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D’Alembert und Friedrich der Große über das Verhältniß der Wissenschaft zum Staat: Akademische Einleitungsrede; vorgetragen in der öffentlichen Sitzung der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zur Feier des Jahrestages Friedrich des Großen, am 25. J PDF

21 Pages·1838·0.863 MB·German
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MAlembert und Friedrich der Große über das Verhältnis -er Wissenschaft zum Staat. Akademische Einleitungsrede von Augutt Söckh. Vorgetragen in der öffentlichen Sitzung der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zur Feier des Jahrestages Friedrichs des Großen, am 25. Januar 1838. Berlin. Vertag von Veit und Comp. . 18 3 8 votier der ausgezeichneten Geister, die Friedrich verehrte, und mit wel­ chen er jenen ihm zum Bedürfniß geworbenen wundervollen Briefwechsel führte, um alles, was seine große Seele und sein leicht erregbares Herz erfüllte, aus innerem Trieb und für seine eigene Befriedigung auszugießen, und mit Gleichgesinnten zu gemeinsamem Genuß ober Schmerz zu theilen, d'Alembert sagt in seinem Versuch über die Gelehrten: Karl der Fünfte, König von Frankreich, einer der weisesten und folglich der besten Fürsten, die jemals regiert hätten, obgleich minder berühmt in der Geschichte als viele Könige, welche nur glücklich ober mächtig waren, habe einige An­ strengungen gemacht, um in seinen Staaten den Geschmack für die Wis­ senschaften zu beleben; denn Karl sei ohne Zweifel aufgeklärt genug ge­ wesen, um mitten in den Verwirrungen, welche sein Reich bewegten, zu erkennen, daß der Betrieb der Gelehrsamkeit eines der unfehlbarsten Mittel sei die Ruhe der Monarchien zu versichern, aus einer Ursache, die umge­ kehrt ebendenselben den Freistaaten schädlich machen könne, wenn derselbe 4 zu hoch gesteigert werbe, nämlich deshalb, weil der mit den Wissenschaften verbundene Reij die Menschen so zu sagen von der Gesellschaft absondere, und für jeden andern Gegenstand kalt und unempfindlich mache. Dieser Grundsatz, dessen Wahrheit ich weder ganz bekämpfen noch ganz vertheidi­ gen möchte, hat unstreitig einen Beigeschmack von Machiavells Fürsten, und könnte in d'Alemberts Munde als halber Spott erscheinen, wenn es nicht glaublicher wäre, baß mit derselben Unbefangenheit, womit Ma- chiavell die seiner Meinung nach den Fürsten nützlichen Lehren aufstellte, auch d'Alembert das, was wir eben gehört haben, als ein seiner besten Einficht nach erfqhrungsmäßig Wahres aussprach, ohne fich weiter darauf einlassen ju wollen, ob dieser Grund die Wissenschaften zu heben, wiewohl er etwas anders gestellt für die Beherrschung noch wenig gebildeter Völker und deren zügelloser und unbändiger Leidenschaften seine Geltung hat, des ausgebildeten Staates und seiner Beherrscher würdig sei, und einen Gerichtshof nicht scheuen dürfe, welcher von allgemein menschlichem und sittlichem, und folglich wahrhaft politischem Standpunkt aus über die Beweggründe bas Urtheil spricht, aus denen die Lenker der Staaten den Künsten und Wissenschaften ihre Gunst haben angebeihen lassen. Wendet man jenen Grundsatz ganz so, wie d'Alembert ihn aus­ gesprochen hat, auf gebildete Völker an, welche nicht erst entwilbert wer­ ben sollen, so erscheinen Künste und Wissenschaften als ein Mittel dem Volksgeiste die Schwingen zu lähmen, indem sie für alle wichtigen ge­ meinsamen Angelegenheiten gleichgültig machen sollen: woraus nothwendig 5 «ine Entnervung der Edelsten des Volkes hervorgehen müßte: sie sind die Weiberkleiber, der Jungfrauenschmuck, die Bäder und Salben, deren jener kleine Italisch-Griechische Tyrann die Jünglinge statt der männlichen Tracht, männlicher Leibesübungen und männlicher Lebensweise sich zu bedienen nö­ thigte, damit er leichter herrsche; Erkenntniß und Wissenschaft, bas Edelste was der Mensch erstreben mag, werden als Schlaftrunk eingegeben, als Wiegenlied zum Einlullen vorgesungen. Wird aber dieser Zweck gründlich erreicht, so werden die Folgen nicht lange zögern: haben sich erst die Besten aus Liebe zur wissenschaftlichen Muße von de» gemeinsamen Ange­ legenheiten zurückgezogen, ober sind durch die Gelehrsamkeit entmannt und eingeschläfert, so wird bas Vaterland in die Hände der Unwissenden und Schlechten gerathen, deren Leitung den Herrscher wie die Beherrschten un­ vermeidlich zum Untergang führt. Denn wer mögen doch jene Männer seyn, welche durch die Wissenschaft und Gelehrsamkeit von der Gesellschaft abgesondert und für alle anderen Gegenstände gleichgültig gemacht werben sollen, damit die Monarchie sicherer bestehe? Natürlich diejenigen, welche, wären sie nicht gleichgültig, ihr gefährlich werden könnten: aber ebendie­ selben, welche als Gegner Gefahr bringen, sind als Freunde die wirksamen Helfer; wer also durch die Wissenschaften die Gefährlichen unschädlich machen wollte, indem er dadurch ihre Neigung und Theilnahme für bas gemeine Wesen schwächte, müßt« nothwendig diejenigen dem Staatsleben entfremden, deren Wirksamkeit in demselben am ersprießlichsten ist. Freilich trennt sich die Thätigkeit der Menschen in diese zwei Hauptrichtungen, 6 die theoretische und die praktische, und die unverhäitnißmäßige Vermehrung der einen muß der andern Abbruch thun; auch ergreifen je ihrer Anlage und Fähigkeit gemäß die Einen mehr jene, die Andern mehr diese Thätig­ keit, in welcher sie ihren Beruf zu finden oder den bedeutenderen Erfolg zu haben glauben, und fit werben auch durch die Ausübung der gewählten flir die andere abgestumpft und mehr ober minder untauglich, abgerechnet wenige, die fich in diesen entgegengesetzten Beschäftigungen mit gleicher Tüchtigkeit und Leichtigkeit bewegen können, ober fich wie Friedrich nach den Lasten der Regierung im Schoße der Wissenschaften erholen und erquicken: aber der Staat, dessen Glück ohne Unterschied der Verfassung zu großem Theil auf dem Gleichgewichte der in ihm vereinigten Kräfte gegründet ist, wirb ficherlich fehlgreifen, wenn er die wissenschaftliche Rich­ tung auf Kosten der Theilnahme am Gemeinwesen heben wollte. Auch beruht der b'Alembertsche Grundsatz, inwiefern er aus der Erfahrung gezogen scheint, theilweis« gewiß auf einer Verwechselung der Wirkung mit der Ursache. Als der Römische Staat, von den verderblichsten Bürger­ kriegen erschöpft, eMich Einem Oberhaupt unterworfen war, verbreitete fich bei verminderter Theilnahme an dem Staatslrbrn der Geschmack für die schönen Wissenschaften immer weiter, nicht ohne Fürsorge des Au- gustus, welchem vorzüglich die Dichter ein brauchbares Werkzeug, nicht zwar der Befestigung seiner auf kräftigem! Stützen ruhenden Macht, aber doch der Verherrlichung seiner Herrschaft und so mittelbar der Vermehrung seines Ansehens waren: die Gleichgültigkeit gegen bas öffentliche Leben, 7 welcher sich viele Hingaben, war jedoch nicht die Folge erhöhter Liebhaberei für Wissenschaft und Kunst, sondern die Gewalt der Begebenheiten hatte diese Männer von dem Schauplatz der Staatswelt verscheucht, und die Umstände machten gegen den Staat gleichgültig. Hora; vertauschte das Schwert mit der Lyra, weil jenes nicht mehr für das alte Vaterland ge» führt werben konnte, und feierte mit dieser einen Fürsten, in dessen Gunst er ein sorgenfreies und behagliches Leben genießen konnte. Der Ueberbruß am Staat, in welchem sie keine Befriedigung mehr fanden, entfernte in jeder Zeit Männer von Geist und festem Sinn von der Staatsverwaltung, und führte sie einer wissenschaftlichen Muße zu, welche ihnen Ersatz für das Verlorene, und Trost im Leiben gewährte; sie vergruben ihren Schmerz in der Einsamkeit eines betrachtenden und forschenden Lebens, und linderten ihn durch das edelste Heilmittel, die Studien. Platon räth dem Philo» sophen alle Theilnahme an dem Staate ab: nicht als ob die Philosophie gleichgültig gegen das Gemeinwesen und Gemeinwohl mache: sondern auch hier war die Empfehlung der Abgezogenheit vom öffentlichen Leben nur die Folge des Ueberdrusses an den bestehenden Verhältnissen, oder der sich aufdringenden Ueberzeugung, daß eine Wirksamkeit, wie sie der Phi­ losoph wünschen müsse, unter den gegebenen Umständen unmöglich sei, während doch Platon selbst den größten Theil seines Lebens hindurch, auch nach dem Mißlingen der beabsichtigten Einwirkung auf mächtige Fürsten, sich mit keinem Gegenstände der Philosophie eifriger als mit dem Staate beschäftigte. Die Gleichgültigkeit gegen den vorhandenen Staat 8 war in diesen Fällen, welche bedeutsam genug heraustreten, und denen viele ähnliche angereiht werben könnten, Ursache der Zurückziehung auf die Wissenschaften, nicht Wirkung der Liebe zu denselben. Nirgends und in keiner Zeit blühten Künste und Wissenschaften, letztere freilich nur in der­ jenigen Gestaltung, welche der Entwickelungsgang des menschlichen Ge­ schlechts auf jener Stufe mit fich brachte, schöner als in Athen unter Pe- rikles, und der Geschmack für dieselben war gewiß weit genug verbreitet: aber weil der Attische Freistaat fich noch eines kräftigen Lebens erfreute, darum hat die Liebhaberei für Kunst und Erkenntniß in der großen Mehr­ heit der Gebildeten damals den Gemeinsinn nicht im mindesten geschwächt, sondern selbst die Dichter, welche doch am meisten in einer selbstgeschaf- fenen Welt leben, verschmähten es nicht, vorzüglich in der Tragödie und Komödie, bas Staatsleben und die öffentlichen Verhältnisse wie aus einem Spiegel zurückstrahlen zu lassen, und sogar mit scheinbar völlig unabhän­ gigen Kunstwerken die Bürger für besondere politische Ansichten, Zwecke und Plane zu bestimmen. Vor beinahe einem Menschenalter hat sich bas Entgegengesetzte des d'Alembertschen Grundsatzes herausgekehrt; man hatte damals die Ueber­ zeugung gefaßt, die Volkskraft und Macht des Staates beruhe zu großem Theil auf Erkenntniß und Einsicht, und werde insbesondere gestärkt durch die Wissenschaft, welcher ein erregendes Vermögen, nicht jenes beruhigende zugeschrieben wurde. Ein und dasselbe Ding kann allerdings entgegenge­ setzte Wirkungen hervorbringen, je nachdem die Umstände verschieben find; 9 und da die Wissenschaften selber vielfach sind, und auf sehr verschiedene Weise behandelt werben, so sönnen auch die Erfolge der wissenschaftlichen Thätigkeit mannigfach seyn, auch ohne baß der Wissenschaft erst mit Ab­ sicht und von außen her eine besondere Richtung gegeben wird. Die Er­ kenntniß beruhigt die Leidenschaften; warum sollte also die Wissenschaft nicht auch im Staate zur Erhaltung der Ruhe mitwirken? Aber die Erkennt­ niß weckt zugleich die schlummernden Kräfte und beflügelt den Geist: sie ist also allerdings geeignet, ein versumpftes Leben wieder zu erfrischen, das Erstarrte in Fluß zu setzen, die angehende Fäulniß zu heilen, und rin in dumpfe Gleichgültigkeit versunkenes Volk über sich und seine Zu­ stände zum Bewußtseyn zu bringen. Sogar Richelieu, bemerkt d'Alem- bert, fühlte ungeachtet der despotischen Grundsätze, von welchen er ganz erfüllt war, und die er überall so weit als möglich ausführte, daß die demokratische Form mehr als irgend eine andere dem Grlehrtenstaat ange­ messen sei, der nur von seiner Freiheit lebt, und er führte daher eine solche Verfassung in brr Französischen Akademie ein: ist aber die Freiheit der Lebensgcist der Wissenschaften auf ihrem eigenen Gebiete (und gewiß ist sie es, nicht allein weil äußere Beschränkung den Gedanken hemmt, sondern weil sogar schon die Besorgniß derselben den Gedanken in der Geburt erstickt), so müssen die Wissenschaften, so lange sie selber nicht etwa erschlafft und verderbt find, aus ihrem innern Wesen hervor die Liebe einer gesetzmäßigen Freiheit im Leben der ganzen Menschheit auch über bas Gebiet der Wissenschaften innerhalb seiner engsten Grenzen hinaus durch 2

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