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Das Gesellschaftsbild des Ingenieurs. Zum politischen Verhalten der Technischen Intelligenz in Deutschland PDF

230 Pages·1970·6.11 MB·German
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Gerd Hortleder, geboren am 5. November 1939 in Hoya an der Weser, studierte Soziologie, Geschichte und Philosophie in Münster, Wien, Freiburg und Berlin. Er ist heute wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie der Technischen Universität in Berlin. Die Arbeit des jungen Berliner Wissenschaftlers behandelt ein von den Sozialwissenschaften lange ausgespartes Thema: das Selbstbewußt­ sein der Technischen Intelligenz und die politischen Implikationen so­ wohl ihrer Rolle in der Gesellschaft als auch ihres Wissenschaftsbegriffs. Hortleder untersucht am Beispiel des VDI den Funktionswandel des Ingenieurberufs in Deutschland seit 1850. Er beschreibt die Beziehun­ gen dieses Berufs zur Industrie und zum Staat, sein Verhältnis zum Nationalsozialismus und zur konservativen Kulturkritik, die ideolo­ gischen Komponenten im Selbstbild des Technikers sowie die Folgen einer am elitären Dienstleistungs- oder Forschungsbegriff orientierten Einstellung zur praktischen Politik. Gerd Hortleder Das Gesellschaftsbild des Ingenieurs Zum politischen Verhalten der Technischen Intelligenz in Deutschland Suhrkamp Verlag edition suhrkamp 394 Erste Auflage 1970 <£) Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970. Erstausgabe. Printed in Germany. Alle Rechte Vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Satz, in Linotype Garamond bei Georg Wagner, Nördlingen. Gesamtausstattung Willy Fleckhaus. Für Schalke 04 und Manuel Bemtez, Les Stes-Maries-de-la-Mer und JMN Inhalt Zweck und Problem der Darstellung 7 A Die Funktion »der Industrie« im Gesellschaftsbild des Ingenieurs 18 I. Die Gründungs- und Konsolidierungsphase des VDI: Technik als Leitbildzentrum 18 1. Die Ziele des Vereins 18 2. Die Struktur des Vereins 22 II. Struktur-und Funktionswandel im Ingenieurberuf 37 III. Die Reaktion des VDI 44 1. Die Neutralisierungslösung im Klassenkampf 44 2. Die Diskrepanz zwischen Mitgliederstruktur und Zusammensetzung der VDI-Elite 49 3. Der VDI als technisch-wissenschaftliches Dienst­ leistungsorgan der Industrie 58 IV. Techniker, Ingenieure und Gewerkschaften 66 B Uber die politische Verführbarkeit technizistischen Geistes 72 I. Der Umschlag von der Neutralisierung zu technokratischen Tendenzen 72 1. Die Voraussetzung: Das gebrochene Verhältnis des Ingenieurs zum Staat 72 2. Die Folgerung: Der Wille zur Macht oder Die Bedeutung des Weltkrieges für das soziale Selbstverständnis des Ingenieurs 79 3. Anti technische Kulturkritik 83 4. Technik als literarisches Thema oder Der Ingenieur in der Rolle des Helden 89 5. Technokratische Konzeptionen 93 II. Ingenieur und Nationalsozialismus 107 1. Die Unzufriedenheit des Ingenieurs mit der Weimarer Republik 107 2. Die Gleichschaltung des VDI und ihre Auswirkungen 113 3. Der Prototyp des »unpolitischen« Technokraten: Albert Speer 121 4. Die Entdämonisierung der Technik und ihr neuer Mythos im nationalsozialistischen System 123 5. Fazit: Die illusionäre Negation des Politischen als Grundhaltung des VDI 132 C Zwischen Integration und Entfremdung 139 I. Voraussetzungen und Hindernisse auf dem Wege zur Integration 139 1. Der Ingenieur als Sieger der Niederlage 139 2. Die Integration der Technik 141 3. Die Unzufriedenheit des Ingenieurs: Mangelhafte Anerkennung und ihre Begründung 143 4. Die scheinbare Antinomie Kultur-Zivilisation 145 II. Ideologische Komponenten im Selbst- und Gesellschaftsbild des Ingenieurs 150 1. Das technizistische Leitbild 150 • 2. »Der Mensch« und die Technik 156 III. Fazit und Folgerungen 163 1. Versuch eines Fazits 163 a. Die Ambivalenz des Ingenieurberufs 163 b. Der vergessene Wandel 167 c. Das verkürzte Bewußtsein 169 2. Die Rolle der Hochschule 171 3. Politische Alternativen 176 a. Interessenvertretung durch Gewerkschaften 176 b. Gründung eines neuen Ingenieurvereins 180 c. Politisierung des DVT 183 d. Zusammenschluß im ZBI 183 e. VDI als Dienstleistungsorgan der Industrie oder Interessenvertretung der Ingenieure 185 Anhang 199 »Man kümmerte sich eben nur um seinen eigenen Kram und möglichst nicht um das, was nebenan passierte.« Dipl.-Ing. Albert Speer, Rüstungsminister und Reichswalter des NSBDT 1942-1945, im Jahr 1966 »Speer war der »Manager eines Rüstungswunders<, das im Licht der Geschichte nicht kleiner erscheinen wird als das westdeutsche Wirt­ schaftswunder.« Die Welt, 23. 8.1969 »Im übrigen ist natürlich eine Diktatur, wenn der Diktator sein Handwerk versteht, effektiver als eine Demokratie.« Frankfurter Rundschau, 29. 12.1969 »>Aus einem Kreuz könnte man zwei Galgen machen< - sagte gering­ schätzig der Fachmann.« Stanislaw Jerzy Lee Zweck und Problem der Darstellung Die Tatsache, daß ein Jahr nach der ersten Mondlandung keine größeren Studien zum Ingenieurberuf vorliegen, stimmt nach­ denklich. Ist sie ein Glied in der Beweiskette jener, die den Sozialwissenschaften ein getrübtes Verhältnis zur Wirklichkeit vorwerfen? In der Tat gibt es keine vernünftigen Gründe, eine Arbeit zur Soziologie der Apotheker1 wichtiger zu nehmen als eine zur Soziologie des Ingenieurs. Auch macht es stutzig, daß in dem über 500 Seiten starken Werk Ralf Dahrendorfs Gesellschaft und Demokratie in Deutschland die Bezeichnung »Ingenieur« nicht einmal auftaucht, während der Autor zum Teil sehr ausführlich über folgende Berufe und Berufsgruppen berichtet: Akademiker, Arbeiter, Ärzte, Beamte, Generale, Intellektuelle, Juristen, Lehrer und Professoren. Immerhin er­ fahren wir, daß der »Wirtschaftsführer« häufig »technische Fächer« studiert hat1 2. Dies allein auf den Mangel an Literatur über den Ingenieurberuf zurückzuführen, wäre leichtfertig, zu­ mal auch der Begriff der Technik in Dahrendorfs Buch nur ein einziges Mal vorkommt (S. 145). Andererseits sollte man die Ursachen für die mangelnde Reflexion über diesen zentralen Beruf nicht ausschließlich bei den Sozialwissenschaftlern suchen, für die im übrigen Dahrendorf nur ein Beispiel ist. Denn die Abstinenz der Soziologie gegenüber dem Ingenieur spiegelt nur die Rolle wider, die dieser Beruf im Bewußtsein unserer Gesell­ schaft bis vor nicht allzu langer Zeit gespielt hat; sie ist ein Ausdruck der Unfähigkeit des Ingenieurs und seiner Interes­ senvertretungen, die eigene Position und seine spezifischen Interessen in dieser Gesellschaft zu erkennen und sie wirkungs­ voll zu artikulieren. Ein Vergleich mit der Literatur über die Berufe des Arbeiters und des Unternehmers verdeutlicht diese Diskrepanz. 1 Harald E. Kuhn, Soziologie der Apotheker, Stuttgart 1963. 2 Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 287. Nicht genannt ist der Ingenieur auch bei Karl Martin Bolte, Deutsche Gesellschaft im Wandel, Opladen 1966. - Ausl. Lit. s. S. 215 ff. 7 Es besteht ein Wechselverhältnis zwischen dem unklaren Be­ rufsbild des Ingenieurs, dem es nicht in gleichem Maße wie anderen Berufen gelungen ist, das ihm gebührende Interesse bei der Gesellschaft und der Wissenschaft von dieser Gesellschaft zu finden, und den Sozialwissenschaften, die, fasziniert von überlieferten Fragestellungen (und zum Teil auch selbst Opfer des Gegensatzes von Kultur und Zivilisation in unserer Gesell­ schaft), die technisch-wissenschaftlichen Berufe länger ignoriert haben, als beiden Teilen nützlich sein konnte. Ich bin der Mei­ nung, daß das Gesellschaftsbild des Ingenieurs heute anders aussähe, wenn die Sozialwissenschaften diesem Beruf im Lauf seiner Entwicklung nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit entgegengebracht hätten, die sie beispielsweise dem Arbeiter gewidmet haben. Der Versuch, ein historisch-soziologisches Thema über einen Zeitraum von über hundert Jahren hinweg zu behandeln, ver­ langt Bescheidung und Begrenzung. Wer heute Aussagen über Gesellschaftsbild und Selbstbild »des Ingenieurs« beispielsweise im Jahre 1880 oder 1920 machen möchte, stößt auf unüber­ windliche Schwierigkeiten. Um sie zu umgehen, wurde ein Verein dieser Berufsgruppe zum Untersuchungsobjekt gewählt: der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Diese Entscheidung zu begründen, fällt leicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Ver­ bänden, die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhun­ derts gegründet worden sind, verfügt der VDI über den un­ schätzbaren Vorteil, einer der ältesten Vereine zu sein3. Dreißig Jahre Vorsprung bedeuten in jener Zeit sprunghafter industrieller Entwicklung sehr viel. Die Analyse beispielsweise auf den ebenfalls nicht unwichtigen, doch erst 1893 gegründe­ ten Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) zu konzentrie­ ren, hätte den Verzicht auf die Darstellung grundlegender struk­ tureller und funktionaler Wandlungen des Ingenieurberufs zur Folge gehabt. Dieser Hinweis zeigt jedoch auch, daß der VDI zu keiner Zeit die alleinige Vertretung der Ingenieure gewesen ist. Von seiner Gründung bis in die siebziger Jahre war er ohne Zweifel der dominierende Ingenieurverein. Und er hat diese Position unter den technisch-wissenschaftlichen Verbän- 3 Der VDI wurde 1856 gegründet. 8 den trotz der Existenz so bedeutender Vereine wie des VDE und des VDEh bis heute behaupten können. Als führende, übermächtige Gruppe innerhalb des Deutschen Verbandes tech­ nisch-wissenschaftlicher Vereine ist der VDI mit seinen rund 60 ooo Mitgliedern in angebbaren Grenzen - die im Verlauf der Untersuchung aufgezeigt werden - repräsentativ für die etwa 210000 in technisch-wissenschaftlichen Vereinen organi­ sierten Ingenieure. Doch wer repräsentiert den VDI? Der Redakteur, der die teil­ weise auflagenstarken Vereinszeitschriften redigiert, oder ein einzelnes Mitglied, das zu den Honoratioren zählt und zur Feier des 75. Vereinsjubiläums vor irgendeinem Bezirksverein eine Rede hält? Selbst eine systematische Inhaltsanalyse aller VDI-Publikationen, die ein einzelner zu leisten ohnehin nicht in der Lage ist, stieße nicht nur an diesem Punkte auf Schwie­ rigkeiten. Gediehen bis zum Entwurf einer Lochkarte und einigen Pretests, erbrachte sie ironischerweise Ergebnisse, die ich später in den »Tätigkeitsberichten« des VDI-Vorstandes nachlesen konnte. Solche Zufallstreffer ersetzen freilich nicht die systematische Untersuchung aller Publikationen, wiewohl ich den gewählten analytischen Ansatz, der viel geringeren Aufwand erfordert, nicht von vornherein als minder ergiebig ansehe. Der Grenzen meiner Methode bin ich mir aber durch­ aus bewußt. Um den Themenbestand eines bisher kaum bear­ beiteten Gegenstandes überhaupt einmal (wie vorläufig auch immer) zu charakterisieren, wurde eine Grundsatzentschei­ dung getroffen zugunsten einer problemorientierten Leitstudie. Obwohl nach Möglichkeit quantitative Verfahren benutzt wurden, war der gelegentliche Rückgriff auf qualitative Methoden unumgänglich. Die Ergebnisse können daher nicht in allen Punkten als abgesichert und kontrollierbar gelten; auf den Hypothesencharakter einzelner Aussagen sei ausdrücklich hingewiesen. Diese Studie verbindet eliteanalytische, ideolo­ giekritische und organisationstheoretische Fragestellungen mit­ einander. Unter »Elite« verstehe ich mit Hans Peter Dreitzel »diejenigen Inhaber der Spitzenpositionen in einer Gruppe, Organisation oder Institution, die aufgrund einer sich wesent­ lich an dem (persönlichen) Leistungswissen orientierenden Aus­ 9

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