Arnold Alois Oberhammer Buchstaben als paradeigma in Platons Spätdialogen Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen und Clemens Zintzen Band 353 Arnold Alois Oberhammer Buchstaben als paradeigma in Platons Spätdialogen Dialektik und Modell im Theaitetos, Sophistes, Politikos und Philebos Vom Fachbereich 2 Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation der Universität Hildesheim angenommene Dissertation Gutachter: Prof. Dr. Tilman Borsche (Universität Hildesheim) Prof. Dr. Glenn W. Most (Scuola Normale Superiore di Pisa) Tag der Disputation: 05.03.2015 ISBN 978-3-11-046216-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-046558-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-046472-6 ISSN 1616-0452 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com Danksagung Vorliegendes Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Wintersemester 2014/2015 an der Universität Hildesheim eingereicht und im März 2015 verteidigt habe. An erster Stelle möchte ich mich besonders bei dem Betreuer meiner Arbeit, Prof. Dr. Tilman Borsche (Universität Hildesheim) bedan- ken. Ebenso sehr bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. Glenn W. Most (Scuola Normale Superiore di Pisa), der das Zweitgutachten übernommen hat. Beiden bin ich dankbar für das meinen Fragen entgegengebrachte Interesse und für viele wichtige Anregungen, hilfreiche Ratschläge und Kritiken. Bei Prof. Dr. Michael Erler bedanke ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe »Beiträge zur Altertumskunde«. Prof. Aldo Venturelli schulde ich Dank für seine herzliche Unterstützung. Dank gebührt Mirko Vonderstein, Elisabeth Kempf und Florian Ruppenstein vom Verlag De Gruyter für ihre Hilfe bei der Drucklegung. Ohne das offene Ohr, die Diskussionen und die aufmunternde Unterstützung von Freunden sowie deren tätige Mithilfe beim Korrekturlesen wäre die Arbeit nicht zustande und zu Ende gekommen. Mein herzlicher Dank gilt Monica Cioli, Kathrin Füchtemann, Thomas Gilbhard, Anja Kreienbring, Ralf Lüfter, Cuni Ploner und Matthias Schloßberger. Für die Überprüfung der griechischen Text- stellen bedanke ich mich bei Annalisa Porcu. Prof. Pierangelo Schiera hat die Arbeit all die Jahre als Freund und Mentor begleitet, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ich bedanke mich bei meinen Geschwistern Martina und Florian, die mich bei meiner Arbeit immer unterstützt haben. Ein ganz besonderer Dank gilt Anja Schloßberger-Oberhammer, die mir stets zur Seite stand und mit Rat und Tat in jeder Situation geholfen hat. Gewidmet sei die Arbeit meinen Eltern Rosa und Hermann. Berlin, im April 2016 Arnold Alois Oberhammer Inhalt 1 Einleitung 1 1.1 Allgemeine Vorbemerkungen 1 1.1.1 Fragestellung 1 1.1.2 Forschungsstand 2 1.1.3 Gliederung 20 1.2 Ὁμοιότης und μίμησις. Die Buchstaben erfassen, um das Wesen der Dinge zu begreifen [Crat. 390 b f. / 423 e 7 ‒ 425 b 5] 24 2 Στοιχεῖα als παρά δειγ μα für ἐπιστήμη im Theaitetos 36 2.1 Vorbemerkung 36 2.1.1 »τὰ τῶν γραμμάτων στοιχεῖα« als Modell zur Begründung von ἐπιστήμη 36 2.1.2 Der Begriff der »στοιχεῖα« 39 2.1.3 Ὄναρ – Warum bezeichnet Sokrates seine Antwort als »Traum«? 50 2.2 Die »Traumtheorie« – Theorie von den Elementen [Theaet. 201 d ‒ 202 d] 54 2.3 Στοιχεῖα als παρά δειγ μα für die Elemente und das Zusammengesetzte [Theaet. 202 d ‒ 210 a] 64 3 Gerechtigkeit als Lebensparadigma 94 3.1 Vorbemerkung 94 3.2 Εὐδαιμονία und ἀθλιότης als παραδείγματα für das Leben 95 3.2.1 Sokrates vor der Verurteilung im Sophistes 99 3.2.2 Sokrates vor der Verurteilung im Politikos 106 3.2.3 Erkenntnis der Gerechtigkeit als wahre Weisheit und Tugend [Theaet. 172 c ‒ 177 c] 120 4 Παράδειγμα als Methode im Sophistes 125 4.1 Vorbemerkung: Der Sophist als Herausforderung für die philosophische Methode 125 4.2 Die Schwierigkeit des Anfangs – »διὰ λόγων« [Soph. 218 b 5 ‒ c 5] 128 4.3 Die Funktion des παρά δειγ μα als Übung an einem Kleinen und Leichteren: erste Darlegung der Merkmale des παράδειγ μα [Soph. 218 c 7 ‒ d 9] 130 4.4 Der Angelfischer als παρά δειγ μα für den Sophisten – Explikation weiterer Merkmale des Modells [Soph. 218 e 2 ‒ 221 c 3] 132 VIII Inhalt 4.5 Στοιχεῖα als παρά δειγ μα für die συμπλοκή εἴδον im Sophistes [Soph. 249 d ‒ 259 d] 145 4.6 Zusammenfassung: παρά δειγ μα im Sophistes 181 5 Παράδειγμα als Methode im Politikos 187 5.1 Ein falsches παρά δειγ μα für den βασιλεύς [Polit. 277 a‒d] 187 5.2 Nur wie im Traum zu wissen 187 5.3 Das παρά δειγ μα von den Bildhauern: καθάπερ ἀνδριαντοποιοὶ 189 5.4 Zu große παραδείγματα und die Notwendigkeit des παράδειγ μα für das Größere 193 5.5 Ein παρά δειγ μα für das παρά δειγ μα [Polit. 277 e ‒ 278 e] 196 5.6 Ein neues παρά δειγ μα für den βασιλέυς [Polit. 279 a ‒ 283 b] 204 5.7 Τέχνη und Maß 219 5.7.1 Die Kunst des Messens ›πρὸς τὸ μέτριον‹ [Polit. 283 b ‒ 285 b] 219 5.7.2 … περὶ πάντα διαλεκτικωτέροις γίγνεσθαι [Polit. 285 c ‒ 287 b] 225 6 Τέχνη und die »göttliche Methode« im Philebos 230 6.1 Vorbemerkung 230 6.2 Die Ankündigung des ὁδός und dessen Verknüpfung mit τέχνη [Phileb. 16 b ‒ c] 234 6.3 Τις Προμηθεύς – Irgendein Prometheus [Phileb. 16 c] 237 6.4 Der »bereits entdeckte« λόγος [Phileb. 16 c‒d + 14 c ‒ 16 b] 246 6.5 Die »göttliche« Methode [Phileb. 16 d‒e] 262 6.6 Γραμματική τέχνη 268 6.6.1 Erstes παρά δειγ μα der Buchstaben [Phileb. 17 a‒b] 269 6.6.2 Zweites παρά δειγ μα der Buchstaben [Phileb. 18 b ‒ d] 275 6.7 Τέχνη und die göttliche Methode 287 7 Schluss: διαλεκτική, παρά δειγ μα, τέχνη 291 Literaturverzeichnis 299 Sach- und Namenregister 315 Stellenregister Platon 319 1 Einleitung 1.1 Allgemeine Vorbemerkungen 1.1.1 Fragestellung In den Spätdialogen Sophistes, Politikos und Philebos thematisiert Platon die διαλεκτική als philosophische Methode der Erkenntnis des Seins. Im Theaitetos steht die Frage nach ἐπιστήμη im Zentrum, welche Sokrates nicht abschließend beantwortet. Die erstgenannten Dialoge bieten eine Definition der ›platonischen‹ Erkenntnismethode und führen diese auch vor. Bemerkenswert ist, dass in allen vier Dialogen dasselbe παρά δειγ μα eine wesentliche Rolle spielt: das παρά δειγ μα der στοιχεῖα. Meine These ist, dass mittels dieses παρά δειγ μα in den genannten Dialogen zentrale Punkte der Epistemologie und Ontologie des späten Platons zur Sprache kommen und auch darin ein Grund besteht, weshalb diese Dialoge in enger Ver- bindung miteinander stehen. Im Theaitetos spielt Platon die Doppelbedeutung von στοιχεῖα als »Buchstabe« und »Element« aus. In Sophistes und Politikos werden die Buchstaben zum Modell für die Erläuterung der philosophischen Methode der διαλεκτική. Im Philebos wird zuerst die philosophische Methode erklärt, um diese anschließend am παρά δειγ μα der στοιχεῖα vorzuführen. Die Auswahl der genannten vier Dialoge für diese Untersuchung ist also der Tatsache geschuldet, dass Platon στοιχεῖα beziehungsweise τέχνη γραμματική als παρά δειγ μα für διαλεκτική gebraucht. Gegenstand dieser Arbeit ist die Aus- einandersetzung mit diesen Begriffen im Theaitetos, Sophistes, Politikos und Philebos. Konkret lautet die These der Untersuchung, dass es in der, in diesen Spätdialogen vorgestellten Epistemologie und Ontologie einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen τέχνη, παρά δειγ μα und διαλεκτική gibt und Platon dieses Verhältnis anhand der στοιχεῖα oder τέχνη γραμματική explizit darlegt. Im Kern zielt meine Fragestellung darauf ab, inwieweit nicht nur mittels διαλεκτική sondern überhaupt τέχνη und παρά δειγ μα die Modalität des Seins zum Ausdruck kommt, welche für den späten Platon überhaupt das Verfahren darstellt, um ὄν im λόγος zu zeigen. Diskutiert wird dies anhand folgender Fragen: Wie fasst Platon in seiner Spätphilosophie das Verhältnis von λόγος, διαλεκτική und ὄν? Was ist ein παρά- δειγ μα und was ist das παρά δειγ μα als Methode? In welchem Verhältnis steht die Methode des παρά δειγ μα zur Methode der διαλεκτική? Warum sind die στοιχεῖα für Platon das bevorzugte παράδ ειγ μα für διαλεκτική? In welchem Verhältnis stehen διαλεκτική und τέχνη zueinander? Warum gebraucht Platon häufig τέχναι