Das Kasein Chemie und technische Verwertung Von Edwin Sutermeister Deutsche Bearbeitung von Dr. Ernst Briihl Chemiker und öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer Mit 40 Textabbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1932 ISBN 978-3-662-27728-7 ISBN 978-3-662-29218-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-29218-1 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Vorwort znr deutselten Ausgabe. Das vorstehende Werk gehört zu einer Reihe von Monographien, welche die amerikanische chemische Gesellschaft veröffentlicht hat. Eine ausführliche Arbeit über Kasein schien den Herausgebern not wendig, weil kein einschlägiges anderes Werk vorhanden war. Es ent stand unter der Mitarbeit zahlreicher amerikanischer staatlicher und privater Fachleute und Laboratorien. Die einzelnen Kapitel wurden von besonders ausgewählten, amerikanischen Fachleuten verlaßt, die nachstehend genannt werden: G. H. Brother, Rohm und Haas, Philadelphia (Kap. 6). F. L. Browne, Chemiker im U.S.A. Forest Products Laboratory, Madison (Wis.) (Kap. 7). A. 0. Dahlberg, Golden State Milk Products Co. San Francisco (Cal.) (Kap. 3). R. A. Gortner, Professor der Biochemie, Universität Minnesota (Kap. 1). P. Masucci, Chefchemiker, H. K. Mulford Co., Philadelphia (Kap. 8). L. A. Olney, Professor der Färbereichemie, Lowell (Mass) (Kap. 10). H. A. Schuette, Professor, Universität Wisconsin, Madison (Kap. 9). F. L. Seymour- Jones, Englewood N. J. (Kap. 10). E. Sutermeister, Chefchemiker, S. D. Warren Company, West brook (Me.) (Kap. 5, 10, 12). A. H. Warth, Chefingenieur, Crown Cork und Seal Co., Baltimore (Kap.ll). J. A. Wilson, Chefchemiker, A. F. Gallun & Sons, Milwau.kee (Kap. 2). Bei der Übertragung ins Deutsche wurde die Einteilung des Originals trotz mancher Wiederholungen beibehalten. Einen erfahrenen Praktiker über sein Spezialgebiet, so wie er es überschaut, sprechen zu lassen, schien wichtiger. Gemäß den seit dem Erscheinen des amerikanischen Buches auf einzelnen Gebieten gemachten Fortschritten wurde der Inhalt ergänzt. Dabei wurden die europäischen und im besonderen die deutschen Ver hältnisse in erster Reihe berücksichtigt. Dementsprechend wurden nicht nur die amerikanischen Bezeichnungen, Gewichte usw. umgerechnet, sondern auch die Maschinen werden in deutschen Ausführungsarten vor geführt. Bei den analytischen Angaben sind die deutschen Methoden, speziell die des RAL, in den Vordergrund gestellt worden. IV Vorwort zur deutschen Ausgabe. Angesichts der großen Bedeutung, welche die Industrialisierung der Landwirtschaft für Deutschland und wohl überhaupt für ganz· Mittel europa hat, spielt die Frage der besten Verwertung der Molkereineben produkte eine sehr wichtige Rolle. Man übersieht häufig, daß die deutsche Milch- und Molkereierzeugung einen höheren Geldwert darstellt als alle schwerindustriellen Rohprodukte zusammen. Verlagsbuchhandlung und Bearbeiter glauben daher, mit vorliegender Ausgabe des Sutermeister den deutschen Interessenten ein zweck mäßiges Hilfsmittel zu geben. Berlin, im Februar 1932. Dr. Ernst Brühl. Inhaltsverzeichnis. Seite I. Chemie des Kaseins 1 Ist Kasein eine einheitliche Sub- Desaminokasein 18 stanz? . . . . . . . . . 4 Nitrokasein . . 19 Elementaranalyse und Äquivalent- Methylkasein . 19 gewicht. . . . . . . . . . . . 5 Aldehydkasein . 20 Aminosäuren im Kasein . . . . . 6 Oxydationsprodukte aus Kasein. 21 Stickstoffverteilung im Kasein . . 9 Kasein und Schwefelkohlenstoff . 22 Sind die Kaseine aus der Milch ver- Abbauprodukte des Kaseins . . 23 schiedener Säugetiere identisch? 11 Paranuklein und Paranukleinsäure Parakasein . . . . . . . . . . . 12 aus Kasein S. 23. - Alkalische Rezemisiertes Kasein. . . . . . . 14 Abbauprodukte des Kaseins Einwirkung der Halogene auf Kasein 15 S. 25.-Schutzkolloide: Protal Chlorprodukte S. 16. - Brom binsä.pre und Lysalbinsäure produkteS. 17.-Jodprodukte s. 26. S.17. Literatur . • 26 ll. Physikalische Chemie des Kaseins 29 Isoelektrischer Punkt . . 29 Viskosität 42 Löslichkeit . . . . . . . . . . . 30 Ionenbeweglichkeit 43 Das Donnan-Gleichgewicht .... 31 Allgemeine Nachbemerkung. 44 Quellung und Lösung in Salzsäure Literatur . . . . . . . . . 44 S. 34. -Einwirkung von Salzen S. 36.-Osmotischer DruckS. 37. Membranpotentiale S. 40. m. Herstellung von Kasein 45 Apparatur . . . . . . . . . 46 Fällgefäße S. 46. - Pressen S. 48. Trockenvorrichtung S. 53. - - Mühlen S. 51. - Eintragen Trockenapparate S. 53. - Er- des gemahlenen Quargs in die zeugung der Warmluft S. 61. Fällungsverfahren für Kasein ......... 61 Milchsäure (Eigensäure) ..... 61 S. 69. -Waschen des Quarges Ejektormethodefür Milchsäurekasein 63 S. 71. -Pressen und Trocknen Schwefelsäurekasein · 64 S. 71. Preßquarg . . . 64 Labkasein. . . . . . . 72 Erhitzter Quarg . 66 Fällung des Quarges . . 72 Salzsäurekasein . 66 Pressen und Trocknen . 73 Preßquarg 66 Buttermilchkasein . . . 73 Erhitzter Qua.rg. 67 Buttermilchkasein von süßem Rahm 74 Körniger Quarg . 67 Kasein aus saurer Buttermilch 75 Kontrolle des Säuregrades (pH) Andere Fällmittel ........ 75 S. 68. - Fällen des Quarges Zusammensetzung, physikalische Eigenschaften und Güte des Kaseins in Abhängigkeit von der Herstellungsmethode. 75 Bei Selbstsäuerung . . . . . . . 76 Labkasein . . . . 78 Mit Mineralsäuren gefälltes Kasein 77 Buttermilchkasein. 78 Kasein aus körnigem Quarg . . . 78 Allgemeines . . . 79 VI Inhaltsverzeichnis. Seite Absolut reines Kasein. . . . . . . . 7!) Apparatur . . . . . . . 80 Verarbeitung . . . . . . . 81 Säure . . . . . . . . . 80 Asche- und Phosphorgehalt 82 Fällung des koagulierten Kaseins, verbesserte Methode 80 Nährkasein 84 Literatur 85 IV. Kasein in Anstrichmitteln 85 Anstricharten. 85 Prüfung von Kaseinfarben. 94 Pigmentarten 86 Physikalische bzw. praktische Farbträger . . 87 Proben . . . . . . . . . 95 Trockenmittel 87 Liefervorschriften . . . . . . 96 Verdünnungsmitte1 87 Physikalische Eigenschaften von Geschichtliches 88 Kaseinanstrichen . . . . . 97 Statistik . . . . 88 Handelsübliche Außenfarben . 98 Kaseinfarben . . 89 Zinkweißkaseinfarben . 98 Schlemmkreide . 89 Ölhaltige Kaseinfarben 98 Kalk bzw. Kalkhydrat 90 Latexkaseinfarben !)9 Weiße Farbkörper 91 Spezialfarben. . . . . 99 Farbkörper. . 91 Herstellung von Kaseinanstrich- Bindemittel . . 92 mitteln . 100 Kaseinsorten . . 92 Verpackung 101 Unlöslichmachen 93 Literatur. . 101 Mengenverhältnis zwischen Kalk und Kasein . 93 V. Kasein in der Papierindustrie 101 Kunstdruckpapier. 101 Streichen des Papieres 111 Klebemittel . . 102 Schaumbildung . . . 112 Geschichtliches . . 103 Fehler im Kasein. . 113 Überziehen. . . . 104 Konservierungsmittel 114 Auflösen des Kaseins 105 Wasserfestmachen. . 115 Alkalien . . . . . . 106 Sonstige Anwendung des Kaseins 116 Fabrikationsvorschriften. 108 Kaseinarten 118 Herstellung der Streichmischung . 109 Literatur. . . . . . 121 Mineralische Zusätze ...... 110 VI. Kunsthorn (plastische !'lassen) aus Kasein . . . . . 121 Geschichtliches . . . . 122 Charakteristische Eigenschaften 140 Herstellungsverfahren . 124 Praktische Anwendungen 144 Chemie des Prozesses . 137 Literatur. 147 VII. Kaseinleim • . 148 Arten von Leim . 149 'Vasserb eständige Leime. .. 152 Allgemeine Beschreibung von Ka seinleimen . . . . . . . . . . 154 Chemie des Kaseinleims . . . . . . . . . . 156 Leime mit reversibler Gelbildung. 157 Verschiedene Zusätze zum Kasein- Leime mit irreversiblem Gel . . . 164 leim . . . . . . . . . . . 173 Einfluß der Rohstoffqualität auf die Leimeigenschaften 175 Kaseinsorten 175 Wasserglasarten. . . . . . . 178 Kalkqualität .......... 178 Inhaltsverzeichnis. VII Seite Technische Verwendung von Kaseinleim in der Holzverarbeitung 178 Mischung . . . . . . . . . . 179 Resultate mit verschiede~en Höl- Auftragen des Leimes . . . . . 181 zern . . ·. . . . . . . . . . . 185 Leimeigenschaften und Pressung 182 Verfärbung des Holzes durch Ka- Preßzeit . . . . . . . . . . . 185 seinleim . . . . . 186 Technische Prüfung von Kaseinleimen . . . 186 Deutschland . . . . . . . . . . 186 Großbritannien . . . . . . 193 VereinigteStaatenvonNordamerika 192 Abnutzung der Werkzeuge. 194 An wend ung des Kaseinleimes. 195 Holzbearbeitungsindustrie 195 Literatur. . . . 198 Andere Industrien ....... 197 VIII. Kasein in der Medizin . . . . . 199 Geschichtliches . . . . . . . . . 199 Reinheitsanforderungen 200 Kasein in Nährpräparaten .... 201 Für Kalziumkaseinat . 202 Sanatogen . . . . . . 204 Für Kasein zu Nährzwecken . 202 Ammoniumkaseinat (Eukasin) 204 Natriumkaseinat ..... . 203 Kaseinphosphorol . . . . , 205 Sanose 204 Verbindungen des Kaseins mit Schwermetallen . 205 Verbindungen vonKaseinmit Silber 205 Eisen und Kasein. 208 Protargin, starker Typus . 206 Proferrin . . . . . 209 Protargin, schwacher Typus 206 Triferrin . . . . . 209 Cargentos 207 Aluminiumkaseinat 209 Argonin . 207 Wismut und Kasein 209 Verbindungen des Kaseins mit Wismut-Formaldehyd-Jodid 209 Quecksilber . . 207 Andere Kaseinprodukte ...... . 210 .Tod und Kasein 210 Tannokasein oder Tannokasum 211 Jodokasein. 210 Protan 212 Jodomenin .. . 210 Tannyl 212 Projodin ... . 210 Albyl . 212 Formaldehydkasein 210 Silcazin 212 Proteol ..... 210 Actoprotin, Caseosan 212 Kaseingerbsäureverbindungen 211 Yatrenkasein . 212 Kasein-Emulsionen 213 Gezuckertes Kasein . 213 Arkase 215 Kaseinsalbe . . . 213 Literatur 215 Cargel ... . .. 214 IX. Kasein in Nahrungsmitteln 216 Kunstmilch 218 Eiersatz . . . 222 Säuglingsernährung 218 Margarine . . 222 Kindernährmittel . 219 Eiskrem-Rahmeis . 222 Diabetikernahrung 220 Suppenwürzen 223 Malzmilch . 221 Sonstiges. 223 Ersatzmittel 221 Literatur 223 Backwaren. 222 VIII Inhaltsverzeichnis. Seite X. Sonstige Anwendungen des Kaseins. Statistik 224 Photographie . 224 Textilindustrie . . . . 226 Seifenherstellung . 225 Kunstseide . . . . . . 228 Lederindustrie . 225 Kasein bei V ngeziefervertilgung 229 Statistik ... 232 Literatur 234 XI. Lagerung von Kasein 234 Haltbarkeit .. 234 Lagerhaus ..... . 234 Schimmel 236 Verpackung . . . . . . 236 Motten . 237 Lagerung in Behältern . 236 Käfer .. 238 Biologische Proben und Normen. 238 Biologische Probe a) ...... 239 Bakterienzählung und Blutprobe . 241 Biologische Probe b) ...... 240 Veränderung des Kaseins während der Lagerung. 242 Vergasung . . . . . . . . . . . 244 Kresollösung . . . . . . . . 245 Schweflige Säure . . . . . . . . 244 XII. Prüfung und Untersuchung des Kaseins 245 Schmutzfreiheit . 246 Löslichkeit . . 248 Farbe . . . 247 Viskosität . . 249 Geruch . . 247 Ausgiebigkeit. 250 Mahlfeinheit 248 Chemische Prüfungen. 250 Feuchtigkeit 251 Kalzium .. 257 Asche ... 252 Metalle . . 257 Fettbestimmung 253 Milchzucker 258 Säuregehalt . . 255 Stickstoff 259 Phosphor ... 256 Literatur 259 Lieferbedingungen des RAL. 260 Namen Verzeichnis 268 Sachverzeichnis ...... . 270 Zusammenstellung der wichtigsten, neneren, im Text behandelten Patente. D.R.P. Nr. 317 721 Seite 132 U.S.A. 1571518 Seite 56 367 868 103 1707 466 230 368 942 130 1716 799 57 381104 132 1781716 116 401272 11 1819 878/80 79 406 693 11 Britisch 314 344 197 485 189 136 354 837 134 489 438 136 Frankreich 631383 56 511 543 55 Zusatz 34 977 56 530 934 136 Erstes Kapitel. Chemie des Kaseins. Kasein gehört zu der Gruppe organischer Verbindungen, die man jetzt als Proteine bezeichnet und früher nach ihrem Hauptvertreter "Eiweißkörper" nannte. Diese Stoffe sind zweifellos die kompliziertesten Verbindungen, mit denen der Chemiker zu tun hat, und das Kasein gehört dabei noch zu den schwierigeren, da es in die Gruppe der zu sammengesetzten Phosphor- Proteine gehört. Kasein ist wohl der meist untersuchte E~weißkörper. Es findet sich in der Milch aller Säugetiere, sogar in der des eierlegenden Schnabel tieres, und ist aus dieser verhältnismäßig leicht zu gewinnen. Da für die Weißen die Kuhmilch die Ieichtest und reichliehst erhältliche ist, galten die Untersuchungen in erster Reihe dem Kuhkasein. Kasein hat wie viele Proteine deutlich saure Reaktion und kommt in der Milch anscheinend in Form eines Kalzium- Ka.seinat- Kom plexe.s vor. Er bildet ein Suspensionskolloid, für welches das Milch albumin Schutzkolloid ist und die stets vorhandenen Zitrate, Phos phate und Rhodanide Peptisatoren sind. Ältere Verfahren zur Gewinnung von Kasein begnügten sich mit der Ausfällung durch Ansäuern der entfetteten Milch. Für Laboratoriums zwecke benutzte man meist Essigsäure, und wenn es sich um die Dar stellung größerer Mengen handelte, Salzsäure. Maßgebend für die Aus fällung ist der sog. iso-elektrische Punkt, der für Kasein bei PH = 4,6 liegt (1) und die Wasserstoffionenkonzentration angibt, bei der die verschiedenen Ionen im Gleichgewicht stehen. In neuerer Zeit beachtet man ihn nicht nur im Laboratorium, sondern auch bei der Darstellung von Kasein im großen. Darauf beruhen Unter suchungen von Clark, Zoller, Dahlberg und Weimar (2), die zu einem Herstellungsverfahren für Kasein führten, bei welchem es leicht durch Waschen von seinen Verunreinigungen bzw. Begleitstoffen befreit werden konnte, da es in feuchtem Zustande Gleichmäßigkeit des Korns aufwies und nicht zu schwer auswasch baren, mehr oder weniger undurch dringlichen Massen zusammenbackte. Dazu erwärmt man Magermilch auf 34,5-350 C, gibt Salzsäure zu, bis die Mischung an Methylrot ein PH von 4,8 hat und läßt den Quarg absetzen. Man zieht die Molke ab, wäscht den Quarg wiederholt mit verdünnter Salzsäure von ebenfalls PH 4,8 und hat dann nach der Trocknung ein recht reines Kasein, das Sutermelster-Brübl, Kaseln. 1