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Biopolitik und Recht. Christoph Menkes Kritik rechtlicher Normativität im Spektrum biopolitischer Theorien PDF

445 Pages·2023·2.167 MB·German
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Schriftenreihe Zeitgenössische Diskurse des Politischen herausgegeben von Prof. Dr. Andreas Hetzel Prof. Dr. Oliver Flügel-Martinsen Band 21 Wissenschaftlicher Beirat Mathias Albert (Bielefeld), Robin Celikates (Berlin), Anna Geis (Hamburg), Charles Girard (Lyon), Ina Kerner (Koblenz-Landau), Regina Kreide (Giessen), Oliver Marchart (Wien), Stephan Moebius (Graz), Maria Muhle (München), Martin Nonhoff (Bremen), Dirk Quadflieg (Leipzig), Hartmut Rosa (Jena), Rainer Schmalz-Bruns † (Hannover) Die Forschungsreihe versteht sich als Forum der Diskussion über Möglich- keiten und Grenzen des Politischen heute. Sie vereint Schriften aus der Politischen Theorie, der Politischen Philosophie, der Sozialphilosophie und der Soziologie. Ohne sich schulpolitisch festlegen zu wollen, verfolgen die Schriften der Reihe die Pfade eines antiessentialistischen, pluralistischen und radikaldemokratischen Denkens des Politischen, wie es sich seit der Mitte der 1980er Jahre vor allem in Frankreich, Italien, England und in den USA formiert hat. Das Themenspektrum der Bände erstreckt sich von dekonstruktiven über genealogische, agonistische, diskurs- und hege monie- theoretische Ansätze bis in die Felder der Gouvernementalitätsstudien, des (Post-)Feminismus und der Postcolonial Studies. Die Reihe eröffnet eine konstruktive Kontroverse über die Diskurse des Politischen und sucht zugleich nach Perspektiven ihrer Weiterentwicklung. Simon Faets Biopolitik und Recht Christoph Menkes Kritik rechtlicher Normativität im Spektrum biopolitischer Theorien Nomos Diese Arbeit wurde ursprünglich im Wintersemester 2021/22 als Inaugural-Dissertation an der Hochschule für Philosophie München / Philosophische Fakultät SJ eingereicht. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7560-0539-0 (Print) ISBN 978-3-7489-3894-1 (ePDF) Onlineversion Nomos eLibrary 1. Auflage 2023 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2023. Gesamtverantwortung für Druck und Herstellung bei der Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Über- setzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Dank Dieses Buch ist nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern wurde in seiner Entstehung von zahlreichen Menschen getragen und gefördert. Allen, die mich bei der Entwicklung dieser Arbeit über die Jahre begleitet und unterstützt haben, gilt mein aufrichtiger Dank. Die Arbeit an diesem Buch wurde während meiner Zeit als Promotions­ student an der Hochschule für Philosophie München begonnen. Von 2016 bis 2018 durfte ich dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem For­ schungsprojekt Zukünftige Generationen als Leerstelle der Demokratie arbei­ ten, das von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wurde. Die Fortsetzung meiner Arbeit wurde anschließend durch ein großzügiges Promotionssti­ pendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert, während ich die Endphase des Schreibprozesses als wissenschaftlicher Assistent an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing verbringen konnte. Mein Doktorvater Michael Reder hat mich in jeder erdenklichen Hin­ sicht auf großartige Weise bei meiner Arbeit unterstützt und betreut. Für alles, was ich von ihm lernen durfte und worin er mich philosophisch und menschlich geprägt hat, danke ich ihm von Herzen. Das Umfeld an seinem Lehrstuhl hat mir für mein Dissertationsprojekt ein ideales Arbeitsklima geboten. Ich danke allen jetzigen und ehemaligen Mitarbei­ ter*innen am Lehrstuhl, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, für die wunderbare gemeinsame Zeit und für ihre Kollegialität und F reundschaft, ganz besonders Nejma Tamoudi, mit der ich viele produktive Gespräche und streitbare Diskussionen geführt habe. Michael Reders Promotionskol­ loquium war für mich stets ein zentraler Ort für die inhaltliche R eflexion und Diskussion auf dem Weg der Entstehung dieses Buches. Ich danke daher allen Teilnehmer*innen, die dort meine Arbeit mit mir besprochen und mir wichtige Impulse mit auf den Weg gegeben haben. Ein wesentli­ cher Dank gilt außerdem meinem Zweitgutachter Dominik Finkelde, der für mich auf fachlicher wie persönlicher Ebene zu einem wichtigen und besonderen Gesprächspartner geworden ist. Gemeinsam mit ihm habe ich im Winter 2020/21 ein Hauptseminar zu Christoph Menkes Kritik der Rechte und darüber hinaus mehrere Jahre lang einen Lesekreis zu vielfältigen Themen der Politischen Philosophie veranstaltet, der einen offenen Raum für Debatten jenseits verpflichtender Curricula e röffnet hat. Ich danke allen Teilnehmer*innen dieser Veranstaltungen für ihre vie­ 5 Dank len Inspirationen und Kommentare, ganz besonders Max Fesl, Henriette Hufgard und Nicki K. Weber, über deren Freundschaft ich mich glücklich schätze. Ich hatte über die Jahre hinweg das Privileg, meine Thesen und Ar­ gumente bei zahlreichen Gelegenheiten auf unterschiedlichen Tagungen und Workshops zur Diskussion stellen zu können. Besonders hervorhe­ ben möchte ich hier neben vielen anderen ausgezeichneten Formaten die Forschungskolloquien von Franziska Dübgen und Martin Oppelt sowie das Forum Sozialethik und die Tagung für Praktische Philosophie in Salz­ burg. Teile meiner Arbeit habe ich im Laufe der Zeit mit einer Reihe an Kolleg*innen und Mentor*innen diskutiert, denen ich viel verdanke; erwähnen möchte ich hier namentlich Franziska Dübgen, Daniel Loick, Christoph Menke, Martin Oppelt, Martin Saar und Benno Zabel. Andre­ as Hetzel und Oliver Flügel-Martinsen danke ich als Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe Zeitgenössische Diskur­ se des Politischen. Nicht zuletzt danke ich Alexander Filipović, Marianne Heimbach-Steins und Anna Maria Riedl, in deren Seminaren während meiner Münsteraner Studienzeit ich mich zum ersten Mal tiefgreifend mit der poststrukturalistischen Philosophie Judith Butlers und der Kritischen Theorie Axel Honneths auseinandersetzen konnte. Besonderer Dank ge­ bührt schließlich Carsten Rehbein und Joanna Werner vom Nomos Verlag für die hervorragende Betreuung und die Hilfe bei der Fertigstellung des Manuskripts. Das Gelingen dieses Dissertationsprojekts wäre in der Form nicht mög­ lich gewesen ohne den lebendigen geistigen Austausch mit und den emo­ tionalen Rückhalt von Menschen im engen persönlichen Umkreis, von Freunden, Weggefährt*innen und Mitdenker*innen, deren Beitrag weit über fachliche Gespräche und inhaltliche Einsichten hinausreicht. Darum möchte ich hier zum Abschluss ganz besonders Christian Küsters, Char­ lotte Schüsseler und Michael F. Zimmermann für ihre unverzichtbare Unterstützung und Solidarität danken, die sie mir in vielfältigster Hinsicht – und auf je einzigartige Weise – haben zuteil werden lassen und die für mich von unschätzbarem Wert ist. 6 Inhaltsverzeichnis Einleitung 11 TEIL I Rekonstruktion: Christoph Menkes Kritik der Rechte 39 Kapitel 1 41 1.1 Grundbegriffe von Christoph Menkes Rechtskritik 41 1.1.1 Der Ausgangspunkt: Das Recht als Paradox 41 1.1.2 Der rechtsphilosophische Kontext: Walter Benjamins Kritik der Gewalt 43 1.1.3 Zur Fundamentalstruktur des Rechts: Die Unterscheidung von Norm und Natur 47 1.1.4 Selbstreflexion: Die Revolution des modernen Rechts 50 1.1.5 Zur Geschichtsphilosophie: Die Differenz von modernem und traditionellem Recht 54 1.1.6 Die Autonomie des modernen Rechts und der Primat der Rechte 58 1.1.7 Die Form der subjektiven Rechte als Verrechtlichungsprozess 60 1.2 Menkes Kritik der Normativität des bürgerlichen Rechts 64 1.2.1 Zur Dialektik von Beherrschung und Berechtigung 64 1.2.2 Der ideologische Charakter des bürgerlichen Rechts 72 1.2.3 Zur Aporie der subjektiven Rechte: Die Legalisierung des Eigenwillens 80 1.2.4 Das bürgerliche Recht als soziale Pathologie 85 Kapitel 2 92 2.1 Die beiden Grundformen des bürgerlichen Rechts: Privatrecht und Sozialrecht 92 2.2 Menkes Kritik des Privatrechts 98 2.2.1 Das Privatrecht als Bedingung kapitalistischer Ausbeutung und Klassenherrschaft 98 2.2.2 Menkes Begriffsbestimmung des Privatrechts: Die Erlaubnis der Willkür 105 7 Inhaltsverzeichnis 2.2.3 Der philosophiegeschichtliche Kontext: Marx‘ Kritik der Menschenrechte 112 2.3 Menkes Kritik des Sozialrechts 120 2.3.1 Menkes Begriffsbestimmung des Sozialrechts: Die Ermöglichung des Interesses 120 2.3.2 Der analytische Hintergrund: Die aporetische Struktur der Normativität 128 2.3.3 Das Sozialrecht als Bedingung der g esellschaftlichen Normalisierung des Subjekts 137 Übergang: Das bürgerliche Recht als Subjektivierungsform 145 TEIL II Biopolitik und Recht: Grundzüge einer biopolitischen Kritik rechtlicher Ausschlüsse 153 Kapitel 3 155 3.1 Menkes Rechtskritik im Kontext von Foucaults Theorie der biopolitischen Macht 155 3.2 Biopolitik und Normalisierung bei Michel Foucault 164 3.3 Biopolitik als übergreifender Rahmen des Politischen 170 3.3.1 Das Rechtssubjekt bei Menke und der Homo oeconomicus bei Foucault: Zur Gegensätzlichkeit der Ansätze Menkes und Foucaults 170 3.3.2 Zur Stellung des Eigenwillens bei Menke und Foucault: Die Eigenständigkeit der Biopolitik als Perspektive des Politischen 177 3.4 Biopolitik und die Frage nach den rechtlichen Ausschlüssen 184 3.4.1 Zweierlei Naturalisierungen: Zum Paradox des Rechts unter den Bedingungen der Biopolitik 184 3.4.2 Foucaults Analyse des Rassismus in der Normalisierungsgesellschaft 196 Zwischenfazit 213 Kapitel 4 218 4.1 Biopolitik und das Recht auf Leben: Judith Butlers Radikalisierung von Foucaults Rassismusbegriff 218 8 Inhaltsverzeichnis 4.2 Von ungleich betrauerbaren Leben: Butlers Theorie des precarious life und die Unterscheidung von Leben und Nichtleben 228 4.3 Mit Butler über Menke hinaus: Biopolitik als Erweiterung der Rechtskritik 237 4.3.1 Der Ausschluss der Nichtlebenden aus dem Recht: Die Differenz von Recht und Nichtrecht im Licht von Butlers Biopolitikbegriff 237 4.3.2 Zur Relationalität von Biopolitik und Recht: Biopolitische Entrechtungen und die Illegalisierung des Natürlichen 244 Zwischenfazit 253 TEIL III Biopolitische Konturierungen: Historische und aktuelle Dimensionen biopolitischer Ausschlüsse aus dem Recht 257 Kapitel 5 259 5.1 Philosophiegeschichtliche Spuren: Ein Blick zurück zu Hegel 259 5.1.1 Der Ausschluss des Pöbels als Problem der Hegelschen Rechtsphilosophie 259 5.1.2 Über den Pöbel als biopolitischen Ort der Kritik des bürgerlichen Rechts 265 5.1.3 Der Pöbel als Punkt der Unmöglichkeit einer rechtlichen Selbstreflexion 271 5.2 Über eine aktuelle Figur der biopolitischen Ausschließung aus der Weltgesellschaft: Illegalisierte Flüchtlinge als globale Erscheinungsform des Pöbels 279 Zwischenfazit 288 Kapitel 6 292 6.1 Achille Mbembe als postkolonialer Denker der Biopolitik 292 6.2 Mbembes Konzeption der Nekropolitik und die Kritik des Rechts 302 Kapitel 7 313 7.1 Biopolitik als moralische Ökonomie: Zum biopolitischen Ansatz Didier Fassins 313 7.2 Die Lebensform des Flüchtlings in der Perspektive von Fassin 320 9 Inhaltsverzeichnis 7.3 Vom politischen zum biologischen Leben: Fassins Konzept der Biolegitimität 327 Zwischenfazit 334 TEIL IV Widerstand 341 Kapitel 8 343 8.1 Das Recht auf Berücksichtigung: Menkes Lektüre des Sklavenaufstands bei Nietzsche 343 8.2 Eine biopolitische Gegendarstellung: Zur Dekonstruktion von Menkes Interpretation des Sklavenaufstands 352 8.3 Das bürgerliche Rechtssubjekt im Spiegel von Nietzsches Herrenrecht 367 Zwischenfazit 374 Kapitel 9 376 9.1 Zur Notwendigkeit des Widerstands: Menkes Deutung der Haitianischen Revolution 376 9.2 Das Recht als Regime der Erscheinung: Butlers Kritik an der rechtlichen Kontrolle des öffentlichen Erscheinungsraums 385 9.3 Biopolitische Ausschlüsse aus dem Recht und der Widerstand der Ausgeschlossenen 395 Schluss 405 Literatur 423 10 Einleitung In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 brachen in Europas größtem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos mehrere Feuer aus, in deren Folge das gesamte Lager vollständig zerstört wurde. In Moria waren zu dem Zeitpunkt mehr als 12.000 Menschen untergebracht (vgl. dw.com 2020), „darunter 4.000 Kinder“ (zeit.de 2020), die infolge des Brandes vom einen auf den anderen Tag obdachlos wurden und die nächsten Tage auf offener Straße unter freiem Himmel schlafen mussten (vgl. im Folgenden dw.com 2020). In dem extrem überfüllten Lager, das ursprünglich für rund 2.800 Menschen ausgelegt worden war, herrschten schon seit Jahren entsetzliche und menschenunwürdige hygienische Be­ dingungen. Kurz vor dem Ausbruch des Brandes wurde in den Medien vom ersten bestätigten Corona-Fall unter den Flüchtlingen und Migranten berichtet, woraufhin das gesamte Lager durch die Sicherheitsbehörden abgeriegelt wurde. Bereits Monate zuvor hatten internationale Hilfswer­ ke wie Medico oder Oxfam vehement vor einem Covid-19-Ausbruch ge­ warnt und wiederholt kritisiert, dass die ansonsten zur Eindämmung der Pandemie üblicherweise eingesetzten Hygieneregeln wie Abstandhalten, Händewaschen und alltägliches Tragen von Masken aufgrund der katastro­ phalen sanitären Infrastruktur in Moria nicht möglich seien. Angesichts der unwürdigen Lebensbedingungen der Menschen in Moria „[wurde] ein Covid-19-Ausbruch geradezu provoziert“ (Loick 2020b; vgl. ausführlicher Loick 2020c). In den Tagen nach dem Brand verschlechterte sich die Lage der Flücht­ linge und Migranten auf Lesbos deutlich. Während „der Weg in das na­ hegelegene Dorf von wütenden Anwohnern blockiert“ (Loick 2020b) wor­ den war, wurde ausländische Hilfe für die obdachlos gewordenen Men­ schen durch die griechische Polizei und das Militär erheblich erschwert und behindert (vgl. sueddeutsche.de 2020). „Die zuständigen Behörden weigerten sich tagelang, ausreichend Wasser, Essen, Zelte und Medizin zur Verfügung zu stellen“ (Loick 2020b) und die Flüchtlinge und Mig­ ranten vor den gewalttätigen Übergriffen durch Anwohner zu schützen. „Gleichzeitig hinderte die griechische Polizei NGOs und Solidaritätsgrup­ pen daran, Medizin oder Lebensmittel zu verteilen“ (ebd.). Dementspre­ chend kursierten bald in den Medien Bilder, die das Leid der ehemaligen Bewohner des abgebrannten Lagers drastisch vor Augen führten. Der So­ 11

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