Kölner Schriften zum Medizinrecht Band 1 Reihenherausgeber Christian Katzenmeier Page laissée blanche intentionnellement Christian Katzenmeier • Klaus Bergdolt (Hrsg.) Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert 1 C Prof. Dr. iur. Christian Katzenmeier Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus Bergdolt Universität zu Köln Universität zu Köln Institut für Medizinrecht Institut für Geschichte und Ethik Albertus-Magnus-Platz der Medizin 50923 Köln Joseph-Stelzmann-Straße 20 Deutschland 50931 Köln Deutschland ISSN 1866-9662 ISBN 978-3-540-70531-4 e-ISBN 978-3-540-70532-1 DOI 10.1007/978-3-540-70532-1 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. 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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Vorwort Das Bild des Arztes hat sich, abhängig vom sozialen und kulturhistorischen Kon- text der jeweiligen Epoche, seit der Antike vielfach gewandelt. Mit dem naturwis- senschaftlich-positivistischen Paradigmenwechsel zur Mitte des 19. Jahrhunderts trat die technische Komponente in den Vordergrund, die Heilkunde wurde für die meisten Ärzte eine primär naturwissenschaftliche Disziplin. Deren Errungenschaf- ten und Fortschritte prägen das moderne Leben. Das positivistische Zeitalter sollte mit Hilfe der Medizin und Naturforschung die ausstehenden Probleme der Menschheit lösen. Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts weckten freilich, unge- achtet des nachhaltigen Optimismus der Forscher, am technisch-naturwissen- schaftlichen Arztbild auch deutliche Kritik. Für den ärztlichen Alltag gewannen in Deutschland die Bismarck’schen Sozi- algesetze und die Einrichtung gesetzlicher Krankenkassen Bedeutung, obgleich sie zunächst nur einer Minderheit zugute kamen. Früh entwickelte sich eine faktische Zweiklassenmedizin, da parallel auch „Privatpatienten“ behandelt wurden, doch erfreuten sich alle Bevölkerungsschichten einer zuvor nie gekannten Sicherheit, was die gesundheitliche Versorgung betraf. Nach einigen Rückschlägen, die mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zusammenhingen, schwand zur Zeit des sogenannten „Wirtschaftswunders“ (im Grunde erst nach dessen Blütezeit) das Bewusstsein, dass jede ärztliche Behandlung mehr oder weniger Geld kostet, vor allem, wenn sie dem letzten Stand der Wissenschaft entspricht. Durch die Koinzi- denz einiger sozialer und politischer Entwicklungen, etwa der Ausbildung der „umgekehrten Alterspyramide“, der zunehmenden Kosten bestimmter Therapien oder lebenserhaltender Maßnahmen und zeitweilige wirtschaftliche Rezessionen geriet das jahrzehntelang in vielen Ländern bewunderte deutsche Gesundheitssys- tem in eine schwere Krise. Heute lastet ein ökonomischer Druck auf dem ärzt- lichen Alltag, der Dienst am Kranken und das vertrauensvolle Gespräch mit ihm leiden zunehmend unter wirtschaftlichen Zwängen. Freundlichkeit und Altruismus am Krankenbett werden, wie jüngste Studien zeigen, unter den an vielen Kliniken aufoktroyierten Wettbewerbsbedingungen reduziert oder gar verhindert. Schließlich durchdringt das Recht die Medizin in einer Intensität, die historisch kein Vorbild besitzt. Trotz der Etikettierung des Arztberufes als „freier Beruf“ ist dessen rechtliche Einbindung ebenso weitreichend wie komplex. Der Alltag in Arztpraxis und Krankenhaus erscheint juristisch durchnormiert, reguliert und be- messen. Die prinzipielle Notwendigkeit einer staatlich-rechtlichen Regelung der ärztlichen Tätigkeit wird heute zwar nicht mehr bestritten. Doch besteht Anlass zur Warnung vor allzu weit gehenden Reglementierungen, soll ein Auseinander- treten von Recht und ärztlichem Ethos vermieden, der Verlust der Vertrauensbasis zu dem Patienten verhindert und einer Entwicklung zur Defensivmedizin begegnet werden. VI Vorwort Die Schrift dokumentiert die auf dem 1. Kölner Symposion zum Medizinrecht im Oktober 2008 gehaltenen Vorträge. Rechtswissenschaftler, Mediziner, Medi- zinhistoriker, Philosophen und Gesundheitspolitiker reflektieren das aktuelle Arztbild, seine historische Entwicklung und die Erwartungen für die Zukunft. Da- bei steht die prospektive Komponente im Mittelpunkt, die interdisziplinäre Be- standsaufnahme zur Identität der ärztlichen Profession soll Impulse für die künfti- ge Entwicklung des Berufsstandes geben. Die Tagung an der Universität zu Köln und Drucklegung der Schrift wurden durch freundliche Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsför- derung ermöglicht. Köln, im März 2009 Christian Katzenmeier und Klaus Bergdolt Inhaltsverzeichnis Die Patient-Arzt-Beziehung im 21. Jahrhundert......................................................1 Jörg-Dietrich Hoppe Die jüngere Entwicklung des Arztberufs im Spiegel des Rechts............................9 Adolf Laufs Dienst am Menschen oder Kunden-Dienst? Ethische Grundreflexionen zur sich wandelnden ärztlichen Identität...............................................................21 Giovanni Maio Der Arzt im Spannungsfeld von Versorgungsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit...........................................................................................37 Eckhard Nagel Verrechtlichung der Medizin.................................................................................45 Christian Katzenmeier Wirtschaftlichkeit und Ethik in der universitären Krankenversorgung.................61 Otfried Höffe Ärztliche Kompetenz und Patientenautonomie.....................................................75 Gerda Müller Der verfassungsrechtliche Rahmen des ärztlichen Handelns................................87 Edzard Schmidt-Jortzig Das Arztbild der heutigen Hochschulmedizin.......................................................93 Joachim Klosterkötter Das Kontinuum des Ärztlichen............................................................................105 Klaus Bergdolt Das Arztbild im 21. Jahrhundert..........................................................................117 Rainer Hess Rationierung, ihre kritischen Wirkungen für die ärztliche Berufsausübung und die Schutzfunktion der ärztlichen Selbstverwaltung – Einige rechtliche und medizinethische Anmerkungen....................................................................121 Horst Dieter Schirmer/Christoph Fuchs VIII Inhaltsverzeichnis Der Versorgungsauftrag in der Krankenhausrahmenplanung.............................147 Dorothea Prütting Die europäische Arzthaftung im Prozess: Internationale Zuständigkeit und Kollisionsrecht....................................................................................................157 Hanns Prütting Therapieren oder Optimieren? Herausforderungen des ärztlichen Selbstverständnisses im 21. Jahrhundert.............................................................171 Michael Quante Der Arzt als Heiler und Manager – Zur erforderlichen Integration des scheinbar Unvereinbaren.....................................................................................181 Christiane Woopen Die Patient-Arzt-Beziehung im 21. Jahrhundert Jörg-Dietrich Hoppe Der Medizinhistoriker Hermann Kerschensteiner (1873-1937) schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts über den Arztberuf: „Der ärztliche Beruf ist wunderlicher Natur, und immer wieder haben geistvolle Köpfe darüber nachgedacht, was eigentlich an diesem Gemisch von Wissenschaft, Kunst, Handwerk, Liebestätigkeit und Ge- schäft das Wesentliche ist.“ Dieser Spruch hat an Aktualität nichts verloren, weil alle fünf Parameter auch in unserer Zeit eine wichtige Rolle spielen. Mir scheint, dass Wissenschaft und Handwerk an Bedeutung zugenommen ha- ben, Kunst und Liebestätigkeit aber in Politik, Gesellschaft und Medien geringer eingeschätzt werden als früher, während das Geschäft – auch bei manchen Ärzten – einen gewaltigen Bedeutungszuwachs verzeichnen kann. Nicht von ungefähr sprechen wir heute mehr über Gesundheitswirtschaft als über ein Gesundheitswe- sen und die Gesundheitspolitik wird nicht mehr so sehr als Sozialpolitik, sondern mehr und mehr als Wirtschaftspolitik verstanden. I. Rückblick Eine kurze Rückblende in das vergangene Jahrhundert macht deutlich, dass bis etwa in die Mitte der 80er Jahre der einzelne Patient als Individuum gesehen und die Patient-Arzt-Beziehung als eine höchst individuelle Interaktion respektiert wurde. Die einzige auf diese individuelle Situation gemünzte Vorschrift im Sozi- alrecht war, dass der Patient Anspruch auf eine ausreichende und zweckmäßige Behandlung habe, dass diese das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe und, dass die Gebote der Wirtschaftlichkeit zu beachten seien. Keinem Patienten sollte das Notwendige vorenthalten werden. Die Patienten haben ihre Erkrankun- gen als Schicksal aufgefasst und betrachteten ihre Ärzte als Hoffnungsträger, als Heiler oder zumindest als Helfer und auch als Tröster. Sie vertrauten ihnen, dass sie ihre Versprechen einhalten würden, die Grundsätze der ärztlichen Berufsethik zu beachten. Diese Grundsätze basierten auf der abendländischen Gesinnungsethik. Ärzte versprachen, salus aegroti suprema lex zu beachten, das Gebot des primum nil no- cere einzuhalten, sich als Anwalt ihrer Patienten zu fühlen, absolute Verschwie- genheit zu üben und keinesfalls persönliche, insbesondere merkantile Motive bei der Betreuung ihrer Patienten zu präferieren. Die Politik kümmerte sich um Da- seinsvorsorge im Gesundheitswesen, das heißt, die Einrichtungen für ambulante, stationäre und weitere Versorgung in ausreichendem Umfang vorzuhalten. An- sonsten beschränkte sie sich auf eine die individuelle Patientensituation respektie- rende Rahmengesetzgebung. Die Krankenkassen verwalteten die Beitragseinnah- men und bezahlten die durch die Kassenärztlichen Vereinigungen überprüften
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