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Das grün‐rote Experiment in Baden-Württemberg: Eine Bilanz der Landesregierung Kretschmann 2011-2016 PDF

390 Pages·2017·3.069 MB·German
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Felix Hörisch Stefan Wurster Hrsg. Das grün-rote Experiment in Baden-Württemberg Eine Bilanz der Landesregierung Kretschmann 2011–2016 Das grün‐rote Experiment in Baden-Württemberg Felix Hörisch · Stefan Wurster (Hrsg.) Das grün rote ‐ Experiment in Baden- Württemberg Eine Bilanz der Landesregierung Kretschmann 2011 2016 − Herausgeber Felix Hörisch Stefan Wurster Institut für Politische Wissenschaft Technische Universität München Universität Heidelberg München, Deutschland Heidelberg, Deutschland ISBN 978-3-658-14867-6 ISBN 978-3-658-14868-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-14868-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Lektorat: Jan Treibel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis Einleitung „Das grün-rote Experiment: Politikwechsel nach 57 Jahren CDU-Regierung?“ ...................................... 1 Felix Hörisch und Stefan Wurster Verrückte Verhältnisse? Wahlverhalten und Parteienwettbewerb in Baden-Württemberg zwischen 2011 und 2016 ................... 15 Marc Debus Finanz- und Wirtschaftspolitik unter dem Eindruck der Finanzkrise ............................................... 47 Felix Hörisch Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik: Begrenzte Handlungsspielräume genutzt? .................................. 69 Frank Bandau Innere Sicherheit und Justiz: Zwischen Großreform und Kontinuität ............................................... 97 Helge Staff und Georg Wenzelburger Bildungspolitik: Nicht alles anders, aber manches. .................. 125 Marius R. Busemeyer und Susanne Haastert Agieren von der Spitze aus – Wissenschaft und Forschung ........... 159 Falk Bartscherer Asyl und Integration: Aufbrüche in stürmischen Zeiten. . . . . . . . . . . . . . 185 Sandra Kostner V VI Inhaltsverzeichnis Wie „grün“ wurde die Agrar- und Verbraucherpolitik unter Grün-Rot? .............................................. 223 Jale Tosun und Ulrich Hartung Energiewende in Baden-Württemberg: Ausmaß und Folgen .......... 251 Stefan Wurster Viel Kontinuität und wenig Wandel: Die Außen- und Europapolitik des Landes Baden-Württemberg unter Grün-Rot ................... 279 Hanno Degner und Daniela Annette Kroll Die Politik des Gehörtwerdens: Zurück zum direktdemokratischen Musterländle? ............................. 305 Matthias Fatke Organisierte Interessen und die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ......................... 333 Patrick Bernhagen, Saskia Geyer und Felix Goldberg Sag, wie hältst Du’s mit Grün-Rot? Die grün-rote Landesregierung im Urteil der Wähler 2011 bis 2015 ................ 361 Johannes N. Blumenberg und Thorsten Faas Eine grün‐rote Bilanz: Zwischen „business as usual“ und „neuem Projekt“? ......................................... 383 Stefan Wurster und Felix Hörisch Einleitung „Das grün-rote Experiment: Politikwechsel nach 57 Jahren CDU-Regierung?“ Felix Hörisch und Stefan Wurster Zusammenfassung Nach 57 Jahren Regierungsbeteiligung der CDU kam mit der von Winfried Kretschmann geführten Koalition aus Grünen und SPD 2011 in Baden- Württemberg erstmals in einem deutschen Bundesland eine Koalition unter Führung eines grünen Ministerpräsidenten zustande. Die Abwahl der CDU‐ FDP‐Regierungskoalition stellte eine Zäsur in der Politik und der Geschichte des Landes Baden‐Württemberg dar. Der vorliegende Sammelband analysiert, ob dieser Regierungswechsel hin zu Grün‐Rot auch zu einem entsprechen- den rapiden Politikwechsel geführt hat. Die Einleitung in den Sammelband gliedert sich in drei Teile. Zunächst wird eine Einführung in den historischen Kontext der Regierungsübernahme von Grün-Rot 2011 in Baden-Württem- berg gegeben. Zudem werden die drei Leitfragen des Sammelbandes entwi- ckelt und es wird in die theoretischen Grundlagen des Sammelbandes, wie insbesondere die Parteiendifferenztheorie, eingeführt. Anschließend wer- den institutionelle Neuerungen im ersten Kabinett Kretschmann, wie etwa die Schaffung des Integrationsministeriums und die Zusammenlegung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, dargestellt. Zudem wird knapp in die F. Hörisch (*) Institut für Politische Wissenschaft, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland E-Mail: [email protected] S. Wurster Hochschule für Politik München an der Technischen Universität München, München, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 1 F. Hörisch und S. Wurster (Hrsg.), Das grün-rote Experiment in Baden-Württemberg, DOI 10.1007/978-3-658-14868-3_1 2 F. Hörisch und S. Wurster Schwerpunktsetzung grün-roter Regierungspolitik im Vergleich der verschie- denen Politikfelder sowohl im Koalitionsvertrag wie auch in der Entwicklung der Ausgabenanteile der verschiedenen Ministerien im Laufe der Legislatur- periode eingeführt. Abschließend wird jeweils ein kurzer Überblick über die einzelnen folgenden Beiträge des Sammelbandes gegeben. 1 D as grün-rote Experiment Nach 57 Jahren Regierungsbeteiligung der CDU kam 2011 in Baden-Württem- berg mit der von Winfried Kretschmann geführten Koalition aus Grünen und SPD erstmals in einem deutschen Bundesland eine Koalition unter einem grü- nen Ministerpräsidenten an die Macht. Die Abwahl der CDU-FDP-Regierungs- koalition im März 2011 stellt eine Zäsur in der Politik und der Geschichte des Landes Baden-Württemberg dar. Anschließend wurde mit Winfried Kretschmann zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Politiker der Grünen Ministerpräsident eines Landes – und das ausgerechnet im als beson- ders konservativ geltenden Südwesten. Der vorliegende Sammelband analysiert, ob dieser Regierungswechsel nach über fünf Jahrzehnten mit CDU-Regierungs- beteiligung hin zu Grün-Rot auch zu einem rapiden Politikwechsel geführt hat, und wenn ja, in welche Richtung, oder ob die Kontinuität in den ersten fünf Jah- ren der grün-roten Koalition überwog und es zu keinem Pfadbruch kam. Welche Politik hat die erste grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg bei diesem strukturell konservativen Umfeld und unter dem Einfluss des langen konservati- ven Politikerbe verfolgt? Diese Fragestellung wird dabei für verschiedene Politikfelder beantwor- tet. Damit reiht sich der Sammelband ein in die kleine, aber wachsende kom- paratistische Literatur zur Politikfeldanalyse auf Ebene der Bundesländer (vgl. Schneider und Wehling 2006; Hildebrandt und Wolf 2008, 2016; Wagschal und Wenzelburger 2009; Bräuninger und Debus 2012). In der Regel werden die Auto- ren dieses Bandes dabei in drei Schritten vorgehen. Zunächst werden erstens die Wahlprogramme zur Landtagswahl 2011 von Grünen, SPD, CDU und – wenn im jeweiligen Politikfeld relevant – der FDP miteinander und mit dem anschlie- ßend ausgehandelten Koalitionsvertrag verglichen. Was fällt im Vergleich der Wahlprogramme untereinander auf? Was haben die verschiedenen Parteien sich vor der Wahl vorgenommen? Welche Schwerpunkte legten Grüne und SPD im Vergleich zur bürgerlichen Opposition? Entspricht diese Schwerpunktsetzung den Erwartungen der klassischen Parteiendifferenztheorie (vgl. Hibbs 1977; Schmidt 2010; Wenzelburger 2015) oder weicht sie davon ab? Und welche Einleitung … 3 dieser Schwerpunktsetzungen findet sich im Koalitionsvertrag wieder? Wel- che Partei hat es besser geschafft, dieser Koalition ihren Stempel aufzudrücken? Wahlprogramme und Koalitionsverträge sind das eine. In der politischen Praxis werden diese Ankündigen und Vorhaben jedoch häufig von aktuellen Entwick- lungen überrollt, auf die Politik reagieren muss. Auch die Politik der grün-roten Landesregierung war geprägt von den Nach- bzw. Auswirkungen der Finanz- und Eurokrise, bei gleichzeitig sehr positiver wirtschaftlicher Entwicklung in Baden-Württemberg selbst, dem institutionellem Diktat der Schuldenbremse, der Auseinandersetzung um Stuttgart 21, Diskussionen um Lehrerstellenabbau und Gemeinschaftsschule sowie der Polizeireform, den Notwendigkeiten einer bundesweit angestoßenen Energiewende und zudem den Folgen der europawei- ten Flüchtlingskrise, um nur einige zu nennen. Daher soll zweitens ein Über- blick über die tatsächlich getätigten Reformen der grün-roten Landesregierung im jeweiligen Politikfeld gegeben werden. Wie beeinflusste die wirtschaftliche Lage und das politische Umfeld während der Legislaturperiode die Politik im jeweiligen Politikfeld? Wie beeinflussten die Finanzkrise bei gleichzeitig guter konjunktureller Lage in Baden-Württemberg die Opportunitätsstrukturen für die Politik von Grün-Rot? Welchen Einfluss hatte die Schuldenbremse, nach der alle Bundesländer spätestens 2020 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren müssen, auf die Gestaltungsspielräume für Politik? Wie begegnete die Landes- politik aktuellen Herausforderungen auf nationaler und internationaler Ebene, wie der Flüchtlingskrise, dem demografischen Wandel und der bundesweiten Energiewende? Die theoretische Grundlage zur Beantwortung dieser Fragen soll dabei ins- besondere die Parteiendifferenztheorie bilden. Die Hypothese des Einflusses von Parteieneffekten beruht auf der umfassenden Literatur zum Einfluss der parteipolitischen Färbung von Regierungsparteien auf Policy-Outcomes. Die Parteiendifferenz-Hypothese besagt, dass die parteipolitische Färbung von Regie- rungsparteien wesentlichen Einfluss auf die Policy-Entscheidungen von Regie- rungen hat und dass Parteien an der Regierung einen signifikanten Unterschied für das Politikergebnis ausmachen können (vgl. Budge und Keman 1990, S. 132; Rose 1984). Ausgangspunkt der Parteiendifferenztheorie war die Untersuchung von Hibbs (1977), der zufolge sich die Regierungsbeteiligung von Rechts- und Linksparteien in jeweils unterschiedlichen Höhen von Arbeitslosigkeit und Inflation äußert. Sozialdemokratische und Linksparteien an der Regierung füh- ren dabei zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit, bürgerliche Parteien dagegen zu einer niedrigeren Inflation. Hibbs führt dies in erster Linie auf eine jeweils unterschiedliche Wählerklientel der beiden Parteienfamilien und von diver- gierenden Präferenzen dieser Wählerklientel zurück, die zu unterschiedlichem 4 F. Hörisch und S. Wurster Regierungshandeln der Parteien führen, indem diese versuchen, die Interessen ihrer jeweiligen Klientel zu befriedigen. Edward R. Tufte stimmte diesen Vor- stellungen zu (vgl. Tufte 1978, S. 83), ergänzt die Theorie von Hibbs allerdings um Überlegungen über den Wahlzeitpunkt, der für das Verhalten der Regierungs- und Oppositionsparteien maßgeblich werden kann (vgl. Schmidt und Ostheim 2007, S. 53). Da Parteien, um ihre Programme langfristig durchzusetzen, neben der Policy- auch immer die Stimmen- und Ämtermaximierung im Auge behalten müssen, erhält der Wahlterminkalender (vgl. Tufte 1978, S. 100) und die Mobili- sierungswirkung, die ein Thema für den Parteienwettbewerb hat, für die Regie- rungstätigkeit im jeweiligen Politikfeld eine große Bedeutung (vgl. Zohlnhöfer 2001, S. 657). Neuere Studien zeigen immer wieder Parteieneffekte auf, aller- dings sind diese meist abhängig von weiteren Faktoren, wie beispielsweise der gewählten Untersuchungsperiode, dem Untersuchungsdesign und des jeweiligen Ländersamples (vgl. Schmidt 2010; Wenzelburger 2015). Auch spielen die inter- dependenten Zusammenhänge aller relevanten Parteien in einem Parteiensystem (Grad an Konsens- und Konfliktpotenzial) eine mitunter entscheidende Rolle (vgl. Stern 2000, S. 60). Abschließend soll drittens eine Einordnung der durchgeführten Reformen im jeweiligen Politikfeld vorgenommen werden. Als Maßstab werden hierzu in den einzelnen Beiträgen zunächst die jeweiligen Spielräume für die Landespo- litik innerhalb des jeweiligen Politikfelds herangezogen (institutionelle Vorga- ben und Zuständigkeiten, etc.). Anschließend wird analysiert werden, inwieweit diese Spielräume von der grün-roten Landesregierung im spezifischen Politik- feld genutzt wurden. Zur Beantwortung der Frage, ob die dargestellten Reformen der grün-roten Landesregierung in den verschiedenen Politikfeldern einen radi- kalen Pfadbruch oder einen substanziellen Politikwechsel darstellen, oder ob im Wesentlichen die Politik der Vorgängerregierung fortgesetzt wurde, wird dabei auf unterschiedliche Klassifikationen von Reformen zurückgegriffen. Dies kann etwa die Klassifizierung von Reformen durch Peter Hall sein, je nach den Spezi- fika des jeweiligen Politikfeldes wird jedoch auch auf andere Reformklassifikati- onen zurückgegriffen. Hall (1993) unterscheidet in seiner Klassifikation zwischen Reformen erster, zweiter und dritter Ordnung. Reformen werden dabei als Refor- men erster Ordnung bezeichnet, wenn die grundlegenden Ziele und verwendeten Maßnahmen der Politik gleich bleiben und es lediglich zu einer Veränderung des Ausmaßes des Einsatzes der verschiedenen Politikinstrumente kommt, indem bei- spielsweise eine bestehende Steuer erhöht oder gesenkt wird. Reformen zweiter Ordnung liegen dagegen vor, wenn es zur Veränderung der eingesetzten Politi- kinstrumente kommt, also beispielsweise ein neuer Steuerungsmechanismus wie eine neue Abgabe oder Steuer eingeführt wird. Reformen dritter Ordnung setzen

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