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Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin PDF

126 Pages·1973·13.48 MB·German
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V.H. Bauer: Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin Heidelberger Akademie der Wissenschaften Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse Supplement zum Jahrgang 1973 (Vorgelegt in der Sitzung vom 3. Juli 1971 durch W.Doerr) Veit Harold Bauer Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin Mit 61 zum Teil farbigen Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1973 Dr. med. Veit Harold Bauer Pathologisches Institut der Universitat Heidelberg 6900 Heidelberg, Berliner Strasse 5 ISBN-13: 978-3-540-06593-7 e-ISBN-13: 978-3-642-65768-9 DOl: 10.1007/978-3-642-65768-9 Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme der Abbildungen, der Funksendung, der Wieder gabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bei Vervielfliltigung flir gewerbliche Zwecke ist gemaB § 54 UrhG eine Verglitung an den Verlag zu zahlen, deren Hohe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © bei Springer-Verlag Berlin· Heidelberg 1973, Printed in Switzerland. - Die Wiedergabe von Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1973 Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Mar kenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dlirften. Inhaltsverzeichnis Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Das Mutterkorn und seine Entdeckungsgeschichte 7 II. Klinik des Ergotismus . . . . . . . . . . . . 13 Ergotismus gangraenosus Ergotismus convulsivus III. Ergotismus in der arztlichen Literatur des Mittelalters . . . . . . 19 IV. Ergotismus-Epidemien in der Oberlieferung vom Altertum bis he ute 33 V. Das Verschwinden des Ergotismus. . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Diskussion tiber die Atiologie der beiden Formen des Ergotismus. 57 VII. Der Antoniter-Orden und die Versorgung der Ergotismus-Opfer . . 61 VIII. Dokumentation des Ergotismus in der darstellenden Kunst des Mittelalters 71 IX. Darstellungen des Ergotismus im Werk des HIERONYMUS BOSCH . . .. 76 a) Die Mitteltafel des Triptychons <Das Jtingste Gericht> (Wien). Befund und Diagnose der Gestalt mit dem RostspieB. Gegentiberstellung mit der Darstellung von MATTHIAS GRUNEWALD auf dem Isenheimer Altar. Antonius-Feuer - Hollenfeuer. BOSCH als Maler des Nichtdarstellbaren 76 b) Die Mitteltafel des Triptychons <Die Versuchung des hI. Antonius> (Lissabon). BOSCH als Auftragsmaler der Antoniter? Versuch einer Interpretation der Gestalten urn den hI. Antonius . . . . . . . .. 80 c) Die Tafel <D ie Versuchung des hI. Antonius> (Madrid). Darstellung von Heilpflanzen und ihre symbolische Bedeutung. Der Krankheits-Damon 99 d) Die beiden <Bettler- und Krtippeh-Blatter (Wien und Brtissel). Darstel- lung von Ergotismus-Opfern und ihr kuIturgeschichtlicher Hintergrund 104 X. Darstellung des Ergotismus auf der Tafel <Kampf zwischen Carneval und Fastenzeit> von PIETER BREUGHEL d.A. Der Sohn der Pilgerin, ein Opfer des Ergotismus gangraenosus. . 112 XI. AbschlieBende Betrachtung . 115 XII. Literaturverzeichnis 117 Nachwort. . . 127 Bildernachweis 130 3 Zum Geleit Die vorliegende Publikation tiber das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin handelt vonjenem erstenAbschnitt derGeschichte des Mutterkorns, in dem dieses Pilzprodukt als noch unbekannte Ursache von schweren Vergiftungen wahrend Jahrhunderten un gezahlten Menschen qualvolles Leiden, Versttimmelungen und oft den Tod brachte. Schon lange Zeit vor der Aufdeckung des Zusammenhanges zwischen dem GenuB von mutterkornhaltigem Brot und dem seuchenartigen Auftreten des Antonius-Feuers, war das Mutterkorn von Hebammen als Wehenmittel benutzt worden, womit die zweite Phase der Geschichte des Mutterkorns, seine Anwendung als Medikament, ihren Anfang nahm. In die Schulmedizin fand das Mutterkornjedoch erst Eingang auf Grund einer 1808 erschienenen Veroffentlichung des amerikanischen Arztes John Stearns, betitelt «Account of the Pulvis parturiens, a Remedy for Quickening Child birth». Bald danach begannen die ersten pharmazeutisch-chemischen Untersuchungen tiber die Wirkstoffe des Mutterkorns, die erst in den letzten Jahrzehnten mit der Isolie rung und chemischen Charakterisierung einer Anzahl Alkaloide einen ersten AbschluB fanden. Diese Mutterkornalkaloide erwiesen sich als die eigentlichen Verursacher des Antonius-Feuers, aber, bei richtiger Dosierung, auch als Trager von therapeutisch wertvollen pharmakologischen Eigenschaften. Ftir die medizinische Anwendung lassen sich zwei Hauptwirkungstypen unterscheiden, ein spezifisch auf die Gebarmutter kontrahierend wirkendes Prinzip, vertreten durch das Alkaloid Ergobasin (Syn. Ergo metrin, Ergonovin), das in der Geburtshilfe als blutstillendes Mittel verwendet wird, anderseits die vor allem auf das vegetative und zentrale Nervensystem wirkenden, in der Neurologie und Inneren Medizin Anwendung findenden Alkaloide vom Peptidtyp, zu denen das Ergotamin gehort. An diesen Untersuchungen waren die pharmazeutisch-chemischen Forschungs laboratorien der SANDOZ AG in Basel maBgebend beteiligt. Diese Arbeiten fanden hier eine fruchtbare Fortsetzung, indem die nattirlichen Mutterkornalkaloide als Aus gangsmaterial und Vorlage fUr die synthetische Herstellung von neuen Arzneimitteln benutzt werden. Aus dieser Forschungsrichtung sind bereits weitere wertvolle Heilmittel hervorgegangen, die in der Migdine-Therapie, bei der Behandlung von KreisIaufstOrungen und in der Geriatrie Anwendung finden. Auch Stoffe mit so auBer gewohnlichen Wirkungen wie das LSD sind dabei gefunden worden. So hat sich das Mutterkorn, einst die Ursache des geftirchteten Antonius-Feuers, aus einem Giftprodukt in eine reiche Fundgrube von Heilmitteln gewandelt, sicher ganz im Sinn und Geist des gtitigen HeIfers der M utterkorn-Opfer, des hI. Antonius. ALBERT HOFMANN Dr. phil. Dr. pharm. h.c. Dr. sc. nat. h.c. Abb.l Krankheits-Diimon mit den Symptomen des Ergotismus gangraenosus. A usschn itt aus der <V ersuchung des hI. Antonius> von Grunewalds <lsenheimer Altar> (Musee d'Unterlinden, Colmar). 5 Vorwort GrUnewalds Isenheimer Altar wurde zum Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Auf der Tafel <Die Versuchung des hI. Antonius> begegnet dem Betrachter eine Gestalt mit aufgetriebenem Leib, verriirbtem Gesicht, verdorrten Armen und flossenartigen FUBen. Nach einer langen Diskussion kam die kunst-und medizinhistorische Forschung zu dem SchluB, daB diese Gestalt als ein Opfer der Mutterkorn-Vergiftung aufzufassen sei. Damit schlieBt sich ein Kreis: Das Altarwerk war ein Auftrag der Antoniter in Isenheim. Das Hauptanliegen dieses Ordens bestand in der Pflege und Versorgung der Opfer der Mutterkorn-Vergiftung, damals Antonius-Feuer genannt. Der kunsthistorischen Methode folgend, galt die Suche nach einer ahnlichen Gestalt auf einem Werk der spatmittelalterlichen Tafelmalerei. Von keinem anderen Maler jener Zeit wurde die <V ersuchung des hI. Antonius> so oft bearbeitet wie von Hieronymus Bosch (1450-1516). Dem ersten Anlauf war kein Erfolg beschieden. Es galt daher, der komplexen Natur der Mutterkorn-Vergiftung nachzugehen. Neben den medizinischen Fakten muBten auch die zahlreichen kultur geschichtlichen VerknUpfungen bedacht werden, wie zum Beispiel die Geschichte des Antoniter-Ordens. Dieser breit gefacherte Ansatz zeitigte Ergebnisse. Die Vielfalt der Beziehungen dieser Krankheit zu Kunst und Medizin sowie zu zahl reichen anderen Gebieten erforderten eine grenzUberschreitende Darstellung, wobei sich der Verfasser nur zu bewuBt ist, wie mangelhaft dieser Versuch bleiben muB, da hierbei so viele Bereiche menschlichen Wissens berUhrt werden; reicht doch die Spann weite yom theologischen Problem der Krankheitsauffassung im Mittelalter bis hin zur rein naturwissenschaftlichen Frage der Pathogenese des Ergotismus convulsivus. Mut zum Beginn gab mir das groBe Verstandnis und die tatkraftige UnterstUtzung von Herrn Professor Dr. W.DOERR (Direktor des Pathologischen Instituts der Uni versitat Heidelberg). Ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Herrn Professor Dr. W. JACOB (Leiter der Abteilung fUr Dokumentation. Historische und Soziale Pathologie am Pathologischen Institut der U niversitat Heidelberg) gebUhrt mein Dank fUr die behutsame Lenkung und Forderung der entstehenden Arbeit. Herrn Professor Dr. Dr. H. SCHIPPERGES (Direktor des Instituts fUr Geschichte der Medizin der Universitat Heidelberg) verdanke ich manch wertvollen Hinweis. Frau Professor Dr. L. BEHLING (Kunsthistorisches Seminar der Universitat MUn chen) bin ich zu groBem Dank verpflichtet fUr ihren hilfreichen Rat auf dem Gebiet der Heilpflanzen-Darstellung in der mittelalterlichen Kunst. Herrn Professor Dr. K. KOSTER (General-Direktor der Deutschen Bibliothek, Frankfurta.M.) danke ich fUr seine wichtigen Hinweise auf dem Gebiet der Pilger zeichen. Herrn Professor Dr. D.JETTER (Direktor des Instituts fUr Geschichte der Medizin der Universitat KOln) gilt mein Dank fUr die eingehende Beratung Uber die mittelalter liche Hospitals-Architektur. Durch die groBzUgige UnterstUtzung der Firma SANDOZ AG, Basel, wurde die Drucklegung dieser Arbeit ermoglicht, wofUr ich meinen auBerordentlichen Dank aussprechen mochte. VEIT HAROLD BAUER 6 I. Das Mutterkorn und seine Entdeckungsgeschichte Es ist oft so, daB die Geschichte einer Krankheit alter ist als die Kenntnis ihrer Vrsache. Seltener jedoch tritt der Fall ein, daB man das verursachende Agens bereits beschrieben hat, ohne seine kausale Beziehung zur Krankheit erkannt zu haben. Dies trifft auf das Mutterkorn und die Mutterkornvergiftung zu. Da die Wege von Gift und Krankheit so verschieden sind, sei es uns gestattet, zunachst die erstaunliche Geschichte des Mutterkorns darzustellen. Sein Weg yom «Gift zum Heilstoff» bietet viele interessante medizingeschichtliche Aspekte. Von welcher Natur ist das Mutterkorn? Der Botaniker beschreibt das Mutterkorn des Roggens als Dauerstadium des Schlauch pilzes Claviceps purpurea Tulasne. Dieses Dauerstadium stellt die Uberwinterungs form des Pilzes dar (Abb. 1). Sie wird als Sklerotium bezeichnet. Es hat die Gestalt eines tibergroBen Getreidekornes, das sich aus den Spelzen der Roggenahre hervordrangt; es ist hell braun bis violettbraun gefarbt. Zur Reifezeit des Roggens fallen die Sklerotien aus, bleiben tiber Winter auf dem Boden liegen, urn im Frtihjahr zu keimen, wenn die Witterung warm und feucht ist. Zur Keimung ist eine vorhergehende kalte Peri ode erforderlich. Winzige Pilzkopfchen - 2-3 mm - entsprieBen dem gequollenen Mutter korn. Diese Pilzkopfchen sind Sporenkorper (Stromata). Auf dem Mutterkorn treten 15, mitunter sogar bis zu 60 so1cher Kopfchen hervor. Bei schwacher VergroBerung erkennt man, daB die Oberflache des Kopfchens mit feinen Warzen bedeckt ist. Dar unter befinden sich die Sporen. Bei warmer und feuchter Witterung werden die Sporen als feine Wolke in die Luft geschleudert. Die Ubertragung der Sporen auf die Narben der Roggenbltiten erfolgt hauptsachlich durch den Wind. Die Sporen keimen auf den feuchten Bltitennarben und bilden ein Mycel (Sphacelia-Stadium). Das Wachstum der Sphacelia bewirkt in der Wirtspflanze die Sekretion des sog. Honigtaus. Darin befinden sich ebenfalls Sporen, sog. Conidien, die eine weitere Infektion verursachen (Sekundar infektion). 1m Verlauf von einigen Wochen entwickelt sich das tippig gewachsene Mycelium zu dem bereits bekannten Sklerotium. Dies ist in groben Ztigen der Ent wicklungs-Zyklus des Pilzes1. Die Chemie der Naturstoffe des Mutterkorns ist so vielfaltig, daB wir uns auf das wirksame Prinzip beschranken mtissen. Dabei handelt es sich urn die Alkaloide des Mutterkorns. Ihre Konzentration schwankt zwischen 0,1 und 0,3 % 2. Vnter den zahlreichen vorkommenden Alkaloiden stellt das Ergotamin das Haupt alkaloid dar. Die Struktur der Alkaloide ist hochkompliziert. Der spezifische Bestand teil der Mutterkorn-Alkaloide ist die Lysergsaure. In den letzten Jahrzehnten konnte deren Struktur aufgeklart werden 3. HOFMANN (1964) 1-3. 1m pharmakologischen Bereich entfalten die Mutterkorn-Alkaloide ein breites Wirkungs-Spektrum. Man unterscheidet zentrale, neurohumorale und peri ph ere 2 Effekte. Die zentralen Effekte betreffen das Vasomotorenzentrum. Es kommt zu einer BARGER (1964) 205. GefaBerweiterung, Blutdrucksenkung und Bradykardie. Die neurohumoralen Wir kungen bestehen in einem Adrenalin-Antagonismus und einem Serotonin-Antagonis 3 HOFMANN (1964) 16 f. mus. 7 Abb.2 Roggeniihre mit Mutter Spica Secalis Luxurianlis C.B.pin.2;. korn. Kupferstich aus Carl Nicolaus Lang (Luzern fj(o.J.!Jen ~,,-e .Mil /cDrn z Il.ffen.[,pn1.ce,-. 1717). F , ; ; i c D , o L Die peripheren Effekte betreffen die glatte M uskulatur und auI3ern sich in einer 4 Vasokonstriktion und Uterus-Kontraktion. Es handelt sich urn eine direkte muskuHire HOFMANN (1964) 177-178. Wirkung. Bei den Alkaloiden vom Ergotamin-Typ tiberwiegt die periphere Vaso 5 konstriktion bei weitem die zentrale GefaI3erweiterung4• MANNHARDT (1869) 48 f. Der Name« Mutterkorn» hat wider Erwarten keine Beziehung zu seiner Anwendung als Pharmakon in der Geburtshilfe, sondern ist mythologischen Ursprungs. Das Mutterkorn verdankt seinen Namen der tellurischen Gestalt der Kornmutter (Korn muhme). Das plOtzliche AufschieBen des M utterkorns in den Ahren des Roggens wurde damit erklart, daB besagte Kornmutter durch die Felder gegangen sei 5, Die im Franzosischen und Englischen tibliche Bezeichnung «Ergot» ist herzuleiten von der Ahnlichkeit mit dem Hahnensporn. Etymologisch: articulus - artiglio - alt franzosisch argot. Die Iateinische Bezeichnung ist calcar, clavus, secalis mater, clavus siliginis (LONICER, 1582) und secale cornutum (BALDINGER, 1771), Claviceps ist die Benennung des Pilzes durch TULASNE (1853). Die erste klare Beschreibung der Droge, ohne jedoch deren toxische Wirkung aIs Ursache der Epidemien zu erwahnen, findet sich im <K reuterbuch) von ADAM LONICER in der Ausgabe von 1582. 1m Kapitel CCCLXX, S. 285, heiBt es: «Nota: Von den Kornzapffen / Latine, Clavi Siliginis. Man findet offtmals an den ahren des Rockens oder Korns lange schwarze harte schmale Zapffen / so beneben und 8

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