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Carlo Strenger Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit PDF

15 Pages·2016·1.13 MB·German
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Carlo Strenger Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit Folgende Titel sind u. a. in der Reihe »Psyche und Gesellschaft« erschienen: Lu Seegers, Jürgen Reulecke (Hg.): Die »Generation der Kriegskinder«. Historische Hin- tergründe und Deutungen. 2009. Christoph Seidler, Michael J. Froese (Hg.): Traumatisierungen in (Ost-)Deutschland. 2009. Hans-Jürgen Wirth: Narcissism and Power. Psychoanalysis of Mental Disorders in Politics. 2009. Hans Bosse: Der fremde Mann. Angst und Verlangen – Gruppenanalytische Untersu- chungen in Papua-Neuguinea. 2010. Benjamin Faust: School-Shooting. Jugendliche Amokläufer zwischen Anpassung und Exklusion. 2010. Jan Lohl: Gefühlserbschaft und Rechtsextremismus. Eine sozialpsychologische Studie zu Generationengeschichte des Nationalsozialismus. 2010. Markus Brunner, Jan Lohl, Rolf Pohl, Sebastian Winter (Hg.): Volksgemeinschaft, Täter- schaft und Antisemitismus. 2011. Hans-Jürgen Wirth: Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik. 4., korrigierte Auflage 2011. Oliver Decker, Christoph Türcke, Tobias Grave (Hg.): Geld. Kritische Theorie und Psycho- analytische Praxis. 2011. Johann August Schülein, Hans-Jürgen Wirth (Hg.): Analytische Sozialpsychologie. Klas- sische und neuere Perspektiven. 2011. Antje Haag: Versuch über die moderne Seele Chinas. Eindrücke einer Psychoanalytikerin. 2011. Tomas Böhm, Suzanne Kaplan: Rache. Zur Psychodynamik einer unheimlichen Lust und ihrer Zähmung. 2., ergänzte Auflage 2012. Markus Brunner, Jan Lohl, Rolf Pohl, Marc Schwietring, Sebastian Winter (Hg.): Politische Psychologie heute? Themen, Theorien und Perspektiven der psychoanalyti- schen Sozialforschung. 2012. Thomas Auchter: Brennende Zeiten. Zur Psychoanalyse sozialer und politischer Kon- flikte. 2012. Hartmut Radebold (Hg.): Kindheiten im Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen. 3. Aufl. 2012. Helmut Dahmer (Hg.): Analytische Sozialpsychologie. Texte aus den Jahren 1910–1980, 2 Bände. 2013. David Tuckett: Die verborgenen psychologischen Dimensionen der Finanzmärkte. Eine Einführung in die Theorie der emotionalen Finanzwirtschaft. 2013. Lea Schumacher, Oliver Decker (Hg.): Körperökonomien. Der Körper im Zeitalter seiner Handelbarkeit. 2014. Jan Lohl, Angela Moré (Hg.): Unbewusste Erbschaften des Nationalsozialismus. 2014. Burkard Sievers (Hg.): Sozioanalyse und psychosoziale Dynamik von Organisationen. 2015. »Psyche und Gesellschaft« Herausgegeben von Johann August Schülein und Hans-Jürgen Wirth Carlo Strenger Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit Das Leben in der globalisierten Welt sinnvoll gestalten Aus dem Englischen von Irmela Köstlin Psychosozial-Verlag Für Julia Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The fear of insignificance. Searching for meaning in the twenty-first century« Copyright © Carlo Strenger, 2011 Reprinted by permission. All rights reserved. First published in 2011 by PALGRAVE MACMILLAN® in the United States – a division of St. Martin's Press LCC, 175 Avenue, New York, NY 10010. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Deutsche Erstausgabe © 2016 Psychosozial-Verlag Walltorstr. 10, D-35390 Gießen Fon: 06 41 - 96 99 78 - 18; Fax: 06 41 - 96 99 78 - 19 E-Mail: [email protected] www.psychosozial-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Foto- grafie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagabbildung: Kazimir Malevich, »Stehende männliche Person«, 1930–1931. Umschlaggestaltung und Innenlayout nach Entwürfen von Hanspeter Ludwig, Wetzlar www.imaginary-world.de Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ® MIX Papier aus verantwor- tungsvollen Quellen www.fsc.org FSC® C083411 ISBN 978-3-8379-2499-2 Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Einführung 13 Unser historischer Moment 7 14 15 Teil I 16 Die Niederlage des Geistes 17 17 18 1 Die Jahre des goldenen Kalbs 19 19 20 2 »Just do it« – »Tu’s einfach« 21 Der Prominentenkult und das Selbst als Design-Projekt 41 22 23 3 Die Kapitulation des Geistes 24 Relativismus und Pop-Spiritualität 75 25 26 Teil II 27 Von der Verfügbarkeit des »Ichs« als Handelsware 28 zum Drama der Individualität 107 29 30 4 Das Drama der Individualität 109 31 32 5 Vom »Just Do It« zu aktiver Selbstakzeptanz 137 33 34 6 Das Leben auf das Wesentliche beschränken 35 Ein epikureischer Vorschlag 159 36 5 1 Teil III 2 Wie wir unseren Verstand zurückgewinnen 183 3 4 7 Der platonischen Höhle entkommen 185 5 6 8 Religion und Wissenschaft 7 Zivilisierte Verachtung und epikureisches Gelächter 227 8 9 9 Ein Plädoyer für Weltbürgerschaft 10 und eine Koalition offener Weltanschauungen 259 11 12 Anmerkungen 291 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 6 Einführung 1 2 Unser historischer Moment 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Wir erwachen gerade aus einer Epoche, die Immanuel Kant eine Epoche 13 des dogmatischen Schlummers genannt hätte.1 Im Gegensatz zu den dog- 14 matischen Schlummerperioden vergangener Jahrhunderte, die von meta- 15 physischen und religiösen Glaubensüberzeugungen geprägt waren, die 16 Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781) kritisch auf den Prüfstand 17 stellte, werden die letzten Jahrzehnte vermutlich als das Zeitalter geistloser 18 Omnipotenzfantasien und gedankenlosen Dogmatismus’ in Bezug auf die 19 Philosophie des freien Marktes in die Geschichte eingehen. 20 Nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 gerieten die Befürwor- 21 ter entfesselter freier Märkte, die in den Jahren von Ronald Reagan und 22 Margaret Thatcher wirtschaftlich die Zügel in die Hand genommen hatten, 23 in einen Siegestaumel: der Niedergang des Kommunismus und die Auflö- 24 sung der Sowjetunion und ihrer Einflusssphäre wurden als Beweis dafür 25 angesehen, dass das Evangelium des freien Marktes von nun an die einzige 26 Weltreligion von universeller Gültigkeit sei.2 27 Alles, ob es sich um Unternehmensgesellschaften oder Religionen, um 28 das Musikgeschäft oder um Ideen handelte, wurde in seinem Wert nun 29 anhand von Ranking- und Rating-Systemen bemessen: anhand von Akti- 30 enmärkten, Rating-Agenturen, Bestsellerlisten oder der Zahl der Hits im 31 Internet. Es war nur logisch, diese Kommodifizierung bzw. Kommerzialisie- 32 rung auch auf die Menschen auszudehnen3, und sie wurde durch das neue 33 globale Infotainment-System noch beschleunigt. Eine der Hauptaktivitä- 34 ten dieses Systems war es, dieses Ranking seinen eigenen Zwecken dienstbar 35 zu machen: Für globales Marketing und globale Werbung brauchte man 36 7 Einführung 1 globale Berühmtheiten. Infolgedessen unterstützte das System rund um 2 den Globus zwei Modelle des guten Lebens: Berühmtheit – die Quanti- 3 fizierung des Bekanntheitsgrades einer Person – und finanziellen Erfolg. 4 Das neue Ranking-System bestimmte den Wert des Individuums mit- 5 hilfe einer Reihe verschiedener Faktoren – von der Zahl der Freunde bei 6 Facebook über die Zahl der Einträge bei Google bis hin zu der Position, 7 die jemand auf der stets wachsenden Zahl von Ranking- und Rating-Listen 8 einnahm, die bestimmten, wer zu den einflussreichsten, populärsten, sexu- 9 ell attraktivsten, mächtigsten oder reichsten Menschen in Städten, Ländern 10 und schließlich auf dem gesamten Globus gehörte. 11 Eine neue Gattung war geboren: der Homo Globalis, die große Gruppe 12 der Menschen, deren Identität in erster Linie dadurch definiert ist, dass sie 13 Teil des globalen Infotainment-Systems sind. Nun, da der Homo Globalis 14 zur Ware geworden war, war er nicht mehr nur der Inhaber eines Portfolios, 15 er wurde selbst zum Portfolio, das mithilfe des Infotainment-Systems rund 16 um den Globus gehandelt wurde. 17 Die Kommodifizierung (das Zur-Ware-Werden des Menschen, Kommer- 18 zialisierung; A. d. Ü.) des Selbst hatte zweierlei zur Folge: eine dauerhafte 19 Instabilität der Selbstachtung der Betroffenen und Zweifel daran, ob sie ei- 20 gentlich ein sinnvolles und erfülltes Leben führten. Dies wiederum führte 21 zu einem existenziellen Unbehagen, dem mit Psychopharmaka, kombiniert 22 mit den seichten »spirituellen« Rezepten aller möglichen Selbsthilfe-Gu- 23 rus, nur wenig wirksam begegnet werden konnte, insbesondere wenn diese 24 das Evangelium propagierten, Ruhm und Reichtum seien nur eine Sache 25 von Mut und Willenskraft. 26 Der Zusammenbruch der Finanzmärkte hat uns aus der neoliberalen 27 Überzeugung aufgeschreckt, der Kapitalismus habe die Essenz dessen 28 entdeckt, was ein erfülltes menschliches Leben ist. Mit dem Bankrott der 29 Lehman Brothers war der Untergang dieses Dogmas besiegelt; nun wurde 30 selbst den hartnäckigsten Verfechtern eines zügellosen Kapitalismus klar, 31 dass eine historische Epoche an ihr Ende gekommen war.4 32 Opfer dieses Zeitalters, das durch den Tanz ums goldene Kalb gekenn- 33 zeichnet war und eine jahrzehntelange umfassende Kommerzialisierung in 34 allen Bereichen zur Folge hatte, war nicht allein die Wirtschaft, auch wenn 35 der im Leben von Millionen Menschen angerichtete verheerende Scha- 36 den, schrecklich ist. Zum Opfer gefallen ist dieser Katastrophe vor allem 8 Einführung die Idee einer freien Welt und einer freien Gesellschaft. Diese Idee war zu 1 dem unsinnigen Glaubenssatz pervertiert worden, alles, was wirklich von 2 Bedeutung sei, müsse sich auch materiell und wirtschaftlich messen lassen. 3 Dadurch wurde der Idee einer offenen Gesellschaft, deren Blühen und Ge- 4 deihen auf präzisem Denken beruht – das bleibende Vermächtnis der euro- 5 päischen Aufklärung – großer Schaden zugefügt.3 6 Wie können wir dem Dilemma des globalisierten Menschen begegnen? 7 Dieses Buch stellt die These auf, dass die Ideen, die wir brauchen, um die 8 zentralen Werte der Freiheit wiederherzustellen – die Werte, die John 9 Stuart Mill in seiner Abhandlung On Liberty6 (dt.: Über die Freiheit) dar- 10 legte –, in der kulturellen und intellektuellen Geschichte des Westens zu 11 finden sind.7 12 Der erste entscheidende Gedanke meiner Argumentation ist dies: Kern 13 des menschlichen Lebens ist das Drama der menschlichen Entwicklung 14 und nicht der daraus folgende wirtschaftliche Nutzen. Das System des In- 15 fotainments hat uns genau dies vergessen lassen: dass der Entwicklungspro- 16 zess, der uns zu Individuen macht, zu Individuen mit Charakter, Stimme 17 und einer bestimmten Sicht auf die Welt, das wahre Drama des mensch- 18 lichen Lebens ist. Es kommt darauf an, dass wir ein Leben leben, das wir 19 selbst geschaffen haben, und nicht ein Leben, das sich den Forderungen des 20 globalen Marktes anpasst. 21 Der Existenzialismus hat diese Idee entwickelt und dargelegt, dass wir 22 mit der Spannung zwischen unserem kulturellen Erbe und unserer Fähig- 23 keit, es zu kritisieren, leben müssen; mit der Spannung zwischen unseren 24 Wünschen und unseren Möglichkeiten; und mit der Notwendigkeit, das 25 Grundmaterial unseres Lebens, das wir uns nicht ausgesucht haben, in ein 26 Leben zu verwandeln, das wirklich unser Leben ist. Insofern könnte man 27 sagen, dass wir unser Leben irgendwie zusammenbasteln müssen, dass wir 28 Künstler sind, die mit dem vorliebnehmen, was sie in den Hinterhöfen 29 ihres Lebens finden, und die Materialien, die sie brauchen, nicht in Ge- 30 schäften kaufen, die sich ihren Launen und Wünschen anpassen könnten. 31 Unsere Individualität ist das Ergebnis des Kampfes, mit diesen Spannungen 32 zu leben und sie fruchtbar zu machen, statt die Lösung in illusorischer Har- 33 monie zu suchen. 34 Der zweite wichtige Gedanke wurde erstmals im klassischen Griechen- 35 land formuliert. Die Idee, dass wir unseren Geist befreien und uns der 36 9 Einführung 1 Wahrheit schrittweise und fortwährend annähern können, ist der Grund- 2 stein der philosophischen Tradition des Westens. Platons großartiges Höh- 3 lengleichnis, sein Bild vom Menschen als einem Wesen, das, durch seine 4 Geburt und Herkunft geprägt, die Illusion für Wirklichkeit hält, ist eine 5 großartige Parabel für den Prozess, dem wir uns alle unterziehen müssen 6 und zu dem die Philosophien sämtlicher Kulturen uns auffordern: Wir 7 müssen die wesentlichen Grundannahmen, die unsere Sicht auf die Welt 8 bestimmen, rückhaltlos überprüfen.8 9 Die aktuellste Formulierung dieses Gedankens finden wir in der euro- 10 päischen Aufklärung bei Immanuel Kant. Er schrieb: »Aufklärung ist der 11 Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.« 12 Wenn der Mensch wirklich frei sein will, muss er sich in einem überaus 13 mühseligen Prozess intellektueller Anstrengung mit den grundlegenden 14 Fragen seiner Existenz auseinandersetzen. Diese Fragen reichen von der 15 Suche nach dem guten Leben und der guten Gesellschaft bis hin zu der 16 Frage, wie wir von falschen Annahmen zu wirklichem Wissen gelangen 17 können. Ohne eine kohärente Weltsicht fehlt unserem Leben eine Bedeu- 18 tung gebende Struktur; und ohne Kriterien für die Gültigkeit unserer Welt- 19 sicht haben wir keine Gewissheit, dass sie Bestand haben wird – einmal ab- 20 gesehen davon, dass sie sich am Markt möglicherweise gut verkauft, und das 21 ist bekanntlich ein recht schwankender Qualitätsmaßstab. Ich hege zwar 22 nicht die Illusion, wir könnten in Hinblick auf die tiefsten Fragen unserer 23 Existenz zu einem Konsens kommen, aber ich hoffe immerhin zeigen zu 24 können, dass es möglich ist, diese Fragen wenigstens deutlich zu artikulie- 25 ren und zu diskutieren. 26 Mit diesem Buch möchte ich also wieder einmal die Frage aufgreifen, 27 was es bedeutet, ein wertvolles Leben zu leben. Es ist zu hoffen, dass es zu 28 einer Annäherung kommt zwischen den kulturellen Sensibilitäten der Eu- 29 ropäer, denen kulturelle und intellektuelle Tiefe schon immer am Herzen 30 lagen, und den gewaltigen intellektuellen Energien der Amerikaner, die in 31 den vergangenen Jahrzehnten an den Rand des kulturellen Mainstreams 32 geraten sind. 33 Dies wird hoffentlich zur Entwicklung von Weltbürgerschaft9 in einem 34 tieferen Sinne beitragen. Im Unterschied zu den aalglatten Formen des Kos- 35 mopolitismus10 handelt es sich bei wirklicher Weltbürgerschaft nicht um 36 wohlfeile Weltläufigkeit, sondern um etwas viel Wesentlicheres – nämlich 10

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Psychosozial-Verlag. Carlo Strenger. Die Angst vor der. Bedeutungslosigkeit. Das Leben in der globalisierten Welt sinnvoll gestalten. Aus dem Englischen von Irmela Köstlin
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