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Caesar als Schriftsteller PDF

80 Pages·1957·7.765 MB·German
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j •\ M- "FrankE.Adcock CAESAR ALS SCHRIFTSTELLER {4<\& ) VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN h)oi \£}\32^ Javeiisohe Staatsbibliothek MÜNCHEN Sir Frank E. Adcock geboren 1886, von 1925-51 Professor für alte Geschichte in Cambridge und 1951-55 Vice-Provost am dortigen King's College, %u dessen Fellow er bereits 1911 gewählt wurde. Studienjahre in Cambridge, Berlin und München. Während des 2. Weltkrieges im Foreign Office tätig. Präsident der ClassicalAssociation 1947J48. Mitglied auch des Deutschen Archäologischen Instituts. Mitherausgeber der Cambridge Ancient History. Veröffentlichungen: Verschiedene Kapitel in der Cambridge Ancient History. — The Roman Art of War, 1940- — Caesar as Man of Letters, 1956. — The Greek and Macedonian Art of War, 1957. Berechtigte Übersetzung aus dem Englischen von Ursula Gaetzschmann Die lateinischen Zitate übersetzte Helmut Schlüter Titel des Originals: Caesar as man of letters Kleine Vandtnboeck-Rtibt 45 Umschlag: Irmgard Suckstorff Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Vcrlagx:! ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen 7410 VORREDE Dieses Buch soll den literarischen Charakter der Schriften Cäsars würdigen. Durch ihre große Klarheit und den verhältnismäßig be grenzten Wortschatz, den diese Werke verwenden, eignen sie sich besonders als Einführung in die Übersetzung aus dem Lateinischen. Diesen praktischen Zweck erfüllen sie auch in den Schulen, danach jedoch geraten sie leicht in Vergessenheit. Oft interessiert man sich gerade wegen der frühen Einführung später nicht mehr für sie. Vielmehr glaubt man gern, daß man sich mit der Durchsicht von ein oder zwei der commentarii ein ausreichendes Beispiel für alle verschafft hat, das durchaus genügt. Man erinnert sich an die An strengung, die es einst kostete, Cäsars Werke überhaupt zu lesen, und damit wird das Verlangen, sich jetzt zum Vergnügen mit ihnen zu beschäftigen, sehr gering. Überdies meint man, was für die vierte Klasse verständlich war, komme für die sechste nicht mehr in Betracht, und gar nicht erst für die Studenten. Bei meiner Vorbereitung auf die klassische Abschlußprüfung in Cambridge wurde es mir nicht nahegelegt, irgendeinen der commen tarii Cäsars durchzulesen: Man konnte sich darauf verlassen, daß ich ihren Inhalt aus den Geschichtsbüchern kannte, und für den Prosastil des Lateinischen hatte ich andere Beispiele, die farbiger und abwechslungsreicher und mir beim Verfassen lateinischer Auf sätze nützlicher waren. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hat kein Professor der Universität Cambridge im letzten halben Jahrhundert auch nur die kürzeste Vorlesung den Werken Cäsars gewidmet. Zweifellos gibt es andere Autoren, die die Aufmerk samkeit der Professoren mit mehr Berechtigung für sich in Anspruch nehmen. Sie haben einen größeren literarischen Wert, weisen größere Schwierigkeiten auf, oder sie beleuchten eine Phase der lateinischen Literatur oder des lateinischen Denkens besser. Trotz dem ist die Lektüre Cäsars noch immer der Mühe wert; wir lesen ihn aber mit mehr Verständnis und mehr Interesse, wenn irgendein Buch uns hilft, den literarischen Charakter seiner Schriften und die Art, wie sie seine außerordentliche Persönlichkeit spiegeln, richtig einzuschätzen. Für diesen praktischen Zweck ist es angebracht, den Leser in einer kurzen Einleitung daran zu erinnern, was Cäsar war, als seine Werke entstanden. Ein vollständiger Bericht über seine Laufbahn 3 und seine Bedeutung würde über den Rahmen dieses Buches hinaus gehen. Der Einleitung folgt eine genaue Erörterung der literarischen Form, zu der die commentarii gehören. Dabei wird sich heraus stellen, daß sie Qualitäten haben, die sich von der überlieferten Form nicht beengen und begrenzen lassen. Cäsar lag nichts daran, nur einem Beispiel zu folgen oder sich von einer überlieferten Form leiten zu lassen. Soweit er sich aber nach einem Muster richtete, ist es für uns gut, davon eine Vorstellung zu haben. Darauf folgt ein Kapitel über Absicht und Inhalt der commentarii. Der Leser kann dann besser beurteilen, wie weit sich die überlieferte Form in den Schriften Cäsars auswirkt und bis zu welchem Grad er über sie hinausgeht. Das immer wiederkehrende Thema der commentarii ist der „Krieg", und deshalb bringt das nächste Kapitel „Der Soldat" Cäsars literarische Deutung des Krieges und derer, die eine wichtige Rolle dabei spielten. Das führt weiter zur Betrachtung des Stils, der uns sowohl über Cäsars Persönlichkeit wie auch über seine Art zu schreiben aufklärt. Diese Kapitel bilden zusammen den Hauptinhalt des Buches für die meisten Leser, für die es bestimmt ist. Aber außerdem gibt es noch gewisse Fragen, die viele Gelehrte Jahre hindurch eifrig dis kutiert haben. Man kann sich mit Cäsars Schriften nur schwer ein gehend und sehr lange beschäftigen, ohne den Versuch zu machen, in diesen Fragen so sicher zu gehen wie nur irgend möglich, und das Kapitel „Einige Probleme" will daher Beweise erbringen, die einige sehr wahrscheinliche Schlußfolgerungen stützen. Zuletzt er scheint noch eine kurze Charakteristik anderer Werke, die zu dem Gesamtwerk der commentarii über Cäsars Feldzüge gehören. Man kann sie mit seinen eigenen Schriften vergleichen oder kontra stieren. Während etwa der letzten 100 Jahre hat dieTätigkeit der Gelehrten eine sehr große Literatur über Cäsars Schrifttum hervorgebracht. Ich habe versucht, von der meisten dieser Literatur Rechenschaft abzulegen, und bin ihr, es erübrigt sich, das zu betonen, zu Dank verpflichtet. Auf diese Literatur habe ich mich aber nur dort be zogen, wo ich eine besondere Verpflichtung anzuerkennen oder einem Leser ein besonders wichtiges Werk zu empfehlen wünschte. Eine vollständige Bibliographie würde den Umfang dieses Buches ungebührlich vergrößern. Das Stellenverzeichnis, das dem Gesamt verzeichnis folgt, wird einigen Lesern von Nutzen sein. Die Lesart dieser Stellen folgt normalerweise der neuesten Ausgabe des Teubnertextes von Klotz. Vielen Freunden habe ich für Rat und Kritik zu danken. Sie gaben ihn in verschiedenen Phasen der Arbeit, in Unterhaltungen oder wenn sie Teile oder das ganze Buch gelesen hatten. Mr. G. T. 4 Griffith, Mr. N. G. L. Hammond, Dr. A. H. McDonald und Pro fessor E. T. Salmon bin ich in dieser Hinsicht zu besonderem Dank verpflichtet. Für Irrtümer in Tatsachen oder Lehre bin ich allein verantwortlich. F. E. A. Cambridge, Januar 1955 INHALT Einleitung 6 — I. Die literarisdie Form 9 — II. Absicht und Inhalt von Cäsars „Kommentaren" 18 — III. Der Kriegsmann 38 — IV. Stil und Persönlichkeit 46 — V. Einige Probleme 55 — 1. Der „Gallische Krieg" 55 — 2. Der „Bürgerkrieg" 62 — 3. Die Exkurse 66 — VI. Das Corpus Caesareanum 70 — Übersetzung der lateinischen Zitate 75 5 DUTC StaatsbiDliolhek MÜNCHEN EINLEITUNG Als Cäsar im März 58 v. Chr. nach Gallien ging (in einem Alter, da Alexander tot und Napoleon geschlagen war) 1, war er Pontifex Maximus und Konsul, Gouverneur zweier Provinzen und Befehls haber eines kleinen Heeres, das notfalls vergrößert werden konnte. Er war ein politischer Abenteurer gewesen. Er war Gefahren ent kommen oder hatte Gefahren überwunden, die sich einem Mann, dessen frühe Verbindungen verdächtig gewesen waren, bei der Beförderung in ein hohes Amt entgegenstellen. Er war ein Ver schwender gewesen, ein eleganter Stutzer, der dadurch, daß er durch Bestechung an die Spitze der Staatsreligion gelangt war, auch nicht achtbarer geworden war. Als Redner hatte er seine Kraft be wiesen und in der Intrige seine Geschicklichkeit. In Spanien hatte er als Proprätor einigen militärischen Erfolg erreicht und sein Ver mögen wiedergewonnen, für das er bislang die Unterstützung des großen Financiers Crassus gebraucht hatte, der dafür mit politi schen Gefälligkeiten bezahlt wurde. Ein rechtzeitiger Anschluß an Pompeius, den das Übelwollen einflußreicher Aristokraten, die in der überlieferten Form der Senatsregierung Dienste leisteten und Dienste empfingen, gekränkt hatte, gab ihm die Gelegenheit, Crassus und Pompeius in einem Bündnis zu versöhnen. An diesem Bündnis nahm auch er teil, aber kaum zu gleichen Bedingungen. Sie hatten ihm die Wahl in das Konsulat verschafft, in dem er ihren Interessen und seinen eigenen gedient hatte. Außerdem hatte er in dieser Zeit noch soviel Bewegungsfreiheit, daß er einige praktische Reformen in der Kontrolle der Provinzialregierung einführen konnte. Die wirksame Ausnutzung seiner Stellung und der Streit kräfte, die dem Bündnis zur Verfügung standen, ging über die her kömmlichen Schranken hinaus, und er hatte die Hilflosigkeit seiner Feinde offen verspottet. Als Prokonsul des Cisalpinischen Gallien sollte er ein Heer haben, das in den nächsten Jahren für das Bünd nis als militärische Reserve eingesetzt werden konnte. Dann war die Provinz des Transalpinischen Gallien frei und mit unter seinen Befehl gestellt worden, so daß sein Ehrgeiz nun einen noch weiteren Spielraum hatte. Er konnte ein Gefolge von Soldaten als seine legati um sich sammeln, einen Posten für den Sohn des Crassus 1 G. Boissier, CiceVon et ses amis, p. 242. 6 finden und ein Amt für die Talente des Labienus, der wahrschein lich ein Günstling des Pompeius war. All dies aber gab Cäsar noch nicht die hervorragende Bedeutung, die ihm die biographische Tradition zugeschrieben hat, da sie seine zukünftige Größe voraus nimmt. Während der sommerlichen Kampfzeit von acht Jahren führte Cäsar seine Feldzüge nördlich der Alpen durch. In den meisten Wintern banden ihn die Pflichten eines Statthalters an Norditalien. Einem Mann von seiner raschen Arbeitsweise ließen sie genug Zeit, einen Rechenschaftsbericht über seine Feldzüge zu schreiben, wenn er es wollte. Er konnte mit dem Lauf der politischen Ereignisse in Rom in Ver bindungen bleiben, und als am Anfang des Jahres 56 v. Chr. das Bündnis auseinanderzubrechen drohte, war es ihm möglich, in Ravenna und Lucca seine politischen Verbündeten in Konferenzen zu treffen. Mit seinem Takt wird er es erreicht haben, das eifer süchtige Mißtrauen, das die Beziehungen zwischen Crassus und Pompeius störte, zu beseitigen. Seine Botschaften an den Senat, anscheinend umfangreicher als üblich, las man in der Curie und besprach man zweifellos in den Adelskreisen. Die Danksagungen, über die im Senat abgestimmt wurde, verkündeten die Siege, die zu feiern waren. Als Cicero im Jahre 56 seine Rede über die Kon- sularprovinzen hielt, nahm er an, daß die Senatoren im großen ganzen die Erfolge Cäsars kannten. Ein lebhafter Briefwechsel bestand zwischen Cäsar selbst und seinen Offizieren und anderen Freunden in Rom, und es ist durchaus möglich, daß Männer seines Vertrauens Rom besuchten und aus Rom Besuch erhielten. .Cäsar und die römische Meinung waren also nicht außer Kontakt. Wahr scheinlich aber, wenn auch nicht sicher, veröffentlichte Cäsar seine commentarii nicht Jahr für Jahr, wenn er auch wahrscheinlich sie Jahr für Jahr niederschrieb (s. u. S. 59). Demnach wurden die ersten Bücher des Gallischen Krieges gegen Ende des Jahres 51 oder am Anfang des Jahres 50 veröffentlicht. Sie beschrieben Cäsars Kriegstaten in Gallien bis zum Fall von Alesia, dem Höhepunkt eines günstigen Geschicks, der den letzten Widerstand und damit die Hoffnung, Cäsars Absichten gänzlich zu vernichten, beseitigte. Die Beschreibung der Ereignisse in den beiden Jahren nach Alesia überließ Cäsar Hirtius, der seinem Stabe angehörte und sein Ver trauen besaß. Wäre der Bürgerkrieg nicht ausgebrochen, so würden Cäsars sieben commentarii seinen Anspruch auf seinen Triumph, seine Wahl zum Konsul und möglicherweise die Übertragung einer zweiten großen Befehlsgewalt an ihn als Prokonsul rechtfertigen. Sie hatten die Tatsache zu Protokoll gebracht, daß seine Verdienste um die Re- 7 publik zu groß waren, als daß man ihm die Befriedigung seines Ehrgeizes abschlagen konnte. Unabhängig von dem Ergebnis seines Einfalls in Italien waren Cäsars Taten in Gallien über jeden Streit erhaben. Aber nachdem die Krise in Rom sich zu lange hinzog, mußte Cäsar zum Krieg seine Zuflucht nehmen, um seine An sprüche zu sichern. Dabei warf er sein eigenes Genie und sein eigenes Heer in die Waagschale gegen die Macht der Republik, soweit sie in den Händen seiner Feinde lag. Die drei Bücher des Bürgerkrieges zeigen einen Cäsar, der entschlossen war, seinen Weg zu gehen. In den zwei Jahren, die er darin beschreibt, gab er sich Mühe, sich zu rechtfertigen. Er war bereit, für die „civilis dissensio", wie er sie nennt, ein Ende zu suchen, freilich unter der Voraus setzung, daß er einen Posten erhielt, der jede Gefahr von Seiten seiner Feinde und jede Enttäuschung seines Ehrgeizes unmöglich machte. Uns kann es so erscheinen, als ob Cäsars Größe und die Fortführung der Adelsrepublik sich gegenseitig ausschlössen, daß der Staat bereits war, was Cäsar „ein Phantom ohne Substanz'" nannte. In der Zeit in Gallien hatte Cäsars Wille allein geherrscht, und als er 47 v. Chr. nach Rom zurückkehrte, war er eher geneigt, seinen Feinden zu verzeihen und seine Freunde zu belohnen, als sich mit dem Senat und dem römischen Volk auf eine Ebene zu stellen. Er war ein Diktator wie einst Sulla, aber er erklärte sofort, daß Sulla ein Analphabet gewesen sei (litteras nescisse), als er ab dankte. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser drei Bücher läßt sich streiten, aber es ist zumindest sehr wahrscheinlich, daß sie geschrieben wurden, als Cäsar noch nicht entschlossen war, an die Stelle der überlieferten republikanischen Staatsform eine persön liche Autokratie oder, wie viele vermuten, eine hellenistische Monarchie zu setzen. Er hatte den Rubikon überschritten, aber nicht die Wasserscheide, die einen Imperator der römischen Republik von dem Kaiser von Rom trennt. Deshalb sollte der Bürgerkrieg vor allem als das Werk eines Mannes gelesen werden, der für Leben und Laufbahn kämpft, wenn auch ferner liegende Visionen von Staatskunst seine Träume beunruhigt haben mögen. 8 I. DIE LITERARISCHE FORM Die noch vorhandenen zusammenhängenden Schriften Cäsars tru gen den Titel C. Juli Caesaris commentarii rerum gestarum. Nach den Untersuchungen von F. W. Kelsey1 braucht man daran nicht zu zweifeln, und es ist auch nicht ernsthaft bezweifelt worden. Was wir besitzen, muß in neun Rollen enthalten gewesen sein — die ersten sieben Bücher des Gallischen Krieges mit den Jahren 58—52 waren die Rollen I-VII; Rolle IX umfaßte die ersten beiden Bücher des Bürgerkrieges mit den Ereignissen des Jahres 49, dann Rolle X als das dritte Buch des Bürgerkrieges mit den Geschehnissen des Jahres 48 v. Chr., bis die Erzählung gegen Ende dieses Jahres ab bricht. Zwischen Rolle VII und Rolle IX lag das achte Buch des Gallischen Krieges mit Hirtius als Verfasser. Das Bellum Alexan- drinum, das Bellum Africum oder Africanum und das Bellum Hispaniense vervollständigten die Reihe der „Kommentare" im Gesamtwerk Cäsars mit noch drei Rollen. Dieses Gesamtwerk beschreibt also die militärischen Erfolge Cäsars von dem Augen blick an, da er im Jahre 58 v. Chr. in Gallien eintraf, bis zu seinem Sieg über den jüngeren Cn. Pompeius i. J. 45 v. Chr. und dessen unmittelbare Folgen. Zu Cäsars Zeiten war es kein Geheimnis, daß er der Verfasser der Rollen I-VII, IX und X war, und es ist auch kaum zu glauben, daß es geheimgehalten wurde. Aus erster Hand enthüllen diese Kommentare den Geist des Mannes, dessen große Leistungen sie beschreiben, und es muß sofort klar ge wesen sein, daß kein anderer sie geschrieben haben konnte. Das Thema der Kommentare Cäsars sind seine res gestae, ob in Gallien oder auf den Kriegsschauplätzen des Bürgerkrieges oder, wie Cäsar sagt, der civilis dissensio, über die er selbst schrieb. Zu Zeiten Suetons machte man einen Unterschied zwischen Cäsars Bericht über die Ereignisse in Gallien und seinem Bericht über den Bürgerkrieg, aber eigentlich lautete das Thema einfach res gestae „Kriegstaten". Ein commentarius war eine Art Niederschrift, die schon eine lange Geschichte hatte. Das lateinische Wort entspricht dem griechischen Wort hypomnema. Man kann es mit aide-memoire = „Gedächt- 1 Der Titel von Cäsars Werk, Trans. Amer. Phil. Assoc. XXXVI (1905) pp. 211—38. 9 nishilfe" übersetzen. Das griechische und das gleichwertige latei nische Wort braucht man für Schriften, die die Erinnerung unter stützen sollen. Sein Ursprung ist hauptsächlich offizieller oder privater Natur; er geht bis auf die Zeit Alexanders des Großen und seiner Nachfolger zurück und ist ein Erbe aus der Praxis der orien talischen Monarchien, soweit er sich nicht aus der Praxis der Ver waltung von selbst ergab. Militärisch gesehen können diese hypom- nemata die Kriegstagebücher der Generale, Botschaf ten und Berichte gewesen sein, wie man sie in einem Papyrus aus der Zeit Ptole- mäus VIII. gefunden hat. In der Zivilverwaltung mögen sie Memo randen oder bürokratische Protokolle gewesen sein. In den helleni stischen Königreichen waren sie vielleicht eine Art Hofjournale oder dergleichen. Sie sind nicht ursprünglich für die Veröffent lichung bestimmt. Im Privatleben haben sie wohl als schriftliches Material für Reden gedient (wenigstens gebraucht Cicero das Wort commentarius für die Notizen zu einer Rede) oder sie waren Privat papiere und Memoranden. Als Cicero Statthalter in Cilicien ist, schickt ihm Caelius2 einen commentarius rerum urbanarum, der zu Ciceros Information eine Aufzählung der Ereignisse in Rom enthält. Nicht alles, was Caelius darin anführt, verdient Ciceros Aufmerksamkeit: „ex quo quae digna sunt selige". Man kann also sagen, daß hypomnemata oder commentarii Tatsachenangaben um ihrer selbst sind, soweit sie nicht eben nur Gedächtnishilfen sind. Allerdings ist es unvermeidlich, daß sie die Tatsachen so enthalten, wie sie von ihren Verfassern angesehen worden sind. Literarisches Verdienst ist nicht ihre Sache. Sie sollten genau und klar sein, oder sie hoben ihren eigenen Zweck auf. Das also sind „Kommen tare" ursprünglich. Im Gegensatz zu ihnen steht die historia, die „Geschichtsschreibung". Zu Cäsars Zeiten oder später war Geschichte für die Römer vor allem eine Tat literarischer Kunstfertigkeit. Für Quintilian ist sie proxima poetis et quodammodo Carmen solutum3. Der Verfasser eines Geschichtswerkes war vorwiegend Stilist: Sein Hauptstreben galt dem, was er als „schönes Schreiben" ansah, und nicht der Ent deckung der Wahrheit. Das bedeutet nicht, daß sein Werk nicht glaubwürdig oder nicht aufrichtig sein sollte — Liviusist aufrichtig, selbst wenn man ihn nicht für glaubwürdig halten kann —, aber das Anliegen der historia und das Verdienst, tatsächliche Wahrheit festzulegen, sind nicht ein und dasselbe, sondern zweierlei. Die brevitas des Sallust, primus Romana Crispus in historia4, ist der lactea ubertas des Livius unähnlich genug, aber woran sie beide vor allem interessiert sind, ist dasselbe: literarische Vollendung. 2 ad Farn. VIII, 11,4. 3 Inst Or. X, I, 31. • Martial, XIV, 191, 2. 10

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