Hanns Peter Euler· Das Konfliktpotential industrieller Arbeitsstrukturen Studien zur Sozialwissenschaft Band 12 Westdeutscher Verlag Hanns Peter Euler Das Konfliktpotential industrieller Arbeitsstrukturen Analyse der technischen und sozialen Ursachen Westdeutscher Verlag CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Euler, Hanns Peter Das Konfliktpotential industrieller Arbeitsstrukturen: Analyse d. techno u. sozialen Ursachen. - 1. Auf!. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1977. (Studien zur Sozialwissenschaft; Bd. 12) ISBN-13: 978-3-531-11407-1 e-ISBN-13: 978-3-322-88726-9 DOl: 10.1007/978-3-322-88726-9 © 1977 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Umschlaggestaltung: studio fUr visuelle kommunikation, Diisseldorf Satz: Vieweg, Wiesbaden Aile Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfaltigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. ISBN-13: 978-3-531-11407-1 Inhalt Vorwort (von Hans Linde) 9 1. Einfiihrung .... . ... 13 2. Theoretische Aspekte industriebetrieblicher Konfliktpotentiale . . . . . . .. 27 2.1. Die technisch-organisatorischen Momente des industriebetrieblichen Arbeitskonfliktgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 34 2.1.1. Technisch-physische Sachzwange . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 2.1.2. Dimensionen kooperativer Sachzwange . . . . . . . . . . . . . . .. 41 2.1.3. Sonstige Dimensionen der betrieblichen Sach-und Organisationsgegebenheiten ....................... 48 2.2. Der Einstellungs-und Verhaltenskontext des betrieblichen Konfliktgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 49 2.3. Der Bereich der sozialen und personlichen Lebensumstande . . . 52 2.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Erhebung, Aufbereitung und Auswertung des Datenmaterials . . . . . . . .. 56 3.1. Arbeitsanalyse und teilstandardisierte Befragung. . . . . . . . . . . . . .. 57 3.2. Aufbereitung und Auswertung des Datenmaterials ............. 58 3.3. Konzeption und Fassung der Arbeitskonfliktvariablen und merkmalsdefinierten Grolkn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 60 3.4. Die empirische Interdependenz der Arbeitskonfliktvariablen . . . . . 63 4. Die Bestimmungsgriinde des betrieblichen Arbeitskonfliktgeschehens 67 4.1. Die Bedeutung der Beschaftigungsdauer fiir das betriebliche Konflikterlebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.1.1. Die Dauer der Werkszugehorigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.1.2. Die Dauer des speziellen Arbeitseinsatzes .............. 78 4.1.3. Die Bedeutung der innerbetrieblichen Versetzungen, Stellen- umbesetzungen und des kurzfristigen Aufgabenwechsels .. 79 4.1.4. Zusammenfassung............................ 84 4.2. Die Besetzung des subjektiven Erlebnisrahmens des betrieblichen Konfliktgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2.1. Die Einstellung zur Betriebsleitung, zum Betriebsrat und zum unmittelbaren Vorgesetzten . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89 4.2.2. Die Einschatzung der kollegialen Beziehungen . . . . . . . . . .. 101 5 4.2.3. Die Dispositionen des Arbeitsbewulhseins im industriebetrieblichen Konfliktfeld ............................... 110 4.2.4. Die Beurteilung des Arbeitsentgeltes. . . . . . . . . . . . 121 4.2.5. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Arbeitstatigkeit ...... 125 4.2.6. Zusammenfassung........................... 127 Exkurs I: Fehlzeiten, Fluktuationen und betriebliche Arbeitsunflille 130 4.3. Die Konfliktrelevanz der objektiven Arbeitsbedingungen ..... 136 4.3.1. Das Gewicht der kooperativen Sachzwange ... . . . . . . . . 138 4.3.1.1. Die Flie~band-und Taktarbeit ....... 139 4.3.1.2. Die Form der Arbeitsverkettung ...... 145 4.3.1. 3. Gefiigeartige und teamartige Kooperation 152 4.3.1.4. Die qualitative Arbeitsabhangigkeit .... 163 4.3.1.5. Die Arbeitskonflikttrachtigkeit der speziellen Kon- stellationen kooperativer Leistungsanspriiche . . . . 165 4.3.2. Das Gewicht der technisch-physischen Arbeitsbedingungen . 173 4.3.2.1. Die betrieblichen Umgebungseinfliisse . . . . . . . 175 4.3.2.2. Die Anforderungsart "Arbeitsverantwortung" . 180 4.3.2.3. Das Merkmal der "Arbeitsbelastung" 181 4.3.2.4. Die Arbeitsqualifikation ("Konnen") . . . . . . . 182 4.3.2.5. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Exkurs II: Die Selbsteinschatzung des Anforderungscharakters der Arbeitssituation - ein Vergleich von subjektiven und ob- jektiven Bewertungsurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4.3.3. Industriebetriebliche Zeitzwange . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.3.4. Sonstige arbeitskonfliktrelevante Dimensionen anlagen- spezifischer Sach-und Organisationsgegebenheiten . . . . 203 4.3.5. Zusammenfassung der Konfliktrelevanz der objektiven Arbeitssachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.3.5.1. Die objektiven Bestimmungsgriinde der betrieblichen Konfliktpotentiale ..................... 213 4.3.5.2. Die objektiven Bestimmungsgriinde des direkten und umgleiteten Konfliktaustrages . . . . . . . . . 218 5. Die Bedeutung der sozialen und personlichen Lebensumstiinde der Arbeitenden fur das betriebliche Konflikterlebnis . . . . . . . . . . . 224 5.1. Die geographische und soziale Provenienz . . . . . . . . . . . 225 5.2. Der berufliche Werdegang und das Berufsschicksal ......... 228 5.3. Die aktuellen sozialen und personlichen Lebensumstande . . . . . . . .. 243 5.3.1. Das Lebensalter und die familiaren Lebensverhaltnisse . . . . 243 5.3.2. Das Verhalten in der arbeitsfreien Zeit und das nebenberuf- liche Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.3.3. Die personlichen Lebensschwierigkeiten ... 262 5.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 6. Zusammenfassung und theoretische Diskussion der Ergebnisse 276 6 7. Die Bedeutung der Ergebnisse fiir die Gestaltung der industriebetrieblichen Praxis . ... 291 Anhang I. Operationalisierte Arbeitskonfliktvariable .............. . 302 II. Erlauterung der in den Schaubildern und Tabellen aufgefiihrten statistischen Werte 305 III. Tabellen ...... . 306 IV. Schaubilder .... . 314 V. Anmerkungen .. . 316 VI. Literaturverzeichnis 340 Register ............................................... 344 7 Vorwort Diese zweite arbeitssoziologische Studie H. P. Eulers schliegt die wissenschaftliche Auswertung eines empirischen Materials ab, welches schon seiner ersten Analyse "Arbeitskonflikt und Leistungsrestriktion im Industriebetrieb" (Studien zur Sozial wissenschaft, Band 6,1973) zugrunde lag. Seinegriindliche Einfiihrung in die nun vor liegende zweite Stu die macht den engen Zusammenhang beider Arbeiten deutlich. Das Forschungsziel war hier wie dort die strukturelle Fixierung alltaglicher Ar beitsunzufriedenheiten und -streitigkeiten im Vollzug der industriellen Produktion. Die Zweckmagigkeit der vorgangigen Ausgliederung der komplizierten Analyse von bis dahin praktisch unerorterten Verlaufsformen betrieblicher Arbeitskonflikte auf der Ebene der Fertigung wird erst im Riickblick von den nun vorzutragenden Auf schliissen iiber die Entstehung des sich in Konflikthandlungen aktualisierenden Kon fliktpotentials ganz einsichtig: Ohne die in der ersten Studie miihevoll erschlossenen Moglichkeiten zur Einfiihrung und zur soziostrukturellen Bewertung der umstand lich gepriiften Begriffe des direkten Konfliktaustrages, der Konfliktumleitungen (durch Verschiebung des Adressaten und/oder des Inhaltes) sowie des Konfronta tionsverzichtes oder -defizits in das komplexe Zusammenhangskalkiil ware der nun vorliegende, ausgewogene Oberblick iiber die technischen und sozialen Urspriinge des Konfliktpotentials nicht erreichbar gewesen. Wah rend aber in der ersten Arbeit die kritische Diskussion der konkurrierenden soziologischen Konfliktkonzeptionen und verhaltspsychologischen Theorien noch mit einem - gemessen am Umfang des erhobenen Materials - nahezu unbedeuten den Satz von Daten und Datenkonstellationen zu bestreiten war, erforderte die ab schliegende Thematisierung der Konfliktverursachungen die laufende Kontrolle des gesamten merkmalsreichen Datenfeldes auf quantitativ angezeigte, also massensta tistisch fundierte, qualitative Zusammenhange. Wenn eine Oberschlagsrechnung die Zahl der aus dem Material abgerufenen und durch intervenierende Variable gepriiften zwei-und mehrdimensionalen Zusammen hange mit 120.000 beziffert, so ist dem mit derartigen methodischen Suchprozessen Vertrauten zweierlei klar: 1m Zuge dieses intensiven Materialkontaktes mugte und konnte in enger Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum der Universitat Karlsru he ein eigenes, software-orientiertes Standardprogramm entwickelt werden, das den spezifischen Anforderungen solcher Such prozesse immer besser entsprach. Schon zu Beginn dieser gemeinsamen Programmentwicklungsarbeiten zeigte sich, dag sozial wissenschaftliche Analysen des hier konzipierten Typs in der verfiigbaren Literatur ganz ungewohnlich und - genau genom men - noch ohne Beispiel sind. Analysen dieses Typs haben neben ihren eigenen Vorziigen auch ihre eigenen 9 Schwierigkeiten. Ein gro~er Vorteil ist zweifellos die entscheidend erhohte Chance, verborgene und deshalb bisher unerkannte Zusammenhange zu erkennen, zu ent schliisseln und vor allem gegen Selbsttauschungen des Forschers aufgrund eingeleb ter und wissenschaftlich tradierter, aber zweifelhafter theoretischer Folien oder ein fach plausible Assoziation abzusichern. Gro~e Schwierigkeiten bereitet dagegen noch eine zugleich adaquate und eingan gige verbale Darbietung ihrer vielfaltig bedingten statistischen Befunde. Diese kom plexe Konditionierung erfordert ja in der Regel eine Ableitung durch mehrere Er kenntnisschichten, deren gebotene Absicherung gegen Mi~verstandnisse immer wie der die Absicht durchkreuzt, den roten Faden der Thematik selbst gegen die dabei in den Vordergrund drangenden statistischen Details in der erwiinschten Deutlich keit erkennbar zu halten. Die entscheidende Frage ist jedoch die, ob sich die Miihe, welche diese Schwierig keiten des Autors dem Leser bereiten, lohnen - fUr die arbeitswissenschaftlich enga gierten Fachkollegen: in theoretischer Hinsicht, und fiir die an der Gestaltung der industriellen Arbeitswelt beteiligten Betriebsleitungen und Belegschaftsvertretun gen, fiir die arbeitspolitisch engagierten Sozialpartner und Politiker: praktisch. Die angesprochenen Praktiker mogen mir einige Hinweise gestatten, die unsere Hoffnun gen auf die Niitzlichkeit der Ergebnisse fiir ihre Uberlegungen, Absichten und Ent scheidungen unterstreichen: 1. Der von H. P. Euler erarbeitete Uberblick iiber die Konflikttrachtigkeit verschie dener Arbeitsstrukturen erbrachte die hochsten Werte pessimistischer Einstellun gen zur Arbeit in Arbeitsstrukturen mit anlagevermittelten kooperativen Lei stungsanspriichen. Es waren zugleich die Bereiche hochster Unzufriedenheit mit der bestehenden betrieblichen Lohnstruktur. 2. Seinen ersten kritischen Aspekt gewinnt dieser Befund durch die Tatsache, da~ die analytische Arbeitsbewertung kooperative Leistungsanforderungen nicht in die lohnbestimmenden Dimensionen des Arbeitsvollzuges einbezieht, obwohl de ren Erfiillung (a) von au~erordentlicher Bedeutung fUr den betrieblichen Arbeits ablauf und (b) das Anforderungsprofil zentraler Arbeitsrollen durch diese Lei stungsanspriiche dominiert wird. 3. Der zweite kritische Aspekt dieses Befundes richtet sich gegen jene aktuellen Strukturierungsrezepte, die sich alles yom Gruppencharakter der empfohlenen Losungen versprechen, ohne iiberhaupt die diffizile, konfliktrelevante Anfallig keit gerade kooperativer Arbeitsbeziehungen anzusprechen und in Rechnung zu stellen. 4. Eine weitere, weniger begriindete als vielmehr propagierte aktuelle Rezeptur zur Humanisierung der Arbeitsbedingungen und zur Erhohung der leistungsfOrdern den Arbeitseinstellungen, die iiber Arbeitserweiterung (job-enlargement), Ar beitsbereicherung (job-enrichment) und Arbeitswechsel (job-rotation) den Ab bau von Monotonien des Arbeitsvollzuges erstrebt, wird durch die Befunde Eulers mit der Feststellung konfrontiert, d~ selbst bei autonomen Arbeitsplat zen wie bei arbeitstaktverketteten Arbeitsvollziigen, gerade mit zunehmenden Arbeitsinhalten und/oder -umfangen also mit gro~eren Aufmerksamkeitsleistun- 10 gen und durch Erfahrungen im Arbeitsprozeg erworbenen, erweiterten Qualifika tionen eine starkere Empfindlichkeit fiir die Unzutraglichkeiten der Arbeitssitua tion und eine Erhohung der Unzufriedenheitsaugerungen einhergeht. 5. Optimistische Beurteilungen dieser Anti-Monotonie-Strategien, die sich auf posi tive Ergebnisse einschlagiger Strukturierungsexperimente stiitzen, sind nicht ge eignet, die unter betrieblichen Alltagsbedingungen gewonnenen Einsichten Eulers zu entwerten oder zu konterkarieren. Seit den beriihmten Hawthorne-Ex perimenten der Western Electric Company in den zwanziger und dre£iger Jahren unter Elton Mayo ist die als Hawthorne-Effekt bezeichnete, harmonisierende Funktion verstarkter und andauernder Beobachtung, die von den in das Experi ment einbezogenen Arbeitskraften als verstarkte menschliche Zuwendung ande rer erlebt wird, bekannt. Ebenso wie dieser Effekt experimentell erzielte Ergebnisse im Hinblick auf ihre Obertragbarkeit in den Arbeitsalltag, d. h. ohne eine entsprechende personelle Begleitung der Umstellung (z. B. durch action research) entwertet, gelingt es iiberhaupt selten, die angestrebten und im Experiment durch die eroffnete Frei willigkeit der Teilnahme erreichten Fortschritte auch auf durch Anordnung und Versetzung rekrutierte Belegschaften zu iibertragen. 6. Diese keineswegs neuen, aber im arbeitswissenschaftlichen Versuchsfeld immer wieder verdrangten kritischen Vorbehalte gegen den unkontrollierbaren Einflug von personlicher Zuwendung und freiwilliger Teilnahme auf Versuchsergebnisse sind in positiver Wendung eine geeignete Verstarkung fiir die von Euler am Schlug postulierten Zielkriterien fiir Neustrukturierungen von Arbeitsablaufen im Produktionszusammenhang und fiir die Neuformulierungen organisatorischer Grundsatze des betrieblichen Personaleinsatzes: a) Nicht Abbau oder Minimierung der anlagespezifischen Restriktionen durch Verstarkung der kollektiven Verhaltenszwange, sondern Erweiterung des per sonlichen Dispositionsspielraumes bei Neustrukturierung von Arbeitsablaufen. b) Eroffnung eigenzuverantwortender aber reversibler Dispositionschancen und Alternativen fiir die Belegschaftsangehorigen bei der innerbetrieblichen Ar beitsplatzfindung. Der gemeinsame Nenner beider Zielsetzungen ist das gegen aile technischen Schwierigkeiten und biirokratischen Einwande zu erweiternde Feld individueller Dispositionsmoglichkeiten und damit die Erhohung der Identifikationschancen des Arbeitenden mit dem durch seinen innerbetrieblich eroffneten Wahlakt be setzten (und durch einen Wahlakt auch aufgebbaren) Arbeitsplatz, wie sie sich ihm sonst nur ausnahmsweise im arbeitsorganisatorischen Versuchsfeld bei Er probungen erOffnet. Dem Urteil der Fachkollegen iiber den theoretischen Gewinn unserer Karlsruher Ar beitskonfliktstudie in der grogbetrieblichen Nutzfahrzeugmontage mochte ich hier nicht vorgreifen. Die einleitenden Bemerkungen iiber die Entwicklung ihrer progres siven forschungstechnischen Voraussetzungen seien durch einen Aufschlug iiber den in verschiedener Hinsicht unzeitgemagen forschungspolitischen Status des Vorha bens abgeschlossen, obwohl ich damit den Autor dem Verdacht aussetze, seine zur 11