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Das Leben wird schöner, Anne PDF

133 Pages·2016·0.87 MB·German
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BERTE BRATT Das Leben wird schöner, Anne Ein kleiner Roman für junge Mädchen Aus der Einsamkeit eines norwegischen Bauernhofes kommt Anne in die Stadt. Stolz und herb, aber voller Sehnsucht, genau so froh lachen zu können und beschwingt leben zu können, wie andere. Sie lernt es durch die warmherzige Zuneigung von Menschen, die den inneren Wert des stillen Mädchens erkennen. Eine zarte Liebe erwächst zwischen ihr und Jess, dem guten Freund aus dem fröhlichen Musikerhaus. Seine frohe Art hilft ihr in allen Schwierigkeiten. Mit der natürlichen Anmut und Lebensfreude der Jugend geht sie ihren Weg. Titel der norwegischen Originalausgabe: Trass i alt BERECHTIGTE ÜBERTRAGUNG VON THYRA DOHRENBURG SCHUTZUMSCHLAG UND FEDERZEICHNUNGEN: ANTON M. KOLNBERGER Alle Rechte vorbehalten für Franz Schneider Verlag, München 13, Frankfurter Ring 150 Schrift: Garamond. Druck: C. Brügel & Sohn, Ansbach. 2259-12 Die Leute vom Möwenfjord Östlich von Möwenfjord lag der Schwarzbuckel. Ein hoher Berg war es, mit seinen Schatten raubte er dem Hof die Morgensonne. Von den Kindern, die auf Möwenfjord aufwuchsen, hat es viele gegeben, die nie einen Sonnenaufgang gesehen hatten, bevor sie halb erwachsen waren. Die Bucht, in der der Hof lag, war nach Süden und Südwesten hin geöffnet. Um die Mittagsstunde fiel der erste Sonnenstrahl in das enge Tal hinein, und am Nachmittag konnten die kleinen alten Gebäude tief drinnen – das niedrige Wohnhaus, die Scheune, die Räucherkate und das Vorratshaus – sich so recht in Sonne baden. Jedenfalls im Sommer. Zur Winterszeit aber kam die Sonne auch nachmittags nicht bis dorthin. Da versank sie schon hinter der Meereskimmung, bevor sie noch das Tal erreicht hatte. Wenn aber der Schwarzbuckel und die winterliche Dunkelheit sich um den Hof von Möwenfjord zusammengeballt hatten, dann waren die Häuser und die Leute der Einsamkeit und Stille überlassen – einer Stille, die nur vom Donnern des Wasserfalls und der Brandung unterbrochen wurde; aber das Donnern des Falls und der Brandung gehörte dazu, und dies Geräusch hatte die Menschen auf Möwenfjord hundert Jahre lang begleitet. Ja, denn es war über hundert Jahre her, seit der Hof gebaut worden war. Damals hatte ein Fußweg über den Berg und zum Dorf geführt. Später war der Fußweg verbreitert und zum brauchbaren Fahrweg geworden. Zu jener Zeit war es ein leichtes, zur Kirche und zum Krämer zu gelangen. Und war jemand krank auf Möwenfjord, dann konnte der Doktor immer kommen, ganz gleich, wie das Wetter war. Aber dann kam der große Steinschlag. Annes Urgroßvater hatte ihn erlebt, und der hatte Annes Großvater und Vater immer wieder davon erzählt. Es war, wie wenn das Jüngste Gericht selber angebrochen wäre, als ein Stück vom Schwarzbuckel sich löste und Tonnen von Steinen und Geröll in den Fjord stürzten. Der Fjord trat über die Ufer, er überflutete das Tal. Viel vom Dorf wurde damals mitgerissen, und der Weg zwischen dem Dorf und dem Hof Möwenfjord wurde auch zerstört. Nachdem die Flutwelle wieder zurückgewogt war und der Fjord dalag wie immer, aber voller Balken von den zerstörten Häusern, voll vom Grauen der Verwüstung, da befand sich, wo einst der Weg gewesen war, nur noch glatter, harter, jählings abstürzender Fels. Erde und Wald waren weggespült und weggerissen worden. Und jetzt fiel der Schwarzbuckel in einem einzigen steilen, ununterbrochenen Sturz geradewegs in den Fjord ab. Die Gebäude von Möwenfjord aber waren verschont geblieben. Und die Leute kamen mit dem Schrecken davon. Aber von diesem Tage an war der Hof abgeschnitten; und wollte man zu ihm gelangen, dann war es nur noch mit dem Boot möglich. Wenn zur Sommerzeit die großen Vergnügungsdampfer vorüberfuhren, dann standen die Fahrgäste mit Fernglas und Fotoapparat an der Reling, und immer wurde in vielen verschiedenen Sprachen dasselbe gesagt: »Wie in aller Welt können Leute so wohnen? Wie kommt man zu diesem Hof hin? Könnt ihr irgendeinen Weg sehen?« Niemand sah einen Weg. Aus dem einfachen Grund, weil es keinen gab. Ja, sie lebten fortan sehr abgeschieden, die Leute aus Möwenfjord. Selten nur geschah es, daß sie zum Krämer fuhren – und wenn sie es taten, dann kauften sie so viel Kaffee, Zucker und Tabak ein, daß sie für eine Weile genug hatten. Beim Krämer verkauften sie auch die Produkte des Hofes, vor allem Schaffleisch und Wolle. Die Frauen auf Möwenfjord waren berühmt wegen ihres feinen Garnes, und die Wolle war von guter Qualität. Im wesentlichen begnügten sie sich mit dem, was der Hof hervorbrachte. Sie mahlten sogar ihr Korn selbst in der Mühle, die der Urgroßvater erbaut hatte. Sie strickten und webten, sie schlachteten selbst und sie setzten ihre Häuser selbst instand. Sie waren auch für ihre Schweigsamkeit bekannt. Für ihre Schweigsamkeit und Zuverlässigkeit. Man sah sie selten lächeln, man hörte sie niemals laut lachen. Aber sie waren arbeitsam und ehrlich, gutherzig und vergnügt, auf ihre eigene stille Art. Sie waren das geworden, was der Schwarzbuckel und die Einsamkeit aus ihnen gemacht hatten. Eine Neigung war fast allen gemeinsam: sie liebten Musik. In seiner Jugend hatte Annes Vater auf einer Auktion eine Violine gekauft und hatte das Spielen von allein gelernt. Und als Anne noch klein war, geschah es oft, daß sie sich zum Vater hinschlich und ihn bat: »Spiel mir etwas vor, Vater.« Selten bat sie ihn vergebens. Sie war noch ein kleines Kind, als der Vater ihr schon zeigte, wie sie die Geige und den Bogen halten sollte; und bald fanden sich Annes kleine kräftige Finger auf den Saiten gut zurecht. Die Noten brachte ihr erst viel später die Erzieherin der Pfarrerskinder bei. Anne war die Jüngste auf Möwenfjord. Sie kam zur Schule, als sie sieben war. Alle zwei Tage ruderte ihr Bruder Magnus sie zum Dorf hinüber. Später schaffte er sich einen Außenbordmotor an – es war in jenem Winter, als die Heringsfischerei besonders viel einbrachte –, und da ging es leichter. Wenn nur nicht das Wetter gewesen wäre! Manchmal wurde Anne durch Schnee und Frost, Sturm und Regen gezwungen, mehrere Tage und Nächte hintereinander auf dem Pfarrhof zu bleiben. Sie war bei Pastors gern gesehen. Stumm und still und vergnügt stand sie in der Pfarrküche und trocknete Geschirr ab, oder sie half im Stall beim Melken oder saß mit ihrem Strickzeug bescheiden in einer Ecke, während die Frau Pfarrer Klavier spielte. »Es ist sonderbar mit den Leuten vom Möwenfjord«, sagte die Pastorin, »sie haben immer für alles Zeit. Und trotzdem sehen sie nie aus, als ob sie sich abhetzten.« Sie hatte wahrlich recht. Es mochte daher kommen, daß die vom Möwenfjord so ganz für sich lebten. Sie hatten nur sich selbst und das Ihre, aber nichts sonst. Sie kannten keine Geselligkeit, keine Gäste, kein Kino – nichts von dem allen, was die Stadtmenschen in Anspruch nahm. Ein Radio allerdings besaßen sie. Und sie nutzten es weidlich aus. Sie hörten eifrig Vorträge und Musik, Nachrichten und Hörspiele, überhaupt alles, was sich des Hörens verlohnte. Und während sie hörten, klapperten die Stricknadeln rasch und altgewohnt in den geübten Frauenhänden. Wunderschöne schwarzweiß-gemusterte Jacken und Fausthandschuhe entstanden auf Möwenfjord, die Muster kehrten von Geschlecht zu Geschlecht in der Familie immer wieder. Sie hatten Zeit zu lesen, Zeit Musik zu machen, sie hatten zu allem Zeit. Die Tage hatten ihren gleichmäßigen Rhythmus, alles wurde in derselben stillen, stetigen Art getan. Mit vierzehn Jahren war Anne mit der Volksschule fertig und wurde eingesegnet. Sie hatte gut gelernt. Sie war ein richtiger Bücherwurm, und der Lehrer meinte, sie solle weiter zur Schule gehen. Deshalb sprachen die Pfarrersleute mit der Mutter und mit Magnus. Denn gerade zu diesem Zeitpunkt hatten sie für ihre Kinder eine Erzieherin ins Haus genommen. Wenn Anne an diesem Unterricht teilnahm, so sollte es sie nichts kosten. Und für die Pfarrerskinder würde es nur gut sein, eine so fleißige Mitschülerin zu haben. Kristina Viken, Annes Mutter, war sehr verlegen und meinte, daß das doch nicht anginge. Und Magnus, Annes ältester Bruder, ließ verlauten, daß er doch wohl Manns genug sei, für das Schulgeld der Schwester aufzukommen, wenn der Pfarrer und der Lehrer es für richtig hielten, daß sie weiterlernen solle. Magnus war das Oberhaupt und der Versorger der Familie, seit der Vater vor sechs Jahren starb. Aber der Pfarrer blieb bei seinem Vorschlag. Und die Frau Pfarrer fügte hinzu, falls Anne hier und da im Hause mit Hand anlegen wolle, sei das eine völlig ausreichende Bezahlung für den Unterricht. Und so geschah es. Seitdem blieb Anne, wenn es sich gerade fügte, noch öfter als zuvor mehrere Tage hintereinander bei Pfarrers. Denn jetzt fand der Unterricht täglich statt, und die ehrgeizige junge Erzieherin wußte, wie sie ihre Schülerinnen voranbringen mußte. Anne sog alles Wissen mit offenen Sinnen ein. Der Unterricht wurde in der »Reichssprache« abgehalten, die ungefähr dem Hochdeutsch entspricht. Sie wird von den Städtern und von allen denjenigen in Norwegen gesprochen, die nicht Bauern oder Fischer sind. Die Landbevölkerung Norwegens aber spricht und schreibt den altnorwegischen Dialekt, der in manchem erheblich von der »Reichssprache« abweicht. Anne kannte bisher nur den Dialekt ihres Tals. Doch sie lernte schnell, und bald beherrschte sie die »Reichssprache« ebensogut wie ihre heimatliche Mundart. Ihr machte alles Spaß. Sie rechnete schnell und gut, die Geometrie war für sie ein reines Vergnügen, ja, eigentlich empfand sie es wie ein aufregendes Spiel, zu sehen, wieviel man mit einem Zirkel und einem Lineal zuwege brachte. Ebenso spannend war die Grammatik. Wenn man sie begriffen hatte und wenn sie richtig lebendig wurde, dann konnte man im Nu den Zusammenhang zwischen Norwegisch, Englisch und Deutsch herausfinden. »Dies Mädel zu unterrichten macht wirklich Freude!« sagte die Erzieherin zu den Pfarrersleuten, und sie sagte es auch zu Kristina und Magnus, wenn sie ausnahmsweise einmal Gelegenheit hatte, mit ihnen zu sprechen. Zwischendurch machte sich Anne im Pfarrhaus nützlich, immer in ihrer gleichmäßig stillen, wortkargen und zufriedenen Art. Abends entstanden Jacken und Handschuhe, aus der feinen Wolle gestrickt, die Kristina und Annes Schwester Marthild gesponnen hätten. Die Frau Pastor und die Erzieherin bekamen jede ihre Jacke zu Weihnachten, und das waren Jacken, die im Kunstgewerbeladen der Stadt gut und gern ihre hundert Kronen wert waren. Drei Jahre blieb es so. Dann zogen beide Pfarrerskinder in die Stadt, um dort während der letzten zwei Jahre bis zum Abitur in eine höhere Schule zu gehen. Anne sagte nichts dazu. Sie kehrte mit all ihren Kenntnissen wieder nach Möwenfjord zurück, ohne irgendein Examen. Etwas schweigsamer als früher war sie jetzt. Doch sie nahm ihre gewohnte Arbeit wieder auf und tat unverdrossen ihre Pflicht wie immer. Eine neue stille Glut war in ihre Augen gekommen. Manches Mal blickte sie versonnen in die Ferne, ohne etwas zu sehen. Abends saß sie über den Büchern, die sie im Dorf geliehen hatte. Sie lernte weiter. Lernte und lernte, während die Stricknadeln sich in ihren Händen automatisch bewegten. Kristina beobachtete oft heimlich ihre Jüngste und seufzte unhörbar. Es war nicht die Art der Leute auf Möwenfjord, überflüssige Worte zu machen. Ganz und gar überflüssig wäre es gewesen, wenn Anne gesagt hätte, daß sie darauf brenne, das Abitur zu machen. Und ebenso überflüssig wäre es gewesen, wenn Kristina geantwortet hätte, daß sie sich das nicht leisten könnten. Wenn man als Witwe auf einem einsamen, kleinen, schwer zu bewirtschaftenden westnorwegischen Hof sitzt, dann kann man die Tochter nicht in der Stadt auf die Schule schicken. Und daß Magnus eine solche Belastung auf sich nehmen sollte, konnte man auch nicht erwarten. Nein, Worte waren überflüssig. Darum wurden sie auch nicht ausgesprochen. Es wurde Sommer auf Möwenfjord, und Anne ging zwischen Wohnhaus und Ställen hin und her und verrichtete ihren Teil der Arbeit. Zuweilen geschah es, daß sie auf dem Hofplatz stehenblieb, das Gesicht zur Sonne gewandt, genau nach Süden. Sie wußte, daß dort irgendwo hinter den Bergen südlich, vom Fjord – sehr weit südlich – die Stadt lag. Die Stadt mit ihren großen Häusern, mit ihren breiten Straßen, mit elektrischem Licht, mit Schulen, Büchern, Wissen. Die Stadt mit ungezählten Möglichkeiten. Anne atmete schwer. Dann hob sie den Bottich auf und ging zur Stalltür. Der Stall war jetzt leer, mit Ausnahme der Kälberstände. Anne neigte sich über den Stand mit den beiden kleinen, buntscheckigen Kälbchen. Die steckten die lange Zunge heraus und leckten ihre Hand, und der gute warme Geruch von lebendigem Vieh schlug ihr entgegen. Eine Überraschung für Anne »Mutter«, sagte Anne. Sie beschattete die Augen mit der Hand und blickte über das Wasser. »Da kommt das Pfarrboot.« »Das Pfarrboot? Hierher?« »Es scheint so. Nein, es ist nicht der Pfarrer selbst. Es ist die Frau Pfarrer und noch jemand. Eine städtische Dame. Und der kleine Jon sitzt am Motor.« »Bist du sicher, daß sie hierher kommen?« Kristinas Stimme klang ungläubig. Es konnte Jahr und Tag vergehen, bis einmal Leute nach Möwenfjord kamen. Der Motor wurde abgestellt, und das Boot glitt in einem Bogen auf den steinernen Bootssteg zu. Kristina konnte gerade noch eine saubere Schürze vorbinden, da waren die Frau Pastor und die städtische Dame auch schon auf dem Hofplatz. Marthild hatte bereits den Kessel in der Küche aufgesetzt, und Anne holte Eingemachtes und Butter für die Waffeln. Inzwischen saß Kristina mit den Gästen drinnen in der Stube und hörte mit verwunderten Augen zu, was die Frau Pastor und ihre Kusine, Frau Aspedal, mit ihr zu bereden hatten. Im Verlauf der Unterhaltung zeigten sich auf Kristinas Gesicht nacheinander Erstaunen, Freude, Besorgnis und Ratlosigkeit. Dann brach das Gespräch ab. Anne stand mit dem Kaffeebrett in der Tür. Kristina blickte die Tochter an, still, aufmerksam. Zum ersten Male sah sie ihre Jüngste mit den Augen anderer. Welchen Eindruck machte Anne wohl auf die fremde Dame, die so plötzlich und mit einer so merkwürdigen Frage hereingeschneit war? Groß und still stand das Mädchen in der Tür, recht kräftig für ihre siebzehn Jahre. Die Augen waren von starkem Blau, die Brauen goldbraun und leicht gebogen. Das Kinn wirkte energisch, der Mund war gerade und ausdrucksvoll. Das einzige Zarte in diesem Gesicht waren die feinen Nasenflügel, die beben konnten wie bei einem jungen nervösen Tier. Aber man mußte Anne schon gut kennen, um dieses leise Zittern zu bemerken; es zeigte sich immer dann, wenn sie etwas Aufregendes oder Interessantes las, wenn sie sich ganz einer Arbeit hingab, und vor allen Dingen, wenn sie Musik hörte. Annes Haar war von der Sonne gebleicht und so seidenweich, daß es sich nicht lockte. Sie hatte es vor einiger Zeit kurz schneiden lassen. Aber das war schon wieder ein Weilchen her, und jetzt hing es ihr fast bis auf die Schultern herab. Diese Schultern waren breit, die Hände groß und stark, aber fein in der Form. Jeder, der sie sah, bemerkte sofort die langen, sanften Finger. Ihre helle Haut wurde nie richtig braun. Im Winter war sie fast blaß, aber jetzt im Sommer hatte ihr Gesicht einen zarten, goldenen Schimmer. Kristina entdeckte plötzlich, daß Anne schön aussah, wie sie so dastand. Sie trat jetzt ganz in die Stube, in einem gleitenden natürlichen Gang, der niemals vom Asphalt der Straßen, vom Parkett der Stadtwohnungen und von dem modischen Schuhwerk der Stadtmenschen verdorben worden war. Frau Aspedal sah sie aufmerksam an, maß sie prüfend mit ihren Blicken. Dann lächelte sie und reichte ihr die Hand. »Du bist also die Anne«, sagte sie. Nein, Anne konnte es immer noch nicht glauben. Sie stand auf dem Steg und winkte dem Pfarrboot nach, wie es fjordeinwärts verschwand. Dann senkte sie den Arm und blieb stehen, stumm und etwas ratlos. Aber ihre Augen glänzten, sie hatte ein so merkwürdiges Gefühl im Hals, gerade, als müßte sie jetzt traurig sein, während sie doch am liebsten gejubelt hätte vor Glück. Sie setzte sich auf den Rand des Bootsstegs und schaute in die Sonne. Die Wolken segelten nach Süden. Nach Süden… bald würde sie denselben Weg ziehen… Ja, sie sollte in die Stadt übersiedeln! Sie sollte in die Schule gehen! Sie sollte bei Frau Aspedal in deren Mädchenzimmer wohnen – umsonst wohnen, umsonst essen! Und das einzige, was sie als Gegenleistung zu tun hatte, war kaum der Rede wert. Sie mußte für Frau Aspedal Einkäufe besorgen, mußte ihr Geschirr aufwaschen und abends, wenn Aspedals ausgingen, die Kinder hüten. Wie gern tat sie das! Wie gern würde sie jeden Morgen mit einem langen Besen über die Fußböden fahren, wie gern würde sie in die Stadt springen, die Läden aufsuchen, waschen, putzen, spülen und sich mit den Kindern abgeben! Das reinste Spiel! Und dafür sollte sie Wohnung und Essen und Schulgeld bekommen! Ja, Frau Aspedal wollte sie auf ihre Kosten ins Gymnasium schicken… Bald war es soweit. Bald fuhr sie weit weg… ganz weit weg. Nicht in die kleine Stadt, wo die Pfarrerskinder in die Schule gingen. Nein, in eine richtige Großstadt, eine Stadt mit Straßenbahnen und Kinos, mit Museen, mit vielen Schulen. Und in eine dieser Schulen

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