Co-Gruppen-Demokratie Björn Thies Co-Gruppen-Demokratie Vorüberlegungen und Skizze zu einer institutionellen Demo- kratisierung moderner Gesellschaften Björn Thies Linz, Österreich Hannover, Deutschland Voestalpine Bernhard Schmidt Dissertation Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2010 ISBN 978-3-531-19435-6 ISBN 978-3-531-19436-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-19436-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Für Friedhelm Thies Vorwort Für seine wohlwollende Begleitung der vorliegenden Dissertation möchte ich mich ganz herzlich bei Gert Schäfer bedanken. Es tut mir sehr leid, sie aufgrund seiner schweren Erkrankung nicht mehr mit ihm besprechen zu können. Umso mehr werde ich mich bemühen, seine vielen wertvollen Hinweise aus Seminaren, gemeinsamen Lehrveranstaltungen und Gesprächen weiterzutragen. Oliver Flügel-Martinsen und Rainer Schmalz-Bruns danke ich sehr für ihre sofortige Bereitschaft, die Betreuung dieser Arbeit, trotz ihrer vielen anderen Verpflichtungen, zu übernehmen. Ich hätte mir keine besseren neuen Betreuer wünschen können. Bei der Erstellung des Buchmanuskripts hat mir Frau Anita Wilke vom Ver- lag Springer VS sehr freundlich und unkompliziert geholfen – vielen Dank für Ihre Unterstützung. Meinen Freunden und Diskussionspartnern aus der Studien- und Promo- tionszeit in Hannover, Zürich und New York möchte ich ebenfalls herzlich dan- ken. Ohne Nicole Wilk, Uwe Fricke, Fabian Dietrich, Torsten Oliver Deecke, Alexander Gutbrod, Adrian Steiner, Volker Lehmann und die Mitglieder des Forschungskolloquiums des Arbeitsbereichs für politische Theorie und Ideenge- schichte an der Uni Hannover wäre die Entstehung dieser Arbeit sehr viel weni- ger fröhlich und aufgeklärt gewesen. Mareike bin ich für ihre Geduld mit meinen Zetteln und Büchern, die meh- rere Umzüge und Wohnungen bereichert haben, sehr dankbar. Und vor allem dafür, dass ich neben diesem Projekt immer auch am fröhlichen Leben mit unse- ren Freunden und Familien teilnehmen ‚musste‘. Das fände ich jetzt natürlich auch besser, als das Arbeitszimmer aufzuräumen. Björn Thies Inhaltsübersicht 1(cid:3) Einleitung ..................................................................................................... 13(cid:3) 2(cid:3) Vorannahmen und -entscheidungen .......................................................... 19(cid:3) 2.1(cid:3) Wissenschaft und Gesellschaft ............................................................. 21(cid:3) 2.1.1(cid:3) Wissenschaftlicher Fortschritt ................................................... 21(cid:3) 2.2(cid:3) Sozialwissenschaften ............................................................................ 25(cid:3) 2.2.1(cid:3) Sozialwissenschaftliche Theorien .............................................. 29(cid:3) 2.2.2(cid:3) Wertfreiheit sozialwissenschaftlicher Arbeit ............................. 31(cid:3) 2.2.3(cid:3) Politik und Politikwissenschaft ................................................. 33(cid:3) 3(cid:3) Gesellschaft .................................................................................................. 41(cid:3) 3.1(cid:3) Kritische Gesellschaftstheorie .............................................................. 47(cid:3) 3.2(cid:3) Die Gesellschaftstheorie von Jürgen Habermas.................................... 51(cid:3) 3.2.1(cid:3) Kommunikatives Handeln ......................................................... 52(cid:3) 3.2.2(cid:3) Systemische Integration ............................................................. 55(cid:3) 3.2.3(cid:3) Zur Kritik des kommunikativen Handelns ................................ 56(cid:3) 3.2.4(cid:3) Zur Kritik der Systemintegration ............................................... 59(cid:3) 3.2.5(cid:3) Habermas’ Entgegnungen ......................................................... 65(cid:3) 3.3(cid:3) Teilsysteme als Akteursfiktionen bei Uwe Schimank .......................... 71(cid:3) 3.3.1(cid:3) Gesellschaftliche Differenzierung ............................................. 75(cid:3) 3.4(cid:3) Kurzes Zwischenfazit ........................................................................... 77(cid:3) 4(cid:3) Organisationen ............................................................................................ 81(cid:3) 4.1(cid:3) Theorien der Organisation .................................................................... 84(cid:3) 4.1.1(cid:3) Zur Unterscheidung von Organisationen ................................... 87(cid:3) 4.2(cid:3) Organisationen und Gesellschaft .......................................................... 91(cid:3) 4.3(cid:3) Kritik des Rationalitäts- und Effizienzmythos ...................................... 96(cid:3) 4.3.1(cid:3) Rollenkonzept .......................................................................... 100(cid:3) 4.3.2(cid:3) Akteursstatus ........................................................................... 101(cid:3) 4.4(cid:3) Demokratie, Amts- und Sachautorität in Organisationen ................... 104(cid:3) 4.5(cid:3) Klaus Türks gesellschaftstheoretische Organisationstheorie .............. 108(cid:3) 10 Inhaltsübersicht 5(cid:3) Politische Steuerung .................................................................................. 113(cid:3) 5.1(cid:3) Die deutsche Steuerungsdiskussion .................................................... 113(cid:3) 5.2(cid:3) Formen sozialer Koordination/ soziale Strukturformen ...................... 133(cid:3) 5.3(cid:3) Konzepte politischer Steuerung .......................................................... 136(cid:3) 5.4(cid:3) Ansprüche und Beispiele .................................................................... 146(cid:3) 6(cid:3) Demokratie ................................................................................................ 155(cid:3) 6.1(cid:3) Demokratietheorie und empirische Demokratieforschung ................. 157(cid:3) 6.2(cid:3) Demokratie/ Nicht-Demokratie .......................................................... 161(cid:3) 6.3(cid:3) Demokratiekonzepte ........................................................................... 165(cid:3) 6.3.1(cid:3) Dahls Kriterienkataloge ........................................................... 167(cid:3) 6.3.2(cid:3) Republikanische Demokratie ................................................... 174(cid:3) 6.3.3(cid:3) Liberale Demokratie ................................................................ 177(cid:3) 6.3.4(cid:3) Deliberative Demokratie ......................................................... 199(cid:3) 7(cid:3) Demokratisierung ...................................................................................... 225(cid:3) 7.1(cid:3) Alte und neue Probleme ...................................................................... 225(cid:3) 7.2(cid:3) Erwartungen und Ansprüche .............................................................. 267(cid:3) 7.3(cid:3) Konkrete Vorschläge .......................................................................... 275(cid:3) 8(cid:3) Co-Gruppen-Demokratie ......................................................................... 293(cid:3) 8.1(cid:3) Kurzbeschreibung ............................................................................... 295(cid:3) 8.1.1(cid:3) Der Name „Co-Gruppen-Demokratie“ .................................... 296(cid:3) 8.1.2(cid:3) Einordnung .............................................................................. 296(cid:3) 8.2(cid:3) Stärken des Konzepts .......................................................................... 298(cid:3) 8.2.1(cid:3) Strukturelle Stärken ................................................................. 298(cid:3) 8.2.2(cid:3) Kontrollfunktion ...................................................................... 300(cid:3) 8.2.3(cid:3) Partizipation/ Motivation ......................................................... 301(cid:3) 8.2.4(cid:3) Stärkung allgemeiner Interessen .............................................. 302(cid:3) 8.2.5(cid:3) Repräsentativität ...................................................................... 303(cid:3) 8.3(cid:3) Mögliche Anwendungsbereiche ......................................................... 303(cid:3) 8.3.1(cid:3) Ebene des Nationalstaates ....................................................... 304(cid:3) 8.3.2(cid:3) Lokal/ Organisational .............................................................. 305(cid:3) 8.3.3(cid:3) International............................................................................. 306(cid:3) 8.4(cid:3) Mögliche Einwände ............................................................................ 306(cid:3) 8.4.1(cid:3) Kosten ...................................................................................... 306(cid:3) 8.4.2(cid:3) Wissen/ Kompetenz ................................................................. 308(cid:3) 8.4.3(cid:3) Überforderung und Herabsetzung ........................................... 308(cid:3) 8.4.4(cid:3) Beliebige Verzerrung der Repräsentation ................................ 309(cid:3) Inhaltsübersicht 11 8.5(cid:3) Ausblick .............................................................................................. 309(cid:3) 8.5.1(cid:3) Theoriearbeit ........................................................................... 309(cid:3) 8.5.2(cid:3) Erprobung ................................................................................ 310(cid:3) Quellenverzeichnis .......................................................................................... 313(cid:3) 1 Einleitung Mit dieser Arbeit geht es mir um die Kritik der Steuerung moderner Gesellschaf- ten und gesellschaftlicher Teilbereiche unter demokratiepraktischen Gesichts- punkten sowie um einen Vorschlag, der insbesondere auf eine bessere institutio- nelle Verwirklichung demokratischer Ansprüche abzielt. Den Hintergrund meiner Überlegungen bilden anhaltende Diskussionen zu den Grenzen demokratischen Regierens. Sie wurden und werden sowohl in ‚der’ Politikwissenschaft, als auch in ‚der’ Öffentlichkeit geführt. Unter Überschriften wie Staatsversagen, Unregierbarkeit, Politikverdrossenheit und Überforderung des Wohlfahrtsstaates zählen dabei vor allem die Schlagworte Globalisierung, Komplexität und Vertrauen zum festen Vokabular der Debatte. Verschiedene Antworten, wie mit den ausgemachten Schwierigkeiten umzugehen sei, waren der Grund, weshalb ich mich im Verlauf meines Promotionsstudiums auf dieses Thema konzentriert habe. Drei Positionen, die die Diskussion seit Jahren prägen, m.(cid:3032)E. aber weder unter normativen noch unter empirischen oder funktionalen Gesichtspunkten überzeugen können sind folgende: Ein außerhalb soziologischer Kreise vermutlich kaum bekannter Rat zum Thema Steuerung lautet schlicht: Abwarten – alles andere ist eh vergeblich (vgl. Luhmann, 1987: 599). So hätten Steuerungsbehauptungen oder -versuche der Politik nur die noch nicht einmal intendierte Funktion der „Unsicherheitsabsorp- tion“ (Luhmann, 2002a: 239). Dieses ‚Gucken was kommt’ aus der Theorie autopoietischer sozialer Systeme und zugehörige Annahmen passen weder mit meinen Vorstellungen von einer angemessenen Beschreibung der sozialen Wirk- lichkeit noch mit meiner Einschätzung der Aufgaben und Möglichkeiten1 von Sozialwissenschaften zusammen.2 So halte ich die These, politische Steuerung sei so gut wie unmöglich, für falsch. Davon unabhängig halte ich jedoch zahlrei- che Fragen und Beschreibungen zu sozialen Phänomenen, die im Rahmen sys- temtheoretischer Arbeiten vorgenommen wurden, für scharfsinnig. Diese gilt es daher ebenso zu berücksichtigen, wie Einschränkungen einer umfassenden Steuerungsskepsis – zumindest auf der Mesoebene – bei Luhmann selbst (s.(cid:3032)u.). Ein zweiter und weltberühmter Vorschlag fordert: Deregulieren, oft auch Liberalisieren genannt, in Richtung ‚freier‘ Wettbewerb. Der Markt würde dann 1 „Ich habe nicht die Vorstellung, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die auf die Praxis angewendet werden könnten“ (Luhmann, 2000b: 17). 2 Und schon gar nicht passen sie zu meinem hier verfolgten Vorhaben. B. Thies, Co-Gruppen-Demokratie, DOI 10.1007/978-3-531-19436-3_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012