HANS WEDER Das Kreuz Jesu bei Paulus Ein Versuch, über den Geschichtsbezug des christlichen Glaubens nachzudenken GÖTTINGEN · VANDENHOECK & RUPRECHT · 1981 Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Ernst Würthwein 125. Heft der ganzen Reihe CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Weder, Hans: Das Kreuz Jesu bei Paulus : e. Versuch, über d. Geschichts- bezug d. christl. Glaubens nachzudenken / Hans Weder. — Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1981. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments ; H. 125) ISBN 3-525-53293-8 kart. ISBN 3-525-53288-1 Gewebe NE: GT ©Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981. — Printed in Germany. — Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akusto- mechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung; Hubert & Co., Göttingen Für Eduard Schweizer VORWORT Die Situation der neuzeitlichen Theologie ist geprägt durch die Ent- deckung der Geschichte als eines theologischen Grundlagenproblems. In der neutestamentlichen Wissenschaft zeigt sich dies anschaulich am Beispiel des beeindruckenden Aufstiegs der historisch-kritischen Methoden. Je entschlossener die geschichtliche Denkweise in der Exegese vorangetrieben wurde, desto deutlicher trat die Geschichts- bezogenheit christlich-theologischen Redens ins Bewußtsein. Frei- lich blieben auch Widerstand und Unbehagen gegenüber jener Denk- weise nicht aus. Sie haben sich — wenn nicht alles täuscht — im Laufe der Zeit eher noch verstärkt. Die vorliegende Arbeit geht davon aus, daß historisches Erkennen und geschichtliches Denken für die christliche Theologie schon aus dem Grunde maßgebend sind, weil der christliche Glaube von allem An- fang an ein intimes Verhältnis zur Geschichte hatte. Im folgenden wird der Versuch unternommen, anhand der paulinischen Kreuzes- theologie über den Geschichtsbezug des Glaubens nachzudenken. Dies impliziert, daß die Klärung des Stellenwerts, welchen das Kreuz Jesu als ein geschichtliches Ereignis in der Theologie des Paulus hat, eine geeignete Anleitung zu jenem Nachdenken darstellt. Im Blick auf das mit dem Geschichtsbezug des Glaubens gegebene Fundamentalproblem kommt es mE darauf an, daß einerseits die Ergebnisse historischer Arbeit nicht vorschnell verabschiedet werden zugunsten einer theologischen Deutung, und daß andererseits theolo- gisches mit geschichtlichem Reden nicht einfach identifiziert wird. Will man die Ergebnisse historischer Arbeit angemessen würdigen, so ist jedenfalls aufmerksam auf die Bedingungen einzugehen, unter de- nen jene Ergebnisse zustande kommen. Deshalb ist es unumgänglich, eine Reihe von Überlegungen zum Geschichtsbegriff anzustellen. Dies erwies sich in vielerlei Hinsicht als schwierig, nicht zuletzt deshalb, weil bei der Reflexion auf den Geschichtsbegriff etwas explizit ge- macht werden mußte, was im Vollzug der historisch-kritischen Ar- beit am Neuen Testament weithin implizit bleibt und zumeist keiner methodologischen und erkenntnistheoretischen Grundlagenreflexion unterzogen wird. Auf diese Weise bekommen jene Ergebnisse den 6 Vorwort Anschein prinzipieller Eindeutigkeit. Demgegenüber wird der folgen- de, mit vielen Schwierigkeiten belastete Reflexionsgang wenigstens zeigen, daß, wer „historisch" sagt, nicht eo ipso etwas Eindeutiges sagt. Will man andererseits theologisches von geschichtlichem Reden un- terscheiden, so muß man sich vorab darum bemühen, die Verhält- nisbestimmung von historischem Bezug auf Geschichte und theolo- gischem Bezug auf Geschichte zu präzisieren. Dies geschieht im folgenden so, daß zunächst die analytische Geschichtsphilosophie als ein Denkmodell herangezogen wird, mit dessen Hilfe der histo- rische Bezug auf Geschichte wenigstens annäherungsweise begrifflich erfaßt werden kann. Der Verfasser begibt sich damit auf ein Gebiet, das außerhalb seines bisherigen Arbeitsfeldes liegt. Der Leser sei des- halb um Verständnis dafür gebeten, daß die Literaturverarbeitung in dieser Hinsicht fragmentarisch ist. Die begriffliche Erfassung des historischen Bezugs auf Geschichte geschieht mit dem Interesse, Unterschiede und Gemeinsamkeiten des theologischen Bezugs auf dieselbe Geschichte kategorial zu erarbeiten. Als Modell für den theologischen Bezug auf Geschichte wurde in dieser Arbeit die paulinische Rede vom gekreuzigten Christus herangezogen. Dieses Vorgehen ist mE dazu geeignet, an die Aufgabe der genannten Verhältnisbestimmung heranzugehen. Es brachte freilich — so einfach es auf den ersten Blick erscheinen könnte — eine beträchtliche Ver- mehrung der Schwierigkeiten mit sich. Die vorliegende Arbeit ver- steht sich als tastenden Versuch, mit diesen Schwierigkeiten einiger- maßen adäquat umzugehen. Die Arbeit ist die für den Druck leicht überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Sommer 1979 der Erziehungsdirektion des Kt. Zürich eingereicht und von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich angenommen wurde. Ich danke vor allem meinem Lehrer, Eduard Schweizer, für die Konsequenz, mit welcher er sowohl meinen Arbeitswillen gefördert als auch durch ständiges Mitdenken und entschiedene Aufmunterung die Fertigstellung der Arbeit er- möglicht hat. Sie soll ihm zum Zeichen meines Dankes gewidmet sein. Ich danke Herrn Prof. W. Schräge, der in einem ausführlichen Gutachten manchen Verbesserungsvorschlag gemacht und so einen sinnvollen Beitrag zur selbstkritischen Uberprüfung der folgenden Überlegungen geleistet hat. Ich danke Herrn Prof. H. F. Geißer, der das Korreferat erstellte und mir seine kritischen Fragen und weiterführenden Hinweise zugänglich machte. Ich danke den Her- ren Professoren W. Schräge und E. Würthwein, die meine Arbeit in Vorwort 7 die FRLANT aufgenommen haben. Ich danke den Herren M. Boss- hard und H. Kohler, die sich am Korrekturenlesen und Erstellen des Registers beteiligt haben. Ich danke schließlich meinem Kollegen, Herrn Fritz Gloor, für seine wertvollen bibliographischen Hinweise und seine Bereitschaft zum Mitdenken. Männedorf H.W. INHALT 0 Bemerkungen zur Problemstellung 11 0.1 Der Horizont der Fragestellung 11 0.2 Zur Präzisierung der Fragestellung 34 0.3 Eine methodologische Zwischenbemerkung 44 1 Zum analytischen Geschichtsbegriff 49 1.1 Zur Frage der Objektivität der Geschichte 50 1.2 Zum Problem der Relativität der Geschichte 61 1.3 Das Subjekt der Geschichten 75 1.4 Welchen Sinn hat die Rede von der Geschichte? 81 1.5 Zur Kategorie des Einzelnen 85 1.6 Zur Analytik der Geschichts-Erzählung 93 1.7 Zum Gegenwartsbezug des Geschichtlichen 103 2 Das Kreuz Jesu Christi in den paulinischen Briefen .... 121 2.1 Die Grundlosigkeit des Streites (IKor 1,13) 121 2.2 Die Aufhebung des Kreuzes (IKor 1,17) 125 2.3 Weisheit als Torheit (IKor 1,18-25) 137 2.3.1 Eine Dynamis Gottes ... (V. 18) 138 2.3.2 Die Bodenlosigkeit der Weisheit der Welt (V. 19f) 144 2.3.3 Die Überraschung (V. 21) 147 2.3.4 Die unterlaufene Denkweise (V. 22-24) 151 2.3.5 Torheit als weisere Weisheit (V. 25) 156 2.4 Der Verweis an die Erfahrung (IKor 1,26-31) 157 2.5 Das Kreuz und die Existenz des Paulus (IKor 2,1—5) 162 2.6 Von der Usurpation eines Wortes (IKor 2,6—16) 165 2.7 Die Identität der Schwachheit (2Kor 13,4) 173 2.8 Die neue Identität des „Ich" (Gal 2,19f; Rom 6,6) 175 2.9 Die Öffentlichkeit des Kreuzes (Gal 3,1) 182 2.10 Die Verfluchung des Gesetzes (Gal 3,13) 186 2.11 Der Grund der Verfolgung (Gal 5,11) 193 2.12 Die Kreuzigung des Fleisches (Gal 5,24) 198 2.13 Die Wahrung des Gesichts (Gal 6,12) 201 2.14 Die Unterbrechung des Konnexes zwischen dem Ich und der Welt (Gal 6,14) 205 2.15 Das Ende mythologischer Rede (Phil 2,8) 209 2.16 Die Feinde des Kreuzes Christi (Phil 3,18) 217 10 Inhalt 3 Der Stellenwert des Kreuzestodes Jesu als eines geschichtlichen Ereignisses in der Theologie des Paulus und die Bedeutung des irdischen Jesus für den Glauben (Zusammenfassung und Ausblick) 225 3.1 Kreuz und Auferweckung Jesu 227 3.2 Die Kontingenz des Kreuzes und die Freiheit zur Weltlichkeit . . 233 3.3 Die Identität des Christus und die Identifikation des Christen . . 236 3.4 Der Erfahrungsbezug des Glaubens und die Erfahrungs- bezogenheit christlicher Existenz 240 3.5 Die Indisponibilität der Geschichte und die Wahrhaftigkeit christlicher Existenz 244 3.6 Das Ereignis der Ankunft Gottes in der Geschichte des Kreuzes und die Möglichkeit des Glaubens 245 3.7 Bemerkungen zur exegetischen Methodik 247 Literaturverzeichnis 253 Sachregister 265