeitig erkannt worden. Moses verkündet die Religion des Geistes, der auf seine Verkörperung in toter Materie verzichten muß: »Du sollst dir kein Bildnis machen, keinerlei Gleichnis, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, noch des, das im Wasser unter der Erde ist. Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen.« (5. Mose 5,8) Während im Christen- tum das Gebot der Bildlosigkeit normalerweise nicht be- achtet wird, haben einige seiner Vertreter immer wieder darauf bestanden. Im Islam wird dieses Gebot auch heute noch ernstgenommen. Die Religion des Geistes droht immer wieder in eine An- betung der Materie abzugleiten. Die eindrucksvollste und prägnanteste Geschichte ist die vom goldenen Kalb, das Moses' Bruder Aaron nach dem Willen des Volks anferti- gen ließ, als Mose sich zu lange in der Einsamkeit her- umtrieb und nach Gotteserkenntnis suchte. Man wollte sich nicht mit dem unsichtbaren, geistigen Gott befassen und verlangte das Sichtbare, das Abbild. Diese Geschichte wiederholt sich seither mit unterschiedlichen Staffagen. Noch ist sie aktuell. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit nicht nur die schildernde Sprache, sondern auch Töne, Ideen, Theorien, Formeln, ja sogar mathematische Gesetze die Wirklichkeit »abbilden«, wenn sie ihr in irgendeiner Weise entsprechen. Ist die Formel a2 + b2 = c2 ein Abbild 11 der »Natur«, wenn in ihr tatsächlich die Flächen der Qua- drate über einem rechtwinkligen Dreieck dieser Formel entsprechen? Gilt Entsprechendes auch für wissenschaft- liche Hypothesen? Eine der Urfragen menschlicher Er- kenntnis bleibt die nach dem Verhältnis zwischen dem, was wir wahrnehmen, und dem, was unabhängig von uns existiert. Das scheint der Mensch schon in einem frühen Stadium erkannt zu haben: Wer die Welt beherr- schen will, darf sich nicht mit den sichtbaren, materiel- len Objekten begnügen. Er muß versuchen, unsichtbare, geistige Zusammenhänge zu erfassen, um mit ihnen aus dem »Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben« herauszukom- men. Der Mensch erlebte auf diese Weise, daß er Teil einer un- sichtbaren Ordnung ist, mit der er seine Kräfte erweitern kann. So wie er Werkzeuge aus Stein und Horn schafft und wiederverwendet, so baut er sich Denkwerkzeuge, mit denen er mehr leisten und fassen kann als mit bloßen Händen, oder, um im Bild zu bleiben, mit den »bloßen«, ungeformten Möglichkeiten des Gehirns. Diese Denk- werkzeuge weiterzuentwickeln, richtig zu nutzen und in einem späteren Schritt zu untersuchen, wie und warum sie überhaupt funktionieren, das ist die Aufgabe der Phi- losophie im weitesten Sinne. Einige der fundamentalen Denkwerkzeuge werden wir sogleich unter Worten wie Abstraktion, Analogie, Bedeu- tung, Begriff, Beweis und anderen kennenlernen. Wie hat es der Mensch fertiggebracht, aus der Wirklichkeit ein Medium für den Transport des Unsichtbaren, ja sogar ma- teriell Ungreifbaren zu schaffen? Auf den Beginn der menschlichen Kultur folgt zunächst die Fähigkeit zur Ab- straktion. 12

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