Das Gute und das Gerechte Jan Rommerskirchen Das Gute und das Gerechte Einführung in die praktische Philosophie Jan Rommerskirchen Hochschule Fresenius Köln, Deutschland ISBN 978-3-658-08068-6 ISBN 978-3-658-08069-3(eBook) DOI 10.1007/978-3-658-08069-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliogra(cid:191) e; detaillierte bibliogra(cid:191) sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikrover(cid:191) lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Lektorat: Frank Schindler, Monika Mülhausen Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Fachmedien Wiesbaden ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Inhalt Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Der Anfang der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2 Der Anfang der praktischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . 19 2 Ethik als Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1 Ethik und Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.2 Recht und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3 Gut handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4 Ein Dilemma und drei Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3 Grundlagen der Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.1 Teleologische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.1.1 Das Gute und das Ziel des Handelns . . . . . . . . . . . . . . 49 3.1.2 Aristoteles und die Glückseligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.2 Utilitaristische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.2.1 Das Nützliche und das Gute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.2.2 Thomas Hobbes und der Nutzen der Ethik . . . . . . . . . . . 69 3.2.3 Adam Smith und das ethische Gefühl . . . . . . . . . . . . . . 72 3.2.4 Gefangene und Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2.5 Jeremy Bentham und das Glück der größten Zahl . . . . . . . . 78 3.2.6 Politik und Terror . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.2.7 John Stuart Mill und das bessere Glück . . . . . . . . . . . . . 86 3.3 Deontologische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.3.1 Steuern und Sünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.3.2 Immanuel Kant und die praktische Vernunft . . . . . . . . . . 103 6 Inhalt 4 Sozialethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4.1 Kontraktualistische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4.1.1 Gerechtigkeit als Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4.1.2 John Rawls und die Theorie der Gerechtigkeit . . . . . . . . . 125 4.2 Neo-Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.2.1 Das Recht der Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.2.2 Peter Singer und der Präferenz-Utilitarismus . . . . . . . . . . 144 4.2.3 Aschenputtel unter Kannibalen . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.2.4 Robert Nozick und der Libertarianismus . . . . . . . . . . . . 154 4.3 Kommunitaristische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4.3.1 Das Kopftuch als Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4.3.2 Michael Sandel und die Republik der Bürger . . . . . . . . . . 162 5 Wirtschaftsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5.1 Sozialethische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.1.1 Was verdient ein Manager ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.1.2 Oswald von Nell-Breuning und die soziale Ordnung . . . . . . 176 5.2 Ordnungsethische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.2.1 Verrat oder Vertrauen – das Gefangenendilemma . . . . . . . . 180 5.2.2 Karl Homann und die Anreizsysteme . . . . . . . . . . . . . . 185 5.3 Sozioökonomische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5.3.1 Der Preis der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5.3.2 Amitai Etzioni und der Gemeinsinn . . . . . . . . . . . . . . . 194 6 Gerechtigkeitstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6.1 Gerechtigkeit als Fairness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.1.1 Generationengerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.1.2 John Rawls und der Generationenvertrag . . . . . . . . . . . . 207 6.2 Gerechtigkeit als Sozialwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 6.2.1 Eine gerechte Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 6.2.2 Amartya Sen und die Idee der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . 219 6.3 Gerechtigkeit als Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.3.1 Die Gerechtigkeit und das Glück der Menschen . . . . . . . . . 228 6.3.2 Der Kommunitarismus und die multikulturelle Gesellschaft . . . 235 6.3.3 Charles Taylor und das Recht auf Selbstbestimmung . . . . . . 240 6.3.4 Michael Walzer und die Sphären der Gerechtigkeit . . . . . . . 247 7 Das gute und das gerechte Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Übersicht der Theoriebereiche . . . . . . . . . . . . . . 13 Abbildung 2 Ethik und das Gute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Abbildung 3 Ethik, Moral und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Abbildung 4 Formen der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Abbildung 5 Das Gute und die Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . 38 Abbildung 6 Voraussetzungen für ethisches Handeln . . . . . . . . . . 41 Abbildung 7 Übersicht der Theorien und ihrer Vertreter . . . . . . . . 46 Abbildung 8 Aristoteles und die Ziele des Handelns . . . . . . . . . . 61 Abbildung 9 Handlungs- und Regelutilitarismus . . . . . . . . . . . . 91 Abbildung 10 Kant und das Handeln zwischen Pflicht und Neigung . . . 113 Abbildung 11 Wohlstandsverteilung in drei fiktiven Ländern . . . . . . . 124 Abbildung 12 Rawls und der Schleier des Nichtwissens . . . . . . . . . 131 Abbildung 13 Der Gini-Koeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abbildung 14 Verteilungsformen des Wohlstands . . . . . . . . . . . . 217 Abbildung 15 Ungleichheit und Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abbildung 16 Der Happy-Planet-Index 2012 . . . . . . . . . . . . . . . 231 Abbildung 17 Platzierungen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Abbildung 18 Kennwerte im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Abbildung 19 Die Paradigmen der praktischen Philosophie . . . . . . . 256 Abbildung 20 Themenbereiche der praktischen Philosophie . . . . . . . 262 Vorwort Dieses Lehrbuch entstand im Rahmen meines Seminars Praktische Philosophie im Masterstudiengang Corporate Communication an der Hochschule Fresenius in Köln. Ich danke der Hochschule für die Möglichkeit, diese Themen in kleinen Gruppen behandeln zu können. Dank gebührt insbesondere den vielen Studie- renden, die mir in den gemeinsamen Diskussionen durch ihre Fragen zahlreiche Anregungen für die Erstellung dieses Buches gegeben haben. Den Mitarbeitern des Verlags Springer VS, insbesondere Herr Frank Schindler und Frau Monika Mülhausen, danke ich für ihre freundliche Unterstützung bei der Verwandlung des Manuskripts in ein Lehrbuch. Mein ganz besonderer Dank gilt erneut meiner Frau Barbara für ihre Geduld, ihre Kritik und ihre Unterstützung. Erst in unseren Gesprächen über die Themen dieses Buches entstand ein expliziter Text. Ohne sie wäre aus dem Manuskript des Seminars keinesfalls ein Lehrbuch entstanden, das meine Gedanken lesbar und verständlich macht. 1 Einleitung Im Juni 2013 treffen sich zwei Journalisten einer britischen Tageszeitung mit dem Mitarbeiter einer US-amerikanischen Beratungsfirma für IT-Sicherheit in einem Hotel in Hongkong. Der Sicherheitsberater Edward Snowden informiert die Jour- nalisten bei diesem Treffen über die Aktivitäten der Geheimdienste NSA, CIA und GCHQ und übergibt ihnen zahlreiche Unterlagen und Daten, die er als Mitarbei- ter und Berater der Geheimdienste gesammelt hat. Nach der Veröffentlichung der geheimen Informationen über die teilweise illegale Abhörarbeit der Dienste er- hebt die US-Justiz Anklage wegen Diebstahls und Spionage, Snowden flieht nach Russland. In seinem Heimatland USA würde Snowden vor Gericht gestellt. Er hat das Vertrauen seiner Arbeitgeber und Kollegen missbraucht und geheimdienstliche Erkenntnisse weitergegeben. Dafür kann er in den USA aufgrund des › Espionage Act ‹, einem Gesetz » voller Gummiparagrafen « (Wefing & Pham, 2013) aus dem Jahr 1917, zu einer jahrzehntelangen Gefängnissstrafe oder sogar zum Tode ver- urteilt werden. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland will Edward Snowden daher aus rechtlichen Gründen kein Asyl anbieten und würde ihn an die USA ausliefern. Falls Snowden jedoch bei einem zufällig ausgewählten Bürger in Deutschland um Unterschlupf bitten würde, so hätte er zumindest eine gute Chance auf eine Unter- kunft: 55 % der Deutschen befürworten im Juni 2014 einen geschützten Aufenthalt Snowdens in ihrem Land, lediglich 39 % sind dagegen (vgl. Drach, 2014). Mindes- tens jeder zweite Deutsche ist der Meinung, dass Edward Snowden gut gehandelt habe, und dass seine Bestrafung ungerecht wäre. Die Meinung der US-Amerikaner ist in dieser Frage weniger eindeutig: Wäh- rend die Mehrheit der US-Amerikaner ab 50 Jahre glaubt, dass Snowden ihrem Land und den Interessen der Öffentlichkeit geschadet hat, sind die unter 50-Jäh- rigen der entgegengesetzten Meinung (vgl. PRC, 2014). Allerdings gibt es in den J. Rommerskirchen, Das Gute und das Gerechte, DOI 10.1007/978-3-658-08069-3_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 12 Einleitung USA eine klare Mehrheit von 60 % für einen Gerichtsprozess, in dem sich Snowden den juristischen Vorwürfen stellen sollte und ein gerechtes Urteil gefällt würde. Diese unterschiedlichen Meinungen führen zu grundsätzlichen Fragen über gute und gerechte Handlungen: Warum sind einige Menschen der Meinung, dass Snowden gut gehandelt habe, andere aber nicht ? Und warum glauben einige Men- schen, dass seine Bestrafung gerecht wäre, andere aber nicht ? Und warum denken einige Menschen, dass sein Handeln zwar gut war, er aber dennoch eine gerechte Bestrafung verdienen würde ? Über gute Handlungen und gerechte Handlungen gibt es offensichtlich unterschiedliche Ansichten und gute beziehungsweise ge- rechte Handlungen müssen unterschiedlichen Anforderungen genügen. Eine Gruppe von Menschen fragt nach dem Ziel einer Handlung. Rechtfer- tigt das Ziel, die Weltöffentlichkeit über die Arbeitspraxis der Geheimdienste auf- zuklären, das von Snowden gewählte Mittel des Verrats von Geheimnissen ? Eine zweite Gruppe von Menschen fragt nach dem Nutzen einer Handlung. Rechtfer- tigt der mögliche positive Nutzen der Aufklärung der Allgemeinheit über die Ar- beitspraxis der Geheimdienste die möglichen negativen Folgen für den Schutz der Bürger vor Bedrohungen ? Eine dritte Gruppe von Menschen fragt nach der mo- ralischen Pflicht. War es Snowdens moralische Pflicht, die Öffentlichkeit über sein Wissen zu informieren und alle Konsequenzen seines Handelns – seien sie positiv oder negativ – zu ignorieren ? Ob man Handlungen, beispielsweise Edward Snowden zu verstecken, gut und gerecht findet, hängt davon ab, zu welcher Gruppe von Menschen man gehört und wie man das Ziel, den Nutzen oder die moralische Pflicht bewertet. Im Kern geht es dabei um die zentrale Frage der praktischen Philosophie: Was soll ich tun ? In der Praxis resultieren aus dieser zentralen Frage zwei weitere Fragen: Was ist eine gute Handlung ? Und was ist eine gerechte Handlung ? Die Darstellung der nachfolgenden Theorien der praktischen Philosophie konzentriert sich daher auf die Thematik des Guten und des Gerechten in vier unterschiedlichen Themenbe- reichen: Zunächst werden die Grundlagen in Form der klassischen Theorien der praktischen Philosophie von Aristoteles, Immanuel Kant und der britischen Utili- taristen dargestellt, anschließend aktuelle Theorien der Sozialethik und der Wirt- schaftsethik sowie wesentliche Gerechtigkeitstheorien. Dabei werden die dargestellten klassischen und aktuellen Theorien den drei Paradigmen der praktischen Philosophie zugeordnet und voneinander abgegrenzt. Das erste Paradigma orientiert sich an den Zielen von Handlungen und wird als teleologische Ethik bezeichnet. Das zweite Paradigma thematisiert den Nutzen von Handlungen und wird daher utilitaristische Ethik genannt. Das dritte Para- digma fragt nach der moralischen Pflicht im Sinne eines Sollens und wird als de- ontologische Ethik angeführt (s. Abb. 1). Die Paradigmen und ihre Zuordnungen sind grobe Verallgemeinerungen und innerhalb der einzelnen Paradigmen gibt es
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