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che Haltung zur Raumfahrt. Während die amerikan PDF

14 Pages·2014·1.87 MB·German
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Marie-Luise Heuser Russischer Kosmismus und extraterrestrischer Suprematismus AmerikanerundRussenhatteninderZeitdesKaltenKriegeseineunterschiedli- che Haltung zur Raumfahrt. Während die amerikanische Öffentlichkeit erst mit dem ‹Sputnik-Schock› vom 5. Oktober 1957 (Ortszeit UdSSR) aufgerüttelt wurde und auf verstärkte Anstrengungen drängte, in der Raumfahrttechnologie aufzu- holen,wurdedasRaumfahrtprogramminderSowjetunionsehrvielfrüheraufge- legt. Dabei hatten die Amerikaner nach 1945 zunächst einen Vorteil gegenüber den Sowjets, da sie mit der geheimen Operation Paperclip die meisten der deut- schenRaketenpioniere,einschließlichWernhervonBrauns,unddenGroßteilder Raketen und Entwicklungsmaterialien in die USA transportieren konnten, wäh- rendsichdieSowjetsmitderzweitenGardedeutscherRaketenspezialistensowie mit Überresten aus Peenemünde und Nordhausen zufrieden geben mussten. In den USA waren die deutschen Raketenspezialisten lange Zeit nur mit der EntwicklungvonmilitärischenRaketenbeschäftigt.IhrezivilenRaumfahrtpläne, insbesondere das Marsprogramm von Brauns, wurden in das Reich der Utopie verwiesen.1AnderswaresinderdamaligenSowjetunion.DerSpiritusRectordes sowjetischen Raketenprogramms, Sergei Pawlowitsch Koroljow (1906–1966, Abb. 1), der 1945 nach Berlin beordert wurde, um das deutsche Raketenpro- gramm zu studieren, und der nach einem Aufenthalt in Nordhausen 1946 in die UdSSRzurückkehrte,ummitUnterstützungvonHelmutGröttrup,demehemali- genAssistentenvonBrauns,unddemAerodynamikerWernerAlbring,dieersten Raketenzukonstruieren,konntediesowjetischenMachthabersehrvielehervon dem Ziel überzeugen, neben militärischen Raketen auch ein ziviles Raumfahrt- 9 0 0 3.2 e 1 SergeiP.Koroljowaufei- ht nersowjetiscchenBriefmarke eric b (1969). e h 62 kritisc programm zu entwickeln. Seine Passion für die zivile Raumfahrt konnte er mit dem Sputnik 1, der ersten orbitalen Raumsonde, und mit Juri Gagarin, dem er- sten Menschen im Weltraum am 12. April 1961, bravourös umsetzen. InderSowjetuniongabesimGegensatzzudenUSAvonBeginnaneinsehrviel stärkeres,genuinesInteresseanderRaumfahrtselbst,andemVorstoßindenex- traterrestrischen Raum, der Erkundung des Sonnensystems mit Raumsonden und dermöglichenBesiedlungandererHimmelskörper.DieseunterschiedlicheHaltung zurRaumfahrt,diebisheutenachwirkt,hatihreUrsacheindenunterschiedlichen kulturellen Traditionen beider Länder. Während die Raumfahrt in Amerika erst nach der berühmten Kennedy-Rede vom 25. Mai 1961 vor dem US-Kongress eine ernsthafteRollespielteundzwarimHinblickaufeineErneuerungamerikanischer Gründermentalität, der new frontier, war die Raumfahrt in Russland bereits seit dem19.JahrhundertkulturellverankertundzwarinderBewegungdesrussischen Kosmismus, zu der auch der erste russische Raketenpionier Konstantin Eduardo- witsch Ziolkowski (1857–1935) gehörte. In der russischen Avantgarde, die zwi- schen 1905 und den 1920er Jahren, also bis zur Machtergreifung Stalins, wirkte, wurden die Raumfahrtkonzepte Ziolkowskis aufgegriffen und künstlerisch umge- setzt.KasimirSewerinowitschMalewitsch(1878–1935)verbandmitdenextrater- restrischen Utopien der Raumfahrt eine eigene Kunstrichtung, den von ihm be- gründeten Suprematismus. Die amerikanische Orientierung des new frontier, die im Rahmen des Kalten Krieges, verkürzt gesprochen, auf ‹höher-größer-weiter› setzte,istvonderrussischenOrientierung,dieim19.Jahrhundertmitdemrussi- schenKosmismusentstand,derwiederuminderrussischenAvantgardeaufgegrif- fen wurde und die einen eigentümlich spirituellen Grundzug aufweist, deutlich unterschieden. Als nach dem Kalten Krieg amerikanische und sowjetische Raum- fahrermiteinanderinKontaktkamen,bemerktederamerikanischeAstronautJef- freyA.HoffmannüberseineKollegenausderUdSSR:«MeinesErachtensistdieEr- kundung des Weltalls für sie [die Sowjets] nicht nur aus militärischen Gründen sehr wichtig, sondern allgemein als weltanschauliche Grundlage für ihre ganze us Kultur.»2 Dieser weltanschaulichen Grundlage der russischen Kultur soll im Fol- atism gendenmitKonzentrationaufZiolkowskiundMalewitschnachgegangenwerden. m e pr DasfreieRaumschiffimleerenRaum–ZiolkowskiundderrussischeKosmismus u S er ImJahre1883veröffentlichtederrussischeRaketenpionierZiolkowskieineerste h estrisc Aferubdeaitl,endiZeairnendreeuictshchaeurfwÜubcehrss,etiznudnegmDesreifnreeieScRharuifmtenlauvteertb.o3tZeinolwkoawresnk,i,hdaetrmimit aterr dem kosmischen Raum vor allem eines verbunden: die Möglichkeit, sich frei zu extr bewegen.SchoninfrühesterKindheitträumteervomFliegenundvorallemvon d n der Schwerelosigkeit. Er selbst beschreibt seinen Freiheitstraum so: u us Wenigstenserinnereichmichsehrgutdaran,dassmeinliebsterTrauminderfrühesten m mis Kindheit,nochbevorichBücherlas,dieverworreneVorstellungwar,ineinerUmweltoh- Kos neSchwerkraftzusein,wodieBewegungeninallenRichtungenvölligfreiwarenundwo her eseinembessergefiel,alseinemVogelinderLuft.WoherdieseWünschekamen,kann ussisc ichmirbisheutenichtvorstellen,auchderartigeMärchengibtesnicht,aberichhabege- R glaubtundgefühlt,undichhabemirgenausolcheineUmweltgewünscht,ohnedieFes- user selnderSchwerkraft.4 He Die Schwerkraft und damit einhergehend die Bodenverbundenheit und Erdzen- e uis trierung wird als Fessel erlebt, von der es sich zu befreien gilt. Die Gravitation -L e Mari 63 bindet uns an die Erde und damit auch an die auf der Erde herrschenden politi- schen, sozialen und ökonomischen Zwangsverhältnisse. Ein Ausbruch aus die- sem planetaren Gefängnis kommt daher einem Ausbruch aus den sozialen Ge- waltverhältnissen gleich. Das freie Schweben entbindet zudem mental von den Fixierungen und Verdinglichungen unseres Alltagslebens und eröffnet einen Raum der Einbildungskraft, den Ziolkowski als ‹Raum der Fantasie› charakteri- siert. Er selbst war nicht nur theoretischer Begründer der Raumfahrt, sondern schriebauchSciencefiction-Geschichten,indenenerseineimaginärenReisenmit einem‹freienRaumschiff›ausmalte,sobeispielsweiseinder1893erstmalsveröf- fentlichten fantastischen Erzählung Auf dem Monde, in der er Traum und Wirk- lichkeit miteinander verzahnt.5 Die Geschichte beginnt in einem Zustand zwi- schen Schlafen und Wachen. Der Held der Geschichte weiß nicht, ob er träumt oder real erlebt, wie leicht er sich auf einmal fühlt, fast schwebend und dass er sich ohne Widerstand bewegen kann. DasfreieSchwebeninderSchwerelosigkeitwirdvonZiolkowskialsein‹topo- logischesRaumgefühl›beschrieben(Abb.2–3),indemeskeinfixesBezugssystem mehr gibt, kein ausgezeichnetes Oben, kein Unten, kein Rechts und kein Links. WieschonvorihmGiordanoBruno,aufdensichZiolkowskiwiederholtbezieht, löste Ziolkowski mit dem Geozentrismus jegliche Zentrierung des Universums auf.6DasUniversumhatkeinenausgezeichnetenMittelpunktmehr,sondernun- endlichviele,umdiesichunendlichvieleWeltendrehen.DietopologischeRaum- erfahrung,dievorallemaucheinProduktderRomantikist,wirdalsabgründige Erfahrung erlebt, die zunächst beängstigend ist.7Ziolkowski beschreibt sie so: EinObenundeinUntengibtesnicht.[...]WiefühltmansichwohldieersteZeitohne Stütze,denAbgrundunterdenFüßen?BaldverschwindendieIllusionendesObenund auchdieAngst.JedochbrauchtmanzunächstzurBeruhigungdieWohnung,dieWände, denFußbodenundsogardieBerührungmitihnen.8 Die Beruhigung liefert das Raumschiff, welches im ersten evolutiven Schritt zur vertrauten, erdähnlichen Umgebung wird, für die Ziolkowski auch bereits eine 9 0 0 3.2 e ht 2 KonstantinE.Ziolkowski,Orientierungsprobleme eric b inderSchwerelosigkeit. e h 64 kritisc künstlicheSchwerkraft,verursachtdurchdieRotationdesRaumschiffes,vorsah. Es sind eben nur erste Schritte, die die erdverbundene Menschheit in den Welt- raumwagt.HateraberersteinmaldieseerstenSchrittegetan,sowirderseine eigentlicheBestimmungerkennen,diedarinbesteht,dassernichtprimäreinir- disches, sondern ein kosmisches und universales Wesen ist. Ziolkowski war ne- benBrunoeinerderwenigen,dieeineeigentlichePhilosophieundAnthropologie derRaumfahrtentwickelten,derzufolgeesnichtprimärdarumgeht,voneinem Punkt A zu einem Punkt B zu gelangen, beispielsweise von der Erde zum Mond oderzumMars,sonderndarum,denuniversalenRaumselbstzurWohnstätteder Menschheit zu machen. Mit der Erfahrung des nichtgegenständlichen Raumes wird der Mensch in der SchwerelosigkeitfreivonallenfixenBezugssystemen.ErkannnunselbstBezugs- systeme erfinden und praktisch erzeugen, indem er beispielsweise ein ‹freies Raumschiff› baut. Die Bedeutung des freien Schwebens der Einbildungskraft und der Fantasie für innovative Prozesse der Menschheit wurde von Ziolkowski auch erkenntnistheoretisch reflektiert, indem er an den Anfang jedes Innovationspro- zesses die Fantasie und das Märchen stellt, denen dann die wissenschaftliche Be- rechnung folgt, die erst zum Schluss durch die technische Ausführung gekrönt werden kann. Ziolkowski war in allen Feldern unterwegs. In seiner Epoche war zwarnochkeinerealetechnischeRaumfahrtmöglich.DieZeitderFantasieundder Gedankenexperimente,dieinderRenaissancevorherrschendwaren,wurdejedoch schon durch die theoretische Fundierung der Möglichkeit von Raketenantrieben abgelöst.9 Ziolkowski war der erste, der bereits 1903, noch vor dem deutschen RaumfahrtpionierHermannOberth,der1923zumgleichenErgebniskam,dieRa- ketengrundgleichungaufstellte.Zudemkonzipierteerauchschonerstefunktions- tüchtige Raumschiffe, wie sein Projekt aus dem Jahr 1903 zeigt (Abb. 4). Er berechnete gewaltige, zylindrische Raumstationen mit einer Länge von dreiKilometernundeinemDurchmesservondreiMetern,dieindreihundertAb- schnitte aufgeteilt werden sollten, so dass jedem Raumfahrer ein Abschnitt von us jezehnMeternLänge,dreiMeternBreiteundsomitsiebzigKubikmeterVolumen matism azulsmWAouhsn-ugnehdäEuisnestzieugrinVedrafüsgRuanugmsgcehsitfaf,nSdoennnehnäettnee.rgGieew-Aäncthrsiehbäeusuenrd, nScohchleuviseelne e pr weitere technische Lösungen entwarf er. u S er h estrisc err at xtr e d n u us m mis os K er h ussisc R er eus 3 KonstantinE.Ziol- H e kowski,Derunbegrenzte uis Raum. -L e Mari 65 4 KonstantinE.Ziolkowski,Raketenprojektvon1903. Was waren aus Ziolkowskis Sicht die Ziele der Raumfahrt? Er schreibt: «Bei der Arbeit an Rückstoßgeräten hatte ich friedliche und hohe Ziele: das Weltall zumWohlederMenschheiterschließen,RaumundvonderSonneausgestrahlte Energiegewinnen.»10FürZiolkowskiwarderkosmischeRaumeinutopischesRe- fugiumfürdieinArmutundNotlebendeMenschheit.DasutopischePotentialfür eine Verbesserung der sozialen Situation war ihm zentrales Anliegen.11 Die so- zialeundökonomischeSituation,dieinRusslandim19.Jahrhundertfürdasein- facheVolkeineverheerendewar,werdesichaber,soZiolkowski,durchdieFort- schritte in Wissenschaft und Technik allmählich auf der Erde verbessern. Dadurch könne es jedoch zur ‹Überbevölkerung› kommen. Bekanntlich war das Argument der Überbevölkerung ein Argument von Thomas Robert Malthus, derinDienstenderEastIndiaCompanystand,vorallemgegendenfranzösischen RevolutionsdenkerJeanAntoineNicolasdeCaritatdeCondorcet,dereineVerbes- serung der sozialen Situation für alle Menschen anstrebte.12Wohlstand für alle würde bedeuten, so Malthus, dass sich die Bevölkerung in geometrischer Pro- gression vermehrt, dagegen die Nahrungsmittelproduktion nur in arithmeti- scher Progression. Die Konsequenz wäre eine ‹Überbevölkerung› in Relation zu den verfügbaren Nahrungsmitteln. Gegen Malthus wurde im 19. Jahrhundert dann das Argument vorgebracht, dass diese Grenzen des Wachstums durch die EntwicklungneuerTechnikenjeweilsüberwundenwerdenkönnen.DasProblem der Überbevölkerung blieb aber. FürZiolkowskiistderAuswegausdiesemDilemmafürdieMenschheitklarvor- gezeichnet.AlleMenschensolleneingleichesRechtaufLeben,WohlstandundBil- dunghaben.UmdiesehumanistischeForderungrealisierenzukönnen,istaberder WegindenWeltraumunumgänglich,dadieRessourcenaufderErdebegrenztsind: «AuchdieÜberbevölkerungderMenschheitaufderErdezwingtunszumKampfmit derSchwereundzurBenutzungdesHimmelsraumesundseinerReichtümer.»13Die RaumfahrtwirdalsnotwendigeKonsequenzeinerhumanistischenÖkonomieange- sehen,dieallenMenscheneingutesLebenermöglichensoll,nichtnureinerkleinen 09 0 privilegiertenSchichtvonMenschen.EsisteinGebotderMenschlichkeit,neueRes- 3.2 sourcen zu erschließen, um einen weiteren, sozialen Fortschritt zu ermöglichen. e ht ZiolkowskiwarderAuffassung,dassderMensch«umjedenPreisdieErdenschwere eric überwinden und zur Verfügung wenigstens den Raum des Sonnensystems» haben b e h 66 kritisc müsse.14ImRevolutionsjahr1917,dasihmeinekleinefinanzielleGrundsicherung durch eine von Lenin persönlich verfügte Leibrente bescherte, formulierte er fol- genden‹ethischenImperativ›,womitersichdeutlichvonderLehredes‹Kampfesal- ler gegen alle› in einer angeblich begrenzten Welt abhob: AusdiesemGrundbestehtderwahreWegzurVollkommenheitdarin,niemandemetwas ohne sein Einverständnis wegzunehmen, keinerlei Gewalt auszuüben, die Freiheit und die Wünsche der Nahestehenden nicht zu beeinträchtigen, sofern sie uns nicht auf die gleiche Weise bedrohen. Beruhigt alle Menschen! Sagt ihnen und versprecht, dass nie- mandemetwasweggenommenwird.EsbestehtkeineNotwendigkeitzumWegnehmen, wenninderNaturdieReichtümerinunendlicherMengevertretensind.Dannwirdunser WegzumIdealfriedlich,glücklichunderfolgreichsein.15 Darüber hinausgehend gab es für ihn auch eine kosmologische Notwendigkeit, den extraterrestrischen Raum aufzusuchen. Als Teil des Sonnensystems und als TeildesUniversumsistdieErdegefährdet.DerAufpralleinesMeteoriten«kann derErdeeinensolchenSchlagversetzen,dassdiesichdabeibildendefesteoder gasförmigeWelleallesvomErdbodentilgt–sowohldenMenschenalsauchseine Bauwerke».16DieErdeistaufDauerkeinesichereBasisfürdasLebenaufihr.Ir- gendwann,soZiolkowski,wirddieSonneabkühlenunderlöschen.Dannistman darauf angewiesen, auch aus dem Sonnensystem zu fliehen. «Aber», so Ziol- kowski, «vom Weltraum aus zu fliehen, ist bedeutend leichter als aus unserem planetarischenGefängnis,wowirundalles,waswirbesitzen,mitdenKettender Gravitation an die Erde gefesselt sind.»17 Ziolkowski gehörte mit dem Philosophen Nikolai Fjodorowitsch Fjodorow (1828/9–1903)unddemNaturwissenschaftlerWladimirIwanowitschWernadski (1863–1945)zudenGründungsväterndesrussischenKosmismus.18Derrussische Kosmismus war einer Fortschrittsidee verpflichtet, die sich teilweise aus Moti- ven der westeuropäischen Romantik speiste. Es wurde ein synergetisches, sich zu höheren Ordnungsstufen organisierendes Universum angenommen, das mit der Kreativität des Menschen eine Einheit bildet. Der Einfluss der dynamisti- us schen Naturphilosophie, insbesondere Friedrich Wilhelm Joseph Schellings ist matism uginltübimerÜsebhrbigaern, aabuecrhbfüisrhdeernnEoicnhflunsischdtersyrostmemanattiisscchhenunNtaetrusrupchhitlowsooprdheien.a1u9fDMieas- e pr lewitsch, der über den Energetismus von Wilhelm Ostwald an diese Denkströ- u S er mung anschloss. Sowohl Ziolkowski und der russische Geologe und Mineraloge h estrisc Wsuemrn›aand,skeiinalUsnaiuvcehrsduemr,Cdhaesm,einketgreOgsetnwdaeldsbnlaohßmfüenrgeeinsc‹hnleogsesnentreoSpyissctehmeseUfonrimveur-- aterr liertenZweitenHauptsatzesderThermodynamik,dessogenanntenEntropiesat- extr zes,nichtirreversibeldenvonRudolfClausius1865prognostizierten‹Wärmetod› d n ansteuert,sonderndurchdieEmergenzvonkomplexerenOrganisationsstufenzu u us einer Höherentwicklung tendiert.20Dieses Universum erlaubt eine naturtheore- m mis tischeFundierungderausderAufklärungstammendensozialenFortschrittsleh- Kos re,diemitdemMarxismusinderSowjetuniondannweiterenAuftrieberfuhr.In- her nerhalbdiesesUniversumskommtdertechnologischenEntwicklungderProduk- ussisc tivkräfte eine zentrale anthropologische und auch ethische Funktion zu, da sie R alsdaszentraleMovensderMenschheitsgeschichteangesehenwird,dasunsvon user der Biosphäre in die von Wernadski so benannte ‹Noosphäre› überführt. He Der Begriff ‹Noosphäre› knüpft an den altgriechischen Begriff für Geist und e uis Vernunft nous an und bezeichnet eine überindividuelle, durch die Vernunft des -L e Mari 67 MenschenerzeugtekünstlicheSphäre,mitderdieBiosphäreaufeinehöhereEvo- lutionsstufegehobenwird.DieNoosphärebringtzunehmendeinplanetaresBe- wusstsein hervor. Ethisches Ziel ist die global versöhnte Menschheit. Die Ver- wirklichung der überindividuellen, am Universalen ausgerichteten Noosphäre gehteinhermitdemAufbruchindenkosmischenRaum.DurchdieÜberwindung von Krankheit und Tod wird als ultimatives Ziel der Menschheit auch die Über- windung der Zeit angestrebt. Extraterrestrischer Suprematismus – Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch Malewitsch brachte sein künstlerisches Programm des Suprematismus 1924 auf folgende kurze Formel: «Ziel des Lebens ist die Befreiung vom Gewicht der Schwere.»21DieSchwerelosigkeitistfürihneinphysikalischerundzugleichspi- ritueller Zustand. Indem die Gegenstände ‹zerstäubt› werden, verlieren sie ihre ErdenschwereundMaterialität,werdenleichterundleichter,lösensichinErre- gungsmuster des Raumes auf und erlauben so eine Überwindung der gegen- ständlichen Welt. Mit der Schwerelosigkeit wird eine Befreiung aus der Gegen- ständlichkeit und damit aus dem Reich der Notwendigkeit erreicht. Der ange- strebte schwerelose, suprematistische Zustand ist das ‹befreite Nichts›, ein Zu- stand im Reich der Freiheit. Mit der Erdenschwere sollen, wie bei den zuvor ge- nannten russischen Kosmisten, auch bei Malewitsch Krankheit und Tod, Arbeit und Not, das Jammertal des irdischen Lebens überwunden werden. Die Bildele- mente in Malewitschs suprematistischen Kompositionen sind so zusammenge- fügt,dasssieschwerelosundfreierscheinen.DieMenschheitistdazuinderLa- ge,dieirdischeSchwerezuüberwinden,dasieimmerwiederausdemNullpunkt herauskreativzuseinvermag.22MalewitschverwandeltmitseinerLehrevonder ‹schöpferischen Null› die christliche Lehre der creatioexnihiloin eine Lehre der creatio ex zero.23 Für ihn ist Kreativität, verstanden als die Fähigkeit der Erzeu- gungvonEmergenzauseinemjeweiligenNullpunktheraus,dasWesendesMen- schen, womit er zum höchsten Sein in der Natur wird.24 Mit dem ‹befreiten Nichts› wird nicht nur jeweils ein kreativer Neuanfang möglich, sondern es er- möglicht eine extraterrestrische, kosmische Empfindung. Dazu Malewitsch: DerWegdesMenschenmussbefreitwerdenvonallemgegenständlichenGerümpel,das sich in den Jahrtausenden angesammelt hat. Dann erst wird der Rhythmus der kosmi- schenErregungvollwahrgenommenwerdenkönnen,dannwirdderganzeErdballeinge- bettetseinineineHülleewigerErregung,indenRhythmusderkosmischenUnendlich- keiteinesdynamischenSchweigens.25 DerBegriff‹dynamischesSchweigen›deutetdaraufhin,dassdasNichtsvonMa- lewitsch nicht als bloße, gähnende Leere, sondern als nichtgegenständliche Wirklichkeitaufgefasstwird,diezudemdynamischverfasstist.MitdemSchwe- ben im extraterrestrischen Raum würden wir diese Wirklichkeit spüren. So schreibt Malewitsch: DasganzeWeltallbewegtsichimWirbelgegenstandsloserErregung.AuchderMensch mitseinerganzengegenständlichenWeltbewegtsichinderUnendlichkeitdesGegen- standslosen,undauchalleseineDingesindimGrundegegenstandslos,dasiejaimEnd- 09 0 ergebnisdasZielnieerreichen.Darausistzufolgern,dassdiepraktische‹Realität›der 3.2 Dingenichtwirklichist.IndemMaße,indemderMenschdieWeltalsgegenständliche, e ht greifbareSachebetrachtet,kannersichihreralsGegenstandslosigkeit,alsabsoluterAuf- eric hebungderSchwere,auchnichtbewusstwerden.26 b e h 68 kritisc Mit der Bewusstwerdung der nichtgegenständlichen, nicht dinglichen Wirklich- keitwirderstderBefreiungsaktvollzogenunddie‹wahre›Wirklichkeiterkannt, denndieNaturselbstistinihremKernungegenständlichundsubstratlos.Male- witsch spricht von der «einen Wahrheit des gegenstandslosen Seins unter der Oberfläche der Erscheinungen».27 Er verabschiedet sich demnach nicht von der Ontologie,erfasstsienurandersalsdietraditionelleDingontologieauf.Diege- samteNaturbefindetsich,ihmzufolge,imgegenstandslosenZustand.Nurunse- re Vorstellung, die vom praktischen, gegenstandsbefangenen Realismus be- stimmtwird,unterschiebtihrfesteGrenzenundOberflächen.Wirselbstsindes, diedieWeltalsVorstellungunddamitalsGegenständlichkeitkonstituieren,wo- mit wir uns aber von der wahren Realität entfernen. Malewitsch: Der Mensch ist noch nicht sehend geworden in der Welt der Wirklichkeit, er ist noch nichterwacht.Dabeiisteraberunentwegtbemüht,Hilfsmittelzufinden,mitdenener dieharteSchaledurchbrechenkönnte,dieihnvonderWirklichkeittrennt.Wissenschaft, Religion,KunstsindsolcheHilfsmittel,diezuseinemErwachenführen,ihmdenDurch- bruchzurkosmischenWirklichkeitermöglichensollen.28 Erst wenn das Gegenständliche, das Widerständige und Grenzen Setzende fällt, wenndiediamanteneOberflächederErscheinungenaufgelöstwird,beziehungs- weise in der Terminologie Malewitschs ‹zerstäubt›, erst dann kann eigentlich kosmisches Empfinden entstehen. Die Empfindung der Nichtgegenständlichkeit oder der gegenstandslosen Welt ist für Malewitsch letztlich identisch mit der kosmischenEmpfindung.ErstmitderBefreiungvonderGegenständlichkeitwird dieFeierlichkeitderunendlichenErregung,dieFeierlichkeitdesWeltallsspürbar (Abb. 5).29 us m atis m e pr u S er h estrisc err at xtr e d n u us m mis os K er h ussisc R er us e 5 KasimirS.Malewitsch,Kos- H e mischeKomposition,1917–1918, uis Zeichnung. -L e Mari 69 Malewitsch hat mit seiner Philosophie nicht nur mystisch-religiöse Motive formuliert,dieetwamitTraditionendernegativenTheologieoderdesNeuplato- nismusverknüpftwerdenkönnten,sondernmeinesErachtensdiezuseinerZeit aufkommende moderne Naturwissenschaft adaptiert. Zwei Konzepte aus der zeitgenössischenNaturwissenschaftscheinenbeiseinerPhilosophiederNichtge- genständlichkeitPategestandenzuhaben:zumeinendasrelativistischeKonzept des Raumes als einer nichtgegenständlichen physikalischen Realität, die durch ihreDynamikerstKräfteundMateriekonstituiert(AlbertEinstein)undzuman- deren die Erregungslehre des Energetismus (Wilhelm Ostwald). EinsteinsRelativitätstheoriewurdeimUmkreisvonMalewitsch,insbesonde- revonseinemMitstreiterLasarMarkowitschLissitzky(kurzElLissitzkygenannt) intensivrezipiert.ElLissitzkyvertratdieAuffassung,dassdieKunstderModerne nur den Prozess, den die Mathematik im 19. Jahrhundert bereits mit Carl Fried- richGauß,BernhardRiemannundNikolaiIwanowitschLobatschewskivollzogen hatte, im Medium der Kunst nachvollzog: DenererbtenperspektivischenRaumhabendieImpressionistenalserstezusprengenan- gefangen. Entscheidender war das kubistische Verfahren. Sie haben den raumabschlie- ßendenHorizontindenVordergrundgezogenundihnmitderMalflächeidentifiziert.30 Der euklidische Raum, auf dessen visueller Konstruktion die Zentralperspektive beruht, wurde durch die moderne Mathematik nicht mehr als allein gültiger Raumangesehen.DerRaumundmitihmdieGeometriewurdenim19.Jahrhun- dertzunehmenddynamisiert.31ZudemwurdedieserdynamisierteRaumzuneh- mend als alleiniger Träger der Realität angesehen, oder wie es Einstein 1930 rückblickend formulierte: Zusammenfassendkönnenwirsymbolischsagen:DerRaum,ansLichtgebrachtdurchdas körperlicheObjekt,zurphysikalischenRealitäterhobendurchNewton,hatindenletzten JahrzehntendenÄtherunddieZeitverschlungenundscheintimBegriffezusein,auch dasFeldunddieKorpuskelnzuverschlingen,sodasseralsalleinigerTrägerderRealität übrigbleibt.32 Darauf aufbauend entwickelte später John Archibald Wheeler die Geometrodyna- mik, für die die Raumzeit die einzige Arena ist, in der sich die Naturprozesse ab- spielen. Demnach ist das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum alles, was es gibt,eineArtmagischesBaumaterial,ausdemallesinderphysikalischenWeltge- formtist.LichtbeispielsweiseistnureineKräuselungdesleerenRaumes.DasGra- vitationsfeld wird durch eine schwache Krümmung in einem Gebiet des Raumes beschrieben.LadungundMassesindnichtsanderesalsverknoteteGebietehoher KrümmungdesRaumes.FelderundTeilchensinddemnachkeinezusätzlichenWe- senheitenzurRaumzeit,sondernEpiphänomenederGeometrodynamikunddamit der Energie der Raumzeit.33 Wheelers Theorie scheiterte allerdings letztlich auf- grundnichtbehebbarer,unendlicheWerteannehmenderFeldsingularitäten. DerzweitevonMalewitschverwendeteZentralbegriffistderBegriffder‹Er- regung›. «Das Wahre, das Wirkliche ist nur in der Erregung», lautet ein Grund- satz seiner suprematistischen Ästhetik.34 DassuprematistischeBewusstseinistimVerhältniszurWeltderErscheinungenundder 09 0 ganzenNaturnurErregung.DarumkönneninihmauchkeineZuständeexistieren,die 3.2 wir‹Materie›nennen,zumalalles,obwiresnunorganischoderunorganischnennen,nur e ht BewegungskraftderErregungist,diesichnurdannin‹Materie›verwandelt,wenndas eric BewusstseindesDurchschnittsmenschendieseBewegungskraftineinevonihmerdachte b e h 70 kritisc Ordnungbringt.DochauchindiesemFallemüssteMateriealseingewisserZustandvon KräftenoderBallungenaufgefasstwerden,alsFolgederBewegung.35 SeinKonzeptderErregungbasiertwieseinKonzeptderNichtgegenständlich- keitaufzeitgenössischennaturwissenschaftlichenTheorien.OffenbarwarMale- witsch von der Energetik Ostwalds beeinflusst.36Ostwald stammte aus dem da- mals zu Russland gehörenden Riga, war dann ab 1887 Professor der Chemie in Leipzigunderhielt1909denNobelpreisfürseineArbeitenzurKatalyse.Um1900 schuf er die Grundlagen für seinen Energetismus, demzufolge die Substanz der Naturnichtausdinglich-atomarerMaterie,sondernauspurerEnergie,dasheißt reiner Dynamik besteht. Materielle Entitäten sind demnach nur Epiphänomene basalerenergetischerProzesse.OstwaldhatteseinenEnergetismusinbewusster AnlehnungandieTraditionderdynamistischenNaturphilosophiederRomantik, aber unter Einbeziehung der neu von ihm begründeten Disziplin der Physikali- schen Chemie entwickelt.37 Interessant in diesem Kontext ist auch, dass Ostwald eine eigenständige Far- benlehre schuf, die im Hinblick auf Malewitschs Suprematismus vielleicht neue Aufschlüsse gewähren könnte. Die Welt als eine Gruppierung von Kräftefeldern undEnergiedichtenkannnurüberelektrischeNervenreizungenwahrgenommen werden. Die dynamischen Kräftebewegungen folgen bei Malewitsch den Prinzi- pienvonVerdichtungund‹Zerstäubung›.Da,wodieEnergiedichteanihreGren- zenstößt,kommteszu‹Katastrophen›.DieserBegriffwurdevonOstwaldeinge- führt,umkritischeÜbergängevonenergetischenOrdnungszuständenzubezeich- nen.NachderZerstäubungentstehenneueEnergiefelder,diesichzuneuenZen- trenbündelnundverdichten,bisauchsiewiederzerfallenund‹zerstäuben›.Ma- lewitschsCredowar,dassLicht,Farbe,FormundMalereinichtsalsEnergieseien. DamitwirdaberdieKunstauchnichtmimetisch,dasiedasParadigmadergegen- ständlichenRepräsentationaufgibt.KunstkanndieWeltnichtnachahmen,dasie mit dem Nachahmen das Wesentliche der Welt verkennt, ihre grundlegende Dy- namik.DiesekunstphilosophischeKonsequenzhatteschonSchellingum1800aus us seiner dynamistischen Naturphilosophie gezogen. Auch für Schelling kann es matism nmiicmhtetAisucfhgawbieeddeerrzKuguenbsetns,edine,ndnednaämuißtewreünrd,egesgieendsetnänKdelrinchdeenrSNcahteuirngdeenrauDivnegre- e pr fehlen,sondernsiekannnurversuchen,sichmitdemunbewussten,autogenerati- u S er ven Sich-Selbst-Konstruieren der Natur zu identifizieren und so eine Art oszillie- h estrisc rneenhdmeeZnw.NitatcehrsStechlleulnligngzwhaisbcehnenwidreemineBeMwituwssitssseeinnscuhnadftddeemrSUcnhböpewfuunsgs,tdenieebiinszaun- aterr den Anfang der Welt zurück reicht. Mit der Moderne wurde die gegenständliche extr DarstellunginderKunstmehrundmehrgesprengt.DiesistoffenbardasResultat d n desDynamismusdiesesZeitalter.EsisteinGrundzugderModerne,dasssiesich u us nicht mehr in einer fertigen, gegebenen Welt des Gegenständlichen einrichtet, m mis sondern alle Verhältnisse dynamisiert. Dies hat auch Malewitsch so gesehen. In Kos seinem Bauhausbuch von 1927 führt Malewitsch dazu aus: her DieneuenKunstrichtungenkönnennurineinerGesellschaftbestehen,diedasTempoder ussisc Großstadt,dasMetallischederIndustrieinsichaufgenommenhat.EskannkeinenFutu- R rismusgebendort,wodieGesellschaftnochdieidyllisch-ländlicheLebensweiseaufrech- user terhält.[...]DerFuturismusistnichtdieKunstderProvinz,sonderndiederindustriellen e H Arbeit. [...] Heute ist der Futurismus allerdings noch der schonungslosen Verfolgung e uis durchdieAnhängerderidyllischenKunstderProvinzausgesetzt.38 -L e Mari 71

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Russischer Kosmismus und extraterrestrischer Suprematismus. 1 .. witsch von der Energetik Ostwalds beeinflusst.36 Ostwald stammte aus dem da-.
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