ebook img

Das Dilemma der modernen Stadt: Theoretische Überlegungen zur Stadtentwicklung — dargestellt am Beispiel Zürichs PDF

145 Pages·1992·7.313 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Das Dilemma der modernen Stadt: Theoretische Überlegungen zur Stadtentwicklung — dargestellt am Beispiel Zürichs

G. Diirrenberger H. Emste R Purger C.Jaeger D.Steiner B.Truffer DasDilemma der modemen Stadt Theoretische Ubedegungen zur Stadtentwicklung - dargestellt am Beispiel Ziirichs Mit 20 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Hong Kong Barcelona Budapest Dr. Gregor DUrrenberger Dr. Huib Ernste Dip1. E1. Ing. ETH Franco Furger Dr. Carlo Jaeger Professor Dr. Dieter Steiner Humanokologie ETH Eidgenossische Technische Hochschule WinterthurerstraBe 190 CH-80S7 ZUrich Dip1. Geogr. Bernhard Truffer Institut de Geographie Universite de Fribourg Perolles CH-1700 Fribourg Der Kartenausschnitt auf der Umschlagvorderseite wurde mit freundlicher Genehmigung aus dem VAG-StraBenatias 1990/91 entnommen. © RV Reise-und Verkehrsverlag Berlin Giitersloh Leipzig Miinchen Potsdam/Werder Stuttgart 1990 ISBN-13: 978-3-540-54300-8 e-ISBN-13: 978-3-642-76783-8 DOl: 10.1007/978-3-642-76783-8 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Das Dilemma der modernen Stadt: theoretische Uberlegungen zur Stadtentwicklung - dargestellt am Beispiel Ziirichs 1 G. Diirrenberger ... - Berlin; Heidelberg; New York ; London; Paris; Tokyo; Hong Kong; Barcelona; Budapest: Springer, 1992 NE: Diirrenberger, Gregor Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe berrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1992 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirfen. Satz: Reproduktionsfertige Vorlage vom Autor 30/3145-5432lO - Gedruckt auf saurefreiem Papier Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte der Gruppe Human6kologie am Departement fur Umweltnaturwissenschaften der ETH ZUrich. Das erste dieser Projekte, im Auft rag des Bauamtes II der Stadt ZUrich durch gefUhrt und 1988 abgeschlossen, hatte die Entwicklung von Bfiroaktivitaten in der Stadt ZUrich zum Gegenstand. Ein zweites, kleineres Projekt, im Jahre 1989 ausge fUhrt, untersuchte im Auft rag des Hochbauamtes der Stadt ZUrich Tendenzen und Probleme des lokalen Gewerbes. Spezieller Dank gebuhrt an dieser Stelle Stadtratin Dr. Ursula Koch, Yorsteherin des Bauamtes II der Stadt ZUrich. Sie regte mit der Finanzierung der beiden erwahnten Projekte einen fruchtbaren Dialog zwischen BeMrde und Wissenschaft an, der an ver schiedenen Stellen zu interessanten inhaltlichen Kontroversen fUhrte. Bedanken moch ten wir uns ffir vielfliltige Unterstutzung und Kritik auch bei Stadtbaumeister Hans Rudolf Ruegg, bei Richard Heim und Endre Janos (Hochbaumt der Stadt ZUrich), 80- wie beim Statistischen Amt der Stadt Zurich. Ein grosseres Projekt, welches dieses Buch entscheidend gestaltete, wurde yom Schweizerischen Nationalfonds zur Forderung der wissenschaftlichen Forschung un terstutzt (Projekt-Nr. 10-2408.88). Es beschaftigte sich wahrend dreier Jahre im inter nationalen und schweizerischen Kontext mit Fragen zur flexiblen Spezialisierung. 1m Rahmen dieses Projektes konnten wir auf die ausserst stimulierende Mitarbeit von Prof. Charles F. Sabel (MIT, Boston) zahlen. An ibn geht unser spezieller Dank. Ffir hilfreiche Kritik danken wir sodann Prof. Jfirgen Friedrichs (Universitat Hamburg). Die Yerantwortung ffir verbliebene Fehler liegt selbstverstiindlich bei den Autoren. Ffir die professionelle Durchsicht und stilistische Bearbeitung des Manuskriptes sind wir Barbara Hampel zu grossem Dank verpflichtet, ffir die Hilfe bei der Endredaktion Lisbeth Bieri und Georg Pankow. Unser ganz besonderer Dank geht zorn Schluss an Dr. Gottfried Suchy yom Springer-Verlag. Seine Initiative hat es m6glich gemacht. dass dieses Buch Aufnahme ins Programm des Springer-Yerlages fand. Inhaltsverzeichnis Einleitung .......................................................................................... 1 Teil I Die Entstehung der modernen Stadt 1 Die Entmischung der Stadt ..................................................... 9 1.1 Die sichtbare Hand ....... ............ ... ............... ............. ...... ........... ...... 9 1.2 Die unsichtbare Hand ..................................................................... 18 2 Privatleben, Offentlichkeit und Beruf .......... .......... ......... ....... 31 2.1 Die kulturelle Evolution der Stadt .................................................... 32 2.2 Modem Times ............................................................................... 41 Teil II Das Dilemma der modernen Stadt 3 Eine verselbstandigte Welt der Arbeit ................................... 49 3.1 Die regionale Wirtschaft ................................................................. 50 3.2 Der Finanzplatz ZUrich ................................................................... 58 4 Auf dem Weg zum autistischen Wohnen ............................... 67 4.1 Yuppies, Dinkies und Miss Marples ................................................. 67 4.2 Die intime Gesellschaft ................................................................... 81 Teil III Die Zukunft der modernen Stadt 5 Polarisierung oder neue Urbanitat? ........................................ 93 5.1 Fordismus und Flexible Spezialisierung ............................................ 94 5.2 Von der Suburbanisierung zur EntstMterung ...................................... 101 5.3 Neue Handlungsspielr:lume ............................................................... 108 Literaturverzeichnis ............................................................................ 123 Personenverzeichnis ............................................................................ 133 Sachverzeichnis ................................................................................... 137 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abb.t. Die modeme Stadt nach Burgess ..................................................... 15 Abb.2. Differentialrente ........................................................................ 21 Ab b.3. Nutzungsstruktur von ZUrich (1975) ................................................ 27 Abb.4. Nutzungsstruktur von ZUrich (1985) ................................................ 28 Abb.S. Karte der Agglomeration ZUrich ... . . . . . . . . . .. . . .. . .. .. .. .. . . . . .. .. .. .. .. .. . .. .. . . .. 52 Abb.6. Verlinderung der Beschliftigung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . .. .. .. .. .. .. . .. .. . . .. 53 Abb.7. Entwicklung der Beschliftigung ..................................................... 54 Abb.8. Verlinderung der Kleinstbetriebe bis 10 Beschliftigte ........................... 55 Abb.9. Flachenverbrauch nach Nutzungsarten ............................................. 56 Abb.l0. Entwicklung von Wohnbevlilkerung und ArbeitspHttzen ...................... 57 Abb.lt. Relative Verlinderung der Beschliftigung im Dienstleistungssektor . .. . .. ... 61 Abb.12. Beschliftigte im Gewerbe ............................................................. 62 Abb.13. Verlinderung der Vollzeit- und Teilzeitbeschliftigung ........................... 63 Ab b.14. Lohnniveau weiblicher Angestellter in der Schweiz ............................ 64 Ab b.lS. Entwicklung der BUroflachen ........................................................ 65 Ab b.16. Raumliche Verteilung ausgewiihlter Bevolkerungskategorien ................ 75 Abb.17. Entwicklung des Flachenverbrauchs fUr Wohnen ................................. 77 Abb.18. Entwicklung der Haushaltsstruktur und der W ohnungsstruktur . .. .. . .. .. . . ... 78 Abb.19. Altersaufbau der Stadt ZUrich ......................................................... 79 Abb.20. Nutzungsentwicklung der Grundflache der Stadt ZUrich .......................... 90 Tabelle 1. Bevlilkerungsentwicklung der Stadt Zurich ..................................... 42 Tabelle 2. Profile der in ZUrich Gebliebenen, Abgewanderten und Zugewanderten ... 67 Tabelle 3. Wohnungsmieten 1980 und 1989 ................................................ 80 Einleitung Die modeme Stadt ist hin und her gerissen zwischen der Perspektive einer Arbeitsstadt und derjenigen einer Wohnstadt. Aller Voraussicht oach wird sich keine der beiden durchsetzen. Aber ein KompromiB ist Dicht in Sieht, solange sich Arbeiten und Woh nen als getrennte Nutzungen gegenfiberstehen. Diese Trennung war einmal eine Ant wort auf die Probleme der Industriegesellschaft. Die Frage ist, ob die Probleme einer postindustriellen Gesellschaft nicht andere Antworten erfordem und erm6glichen. Ak tuelle Fragen der Stadtentwicklung diirften sich kaum beantworten lassen ohne eine neuartige Auseinandersetzung mit der Konzeption der modemen Stadt, welche jene Trennung fixiert hat. Eine solche Auseinandersetzung kann indes Dicht in der Absicht gefiihrt werden, pfannenfertige L6sungen zu finden. Es kann nicht darum gehen, das eine (modeme) Konzept durch ein anderes (nachmodemes) zu ersetzen. Vielmehr gilt es, Freiheitsgrade der Entwieklung zu identifizieren, welche eine 6ffentliche (und nicht: eine technokratisch verkiirzte) Auseinandersetzung urn die Stadt der Zukunft erm6glichen. Bezogen auf die Geschiehte des urbanen Lebens umfaBt die modeme Stadt den jfingsten und kiirzesten Abschnitt. Die Geschichte der StMte geht weit zurUck bis in die Anfiinge der When Hochkulturen. Historisch ist das Stlldtische denn auch stark verknfipft mit der Entstehung von politischer Ordnung. Diese zeichnet sich dadurch aus, daB sie - fiber die engeren verwandtschaftlichen Beziehungen hinaus - eine Of fentlichkeit organisiert. Wahrend in vorpolitischen (archaischen) Gesellschaften das soziale Leben vorwiegend in verwandtschaftliche Bezfige gebettet war, wurde es in po litischen Gesellschaften in die Zustllnde des Privaten (familillren) und des Offentlichen (politischen) differenziert. Die Stadt ist eine Siedlungsform, in der diese soziale Diffe renzierung baulich zum Ausdruck kommt Die fiir Stlldte so typische Unterscheidung zwischen privaten und 6ffentlichen Territorien erm6glicht und f6rdert die Differenzie rung der Sozialsphllre in Lebensbereiche der sozialen Nahe und Situationen, in denen 'auf Distanz' verkehrt wird. Urbanitllt entfaltet sich erst zwischen den Polen von Inti mitiit und Anonymitllt, von Privatheit und Offentlichkeit. Auf dem Dorfe ist diese Spannung nur schwach ausgebildet, denn dort dominiert soziale Nahe - eine Nahe, die den einzelnen weitgehender sozialer Kontrolle unterwirft. Die gesellschaftlichen Verllnderungen der Neuzeit bewirkten eine tiefgreifende Umgestaltung dieser polaren Struktur - sozial wie territorial. 1m AnschluB an die Re formation gliederte sich nllmlich aus dem privaten Bereich das Berufsleben aus und entwickelte sich zu einer eigenstllndigen gesellschaftlichen Sphare - zumal fiir die Manner. Inzwischen ist die Berufstlltigkeit aber auch fiir Frauen - und damit fiir die (westliche) Gesellschaft insgesamt - zu einer zentralen Kategorie geworden. Diese do miDiert sogar hliufig die Bereiche des Privaten und des Offentlichen. Das ist etwa daran erkennbar, daB Aufgaben aus diesen Bereichen zusehends an professionelle Institutio nen delegiert werden. Mit dem Berufsleben entstand ein neues Territorium, welches sich von den privaten und den 6ffentlichen unterschied. In den historischen Stl1dten war der Platz fiir die Ausbreitung dieser beruflichen Territorien zunlichst noch kaum gegeben. Das Festhalten an der mittelalterlichen Stadtstruktur, insbesondere den Stadt mauem, bewirkte daher eine enorme bauliehe Verdichtung. Zusammen mit der sozia- 2 Einleitung len Verelendung im Zuge von Urbanisierung und Industrialisierung fiihrte das zu im mer unhaltbareren stadtischen Lebensbedingungen. Es war eine Frage der Zeit, bis das Korsett der mittelalterlichen Stadt den entfes selten gesellschaftlichen Kriiften der Neuzeit nicht mehr standhalten konnte. Dies war im 19. Jh., als die ersten 'Modemisierungen' der Stlidte durchgefiihrt worden, der Fall. Mauem, wo sie noch standen, wurden geschleift, enge GaBchen verbreitert, die hygie nischen Bedingungen verbessert, und neue FU1chen ffir Manufakturen, Kontore, Fabri ken und Wohnungen geschaffen. Wegen der nach wie vor kleinraumigen Nachbar schaft von Arbeitsplatzen, Wohnungen und offentlichen Raumen blieb eine ganze Reihe von Problemen (Luft, Urm, Verkehr) ungelost. In den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts veranlaBte das Le Corbusier und seine Mitstreiter dazu, eine wirk lich modeme Stadt zu fordem. In ihr sollten auf radikale Weise Arbeits-und Wohnorte entmischt sein. Die engen, dunklen und schmutzigen Stlidte sollten durch diese Ent mischung gleichzeitig rationeller und schOner werden: Das Sonnenlicht sollte die neuen Wohnkomplexe im Griinen durchfluten, wahrend in den Fabriken die Hilfsmit tel eines komfortablen Lebens produziert wfirden. SchlieSlich sollten leistungsflihige Verkehrsnetze die so entmischten Gebiete miteinander verbinden. Dieses Konzept der Entmischung hat viel mit der Automobilindustrie zu tun. Das Auto ermoglichte nicht nur eine groSTaumige Trennung von Arbeiten und Wohnen, sondem es wurde durch diese Trennung auch zum gefragten Konsurngut, dessen mas senhafte Produktion sich lohnte. Zum Kontext der modemen Stadt gehOrt mit anderen Worten auch eine leistungsflihige, massenproduzierende Wirtschaft (nicht nur von Autos, sondem auch von Wohnungen). Sodano gehOrt dazu auch eine Politik, die den Ausbau der modemen Sied1ungs-und Verkehrsinfrastruktur als gese11schaftliches Pro jekt moglich machte. Dies wurde durch den Keynesianismus gewabrleistel Die mo deme Stadt ist, so gesehen, integrativer Tell jenes gesamtgesellschaftlichen 'Fort schrittskonsens', der in den USA in der Zwischenkriegszeit und in Europa in der Nach kriegszeit begann und den wirtschaftlichen Boom der 50er und 60er Jahre ermoglichte. DaB diese Entwicklung aus heutiger Sicht einer fragwfirdigen Wachsturns- und Pla nungseuphorie entspricht, ist ein A1lgemeinplatz. Es sollte aber nicht iibersehen wer den, daB ihr eine spezifische Konzeption von (modemer) Urbanitlit zugrunde lag, wel che asthetische und okonomische Aspekte wirkungsvoll zu verbinden vermochte. Inzwischen sind wir mit den Schattenseiten dieser Entwicklung vertraut. Die Idee in nerstlidtischer Erholungsgebiete etwa erwies sich weitgehend als Fehlkonstruktion. In Wirklichkeit wurde das Umland zorn Erholungsgebiet der Stadt, wabrend diese selbst in Arbeits-und Wohngebiete zerfiel. In den 70er Jahren zeigte sich sowohl ein drastischer Trendbruch in der Sied lungsentwicklung, als auch ein Umbruch der kulturellen und wirtschaftlichen Rah menbedingungen der Nachkriegszeit. Friihere Zielsetzungen worden deshalb fallen gelassen, doch die politische Auseinandersetzung urn Probleme der Stadtentwicklung blieb bis heute weitgehend in Vorstellungen verstrickt, die der Vergangenbeit angeho reno Die Entmischung von Arbeiten und Wohnen spaltet nun nicht nur das Stadtge biet, sondem auch die offentliche Meinung gemaB diesen beiden Polen. In ZUrich, wie auch in anderen Finanzmetropolen, entziindete sich diese Pola risierung am rapiden Wachstum der Banken und verwandter Branchen (z.B. Versiche- Einleitung 3 rungen), welches neben ArbeitpUitzen und Geld auch Bodenpreissteigerungen und Mehrverkehr in die StMte brachte. Dadorch entstand der Eindruck, es gelte, zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Lebensqualitllt zu wahlen. Dabei geht es jedoch om eine Art Wohlstand, dessen Grundlagen Uingerfristig wenig solid erscheinen. Denn seit den 70er Jahren expandiert der ZUrcher Finanzplatz nach einem Muster, welches die historischen Standortvorteile ZOrichs zu erodieren drohL Der ZUrcher Finanzplatz verdankt seine traditionelle Bedeutung der VeIbindung zur Exportwirtschaft. Mit ihr ist er eine bemerkenswerte Symbiose eingegangen. Die Zfir cher Banken waren historisch ffir ihre Geschllfte auf die Einkiinfte der ansaBigen Industrie angewiesen und profitierten von deren Handelsnetzen im Ausland. Zuerst war es die Textilindustrie, welche die Finanzen erwirtschaftete. Deren Gelder bildeten den Niihrboden des ZUrcher Bankenwesen im letzten Jahrhundert Dorch geschickte Aus landgeschafte kniipften die Bankiers wiederum Kontakte, welche in der Folge der Zfir cher Exportindustrie manchen Auft rag einbrachten. Enge personelle Verflechtungen zwischen Finanzinstituten und Industrieunternehmen erleichterten solche Synergien. Daran 1lnderte sich auch nichts, als die Textilindustrie an Bedeutung verlor, denn an ihre Stelle trat nun die Maschinenindustrie. Dies geschah keineswegs von selbst, son dern aufgrund energischer Initiativen. Unternehmer wie Alfred Escher organisierten et wa den Eisenbahnbau in der Schweiz und fflrderten dabei die Weiterentwicklung des ZUrcher Finanzplatzes. Wiederum ging die Pflege der Kontakte, welche die Banken zur Finanzierung des Eisenbahnbaus kniipften, mit den Exportgeschaften der ZUrcher Ma schinenindustrie Hand in Hand. Zu den Standortvorteilen des ZUrcher Finanzplatzes gehort also nicht nur das Bankgeheimnis und die relative wirtschaftliche und politi sche Stabilitllt, sondern - und darin gleichen sich die FinanzpUitze von ZOrich und Frankfurt - auch eine gro8e Kompetenz im Arrangieren industrieller Investitionen. Demgegeniiber hat sich die international iiberragende Stellung der Londoner City entwickelt, weil in London die Faden des Empire zusammenliefen. City-Banker konn ten so weitgehend unabh1lngig von der inl1lndischen Wirtschaft ihren internationalen Finanzgeschllften nachgehen und dabei ein von industriellen Handelsstromen weit gehend unabhangiges Kontaktnetz aufbauen, welches bis heute Londons Standortgunst ausmacht. Seit einigen Iahrzehnten operieren nun die ZUrcher Banken Mchst erfolg reich auf eben den lukrativen internationalen Finanzm1lrkten, auf die sich die Standort vorteile Londons beziehen. Die traditionellen Vorteile des ZUrcher Finanzplatzes aber verlieren ihre Grundlage in dem AusmaB, in dem sich die hiesigen Finanzdienstlei stungen von der Exportwirtschaft abl6sen. Ein zusAtzliches Problem besteht darin, daB die Gewinnmoglichkeiten auf den heutigen Finanzmarkten nur om den Preis grOBerer Unsicherheiten realisierbar sind, was den Finanzplatz krisenanflUliger macht - und zwar om so starker, je mehr er einer Monokultur von Finanzdienstleistungen ahnelt Die historische Verflechtung zwischen Werk- und Finanzplatz wirkte sich auch auf die StadtzUrcher Nutzungsstruktur aus. Bfironutzungen sind in ZOrich bisher nicht als dominante Nutzungen aufgetreten, sondern nur in Form von Nutzungsdyaden, d.h. in Kombination mit einer zweiten Nutzung. Typisch ffir die Innenstadt ist die Kombination von Bfiros - insbesondere fUr Finanzdienstleistungen - mit Verkauf. In einem Gartelom die Innenstadt ist eine Kombination von Biiros mit Wohnungen anzutreffen, wahrend ffir den Rest des Stadtgebietes - mit Ausnahme der Industriezo nen, in denen die Nutzungsdyade Produktion/Lager vorherrscht - Wohnen als domi- 4 Einleitung nante Nutzung auftritt. Es ist anzunehmen, daB die Nutzungsdyade von Bfiros und Wobnungen in ZUrich innert weniger Jahre einer dominanten Nutzung von BOroakti viUiten weichen wfirde, falls sich die Dynamik des Finanzplatzes fortsetzen sollte und einzelne planerische Regelungen entfallen wfirden. Das Konzept der modemen Stadt hat eine Variante von Entmischung gefOrdert, welche auf dominanten Nutzungen beruht. Dies entspricht in vielen P.lllen den Me chanismen von Bodenm1lrkten, denen zufolge ertragsstarlce Nutzungen ertragsschwache verdrangen. Der Versuch, die Folgeprobleme dieser Entwicldung zu IOsen, indem eine generelle Durchmischung von Nutzungen angestrebt wird, scheint vor diesem Hinter grund bum realisierbar zu sein. Denkbar ist hingegen eine Stabilisierung bestimmter Nutzungsdyaden. In Abschnitt 1.2 werden wir skizzieren, welche Okonomischen Prozesse unter Bedingungen von Landknappheit zu Nutzungsdyaden ftihren kOnnen. Empirisch haben wir im Faile der Stadt ZUrich einige Hinweise fUr die Existenz sol cher Dyaden zusammengetragen. Die Ergebnisse scheinen auch historisch betrachtet plausibel. Ob sich BOroaktiviU1ten in ZUrich, abnlich wie in London, als dominante Nutzung durchsetzen kOnnen, ist nicht so leieht abzuschatzen. Sowohl Beffirworter als auch Gegner sind (inzwischen) recht vorsichtig im Umgang mir einer derartigen Per spektive: Sie kOnnte sich auch als Fehlspekulation erweisen. Stiidte sind Orte, an denen Lebenslliufe entworfen werden. Das Leben in modemen Stadten wird dabei ganz entscheidend durch die Polarisierung zwischen Privatleben und Berufsleben gepdlgt. Der Bereich des Offentlichen dagegen spielt sozial wie territorial eine untergeordnete Rolle (in den antiken Stadten hob sich das Private in erster Linie yom OffentIichen ab). Arbeitspllitze kOnnen als berufliche, Wohnungen als private Territorien beschrieben werden. In menschlichen Lebenslliufen werden diese zu den vielflUtigen Mustem rilumlicher MobiliUit - insbesondere Pendelbewegungen und Migrationen-verkniipft. Junge Leute ziehen in die GroBstadt. om dort einen Beruf zu erlernen und vielleicht eine Partnerin oder einen Partner zu finden. Etwas altere Berufs Uitige ziehen mit der Hoffnung in die Stadt, den sozialen Aufstieg zu beschleunigen. Der Schritt in die Stadt ist denn auch oft direkt mit vertikaler MobiliUit verbunden, auch und gerade ffir unterprivilegiene Zuwanderer. Solche MobiliUitsmuster generierten seit Generationen das stadtische BevOlke rungswachstum. Die Zahl der Familien, die in der Stadt blieben, war betrlichdich, die Zahl der Abwanderer lag nonnalerweise unter derjenigen der Zuwanderer, die Zahl der Geburten ubertraf die der SterbefiUle. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich jedoch Verilnderungen in diesen Mustem ergeben, welche die modeme Stadt mit neuartigen demographischen und sozialen Rahmenbedingungen konfrontieren: In Zu rich nahm anfangs der secbziger Jahre die Zahl der BewohnerInnen, welche die Stadt verlie8, deutlich sUirker zu als die Zahl der AbwanderInnen. Dabei stieg im Laufe der Zeit der Anteil derjenigen, welche nieht in die Vorstadte, sondem weit aos der Agglo meration hinaos zogen; In derselben Zeit ging 80ch die Zahl der in Stadten Neugebore nen drastisch zurUck. GeburtenriickgAnge scheinen zum einen ganz allgemein Aus druck von Wohlstandsgesellschaften zu sein. In SUidten sind sie aber auch eine (zu satzIiche) Folge davon, daB mehr Leute mit Kinderwiinschen Ballungsgebiete verlas sen als friiher, und umgekebrt weniger Leute als friiher in diese hinein ziehen. Sodano ist in den 60er Jahren der EinfluB der 'Pille' statistisch bedeutsam.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.