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Das Judentum. Von der biblischen Zeit bis zur Moderne (3. Auflage) PDF

986 Pages·1997·19.845 MB·German
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JOHANN MAlER, (1933), schloß sein Studium der evangeli schen Theologie 1958 mit der Pro motion ab, daneben hatte er schon 1956 mit einem weiteren Studium der Judaistik, Semitistik und Ge schichte in Wien begonnel\ das er 1960 mit einer zweiten Promotion beendete. Seit 1966 ist der Ordinarius für Judaistik und Direktor des Martin-Buber-Instituts für Judaistik an der Universität Köln. JOHANN MAlER Das Judentum Von der biblischen Zeit bis zur Moderne Mit 4 Farbtafeln, 20 Schwarzweiß Bildseiten und 8 Karten Gondrom Berechtigte Lizenzausgabe für den Gondrorn Verlag, Bindlach, 1988 3. aktualisierte Auflage © Copyright 1973 by Kindler Verlag GmbH München Alle Rechte vorbehalten, auch die des.teilweisen Abdruckes, des öffentlichen Vortrags und der Ubertragung durch Rundfunk und Fernsehen Redaktion: Egidius Schmalzriedt Korrekturen: Anneliese Pernack Einband: Hans Nurnberger Gesamtherstellung: Ebner UIrn Printed in Germany . ISBN 3-8112-0595-1 Einleitung DER VERSUCH, die Kulturgeschichte des Judentums in einem Band zu schreiben, ist von vornherein ein fragwürdiges Unter fangen, und zwar in erster Linie wegen der Fülle und der Vielfalt des Stoffes. Es verlangt eine Beschränkung, die bei unvermeidlichem Verzicht auf viele illustrative Einzelheiten und Daten jene bestimmenden und wirksamen kulturge schichtlichen Faktoren halbwegs einsichtig aufzuweisen ge stattet, denen innerhalb von dreieinhalb Jahrtausenden jü discher Geschichte mehr als episodenhafte Bedeutung zu kommt. Nun gilt das Problem der Stoffülle nicht nur für die Darstel lung des Judentums allein, und selbst die Tatsache der geogra phischen Streuung und der damit gegebenen kulturellen Mehrsträngigkeit und Vielschichtigkeit hat zu einem gewissen Teil ihre Parallelen. Dennoch bleibt die geographische Ver breitung des Judentums eine Besonderheit, weil es sich fast im mer in einer Minoritätensituation befand, deren Problematik auch kulturgeschichtlich von größter Tragweite war. Das Verhältnis zwischen Judentum und Umwelt, so vielfältig es sich auch immer darstellt, könnte auf den ersten Blick auf die Spannung zwischen dem spezifisch Jüdischen und der je weiligen Umweltkultur, also auf das Phänomen der Assimi lation als Grundkomponente reduziert werden. Die histori schen Einzelsituationen würden dann als Paradigmata für das wechselhafte Ringen mit dieser Grundproblematik erscheinen. Voraussetzung dessen wäre aber eine von vornhinein festste hende und durchgängig anwendbare Definition dessen, was als »spezifisch jüdisch« anzusehen sei. 6 EINLEITUNG Man hat insbesondere im vorigen Jahrhundert und zu Beginn unseres Jahrhunderts versucht, das» Wesen« des Judentums zu definieren, dabei gleichartigen Versuchen in der damaligen Umwelt folgend; dom heute steht außer Zweifel, daß es sich um Standortbestimmungen handelte, die ihren Platz im Rah men der damaligen jüdischen Religions- und Geistesgesmichte hatten und auf frühere Perioden des Judentums kaum oder nur beschränkt anwendbar sind. Dieses Urteil gilt auch für Versuche, eine spezifisch jüdische Kultur aufzuweisen, weil sie in der Regel jenem Kultur- und Volksbegriff entsprechen, der seine Wurzeln in der Romantik hat und später in der völki schen Ideologie zum Tragen gekommen ist. Daraus ergaben sich Wertmaßstäbe, die ein sachgerechtes Urteil über das Ju dentum kaum zulassen, denn wenn etwas wie ein »Volks marakter« und eine ihm - wie auch immer - allein angemes sene Kultur postuliert wird, erscheint das Judentum in seiner Diasporageschichte als Außenseiter, letztlich als Fremdkörper in Gastkulturen und damit von zweifelhaftem Eigenwert. Die jüdische Apologetik hat diese vom Antisemitismus viel strapazierte Argumentation nach Kräften zu widerlegen ver sucht, nimt zuletzt durch den mühevollen Aufweis all der Lei stungen, die Juden zu ihren »Gastkulturen« beigetragen ha ben; dies geschah zum Teil in sonderbarer Parallelität zu je nen judenfeindlichen, antisemitischen Bestrebungen, die gera de diese jüdischen Anteile als verderbliche Fremdeinflüsse oder als parasitäre Teilhabe aufzuspüren bemüht waren. Tatsäch lich stand der Erfolg der jüdischen Apologetik dieser Art in keinem nennenswerten Verhältnis zu ihrem Arbeitsaufwand, denn die weite Verbreitung völkismer Vorstellungen bot für antisemitische Behauptungen eine weit günstigere Resonanz kulisse. Auch für das jüdische Selbstbewußtsein erwies sich diese Seite der Apologetik als wenig ergiebig, weil die Frage, was denn das Judentum an sich darstelle, innerjüdisch umstritten war und die nationaljüdisme Bewegung - der Zionismus - eben- EINLEITUNG 7 falls die Eigenständigkeit auch in kultureller Hinsicht zu be tonen beziehungsweise wiederherzustellen suchte. Damit bot sich zwar erneut ein Maßstab für eine Gesamtschau der jüdi schen Geschichte und Kulturgeschichte an, doch wieder im Dienst eines bestimmten Gegenwartsinteresses, insbesondere im Zusammenhang mit dem Anspruch auf das Land der Väter und verbunden mit der seit der Aufklärung infolge des jüdi schen Pluralismus offenen Frage nach der jüdischen Iden tität. Die Judenverfolgungen des nationalsozialistischen Regimes haben zwar dem Zionismus eine praktisch überzeugende Rechtfertigung geliefert und die Staatsgründung im Land der Väter beschleunigt, aber zugleich erwies sich der völkische Weg der Selbstdefinition durch das NS-Beispiel als diskredi tiert, so daß die Frage nach dem »eigentlich Jüdischen« auch im zionistischen Rahmen keine einhellige Antwort finden konnte. Die gelegentlich dennoch stark betonte Bezugnahme auf Volk und Land zur Wertorientierung bei der Beurteilung jüdischer Geschichte wirkt irritierend, weil eine derart völkisch be stimmte Argumentation durch die gleichzeitige Beteuerung, es handle sich doch um etwas wesentlich anderes als bei jeder an deren völkischen Orientierung, uneinsichtig bleibt, solange nicht deutlich zu machen ist, worin denn dieses »andere« be steht. Die bloße Tatsache, daß für das Judentum die Religion eine besonders konstitutive Rolle spielt und daß daher auch für eine Kulturgeschichte des Judentums die Religions geschichte eine zentrale Komponente darstellt, gilt unbestrit ten bis zur Aufklärung, wird aber dann mit dem Zerfall der traditionellen Vorstellungen in ihrer Bedeutung begrenzt und verliert infolge der fortgeschrittenen Säkularisierung wei ter an Gewicht - ganz abgesehen von der Tatsache, daß die Verquickung von religiösen Zügen mit nationalistischer Ideo logie durchaus ihre Parallelen hat. Wenn dennoch an der Einheit von Religionszugehörigkeit und 8 EINLEITUNG Nationalität so weit festgehalten wird, daß zwar religiöse In differenz oder ein aktiver Atheismus toleriert werden kann, ein positives Bekenntnis zu einer anderen Religion aber den Verlust der Nationalität nach sich zieht, dann als Fiktion, not wendig geworden infolge der Verlegenheit, welche die offene Frage nach der jüdischen Identität und nach dem »eigentlich« Jüdischen bewirkte. Diese wenigen Bemerkungen machen bereits deutlich, daß mit Aufklärung und Emanzipation für das Judentum kultur geschichtlich eine völlig neue Kra einsetzte und daß sowohl die Verfechter zentripetaler wie zentrifugaler Tendenzen seit her ihren Bezugspunkt, ihr »Zentrum«, nur mehr unzuläng lich als jüdisch schlechthin auszuweisen vermögen. Zwar han delt es sich vorwiegend um Auseinandersetzungen um die überlieferte, religiös begründete Lebensordnung, wie sie in nerhalb der jüdischen Orthodoxie noch weitgehend konser viert aus der Zeit vor der Aufklärung herübergerettet wurde, aber die Bestimmung dessen, was als Inhalt und normative Substanz der Tradition und somit als jüdische essentials gelten kann, bleibt umstritten. Manchen gilt die biblische überlieferung als Maß aller Dinge. Insbesondere die zionistische Festlegung auf Palästina be stärkte diesen Trend, der eine Abwertung des Diasporada seins mit sich brachte. Die Tradition der nachbiblischen Zeit wird dabei als diasporabezogen angesehen, die talmudisch rabbinische überlieferung als Mittel der Selbstbehauptung in der Zerstreuung betrachtet und nur insofern auch als positiv anerkannt, als eine Art Ausnahmeerscheinung, die mit der Rückkehr ins eigene Land und im eigenen Staat ihren Sinn verliert. So einsichtig dies für manchen klingt, so fragwürdig ist das Argument genau besehen, denn die talmudische Tradition ist ja mitnichten ein ausgesprochenes Diasporaprodukt, sie fußt weitgehend auf palästinensischer Basis und ist insofern weithin nur Ausdruck jüdischen Strebens nach Autonomie und Selbst- EINLEITUNG 9 behauptung. Der erwähnte Biblizismus bedeutet also eine willkürliche, bewußte Verkürzung der jüdischen überliefe rung - was kein Werturteil sein soll, jedoch den Anspruch seiner Verfechter, das »Eigentliche« und »Ursprüngliche« wiedergefunden zu haben, relativiert. Die Möglichkeit, von einer festen Definition des» Wesens des Judentums« oder dergleichen auszugehen, scheidet also heute aus. So bleibt nur der Weg einer möglichst umsichtigen Be trachtung der Art und Weise der Problembewältigung inner halb überschaubarer Räume und Perioden und der dabei ver wendeten Mittel, auch auf die Gefahr hin, daß letztlich die Kontinuität zwischen dem Judentum der frühbiblischen Pe riode und dem der Moderne nur mehr mangelhaft definierbar erscheint, wenn man der - übrigens ja nicht uneingeschränkt vorauszusetzenden - Tatsache der bloßen Abstammung kei ne besondere Bedeutung zuzumessen gewillt ist. Für die hier gewählte Darstellungsweise wird diesem Abstam mungsaspekt an sich keine solche Bedeutung zuerkannt, wenn auch die Rolle des genealogischen Zusammenhangs für die Kontinuität der Tradition und für das Geschichts- wie Kol lektivbewußtsein keineswegs unterschätzt werden soll. Eine Rede von »jüdischem Blut« und dergleichen erklärt nichts und bietet eine phrasenhafte, vordergründige Erklärung für ein Phänomen, dessen Voraussetzungen und Komponenten von schier unüberschaubarer Komplexität waren und von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort gewechselt haben. Unter den genannten Voraussetzungen wurde jüdische Kul turgeschichte vor allem zum Aufweis von »typisch Jüdi schem« einerseits und von Fremdeinflüssen auf das Judentum andrerseits betrieben. Das zweite Ziel entspricht einer Nei gung zur Ableitung möglichst aller Phänomene von einem Ur sprung, die in der Wissenschaftsgeschichte zeitweilig beherr schend gewirkt hat und auf dem hier zu behandelnden Gebiet vor allem im sogenannten »Bibel-Babel-Streit« um die Jahr hundertwende einen Höhepunkt erlebte, gefolgt von der Ten- 10 EINLEITUNG denz, möglichst Vieles parsistischen Einflüssen zuzuschreiben. Diese Tendenzen wurden infolge ihrer Beziehung zur Bibel wissenschaft auch weiteren Kreisen bekannt. Die Kulturgeschichte des späteren Judentums konfrontiert aber auf Schritt und Tritt mit ähnlichen Fragen, sie sind also nicht außergewöhnlich und entbehren bei nüchterner Betrach tung auch der übermäßigen Relevanz, die ihnen in der bibel wissenschaftlichen Diskussion aus theologischen Gründen oder von völkisch orientierten Kreisen aus ideologischen Gründen zugemessen worden ist. Das Bemühen, »typisch Jüdisches« und jeweils übernommenes zu trennen, ist wenig ergiebig, einmal, weil - wie schon bemerkt - die Definition des »ty pisch Jüdischen« so einfach nicht ist, zum andern, weil gar nicht so sehr wichtig ist, was übernommen wurde, als viel mehr, wie und warum das geschah. Um dies herauszuarbeiten, bedarf es einer eingehenden Prüfung der innerjüdischen Vor aussetzungen und Folgen. Der in diesem Band eingeschlagene Weg konzentriert sich also auf die Problematik des Verhältnisses zwischen Judentum und Umwelt in ihrer kulturgeschichtlichen Relevanz. Zu die sem Zweck war es notwendig, die Voraussetzungen zu skizzie ren, die zu dieser Problematik erst geführt haben, also die Entstehung des biblischen Judentums zu schildern. Der erste Teil des Buches unterscheidet sich insofern von den folgenden, stärker auf die kulturgeschichtliche Problematik konzentrier ten Teilen, weil die Darlegung der Voraussetzungen in der bi blischen Zeit eine eingehendere historische und religions geschichtliche Darstellung erforderte, um verständlich zu er scheinen. Kulturgeschichtliche Detailfragen treten hier also mehr in den Hintergrund. Dieses Verfahren erschien berechtigt, da die materielle Kultur des Alten Israel sich ja nicht so wesentlich von der Kultur der Umwelt, über die in dieser Reihe bereits Einzeld:1rstellungen vorliegen, unterscheidet, und weil überhaupt für die biblische Zeit eine Fülle von Sachliteratur zur Verfügung steht.

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