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Cytoplasmatische Actomyosine und ihre Bedeutung für Zellbewegungen. Anaerober Stoffwechsel bei wirbellosen Tieren: 249. Sitzung am 2. Februar 1977 in Düsseldorf PDF

76 Pages·1977·2.6 MB·German
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Rheinisch-Westfalische Akademie der Wissenschaften Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage· N 269 Herausgegeben von der Rheinisch-W estfalischen Akademie der Wissenschaften KARL ERNST WOHLFARTH-BOTTERMANN Cytoplasmatische Actomyosine und ihre Bedeutung fiir Zellbewegungen ERNST ZEBE Anaerober Stoffwechsel bei wirbellosen Tieren Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 249. Sitzung am 2. Februar 1977 in Diisseldorf © 1977 by Springer Fachrnedien Wiesbaden UrsprUnglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH Opladen 1977 ISBN 978-3-663-01765-3 ISBN 978-3-663-01764-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01764-6 Inhalt Karl Ernst Wohlfarth-Bottermann, Bonn Cytoplasmatische Actomyosine und ihre Bedeutung fur Zellbewegungen ......................................... 7 Literaturnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abbildungen ............................................ 25 Diskussionsbei trage Professor Dr. med. Otto Hauswirth; Professor Dr. rer. nat. Karl Ernst Wohlfarth-Bottermann; Professor Dr. rer. nat. Ernst Zebe; Professor Dr. rer. nat. Andreas Sievers; Professor Dr. rer. nat. Ludwig Heilmeyer; Dr. rer. nat. Manfred Hauser; Professor Dr. phil. Maximilian Steiner; Professor Dr. phil. Joseph Straub; Pro fessor Dr. rer. nat. Johann Schwartzkopf/; Professor Dr. phil. Lothar Jaenicke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ernst Zebe, Munster/Westf. Anaerober Stoffwechsel bei wirbellosen Tieren 51 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Diskussionsbeitrage Professor Dr. phil. Lothar Jaenicke; Professor Dr. rer. nat. Ernst Zebe; Professor Dr. rer. nat. Ludwig Heilmeyer; Professor Dr. rer. nat. Walter Kleinow; Professor Dr. phil. Joseph Straub; Dr. rer. nat. Manfred Hauser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Cytoplasmatische Actomyosine und ihre Bedeutung flir Zellbewegungen Von Karl Ernst WohlJarth-Bottermann, Bonn Die Erfolge der modern en Zellbiologie beruhen wesentlich auf der An wen dung von zwei Methoden: 1. der Elektronenmikroskopie, die uns Kenntnisse tiber den feineren Bau von Zellen und Geweben verschafft hat, und 2. der fraktionierten Ultrazentrifugation von Zellbestandteilen, das heiBt der Isolierung groBerer Mengen von reinen Zellorganellen aus Zell homogenaten. Der zweiten Methode verdanken wir die Fortschritte der modern en Bio chemie. Beide Methoden haben die wesentlichen Aussagen der im vergange nen Jahrhundert aufgestellten "Zellenlehre" bestatigt, wonach Zellen die Bausteine der hoheren Organismen und gleichzeitig ihre kleinsten physiolo gisch wirksamen Einheiten sind. Der menschliche Korper besteht aus etwa 1014, das heiBt 100 Billionen Zellen, eine unvorstellbar hohe Zahl. Zum Vergleich mag dienen, daB 1014 Sekunden in etwa 3 Millionen Jahren ver gehen. Die Elektronenmikroskopie gibt AufschluB tiber den Zusammenhang der Zellen im Gewebeverband sowie tiber ihre komplizierte Konstruktion aus Biomembranen. Diese Technik vermittelt aber immer nur ein statisches Bild. Bei vielen biologischen Grundvorgangen, wie z. B. wahrend der Embryo nalentwicklung und bei der Zellteilung, aber auch bei pathologischen Veran derungen (Metastasierung von Tumoren), spiel en Zellbewegungen eine be deutende Rolle. Es handelt sich urn die nicht-muskular bewirkte Krafterzeu gung im Rahmen der allgemeinen Zellmobilitat ("amoboide Bewegung"), die immer mit Zellgestalt-Veranderungen und einem intrazellularen Orga nell en-Transport verbunden ist. Solche dynamischen Vorgange konnen mit Hilfe der Elektronenmikroskopie aber nur sehr begrenzt erfaBt werden. Allein die quantitative Bedeutung dieser dynamischen Prozesse ist schon daran zu ermessen, daB im menschlichen Korper in jeder Sekunde (!) unge fahr 3 Millionen Erythrozyten neu gebildet werden mtissen. Die klassischen Objekte fur die Untersuchungen von Zellbewegungen sind Amoben und Myxomyceten (azellulare Schleimpilze, vgl. Abb. 1). Die 8 Karl Ernst Wohlfarth-Bottermann Komplexitat ihrer Bewegungsvorgange im Vergleich zur Muskelbewegung kann nur an einer kinematographischen Dokumentation mit einer nachfol genden Teilbildanalyse erkannt werden (im Vortrag wurden 2 Filmsequen zen iiber die Lokomotion von Am6ben undMyxomyceten gezeigt).Die kine matographische Analyse von wandernden Zellen laBt erkennen, daB diese Vorgange erheblich komplexer in ihrem Ablauf sind als die Kontraktion (bzw. Erschlaffung) eines Muskels, die im wesentlichen ja nur in einer re versiblen linearen Verkiirzung der Myofibrillen besteht. Die hochdynami schen Prozesse und Formveranderungen, die in einer wandernden Zelle simultan ablaufen, miissen unter Aufrechterhaltung ihrer komplizierten Feinstrukturen m6g1ich sein. Ein Vergleich von Filmaufnahmen wandernder Zellen mit ihrer heute allgemein anerkannten Feinstruktur zwingt zur An nahme einer Fliissigkeitsnatur der Biomembranen. Diese fUr die kompli zierte Zellkonstruktion wichtigen Biomembranen gliedern die Matrix der Zelle, das Grundplasma, in funktionell verschiedene Kompartimente auf. Es wird im weiteren Verlauf gezeigt, daB das Zellkompartiment "Grund plasma" - als Grundphase der Zelle - die stoffliche Basis fiir Energietrans formationen darstellt, die den Bewegungsvorgangen dienen. Biochemische Basis der Transformation von chemischer Energie in Bewegung Es ist eine Erkenntnis des letzten Jahrzehnts, daB fiir eine Umwandlung von chemischer Energie in mechanische Arbeit (chemomechanische Energie transformation) vor allem cytoplasmatische Actomyosine verantwortlich sind1• Wie das muskulare Actomyosin besteht auch das cytoplasmatische Actomyosin aus den EiweiBen Actin und Myosin. Actin besitzt im mono meren Zustand ein Molekulargewicht von etwa 45 000 (Abb. 2). Die globu laren Molekiile k6nnen durch Langsaggregation zu einer Doppel-Helix po lymerisieren, wodurch ein im Elektronenmikroskop erkennbares Filament entsteht, das einen Durchmesser von 50 A. besitzt (Abb. 2). Wie sich in jiingster Zeit herausstellte, betragt der Anteil an cytoplasmatischem Actin etwa 10-20% des GesamteiweiBes von Eukaryontenzellen. 1 Das andere hierfiir in Betracht kommende EiweiBsystem ist das Tubulin-Dynein. Ein deutige Nachweise fiir eine chemo-mechanische Energietransformation dieses Systems der Mikrotubuli sind jedoch auf Cilien und GeiBeln beschrankt. Mikrotubuli scheinen im Cytoplasma als transitorisches Cytoskelett zu dienen (vgl. Abb.2 und Tab. 1). Auf funktionell entsprechende EiweiBsysteme bei Prokaryonten kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. Cytoplasmatisdte Actomyosine und ihre Bedeutung fUr Zellbewegungen 9 Das Myosin besitzt in der monomeren Form ein Molekulargewicht von etwa 500 000 und eine polare Bauweise des MolekUls (Kopf-Schwanz Struktur). Es kann ebenfalls in spezifischer Weise zu groBeren Aggregaten zusammentreten, wodurch Myosinfilamente entstehen, wie sie in den Sar komeren beim quergestreiften Muskel regelmaBig gefunden werden. Ftir die Interaktion von Actin und Myosin ist wichtig, daB der Kopfteil des Myo sinmolekUls eine reversible Affinitiit zum Actin besitzt (vgl. Tab. 1). Der Anteil des cytoplasmatischen Myosins betragt etwa 2-10% der Gesamtzell proteine. Wesentlich ist, daB cytoplasmatisches Actomyosin bei allen bisher daraufhin untersuchten hoheren Zellen vorhanden zu sein scheint. FUr Pro karyonten (Bakterien und Blaualgen) liegen widersprUchliche Angaben tiber Vorkommen von Actin vor. FUr ein molekularbiologisches Verstandnis des Elementarmechanismus der Triebkrafterzeugung cytoplasmatischer Actomyosine sind die intensiv un tersuchten und heute weitgehend verstandenen Vorgange wahrend der che momechanischen Energietransformation beim quergestreiften Muskel von Wichtigkeit. Nach der Theorie des sogenannten Gleitmechanismus kommt es, bedingt durch die Affinitiit des Myosinkopfes zum Actin, zu einer BrUk kenverbindung zwischen Actinfilamenten und Myosinfilamenten. Durch Konformationsanderungen, die am Kopfteil des MyosinmolekUls ablaufen (Kippbewegungen), verbunden mit einem zyklisch sich wiederholenden BrUckenschlag und Wiederablosen des Myosinkopfes vom Actin, wird eine Scherkraft zwischen Actin und Myosin erzeugt, die in einer relativen Lage verschiebung der beiden Filamente resultiert und zur Kontraktion fUhrt, das heiBt zu einer linearen VerkUrzung der Muskelsarkomeren. Die Energie fUr dies en Vorgang wird von der energiereichen Zwischenverbindung ATP (Adenosintriphosphat) geliefert. ATP zerflillt hierbei in ADP (Adenosin diphosphat) und Phosphat, wobei Energie freigesetzt wird. Der Kopf des MyosinmolekUls funktioniert als Enzym der ATP-Spaltung (ATPase). Vor aussetzung fUr das Funktionieren eines solchen Gleitmechanismus ist nicht nur eine polare Anordnung des aggregierten Myosins (Myosindimere oder hohere Aggregate wie Myosinfilamente), sondern auch ein polarer Bau der F-Actin-Kette. Wie fUr den quergestreiften Muskel und fUr das cytoplas matische Actin bewiesen ist, liegt ein solcher polarer Bau beim F-Actin filament vor. Auch cytoplasmatisches Myosin aggregiert in vitro zu polar gebauten Myosinfilamenten. 10 Karl Ernst Wohlfarth-Bottermann Kontraktionsnachweis bei cytoplasmatischen Actomyosin-Fibril/en und ihre Feinstruktur Der direkte Nachweis, daB cytoplasmatische ActomyosinfibriIlen Kon traktionen ausflihren konnen, wurde bei tierischen Gewebekulturzellen ge flihrt. Bestimmte Zellstamme entwi<keln in Gewebekultur sogenannte "stress fibrils", die Actomyosin-Natur besitzen (als spezifische cytochemische Nach weismethoden der Actomyosin-Natur wird heute neben der zu einem spe zifischen Muster flihrenden Anlagerung von Myosin an die Actin-Kette die Technik der Immunfluoreszenz benutzt, die auf der Koppelung von Fluo rochromen an Actin- bzw. Myosin-Antikorper beruht). Der direkte Kon traktionsnachweis an ActomyosinfibriIlen aus Gewebekulturzellen wurde moglich, nachdem es gelang, mit Hilfe eines Feinstrahl-Lasers einzelne Ac tomyosinfibriIlen aus den Zellen herauszuschneiden, das heiBt zu isolieren, und darauf folgend durch Zusatz von A TP im geeigneten Ionenmilieu die Kontraktion im Lichtmikroskop zu induzieren. Cytoplasmatische ActomyosinfibriIlen wurden zuerst bei azellularen Myxomyceten entde<kt, schon Anfang der 60iger Jahre in ihrer Feinstruktur analysiert und funktionell gedeutet. Dieses Objekt stellt auch heute noch die beste Quelle fUr die Isolation der kontraktilen Proteine und nach ihrer Rei nigung flir die biochemische Untersuchung dar. Abb.3 zeigt Actomyosin fibriIlen bei schwacher elektronenmikroskopischer VergroBerung, Abb. 4 ihre Feinstruktur. Man erkennt eine Parallelanordnung zahlreicher etwa 50 A. breiter Filamente (F-Actin, vgl. Abb. 2), jedoch keine di<keren Myosinfila mente, wie sie in den Sarkomeren des quergestreiften Muskels vorkommen. Das Myosin liegt zumindest teilweise in Fadenform als Filament mit einem Durchmesser oberhalb und unterhalb 50 A. vor, erreicht jedoch unter norma len Bedingungen anscheinend nicht die hohe Aggregationsstufe wie in der quergestreiften Muskulatur. Myxomyceten bestehen aus groBflachig kultivierbaren Plasmodien, das heiBt nicht-zellig gegliederten Protoplasmamassen (Abb. 1). Die Moglichkeit der Massenkultur erleichtert wesentlich die praparative Isolierung der Ac tomyosine, eine Technik, die aus einer Homogenisation der Plasmodien, einer KCI-Extraktion und einer schrittweisen Sauberung und Anreicherung der kontraktilen EiweiBe besteht. Es ist moglich, sowohl Actin als auch Myosin in einer so reinen Form darzustellen, daB im zellfreien System aus den beiden Proteinen eine Resynthese von Actomyosinfibrillen gelingt. Der "self-assembly"-ProzeB wird praparativ liber das parakristalline Actin er reicht. Zwischen die in dieser Actinform parallelisierten Actin-Ketten wird in vitro Myosin eingelagert. Solche synthetischen Fibrillen sind morpholo- Cytoplasmatische Actomyosine und ihre Bedeutung fUr Zellbewegungen 11 gisch nicht von natiirlichen Fibrillen in situ zu unterscheiden. Ihre volle Funktionsfahigkeit kann durch den Nachweis ihrer Kontraktilitat als er bracht gelten. Das bedeutet, daB der chemomechanische Koppelungsvorgang auch an der synthetischen Struktur im zellfreien System studiert werden kann. Die Kontraktionsfahigkeit cytoplasmatischer Actomyosinfibrillen ver schiedener Herkunft ist also sowohl am natiirlichen Objekt in situ als auch an der resynthetisierten Struktur in vitro nachgewiesen. Wahrscheinlich werden in Zukunft synthetische Actomyosinfibrillen das Studium des mole kularen Kontraktionsmechanismus cytoplasmatischer Actomyosine erleich tern. Bislang ist es namlich nicht gelungen, native Fibrillen aus Protoplas maadern zu isolieren. Die Griinde hierfiir liegen in der hohen Transforma tionsbereitschaft dieser Strukturen, wodurch sie eine Zellhomogenisation nicht iiberstehen. Diese bemerkenswert dynamischen Eigenschaften cyto plasmatischer Actomyosine werden in einem gesonderten Teil des Vortrages geschildert. Ahnlichkeiten der cytoplasmatischen Actomyosine mit Muskel-Actomyosinen Auch cytoplasmatische Actomyosine konnen zu "Fadenmodellen" verar beitet werden, wie sie fiir das Muskel-Actomyosin seit langem bekannt sind. Man spritzt das in KCI gelOste EiweiB durch enge Diisen in eine rotierende Petrischale mit destilliertem Wasser, wodurch es in Form eines Fadens ausfallt. Auf A TP-Zugabe kontrahieren diese Faden, wenn gleich zeitig ein geeignetes Ionenmilieu geboten wird. Das Actomyosin liegt in solchen Fadenmodellen ohne Strukturordnung als ungeordnetes Raumnetz vor, so daB das Kontraktionsverhalten des cytoplasmatischen Actomyosins mit dem des Muskel-Actomyosins bei vergleichbarer (niedriger) Struktur ordnung gepriift werden kann2• Benutzt man zur Herstellung der Faden modelle geniigend reines Actin und Myosin, so ist das Kontraktionsverhal- 2 Die Gefugeveranderungen, die in einem kontrahierenden Fadenmodell ablaufen, bieten starke Indizien fur einen Filament-Gleitmechanismus. Ein solcher kann nicht nur zwi schen parallelisierten F-Actin-Ketten ablaufen, sondern auch in einem ungeordneten Raumnetz von F-Actin, wenn die Actin-Filamente die "richtige" Polaritat besitzen. Die hierbei zu beobachtende Volumenkontraktion des Actornyosingels nach Zugabe von A TP wird im biochemischen Schrifttum als "Superprazipitation" bezeichnet. Dieser Aus druck ist irrefuhrend, wei! der Eindruck einer Fallungsreaktion erweckt wird. Es han delt sich aber im Gegenteil urn eine aktive Kontraktion, wobei das ungeordnete Acto myosin-Netzwerk recht genau die normale Anordnung des cytoplasmatischen Acto myosins im Grundplasma intra vitam simuliert. Bei Insertion des F-Actin-Netzes an der Zellmembran kommt es zu einer Volumenkontraktion der Zelle (vgl. Abb. 12).

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