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Das Lächeln der Aphrodite PDF

149 Pages·2013·14.59 MB·German
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DasLächelnderAphrodite–KleineKultur-undEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Das Lächeln der Aphrodite eine kleine Kulturgeschichte der Seefahrt Europaist eineGestalt der griechischenMythologie.Sieist dieTochterdes phönizischen Königs Agenorundder Telephassa.Deroberste Gott Zeus verliebtesichinsie.Er verwandeltesichwegen seinerargwöhnischenGattinHeraineinenStier.SeinBoteHermes triebeineKuhherdeindieNähederam StrandvonSidonspielendenEuropa,undder Zeus- Stierentführtesieaufseinem Rücken.Erschwamm mit ihraneinenStrandaufder Insel Kreta,wo ersichzurückverwandelte.DerVerbindungmit dem Gott entsprangendrei Kinder. AufGrundeinerVerheißungderAphroditewurde derfremdeErdteil nach Europabenannt. Undwahrlich: Die GeschichteEuropas ist dieGeschichtederMenschen aufdem europäischenKontinent, vondessenersterBesiedlung,diezwischen45000 und25000 v.Chr.stattfand,bis zurGegenwart. DieklassischeAntikebegannim antiken Griechenland,das im Allgemeinenals der Beginn derwestlichen Zivilisationangesehen wirdundeinenimmensenEinfluss aufSprache,Politik, Erziehungssysteme,Philosophie,Naturwissenschaften undKünste ausübte.Diegriechische Kultur,diesichwährend des Hellenismus überweiteTeilederöstlichenMittelmeerwelt ausgebreitet hatte,wurde vom RömischenReichübernommen,das sichnachderEroberung Italiens seit dem 3.Jahrhundert v.Chr.von Italien aus nachundnachüber dengesamten Mittelmeerraum ausbreiteteundim frühen2.Jahrhundert n.Chr.seine größteAusdehnung erreichte.Damals wurdendieFundamente gebaut,aufdenenderkleineKontinent EUROPA zurführendenMacht inderWelt wurde,um nach dem 20.Jahrhundert mehrundmehrvon seinem Einfluss aufder Weltbühneeinzubüssen... INHALT EuropaundderStier Europa,diewestlicheHalbinsel Asiens »Marenostrum« WeihrauchundPerlen, Bernsteinund Zinn DieSeidenstrasse MarcoPolos Reisennach China DiekarthographischeErfassungderErde DieAkademiezuSagrés Wiegross ist derGlobus? DieSuchenach »Eugeniacaryophyllata« DieRückseiteder Erde Freibeuter IhrerMajestät Aufdem WegindiemoderneWelt DieSuchenachdenGrenzen Sind IndianerMenschen? DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite2 Vorwort: DIE SAGE VON EUROPA UND DEM STIER Im Lande Phönikien1 wuchs die Jungfrau Europa, die Tochter des Königs Agenor, in tiefer Abgeschiedenheit des väterlichen Palastes auf. Sie war, so heißt es in einer griechischen Sage, eine unglaublich schöne Prinzessin, in die sich Göttervater Zeus verliebt hatte. So schnell wie möglich wollte er sie kennen lernen. Zeus war sich sicher, dass Europa Tiere mochte und dass er in Gestalt eines Tieres schneller mit ihr bekannt werden würde. So verwandelte er sich in den prächtigsten Stier weit und breit. Europa wurde aufmerksam auf ihn und setzte sich auf seinen Rücken. Der Stier, der ja eigentlich Zeus war, raste los und entführte sie über das Meer. Endlich gegen Abend erreichten sie ein fernes Ufer. Der Stier schwang sich ans Land, ließ das Mädchen unter einem gewölbten Baum sanft vom Rücken gleiten und erschien ihr sogleich als herrlicher, göttergleicher Mann. Er sei der Beherrscher der Insel Kreta, sagte er, und er werde sie schützen, wenn sie sich ihm hingäbe und er durch ihren Besitz beglückt würde. Europa in ihrer trostlosen Verlassenheit reichte ihm die Hand als Zeichen der Einwilligung. So hatte Zeus das Ziel seiner Wünsche erreicht. Aber auch er verschwand, wie er gekommen war. Europa erwachte aus langer Betäubung, als schon die Morgensonne am Himmel stand. Mit verirrten Blicken sah sie umher, wollte die Heimat suchen, aber sie sah nur die fremde Landschaft; unbekannte Blumen und Felsen. »Was bleibt mir übrig, als zu sterben?« Da erschien ihr die Göttin Aphrodite. Mit einem Lächeln auf den Lippen sprach die Göttin: »Vergiss’ deine Verzweiflung, schöne Europa, tröste dich! Zeus ist es, der dich geraubt hat; du bist die irdische Gattin des unbesiegten Gottes: unsterblich wird dein Name werden! Lerne so zu leben, wie es deiner hohen Stellung würdig ist. Die Hälfte der Welt wird dir ihren Namen verdanken, denn der fremde Erdteil, der dich aufgenommen hat, heißt hinfort Europa!« (nachHoraz2). DerRaubderEuropa(Foto:BildarchivPreußischerKulturbesitz) 1 Phönikien(Phönizien,›Purpurland‹),griechischerNamederhistorischenLandschaftander MittelmeerküsteetwazwischenSyrienundIsrael;inderBibelalsKanaanbezeichnet.Diemindestens seitdem2.Jahrtausendv.Chr.hierlebendeBevölkerungmitsemitischerSprachetriebvonden wichtigstenStädtenByblos,Tyrus,SidonundBeruta(heuteBeirut)ausregenHandel.NachBefreiung ausägyptischerOberhoheitdehntendiePhönikerihreMachtabetwa1100durchGründungvon HandelsfaktoreienundKolonienimMittelmeerraumaus.572unterwarfderbabylonischeKönig NebukadnezarII.Tyrusnach13JahrelangerBelagerung.WährendderEroberungdespersischen ReichesdurchAlexanderderGroßewurdeTyrus332eingenommen. 2 Horaz(65v.Chr.bis8n.Chr.),nebenVergileinerderbedeutendstenrömischenDichterund Satiriker.HorazwarstetsumdasWesentlichebemüht.ZentralesThemaistdierechte Lebensgestaltung.DiemeistenWerkegeißelnLaster,diesozialenUnfriedenstiftenoderdie menschlichenBeziehungenbeeinträchtigen,wieHabgier,Ehebruch,Aberglaube,Schlemmerei.Nicht seltenstellteerstellvertretendfürdenNormalbürgerauchsichselbstundseineSchwächendar. DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite3 Von der eurozentrischen Weltschau des Altertums bis zur kartografischen Vermessung letzter geografischer Entdeckungen von James Cook Europa ̶ westliche Halbinsel Asiens Die von Europa geprägte Geschichte war bis vor kurzem immer Weltgeschichte! Die USA mögen die stärkste Wirtschaftsmacht sein, doch Europa ist nach wie vor der Kontinent, der die Welt, wie sie sich heute darstellt, geprägt hat. Das Meer hat dazu weitaus mehr beigetragen als die Wege über Land, wie z.B. die seit dem 3. Jahrtausend v.Chr. sagenhafte Weihrauchstrasse von Südarabien nach Damaskus oder die als Seidenstrassen berühmten Karawanenwege von China durch Zentralasien bis nach Indien und an die Grenzen des römischen Reiches. Das Meer wurde zur «Strasse der Völker», auf der die Kulturen sich berührten, die den Handel belebte und europäische Staaten zur Macht führte. Die hier beginnende Serie möchte mithelfen, das Bewusstsein der Leser zum geschichtlichen Erbe aufzufrischen, was auch dem Europa von heute dienlich wäre. Am Anfang mussten sich die Menschen von angeborenen Ängsten befreien und das Tor zur Erfahrung aufstossen. Quellen, auch Flussmündungen, deren Süsswasser für die Seefahrer von jeher lebenswichtig war, waren anfangs heilige Orte, die es zu schützen galt. Sie entwickelten sich nicht selten zu Handelsplätzen, und bald war die Erlangung von Seeherrschaft ein wesentliches Sicherheitsbedürfnis dieser Häfen. Viel früher als häufig gedacht fand schon friedlicher Handel zwischen dem Mittelmeer und den Nord- und Ostseehäfen statt. Bald schufen sich die Seefahrer Hilfsmittel, um ihren Weg über die Meere zu finden: Seekarten, Kompass und Sternenhöhenmesser. Das ging nicht ohne die Mithilfe der Wissenschaft, die sich nicht selten genug von einer kirchlich- dogmatischen Weltschau verfolgt sah. Fern der Rivalitäten der europäischen Staaten – allen voran Portugal, Spanien, die Niederlande, England und Frankreich – gab es aber auch eine Solidarität der Seeleute verschiedenster Länder im ständigen Kampf mit den Naturgewalten. Abendland, Welt des Westens! Im Mittelalter bildete sich dieser Begriff für jenen Teil Europas heraus, der sich – stets in Abhebung von der östlichen Welt des Orients, des «Morgenlandes» – als einheitlicher Kulturkreis formierte und, trotz Kriegen und politischen Unterschieden, bis in die Neuzeit Einheitlichkeit und Bedeutung wahrte. Antike Kultur, römisches Christentum, romanische und germanische Elemente bilden die einigenden Faktoren des Abendlandes. Selbst Kriege unter den Staaten Europas sowie die Reformation, die die kirchliche Einheit sprengte, liessen die kulturellen Gemeinsamkeiten bestehen. Doch der Begriff «Abendland» wurde zunehmend durch die geographische Grösse «Europa» abgelöst. Die DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite4 französische Revolution mit ihren Idealen «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» verstand sich als europäische Erneuerung; ihr Gedankengut liess eine politische Kultur entstehen, die heute unter dem Sammelbegriff Demokratie Volkssouveränität und Gleichheit vor dem Gesetz versteht. Die frühe Vorstellung der Europäer von ihrem Teil der Welt hat nicht nur ihr Bild vom «Rest» geprägt. Auch die aussereuropäischen Staaten der Welt können den Stempel der Europäisierung nicht leugnen. Das Abendland sollte während des grössten Teils der Geschichte Entdecker sein, Osten und Westen sollten von Europa aus entdeckt werden. Der Reichtum des heute allgemein zugänglichen Wissens wurde von forschenden, habgierigen und religiös beseelten Europäern zusammengetragen, sie brachten den fernen Völkern Kunde von Europa; meist zu deren Nachteil, aber fast immer zum Vorteil der Europäer. Nicht nur Coca- Cola, europäische Kleidung und westlicher Lebensstil finden in der Welt ihre Nachahmung. Die «europäische» Denkweise, die in der Antike ihre Ursprünge hat, die «europäische» Art zu rechnen und zu kommunizieren, befähigt heute alle Staaten, an der Welt des Handels, des Kapitals, des Verkehrs, aber auch an ihren Konflikten sowie Bemühungen um ihre Lösung rund um die Uhr teilzunehmen. Nicht alles an Wissen und Können, was heute als «europäisch» gilt, ist auch europäischen Ursprungs. So hatte China viel früher als Europa Kenntnis vom Magnetismus und davon, wie er praktisch einsetzbar ist; die Inder haben uns die Vorfahren der heutigen Zahlen geliefert, die von den Arabern auf die noch heute gebräuchliche Schreibweise 0 bis 9 weiterentwickelt wurden, woraus jede beliebige Grösse (0,012; 1,2, 12, 120, 12000 usw.) zusammengestellt werden kann. Auch die Lehre der Gleichungen, die Algebra, ist arabischen Ursprungs. Erst mit einem logisch und einfach zu begreifenden Zahlensystem konnte sich auch eine Mathematik entwickeln, die nicht nur aus Addition und Division besteht, sondern das Rechnen mit Brüchen sowie mit irrationalen, negativen und komplexen Zahlen ermöglicht. Und das ist doch noch in Europa entstanden. DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite5 Die universale Weltschau des Altertums und Mittelalters war eurozentrisch. Selbstbewusst und von ihrer Überlegenheit überzeugt, schufen Europäer eine Erdkarte, die Europa als Zentrum sah. Schon im Mittelmeerraum der Frühantike entstand der Mythos von Europa. Europa war der Name einer Meeresnymphe; während sie am Ufer des Mittelmeeres Blumen pflückte, wurde sie von Zeus, der die Gestalt eines Stieres angenommen hatte, über das Meer entführt. Die Liebesgöttin Venus tröstete die am Meeresstrand weinende Nymphe und sagte zu ihr: «Weine nicht. Lerne so zu leben, wie es deiner hohen Stellung würdig ist. Die Hälfte der Welt wird dir ihren Namen verdanken» (nach Horaz).Zwar verstanden auch die Chinesen ihr Reich als Weltmitte, doch war ihr Interesse an Expansion kaum über das Meer gerichtet und er beschränkte sich vor allem auf den Handel. Denn China war (und ist) ein ungeheuer grosser kontinentaler Block; überseeischer Handel gewann nur während der mongolischen Yüan- DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite6 Dynastie (1280-1368) und in der Ming-Zeit (1368-1644) einige Bedeutung. Im 14. Jahrhundert gelangten chinesische Handelsdschunken unter General Cheng Ho bis nach Ostafrika. Aber dann liess China den «Bambusvorhang» nieder und verschloss sich (fast) jedem westlichen Einfluss, der erst im 19. Jahrhundert von britischen Kanonenbooten im sogenannten «Opiumkrieg» wieder erzwungen wurde. Anders Europa. Die meisten Landkarten zeigen Europa bis heute als reich gegliederten, eigenständigen Kontinent (Abb. oben). Nun sind geographische Karten immer auch ein Ausdruck der jeweiligen Kultur, und weil man – wie wir noch sehen werden – bis zum Beginn der Neuzeit wenig von anderen Teilen der Welt wusste, war Europa für seine damaligen Bewohner das Zentrum der Welt, das im Zeitalter der Entdeckungen selbstverständlich Anspruch auf Weltherrschaft erheben konnte. Als die Entdecker an der Wende zum 16. Jh. Amerika erforschten, wurde nicht etwa dieser neue Kontinent im Westen zum «Abendland», sondern zur Neuen Welt. Schon verbal wurde damit gesagt, dass man unter dem Druck der Realität zwar bereit war, die Karten der Welt neu zu zeichnen, doch Europa blieb das Abendland, weil hier seit alters her der Nullmeridian (wenn auch in den Epochen an verschiedenen Orten) festgelegt war, von dem aus sich die Welt nach Osten und Westen zu dehnen hat. Aber ein Blick aus einer Weltraumkapsel verschiebt die Optik. Geographisch ist Europa eigentlich nichts anderes als eine kleine, tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens, die seit dem Ende des 18. Jh. – recht willkürlich – vom Eismeer, durch den Gebirgszug des Ural auf 60 Grad Ost bis zum Kaspischen Meer, dann entlang der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zum Bosporus von Asien abgegrenzt ist (Abb. unten). Herodot, der berühmte Reisende und Geschichtsschreiber des 5. vorchristlichen DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite7 Jahrhunderts, bezeichnete noch den Fluss Don ohne nähere Begründung als europäisch-asiatische Grenze. Marco Polo entschied sich um 1300 für die Wolga. Der Hauptunterschied zwischen den zusammengewachsenen Kontinenten wird wiederum durch die europäische Sicht definiert: «Der Okzident schaut zum Meer, der Orient zum Gebirge» (Paul Claudel). Meere umspülen Europa: das nördliche Eismeer, die Nordsee, die Ostsee, der Atlantik, das Mittelmeer und, schon erwähnt, das Schwarze Meer. Verweilen wir kurz bei den Dimensionen: Die gesamte Erde hat eine Fläche von 510'000'000 qkm, davon sind 71 % (361'000'000 km2) von Meeren bedeckt und nur 149'000'000 qkm (29 %) besteht aus festem Land. Asien, als grösster Kontinent, nimmt 44'400'000 km2 ein (8,7 % der gesamten Erdoberfläche oder 29,8 % des festen Landes). Auf Europa hingegen mit seinen «kümmerlichen» 10'500'000 qkm fallen nur 2,06 % der Erdoberfläche bzw. 7,1 % Land; darin ist das 2'176'000 km2 grosse, fast menschenleere Grönland eingeschlossen. Der gewöhnliche Bewohner Zentralasiens bekommt das Meer sein Leben lang nie zu Gesicht; von Nowosibirsk nach Karachi sind es 4600 km. Asien dehnt sich über 11'000 km vom Ural im Westen bis nach Kamtschatka im Osten, ebenso weit ist es von der Kara-See im Norden bis in den Süden Thailands. Aber kein Westeuropäer muss weiter als 375 km reisen, wenn er ein Meer sehen will, und selbst die Mitteleuropäer haben es knapp doppelt so weit. Dass Meere nicht unüberwindbar sind, musste England früh erfahren. Schon 43 n. Chr. wurde es von den Römern unter Tiberius Claudius erobert und in das römische Reich einbezogen. Ein Opfer der eigenen Fehleinschätzung wurde König Harold II. Godwinson von England im Jahre 1066. Weil er dem Normannenherzog Wilhelm der Eroberer die Königskrone streitig machte, die diesem zugesprochen war, überfiel Wilhelm am 28. September England. Im Frühling hatte Harold eine starke Flotte zusammengezogen, mit der er jeden Invasionsversuch abschlagen konnte und der auch Wilhelm nicht gewachsen gewesen wäre. Aber die Invasion erfolgte den ganzen Sommer nicht, sodass, auch aufgrund falscher Informationen, Harold seine Flotte im September – wie damals üblich – im Winterhafen von Sandwich «einmottete». Die Herbststürme veranlassten ihn zum Glauben, dass mit einer Invasion nicht mehr zu rechnen sei. In Wahrheit besass Wilhelm der Eroberer im Sommer noch zu wenig Schiffe für den Transport der Normannen über den Ärmelkanal. Von Mai bis Anfang September liess er Schiffe in grosser Zahl bauen, auch verbündete Fürsten brachten Schiffe in die Flotte ein, sodass Wilhelm schliesslich über 400 grosse und zirka 1000 kleinere Fahrzeuge verfügte. Die riesige Flotte versammelte sich in St.Valery, wo am 14. September 65'000 Mann bereitstanden. Starke Stürme wüteten auf dem Meer, aber nach elf Tagen flauten sie ab und am 27. September 1066 herrschte sonniges und ruhiges Wetter. Wilhelm gab den Befehl zum DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite8 Einschiffen und gelangte am Morgen des 28. September bei Pevensey an eine verlassene englische Küste in der Grafschaft Sussex. Am 14. Oktober wurde Harold in der Schlacht von Hastings vernichtend geschlagen und Wilhelm anschliessend zum König von England gekrönt. NormannensegelngegenEngland (AusschnittausdemTeppichvonBayeux) Kontakte und Beziehungen zwischen Zentraleuropa mit seinen an Meeren gelegenen südlichen und nördlichen Rändern sind seit der Antike bekannt. Die Legionen Cäsars benutzten den Julierpass für ihre Alpenüberquerun- gen, ungezählte Saumpfade gewährten Händlern mit ihren Maultieren die Überwindung der Alpenkette; mit ihren Waren brachten sie Neuigkeiten aus fernen, aber europäischen Ländern. Und die Eröffnung der Gotthardroute im Jahre 1237 hatte reiche Handelsströme in bei- den Richtungen zur Folge. Paris, Augsburg und Nürnberg gehörten zu den wichtigsten Handelsplätzen Innereuropas. Im Süden lockte das Mittelmeer mit seinen warmen Gestaden, an dessen Horizonten sich das schwarze Afrika und das Morgenland mit dem Islam – dem grössten Feind der Christenheit – ab- zeichnete, aber auch mit seinen ungeheuren Schätzen, dem Weihrauch, den Ge- würzen, den Perlen und dem Gold. Im Norden war die Welt der Wikinger mit ihren Grausamkeiten und Gefahren, aber auch die an Hering, Lachs und Wal reichen Meere mit der für ihre Konservierung so nötigen Salzgewinnung an den Küsten und dem sagenhaften Bernstein. Die enge Verbundenheit von Land und Meer in Europa entstand durch die Auffaltungen der Gebirge und dem unterschiedlichen Vordringen der Eiszeitgletscher. Der Atlantik und seine Randmeere Nord- und Ostsee umschlingen diesen Kontinent von der Barentssee am Polarkreis, um Skandinavien und die britischen Inseln herum, die Bretagne und den Golf von Biskaya hinab bis zur Strasse von Gibraltar, die als Verbindung zum eigenständigen, weil antiken Mittelmeer gesehen werden muss. Dieses Bild macht für uns verständlich, dass in der Antike und im Mittelalter die landläufige Meinung verbreitet war, die Erde sei eine kreisrunde, vom Ozean umgebene Scheibe. Und während die «Säulen des Herkules» genannte Strasse von Gibraltar in der Antike die Ein- und Ausfahrt zwischen Atlantik und Mittelmeer gestattete, übernahm die Ostsee schon sehr früh die Funktion eines «Mittelmeers des DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite9 Nordens» (Michel Mollat du Jourdin). Ähnlich wie im Mittelmeer, wo im Osten und Süden Kontakte zu den morgenländischen und nordafrikanischen Kulturen möglich waren und sehr früh auch gepflegt wurden, entwickelten sich in der Ostsee frühe Handelsbeziehungen zwischen den Häfen Jütlands und der dänischen Inseln mit Gotland, Lübeck, Danzig bis hinauf in den Bottnischen Meerbusen, nach Nowgorod und zum Ladoga-See. Der Skagerrak, der Belt und der Sund erfüllten dabei eine ähnliche Funktion wie die Strasse von Gibraltar: sie ermöglichten Kontrollen über das Wer, Wieviel und Wohin. Neben dem frühen europäischen Anspruch auf Weltherrschaft gab es auch kritische Stimmen. Eine Oronce Finé zugeschriebene, 1536 datierte Weltkarte zeigt die schon recht exakt wiedergegebenen Küsten der damals bekannten Länder herzförmig als Gesichtsfeld in einer Narrenkappe. Europa ist recht klein erkennbar. In Medaillons eingravierte Texte verspotten den Anspruch Europas auf Weltherrschaft: «Vanitas vanitatum et omnia vanitas» – Eitelkeit der Eitelkeiten, und alles ist Eitelkeit. «Mare nostrum» Das Mittelmeer als Wiege des eurozentrischen Weltbildes Karthago, die Hauptstadt des punischen Reiches an der nordafrikanischen Küste im heutigen Tunesien, herrschte bis ins 2. vorchristliche Jahrhundert über das westliche Mittelmeer und über das heutige Spanien. Seit 270 v. Chr. suchten die Punier, wie die Karthager von den Römern genannt wurden, die römischen Küsten heim. Um sich der Plage zu erwehren, bauten die Römer 120 Kriegsschiffe; sie standen unter dem Oberbefehl von Gaius Duilius. Rom hatte DasLächelnderAphrodite–KleineKulturundEntwicklungsgeschichtederSeefahrt Seite10 wenig Erfahrungen auf dem Meer; so ersann Gaius Duilius eine Taktik, jede Seeschlacht einer Landschlacht möglichst ähnlich zu machen. Die Schiffe der römischen Flotte wurden am Bug mit einer aufziehbaren Enterbrücke ausgestattet, die drei Mann gleichzeitig begehen konnten. Am vorderen Ende der Brücke war zusätzlich ein eiserner Dorn – der «corvus», die Krähe – angebracht. 260 kam es zur ersten Seeschlacht der römischen Geschichte bei Mylae (Milazzo) vor der sizilianischen Nordostküste. 125 karthagische Galeeren standen 130 römischen Schiffen gegenüber. Die Karthager griffen an und wollten – wie damals üblich – die Römer längsschiffs kapern. Aber die römischen Kriegsschiffe machten unerwartete Kursänderungen und ruderten frontal in die feindlichen Schiffe. Die Enterbrücken fielen nieder und verbanden die gegnerischen Schiffe fest miteinander. Schon stürmten die Legionäre hinüber und das Gemetzel begann: fast alle karthagischen Schiffe wurden erobert, vierzehn wurden versenkt und über 7000 Karthager getötet. Die Römer verloren kein einziges Schiff und «nur» 332 Mann. Nicht alle Schlachten wurden zum römischen Sieg. Im Jahre 249 v. Chr. konnte Karthago Revanche üben. Vor Trapani vernichteten sie 93 römische Schiffe und 22'000 Mann. Von nun an begannen die Römer die punische Flotte zu suchen und anzugreifen, wo sie sie fanden. Seeherrschaft sollte die Macht auf dem Lande sichern, eine Strategie, die bis zum ersten Weltkrieg jeden grossen Krieg in der Geschichte beherrschte. Schliesslich besiegte Rom die karthagische Flotte im Jahre 241 endgültig; 38 Jahre später sollte der Feind auch zu Lande niedergerungen werden. DasRömischeReichzurZeitdesKaisersAugustus(dtv-Weltatlas1989,Bd.1)

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