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Das Geheimnis der San Andreas PDF

336 Pages·1991·0.84 MB·German
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Kriegswinternacht über dem Nordatlantik. Bei Sturm und schwerer See hält die San Andreas ihren Kurs auf der Geleitzugroute von Murmansk nach Aberdeen. Mit großen, hell beleuchteten roten Kreuzen an der Bordwand und auf den Decks müßte sie als britisches Lazarettschiff erkennbar sein, nach der Genfer Konvention sicher vor Angriffen deutscher Flugzeuge und U-Boote. Aber die roten Kreuze sind unsichtbar: Die Schweinwerfer sind erloschen. Und die Besatzung weiß: es ist kein gewöhnlicher Stromausfall. Die San Andreas hat einen Saboteur an Bord – und einen versteckten Peilsender, der dem Gegner unablässig ihre Position verrät. Ein Luftangriff zerstört Ruderanlage, Kompaß und Funkstation und setzt die gesamte Schiffsführung außer Gefecht; Bootsmann Archie McKinnon, ein erfahrener Seemann, übernimmt das Kommando. Weitere Angriffe folgen. Doch es scheint, als ginge es dem Gegner nicht darum, die San Andreas zu versenken. Ist es seine Absicht, das Schiff aufzubringen – ein Lazarettschiff mit ziviler Besatzung, mit Ärzten und Krankenschwestern, mit Kranken und Verwundeten unterschiedlicher Nationalität? Und wenn es so ist – warum? Gibt es ein Geheimnis an Bord der San Andreas, von dem niemand etwas weiß? Mit diesem spannenden Roman kehrt der internationale Erfolgsautor Alistair MacLean zum Thema des Seekriegs zurück, dem Thema seines ersten Buches Die Männer der »Ulysses« – eines Weltbestsellers, dem noch viele andere Weltbestseller folgten. Der Autor Alistair MacLean, Jahrgang 1922, in Schottland geboren und aufgewachsen, diente im Zweiten Weltkrieg bei der britischen Marine und studierte danach an der Universität Glasgow. Eine seiner Kurzgeschichten gewann einen Preis des Glasgow Herald. Daraufhin schrieb er seinen ersten Roman Die Männer der »Ulysses«, dem zahlreiche weitere Romane mit einer Gesamtauflage von mehr als 50 Millionen Exemplaren folgten. 1983 wurde er Ehrendoktor der Universität Glasgow. Alistair MacLean Das Geheimnis der San Andreas Roman Aus dem Englischen von Wulf Bergner Originally published in English by William Collins Sons & Co. Ltd. under the title SAN ANDREAS CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek MacLean, Alistair: Das Geheimnis der San Andreas: Roman / Alistair MacLean. Ausd. Engl. von Wulf Bergner.-Hamburg: Hoffmann und Campe, 1985. Einheitssacht.: San Andreas <dt. > ISBN 3-455-05130-8 Non-profit scan by tigger/Yfffi, 2002 Copyright © 1984 by Alistair MacLean Copyright © der deutschen Übersetzung 1985 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, und Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Schutzumschlag und Einbandgestaltung: Hannes Jähn Gesetzt aus der Aldus Satz: Utesch Satztechnik GmbH, Hamburg Druck und Bindearbeiten: May & Co, Darmstadt Printed in Germany Hoffmann und Campe Vorwort Die Handlung dieses Romans wird von drei miteinander verquickten Elementen bestimmt: der britischen Handels- marine und ihren Schiffsbesatzungen, den Liberty-Schiffen – und jenen Einheiten der deutschen Wehrmacht unter Wasser, auf See und in der Luft, die den Auftrag hatten, die Schiffe und Besatzungen der Handelsmarine aufzuspüren und zu vernichten. 1. Bei Kriegsausbruch im September 1939 befand sich die britische Handelsmarine in der Tat in einem beklagenswerten Zustand – »erbärmlich« wäre vielleicht ein treffenderer Ausdruck. Die meisten ihrer Schiffe waren alt, eine beträchtliche Anzahl war nicht seetüchtig, und einige waren kaum mehr als rostende, von ständigen Maschinenschäden heimgesuchte Hulke. Dennoch befanden sich diese Schiffe noch in verhältnismäßig guter Verfassung im Vergleich zu den Lebensbedingungen der Männer, die das Unglück hatten, auf diesen Schiffen angeheuert zu haben. Die Ursache für die arge Vernachlässigung von Schiffen und Besatzungen ließ sich in einem Wort zusammenfassen: Geldgier. Die Großreeder von damals – und von dieser Sorte gibt es noch heute nicht wenige – waren habgierig, geizig und völlig ihrem Idol ergeben: Gewinne um jeden Preis, solange sie diesen Preis nicht selbst zu zahlen hatten. Die Parole des Tages hieß Zentralisierung – die Zusammenfassung überbordender Monopole in einigen gierigen Klauen. Während den Besatzungen die Heuer gekürzt und ihre Lebensbedingungen auf das Existenzminimum herabgedrückt wurden, setzten die Schiffseigner Fett an; das galt auch für einige der Direktoren dieser Reedereien und eine beträchtliche Anzahl bevorzugter Aktionäre. 5 Die Machtbefugnisse der Schiffseigner, die natürlich im Hintergrund blieben, waren nahezu unumschränkt. Ihre Flotten waren ihre Satrapien, ihre Lehen, und die Besatzungen waren ihre Leibeigenen. Ein Leibeigener, der gegen die bestehende Ordnung aufbegehrte, stürzte sich selbst ins Unglück. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sein Schiff zu verlassen, was buchstäblich ein Sprung ins Leere war: abgesehen von der Tatsache, daß er automatisch auf eine schwarze Liste gesetzt wurde, war die Arbeitslosigkeit in der Handelsmarine hoch, und die wenigen freien Stellen waren nur für willige Leibeigene bestimmt. An Land war die Arbeitslosigkeit noch höher, und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, ist es Seeleuten schon immer schwergefallen, an Land heimisch zu werden. Für den rebellierenden Leibeigenen gab es nirgends eine Zuflucht. Daß Leibeigene rebellierten, kam nur sehr selten vor. Die weitaus meisten kannten ihren Stand und strebten nicht nach Höherem. Amtliche Darstellungen tendieren dazu, diese Zustände zu beschönigen oder sie zu ignorieren – eine verständliche Kurzsichtigkeit. Die Behandlung der Besatzungen der Handelsmarine zwischen den Kriegen und sogar noch im Zweiten Weltkrieg ist kein Ruhmesblatt in den Annalen der britischen Seefahrt. Aufeinanderfolgende Regierungen zwischen den Kriegen kannten die Lebensbedingungen in der Handelsmarine recht gut – sie hätten außergewöhnlich dumm sein müssen, um nicht auf sie aufmerksam zu werden – und erließen deshalb, um ihr Gesicht zu wahren, eine Reihe von Verordnungen mit Mindestanforderungen in bezug auf Unterkunft, Verpflegung, Hygiene und Sicherheit. Regierungen wie Schiffseigner waren sich völlig darüber im klaren – die Eigner zweifellos händereibend –, daß Verordnungen keine Gesetze und deshalb nicht einklagbar sind. Die Empfehlungen wurden fast gänzlich ignoriert. Ein 6 gewissenhafter Kapitän, der sie durchzusetzen versuchte, mußte damit rechnen, bald ohne Schiff dazustehen. Augenzeugenberichte über die Lebensbedingungen an Bord von Schiffen der Handelsmarine in den Jahren unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg – es gibt keinen Grund, diesen Berichten nicht zu glauben, zumal sie in ihrer Aussage deprimierend übereinstimmen – schildern die Besatzungs- unterkünfte als so primitiv und miserabel, daß sie jeder Beschreibung spotteten. Gesundheitsinspektoren stellten Fälle fest, in denen die Besatzungsunterkünfte nicht einmal für Tiere, geschweige denn für Menschen geeignet gewesen wären. Die Unterkünfte waren beengt und ohne jeglichen Komfort. Die Decks waren naß, die Kleidung der Männer war naß, und die Matratzen und Decken, wo solcher Luxus geboten wurde, waren im allgemeinen durchweicht. Sanitäre Einrichtungen reichten vom Primitiven bis zum Nichtexistenten. Überall war es kalt, und Heizmöglichkeiten – abgesehen von rauchenden, stinkenden Kohleöfen – waren ebenso selten wie Lüftungs- vorrichtungen. Und das Essen, das in keinem Armenhaus geduldet worden wäre, wie es in einem Erlebnisbericht hieß, war noch scheußlicher als die Unterkünfte. Das oben Ausgeführte mag manchen Lesern unglaubwürdig erscheinen, aber das ist es keineswegs. Dem Londoner Institut für Hygiene und Tropenmedizin oder dem Statistischen Amt ist noch niemals vorgeworfen worden, ungenaue und übertriebene Angaben zu machen. Ersteres stellte in einem vor dem Krieg erstatteten Bericht fest, daß die Sterblichkeit von Seeleuten unter 55 Jahren das Doppelte des Durchschnittswerts der restlichen männlichen Bevölkerung betrug, und vom letzteren veröffentlichte Statistiken zeigten, daß die Sterblichkeit von Seeleuten aller Altersstufen um 47 Prozent über dem Landesdurchschnitt lag. Die Killer waren Tuberkulose, Gehirnschlag und Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre. 7 Die hauptsächliche Todesursache war zweifellos die Tuberkulose. Sieht man sich heutzutage in Westeuropa um, wo Lungenheilstätten glücklicherweise rasch verschwinden, kann man sich kaum vorstellen, welch schreckliche Geißel die Tuberkulose vor einer Generation war. Dabei ist die Tuberkulose weltweit keineswegs ausgerottet; in vielen Entwicklungsländern bleibt sie dieselbe schreckliche Geißel und hauptsächliche Todesursache, wie sie zu Anfang unseres Jahrhunderts in Westeuropa und Nordamerika noch der Killer Nummer eins gewesen ist. Das ist nicht mehr der Fall, seit die Wissenschaft Mittel entwickelt hat, um den Tuberkelbazillus zu bändigen und zu vernichten. Aber 1939 war das noch immer sehr wohl der Fall: die Entdeckung der chemotherapeutischen Wirkstoffe Rifampin, Para-Aminosalicylsäure, Isoniazid und vor allem Streptomyzin lag noch in ferner Zukunft. Auf diese schwindsüchtigen, schlecht untergebrachten und miserabel verpflegten Seeleute griff Großbritannien zurück, als es darum ging, Lebensmittel, Erdöl, Waffen und Munition an seine Küsten und die seiner Verbündeten zu transportieren. Das war der unverzichtbare Versorgungsweg, die Arterie, die Lebensader, von der Großbritannien abhängig war. Ohne diese Schiffe und Männer wäre Großbritannien bestimmt unter- gegangen. Dabei verdient festgehalten zu werden, daß die Arbeitsverträge dieser Männer beendet waren, sobald Torpedo, Mine oder Bombe trafen. Im Krieg wie im Frieden sorgten die Eigner bis zum bitteren Ende dafür, daß sie Gewinne machten: der Seemann erhielt ab sofort keine Heuer mehr, wenn sein Schiff unterging – gleichgültig wo, wie oder unter welchen unvorstellbaren Umständen. Sank das Schiff eines Eigners, weinte er ihm keine Träne nach, denn seine Schiffe waren versichert, meistens hoch überversichert; sank das Schiff eines Seemanns, wurde er fristlos entlassen. Regierung, Admiralität und Reedereien der damaligen Zeit 8 hätten über ihr Verhalten zutiefst beschämt sein müssen. Wenn sie es waren, verbargen sie ihre Beschämung mannhaft. Verglichen mit Prestige, Ruhm und Gewinnen waren die Lebensbedingungen und die Schrecken des Todes der Schiffs- besatzungen in der Tat höchst nebensächliche Erwägungen. Es wäre nicht recht, die britische Bevölkerung zu verdammen. Mit Ausnahme der Angehörigen und Freunde von Männern in der Handelsmarine und den großartigen freiwilligen Hilfsorganisationen, die zur Unterstützung von Überlebenden gegründet wurden – solche humanitären Lappalien kümmerten weder Schiffseigner noch Regierung –, gab es nur sehr wenige, die wußten oder auch nur vermuteten, welche Zustände in der Handelsmarine herrschten. 2. Als ein Versorgungsweg, eine Arterie, eine Lebensader waren die Liberty-Schiffe ein wichtiger Teil der britischen Handelsmarine. Ohne sie wäre Großbritannien sicherlich in die Knie gezwungen worden. Alle Nahrungsmittel, alles Öl, alle Waffen und Munition, die Länder in Übersee – vor allem die Vereinigten Staaten – bereitwillig liefern wollten, waren wertlos ohne Schiffe, mit denen sie transportiert werden konnten. Nach kaum zwei Kriegsjahren drängte sich die deprimierende Erkenntnis auf, daß es angesichts der tödlichen Abnutzung der britischen Handelsflotte schon bald und unweigerlich keine Schiffe mehr geben würde, die irgend etwas transportieren konnten, und daß Großbritannien unaufhaltsam bis zur Kapitulation ausgehungert werden würde. Im Jahre 1940 zweifelte selbst Winston Churchill an den britischen Überlebens- oder gar Siegeschancen. Die Verzweiflung hielt charakteristischerweise nicht lange an, aber der Himmel allein wußte, daß Churchill Grund dazu hatte. Seit 900 Jahren war nur Großbritannien von allen Ländern der Welt niemals besetzt worden; doch in den dunkelsten Tagen des Zweiten Weltkriegs erschien eine Invasion nicht nur 9 gefährlich nahe, sondern geradezu unvermeidbar. Blickt man heute aus einem Abstand von über vier Jahrzehnten zurück, erscheint es unvorstellbar und unmöglich, daß das Land durchgehalten hat; wäre die Wahrheit damals an die Öffentlichkeit gelangt, hätte es das höchstwahrscheinlich nicht geschafft. Die britischen Schiffsverluste waren erschreckend und überstiegen selbst die lebhafteste Vorstellungskraft. In den ersten elf Kriegsmonaten verlor Großbritannien 1 500 000 BRT Schiffsraum. Anfang 1941 lagen die durchschnittlichen Verluste in einigen Monaten bei fast 500 000 BRT. Im Jahre 1942, der dunkelsten Periode der Schlacht im Atlantik, wurden 6 250 000 BRT Schiffsraum versenkt. Selbst in Tag- und Nachtschichten konnten die britischen Werften nur einen Bruchteil dieser Verluste ausgleichen. Das sowie die Tatsache, daß die Zahl der einsatzbereiten deutschen U-Boote in diesem schweren Jahr von 91 auf 212 stieg, ließ erwarten, daß die britische Handelsmarine irgendwann aufhören würde zu existieren, falls nicht ein Wunder geschah. Dieses Wunder hieß Liberty-Schiffe. Für jeden, der sich an die damalige Zeit erinnern kann, verbindet sich mit dem Begriff Liberty-Schiffe automatisch der Name Henry Kaiser. Kaiser war ein amerikanischer Ingenieur, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine eindrucksvolle Karriere hinter sich hatte. Er hatte eine wichtige Rolle beim Bau der Hoover- und Coulee-Staudämme sowie der San Francisco-Brücke gespielt. Ob Henry Kaiser imstande gewesen wäre, ein Ruderboot zu konstruieren, ist fraglich – aber darauf kam es nicht an. Wahrscheinlich gab es damals auf der ganzen Welt keinen Mann, der eine klarere Vorstellung vom Fertigteilbau auf der Basis eines wiederholbaren Standardentwurfs hatte, und er zögerte nicht, Bauteile bei Fabriken in den Vereinigten Staaten zu bestellen, die Hunderte von Kilometern vom Meer entfernt 10

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