ebook img

Das Berufsgeheimnis in den freien Berufen: Untersuchungen z. Soziologie u. Geschichte d. Berufe d. Arztes, Rechtsanwalts u. Strafverteidigers PDF

134 Pages·1970·2.894 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Das Berufsgeheimnis in den freien Berufen: Untersuchungen z. Soziologie u. Geschichte d. Berufe d. Arztes, Rechtsanwalts u. Strafverteidigers

Bernhard Wiebel . Das Berufsgeheimnis in den freien Berufen Dortmunder Schriften zur Sozialforschung Herausgegeben von der Sozialforschungsstelle an der Universitat Munster - Sitz Dortmund Band 38 Bernhard Wiebel Das Berufsgeheimnis in den freien Berufen Untersuchungen zur Soziologie und Geschichte der Berufe des Arztes, Rechtsanwalts und Strafverteidigers Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-00235-2 ISBN 978-3-663-02148-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02148-3 D6 Verlags-Nr.043938 © 1970 by Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprOnglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, K61n und Opladen 1970. Gesamtherstellung: Druckerei Dr. Friedrich Middelhauve GmbH, Opladen Vorwort Die vorliegende Veroffentlichung ist der unveranderte Abdruek der im August 1967 bei der Philosophisehen Fakultat der Westfalisehen Wilhelms Universitat zu Mtinster eingereiehten Dissertation des Verfassers. Die Arbeit geht auf eine Anregung von Prof. Dr. Helmut Sehelsky aus dem Jahre 1960 zurtiek. Heute - fast einJahrzehnt spater - wage ieh die Fest stellung, dal3 ihre Thematik wenig oder niehts an Aktualitat eingebtil3t hat. Mein besonderer Dank gebtihrt der Fritz Thyssen-Stiftung, die mir dureh einStipendium Urlaub vom juristisehen Vorbereitungsdienst ermogliehte. Mit Dankbarkeit nenne ieh aueh die Stiftung zur Forderung der wissen sehaftliehen Forsehung tiber Wesen und Bedeutung der freien Berufe - Ludwig Sievers-Stiftung -, die mir einen Forderbeitrag zur Veroffent lie hung gewahrt hat. Bonn, im Dezember 1969 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort . 5 Einleitung 9 I. Abschnitt: Das Berufsgeheimnis als Kernproblem berufssozio- logischer Analyse . . . . . . . . . • . . . . . 14 § 1 Die arztliche Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . 14 § 2 Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts und Strafverteidigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Ahschnitt: Geschichtliche Aspekte des Berufsgeheimnisses 47 § 3 Zur Geschichte des arztlichen Berufes . . . . . . . . . 48 1. Die griechischen Arzte im Zeitalter des Hippokrates . 48 2. Die indischen Arzte im brahmanischen Zeitalter 53 3. Arzte und Hebammen im Mittelalter. . . . . . . . 56 4. Der Hausarzt der burgerlichen Oesellschaft . . . 61 § 4 Der Rechtsanwalt und die Entwicklung des modernen Gerichtswesens in Deutschland . . . . . . . . . . . . 67 § 5 Exkurs: Geschichtliche Aspekte der Verschwiegenheitspflicht des Geistlichen. . . . . . . . . . • . . . . . . .. 73 III. Abschnitt: Das Berufsgeheimnis in der modernen Gesellschaft 84 § 6 Zur Problematik des arztlichen Berufsgeheimnisses. 84 1. Strukturwandel des Arzt-Patient-yerhaltnisses .. 84 a) Der Arzt als Therapeut . . . . . . 84 b) Der Arzt als Gutachter. . . . . . . . . . . . . . 92 2. Arztliche Anpa,ssungsschwierigkeiten . . . . . . . 101 § 7 Zur Problematik des Berufsgeheimnisses des Anwalts und Verteidigers. 115 Schluf3bemerkungen. 122 Anmerkungen. . . . 123 Literaturverzeichnis. 134 7 Einleitung "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold". In dies em Sprichwort, das eine alte Erfahrung ausdriickt, werden mit der schonen Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit, die solchen Volksweisheiten eigentiimlich ist, Phanomene auf einen Nenner gebracht, deren Hintergriinde hochst unterschiedlicher Natur sind. "Verstummen", "Stillschweigen", "Verschwicgenheit", "Dis kretion" und "Geheimhaltung", die Synonyma dieses vielsagenden Wortes, vermogen einen Eindruck davon zu geben. In der Tat hat Schweigen in seinen vielfaltigen Erscheinungsformen von jeher in der menschlichen Gesellschaft eine bedeutende Rolle gespielt: Bei den orientalischen Monchsorden der antiken Heilsreligionen wie bei den Trappisten und Karthausern der Gegenwart finden wir das Schweigen als Ausdruck "innerweltlicher" oder "weltablehnender Askese" (Max Weber). Schweigen als Zeugnis des Gehorsams und der Ehrerbietung ge geniiber weltlichen Autoritaten und der Ehrfurcht vor dem Heiligen ist ein wesentliches Kennzeichen autoritar verfa13ter sozialer und politischer Beziehungen. Seit jeher haben religiOse, philosophische und ahnliche Gemeinschaften ihre Mitglieder eidlich zur Verschwiegenheit iiber das Heilswissen einer Religion oder Lehre verpflichtet, haben M edizinmanner primitiver Stam me, Geigenbauer, Glasblaser und andere Ziinfte, Fabrikunternehmer und Geschaftsleute aller Art die Herstellungsverfahren ihrer Waren und die Erfolgsrezepte ihrerTatigkeit mit dem Schleier des Geheimnisses umge ben, urn im Konkurrenzkampf zu bestehen oder ihre Monopolstellung zu wahren. Die politische Geschichte der letzten Jahrhunderte ist gekennzeichnet durch den Kampf eines politisch miindig werdenden Biirgertums gegen die Arkanpraxis absoluter Herrschaftsformen. Die Geheimdiplomatie ist im mer noch ein - wenn auch nicht mehr unbestrittenes - Grundprinzip der Au13enpolitik, Politiker, Polizei und Presse wahren die Anonymitat ihrer Informanden, urn ihre Nachrichtenquellen nicht zum Versiegen zu bringen. Ehe, Familie und Freundschaft brauchen das Vertrauen in die Verschwie genheit des Partners, urn sich ungestort entwickeln zu konnen. Und schliefHich - zahlreiche Berufe stehen unter dem Gebot der Verschwie genheit, der Diskretion, welches, teils sogar gesetzlich sanktioniert, den jenigen, die fremde Hilfeleistung in Anspruch nehmen, garantiert, da13 ihre als privat oder intim betrachteten Angelegenheiten unbefugten Dritten nicht bekannt werden. 9 Der Katalog dieser Berufe hat heute einen respektablen Umfang erreicht. Er reicht von den Geistlichen tiber Arzte, Apotheker, Hebammen, me dizinisch-technische Assistent~nnen, Krankengymnasten, Masseure usw. bis zu Rechtsanwalten, Notaren, Verteidigern, Steuerberatern und Wirt schafts-und Buchprtifern. Im allgemeinen Bewul3ts"ein werden jedoch die Begriffe "berufliche Verschwiegenheit" und "Berufsgeheimnis" vornehm lich mit den drei Ik1assischen" Berufendes Pfarrers, Arztes und Rechts anwalts (Verteidigers) verbunden. Dabei steht insbesondere das Berufs geheimnis von Arzt und Anwalt, den Prototypen der rechtsberatenden und der Heilberufe, im Mitte1punkt des Interesses. Es ist seit Jahrzehnten ein unerschopfliches Thema juristischer Dissertationen und anderer Mo nographien, deren Zah1 kaum noch zu tibersehen ist, es ftillt die Spalten der Kommentare zum Standesrecht und wurde bereits zum Hauptgegen stand eines deutschen Arztetages. Im Rahmen soziologischer Veroffentlichungen ist die Prob1ematik des Berufsgeheimnisses bisher zwar nur am Rande gestreift worden, dabei wurde jedoch selten versaumt, auf seine besondere Bedeutung hinzuwei sen. So hebt z. B. Schelsky hervor, das Berufsgeheimnis gehore zum "Kern des Berufsethos dieser Berufe" und in ihm dokumentiere sich "der - dann auch offentlich-rechtlich anerkannte - Vorrang eines Personal verhaltnisses (1) zwischen dem Berufstrager und seinem 'Klienten' vor den Ansprtichen der Gesellschaft." (2) Inhaltlich ahnlich ist die Formulierung V. Denekes, "gemeinsames Kri terium und gemeinsamer neura1gischer Punkt" der freien geistigen Dienst- 1eistungsberufe sei die Schweigepflicht, "das Geheimnis der Person und die grundsatzliche Unver1etzlichkeit der Person - zu - Person - Bezie hung." (3) Stieglitz hat in seiner kultursoziologischen Arbeit tiber "Wesen und Auf trag der freien Berufe" die Uberzeugung geauBert, Untersuchungen tiber Ethik und Gesetze einzelner freier Berufe konnten reiches Material zuta ge ford ern, und in diesem Zusammenhang ebenfalls "jenes Treuhander schaftsverhaltnis angeftihrt, in dem viele freie Berufe stehen" und das "seine starkste Bindung in der Schweigepflicht" habe. (4) Die f01genden Untersuchungen werden im wesentlichen das Berufsgeheim nis der Arzte, Rechtsanwalte und Strafverteidiger behandeln. Die Ver nachlassigung verwandter Berufstypen scheint uns sowohl aus dem Ge sichtspunkt der Uhersichtlichkeit als auch wegen der - allerdings be schrankten - Ubertragbarkeit der Fragestellungen und Ergebnisse ge rechtfertigt zu sein. Wir werden im Verlauf der Untersuchungen auBer dem feststellen konnen, daB noch gewichtigere Grtinde fUr diese Bevor zugung von Arzt und Anwalt sprechen. Vorweg noch ein Wort zu einer anderen Berufsgruppe: den Publizisten, oder korrekter: der Presse. In der langen Auseinandersetzung der deut schen Presse mit den Gerichten und den Gesetzgebern von Bund und Lan dern urn die Gewahrung des Zeugnisverweigerungsrechts im Strafverfah ren ist dieses von J ournalisten und Presserechtlern haufig mit der Be- 10 grtindung gefordert worden, da!3 die Angehorigen der Presse wie Geist liche, Anwalte und Arzte von Berufs wegen zur Verschwiegenheit ver pflichtet seien, wennauch nur tiber die Person eines Verfassers oder In formanden. (5) Und es ist nicht zu leugnen, da!3 Journalisten in dieser Hinsicht durch die Verweigerung des Zeugnisses und die Duldung staat licher Zwangsma!3nahmen wie Geld- und Haftstrafen vielfach Zeugnis von einem hohen Berufsethos abgelegt haben. Es erscheint daher zunachst einleuchtend, da!3 Berufsgeheimnis des Pub lizisten (der Presse) ebenfalls in die folgenden Untersuchungen einzube ziehen. Wir me in en jedoch, daf3 dies den Rahmen der Arbeit sprengen wtirde, und zwar nicht so sehr dem Urn fang nach als vielmehr deswegen, weil sichdie Problematik der Verschwiegenheitspflicht in der Publizistik auf einer Ebene abspielt, auf der die Problemstellungen sichtbar anders verteilt sind. "Wie der Wissenschaftler, der seine Erkenntnisse nicht grundsatzlich publiziert, sondern als 'Geheimwissenschaft' verschweigt und benutzt, gegen sein Berufsethos verstOf3t, so auch der Publizist, der nicht ver offentlicht, was er fUr offentlich belangvoll halt." (6) Abgesehen von Selbstbeschrankungen wie der Einhaltung von Sperrfristen konnen "berufs ethische Selbstbegrenzungen . .. nur in der Art, wie etwas publiziert wird, erstrebt und durchgesetzt werden, niemals kann aber der Grund satz aufgehoben werden, daf3 alles in bestimmten Formen doch publizier bar ist. Dieser Anspruch stellt schlie!3lich die berufliche Grundlage der Publizistik dar." (7) Die Presse gewahrt alleindieAnonymitat, sei es die des Verfassers eines Artikels oder die des Gewahrsmannes einer Nachricht, und sie tut dies, urn Sachverhalte veroffentlichen zu konnen, die gerade keine Geheimnisse des Informanden oder Verfassers sind, namlich Mi!3stande und sonstige geheimgehaltene Vorgange in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und ande ren gesellschaftlichen Bereichen. Die den folgenden Untersuchungen zugrunde liegende Hypothese unter scheidet sich nur geringfUgig von den eben zitierten Auf3erungen Schelskys und Denekes, das Berufsgeheimnis gehore zum Kern des Berufsethos, bzw. sei gemeinsamer neuralgischer Punkt des Ethos der freien geistigen Dienstleistungsberufe. Sie lautet: Die berufliche Schweigepflicht von Arzt, Rechtsanwalt und Strafverteidiger nimmt eine Schltisselstellung im Rah men der jeweiligen Berufsrollen ein. Die Hauptthese, die sich zwanglos aus dieser Annahme ergibt, geht tiber die von Stieglitz ausgesprochene Uberzeugung, eine Untersuchung tiber Ethik und Gesetze spezieller Berufe konne reiches Material zutage fOr dern, hinaus. Sie lautet: Die Analyse von Gegenstand, Umfang und Gren zen der beruflichen Verschwiegenheitspflicht des Arztes, Rechtsanwalts und Strafverteidigers vor dem Hintergrund der jeweils relevanten sozialen und kultu rellen Strukturen vermag einen wesentlichen Beitrag zur F rage von Rolle und Funktion dieser Berufe in der Gesellschaft zu leisten. 11 Theoretischer Rahmen der soziologischen Analyse ist die von Parsons entwickelte "strukturell-funktionale Theorie, da es uns in erster Linie darauf ankommen solI, die Rolle deutlich zu machen, welche das soziale Teilphanomen "Berufsgeheimnis" innerhalb bestimmter Strukturen und in aus diesen Strukturen herausgewachsenen Prozessen spielt. Das von der strukturell-funktionalen Theorie implizierte Modell der Ge sellschaft postuliert ein relativ stabiles System von Teilen, deren Bezug auf das System bestimmt ist. Es ist daher ein statisches und zugleich integrationistisches Modell, in dessen Rahmen Konflikte und sozialer Wandellediglich als dysfunktionale und desintegrative Erscheinungen ein geordnet werden konnen. Die Einseitigkeit dieses integrationstheoretischen Ansatzes la(3t uns je doch eine Verzerrung oder Verfalschung der Ergebnisse unserer Unter suchungen nicht befUrchten; denn bei der beruflichen Verschwiegenheits pflicht von Arzt, Anwalt und Verteidiger handelt es sich urn eine (teil weise sogar gesetzlich fixierte) Norm, die ihre Grundlage nicht in par tikularen Interessen oder Bediirfnissen bestimmter sozialer Gruppen hat, sondern offenbar einem gesamtgesellschaftlichen Bediirfnis entspricht. Die Schweigepflicht dieser Berufe scheint uns gerade zu den sozialen Phanomenen zu gehoren, fur deren Analyse der integrationstheoretische Ansatz nicht nur eine brauchbare, sondern sogar die angemessenste Be trachtungsweise darsteHt. (8) Die Beschaftigung mit dem Berufsgeheimnis vermag natiirlich nicht mehr, als einen Ausschnitt aus den soziologischen Problemstellungen der be handelten Berufe zu erfassen. Der Schwerpunkt der Untersuchungen wird in der Analyse der Berufsrollen und ihrer funktionalen Bedeutung inner halb gegebener sozialer und kultureller (Sub-) Systeme und Institutionen liegen. Angesichts der Entwicklung, welche die soziologische Beschaftigung mit den sogenannten freien Berufen bei uns weithin genommen hat, halten wir vor aHem die Erorterung institutioneller Zusammenhange fUr erforder lich. Dabei werden wir auch die Behauptung Denekes kritisch zu priifen haben, dem Grundsatz nach gebe es keine Unterschiede zwischen der Schweigepflicht des Priesters, des Arztes oder des Anwalts. (9) Eben falls wollen wir der Frage, was es mit der behaupteten "Unverletzlich keit der Person-zu-Person-Beziehung" (Deneke) und dem "Vorrang eines Personalverhaltnisses zwischen dem Berufstrager und seinem 'Klienten' " (Schelsky) auf sich hat, unsere besondere Aufmerksamkeit wid men. Die Erorterungen des ersten, systematischenAbschnitts gelten dem Ver such, das Berufsgeheimnis als soziales Teilphanomen in den strukturell funktionalen Zusammenhangder Berufsrollen von Arzt, Anwalt und Ver teidiger einzuordnen. Das Ergebnis des Bemiihens urn eine verallgemei nernde und systematische Betrachtungsweise wird ein relativ abstraktes und vergroberndes Modell von Rolle und Funktion dieser Berufe sein. 1m zweiten Abschnitt unterziehen wir uns der Aufgabe, anhand einiger 12

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.