BIOCHEMISCHES HANDLEXIKON BEARBEITET VON H. ALTENBURG·BASEL, I. BANG·LUND, K. BARTELT·PEKING, FR. BAUM-BERLIN, C. BRAHM·BERLIN, W. (,'RAMER-EDINBURGH, K. DIETERmH-HELFENBERG, R. DIT· MAR·GRAZ, M. DOHRN-BERLIN, H. EINBElJK-BERLIN, H. EULER-STOCKHOLM, E. ST. FAUST-WüRZBURG, C. FUNK-BERLIN, 0. v. FtlRTH-WIEN, O. GERNGROSS· BERLIN, V. GRAFE-WIEN, J. HELLE-BERLIN, 0. HESSE-FEUERBACH, K. KAUTZS(,'H. BERLIN, FR. KNOOP-FREIBURG I. B., R. KOBERT-ROSTOCK, J. LUNDBERG-STOCK HOLM, C. NEUBERG-BERLIN, M, NIERENSTEIN-BRISTOL, 0. A. OESTERLE-BERN, TH. B. OSBORNE-NEW HAV EN, CONNECT., L. PINeuSSOHN-BERLIN, H. PRINGSHEIM· BERLIN, K. RASKE-BERLIN, B. v. REINBOLD-KOLOZSVAR, BR. REWALD-BERLIN, A. ROLLETT-BERLIN, P. RONA-BERLIN, H. RUPE-BASEL, FR. SAMUELY-FREIBURG I.B., H.St,'HEmLER-BERLIN, J.S(,'HMID-BRESLAU, J, S(,'IIMIDT-STUTTGART, E.S(,'HMITZ FRANKFURT A. M., M. SIEGFRIED-LEIPZIG, E. STRAUSS-FRANKFURT A. l\1., A. THIELE BERLIN, G. TRIEB-ZÜRICH, W. WEI(,'HARDT-ERLANGEN, R. WILLSTA.TTER-ZÜRICH, A. WINDAUS-FREIBURG I. B .• E. WINTERSTEIN-ZÜRICH, ED. WITTE-BERLIN, G. ZEM· PLEN-SELMECZBANYA , E. ZUNZ-BRÜSSEL HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. EMIL ABDERHALDEN DIREKTOR DES PHYSIOLOG. INSTITUTES DER TIERXRZTLICHEN HOCHSCHULE IN BERLIN V. BAND ALKALOIDE, TIERISCHE GIFTE, PRODUKTE DER INNEREN SEKRETION, ANTIGENE, FERMENTE SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1911 ISBN 978-3-642-51300-8 ISBN 978-3-642-51419-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-51419-7 Softcoverreprint ofthe bardeover 1st edition 1911 Inhaltsverzeichnis. Seite Pflanzenalkaloide. Von Prof. Dr. Julius Schmidt. Stuttgart. 1 Einleitung . . ......... . 1 A. Alkaloide der Pyridingruppe . 7 Die Coniumalkaloide . . 7 Alkaloide der Arecanuß . 24 Trigonellin 28 Piperin . . . . . . . . 30 Nicotin ....... . 33 Chrysanthemin . . . . . . . 43 B. Alkaloide der Pyrrolidingruppe und Verwandte. 44 .Hygrine .................. . 44 Tropanverbindungen . . . . . . . . . . . . . 48 I. Gesättigte Verbindungen der Trapanreihe. . 49 2. Ungesättigte Verbindungen der Trapanreihe 75 C. Alkaloide der Trepanreihe .. 78 Alkaloide der Solanaceen . . . . 78 Alkaloide der Cocablätter . . . . 93 Alkaloide der Granatwurzelrinde . 108 Alkaloide der Familie Papilionacae 114 D. Alkaloide der Chinolingruppe 120 Chinaalknloide . . 120 Strychnosalkaloide . . . . . . . 165 Curarealkaloide . . . . . . . . 188 a) Basen aus Tubecurare ... 188 b) Basen aus Calebassencurare. 189 c) Basen aus Topfcurare ... 190 E. Alkaloide der lsochinolingru ppe 190 Papaverin ....... . 190 Laudanosin . . . . . . . 199 Laudanin und Laudanidin. 202 Narcotin 203 Hydrokotamin . 215 Gnoskopin. 219 Narccin . 220 Hydrastin . 224 Canadin .. 235 Berberisalkaloide . 236 Corydalis~tlkaloide 246 F. Alkaloide der Phenanthrengruppe 251 Morphin .... 261 Pseudomorphin 273 Kodein ... . 277 Thebain ... . 296 Anhang: Opiumalkaloide von unbekannter Konstitution 310 G. Alkaloide der Puringruppe 316 Kaffein .. 316 Theobromin .. 328 Theophyllin 332 Pilocarpin . 335 Pilocarpidin 340 Jaborin .. 341' Pseudojaborin 341 H. Oxyphenyl-alkylamin-Basen 341 p-Oxyphenyl-äthylamin 341 Hordenin .......... . 344 Inhaltsverzeichnis. Seite unbekannter Konstitution 346 ., aus kryptogamen Pflanzen . 346 .oterkornalkaloide . · . . . . . . . 346 .Oasen der Familie Lycopodiaceae . . 350 Alkaloide aus phanerogamen Pflanzen . 351 Basen der Familie Conüerae und Gretaceae 351 Basen aus den Ephedraarten . 352 Alkaloide der Familie Liliaceae 354 Alkaloide der Herbstzeitlose . . . 354 Alkaloide der Veratrumarten . . 359 1. Basen aus Veratrum sabadilla 359 2. Alkaloide der weißen Nießwurz (Veratrum album) 365 Alkaloide der Familie Apocynaceae 368 a) Basen der Alstoniarinde . . . . 368 b) Alkaloide der Ditarinde . . . . 369 c) Alkaloide der Quebrachorinde 370 d) Alkaloide der weißen Paytarinde 372 e) Alkaloide der Pereirorinde . . . 373 f) Alkaloide der Yo himbeherinde . 374 Alkaloid aus Pseudo-Cinchona africana . 378 g) Einzelne Apocyneenalkaloide . . . 379 Alkaloide der Familie Aristolochia.ceae . 379 Alkaloide der Familie Buxaceae (C actaceae). 380 Basen der Familie Lauraceae . . . 385 Alkaloide der Familie Papilionaceae 387 Alkaloide der Lupinensamen 387 Alkaloide der Familie Loganiaceae . 391 Gelsemiumalkaloide . . . . . . . . 391 Alkaloide der Familie Papaveraceae 393 Alkaloide des Schöllkrautes 393 Glaucin ......... . 399 Rhoeadin ......... . 400 Alkaloide der Familie Ranunculaceae 401 A. Alkaloide der Aconitumarten . . 401 B. Alkaloide aus Delphinium staphisagria. 412 Damascenin . . . . . . . 414 Alkaloide der Familie Rubiaceae 416 Basen der Familie Rutaceae 418 A. Alkaloide der Angosturarinde . 418 B. Alkaloide der Steppenraute 422 Einzelne Alkaloide 425 Alrotin .. . 425 Artarin .. . 426 Atherospermin 426 Carpain . 426 Dioscorin 428 Fumarin 428 Lobelin . 429 Loxopterygin. 429 Lycorin ... 430 Sekisanin .. 430 Menispermin . 431 Nupharin . 431 Piperovatin 431 Reta.min 432 Ricinin .. 432 Senecionin . 434 Senecifolin . 434 Sinapin .. 435 Calycanthin 437 Cheirinin . 439 Cheirolin .. 440 Ibogin (Ibogain) 442 Chloroxylonin . 443 Glyko-Alkaloide 443 Inhaltsverzeichnis. Seite Aohillein . 443 Mosohatin 444 Solanin . 444 SoJanein . 446 Vioin . . 446 Convicin 447 Casimirin 44 7 Nachträge . 447 Zu Schierlingsalkaloide 447 Zu Strychnin . . . . 448 Zu Berberin (Berberrubin). 448 Corycavin . . . . . . . . 450 Alkaloide der Colombowurzel 451 Tierische Gifte. Von Prof. Dr. Edwin Stauton Faust-Würzburg. 453 Systematik . . . . . . 453 Wirbeltiere, Vertebrata 453 Säugetiere. . . . . . . 453 Schlangen, Ophidia . . 457 Natur der Schlangengifte 458 Eidechsen, Sauria . . . . . 464 Amphibien, Lurche; Amphibia 465 l. Ordnung: Anura . . . . 465 2. Ordnung: Urodela 466 Fische, Pirces . . . . . . . . 469 I. Giftfische, Pisces venenati sive toxicophori 469 A. Ordnung: Physost~mi, Edelfische . . . 469 .B. Ordnung: Acanthopteri, Stachelflosser . 470 C. Cyclostomata, Rundmäuler . . . . . . 472 II. Giftige Fische . . . . . . . . . . . . . 47 2 Ordnung: Plectognathi, Haftkiefer 473 Ordnung: Physostomi, Familie Muraenidae 474 Wirbellose Tiere, Avertebrata 475 Muscheltiere, Lamellibranchiata . . . . 475 Ordnung: Asiphoniata . . . . . . . 475 Gliederfüßer, Arthropoda . . . . . . . 477 l. Klasse: Spinnentiere, Arachnoidea 477 a) Ordnung: Scorpionina 477 b) Ordnung: Araneina . . . . . . 478 c) Acarina, Milben . . . . . . . 480 2. Klasse: Tausendfüßer, Myriapoda. 480 a) Ordnung: Chilopoda . . . . . 480 b) Ordnung: Chilognatha s. Diplopoda. 481 3. Klasse: Hexapoda, Insekten . . . . . 481 a) Ordnung: Hymenoptera, Hautflügler . 481 b) Ordnung: Lepidoptera, Schuppenflügler 484 c) Ordnung: Coleoptera, Käfer . . . . . . 485 Gift der Larven von Diamphidia locusta (Pfeilgift der Ka.lachari) 488 Vermes, Würmer . . . . . . . . . . . . 489 Klasse der Plathelminthes, Plattwürmer . . 489 Cestodes, Bandwürmer . . . . . . . . . 489 Klasse der Nemathelminthes, Rundwürmer 491 Nematodes, Fadenwürmer . . . . . . 491 Klasse der Annelida, Ringelwürmer . . . . 492 Echinodermata, Stachelhäuter . . . . . 493 Coelenterata (Zoophyta), Pflanzentiere . . 493 Produkte der inneren Sekretion tierischer Organe. Von Prof. Dr. 0. v. Fürth-Wien . 495 Suprarenin (Adrenalin) . . 495 Jodothyrin (Thyreojodin) 504 Hypophysenextrakt . . . 507 Secretiri.. . . . . . . . . . 508 Antigene und Antikörper. Von Privatdozent Dr. WolfgangWeioha.rdt-Erlangen 510 Fermente. Von Privatdozent Dr. Edgar Zunz-Briissel. 538 I. Hydrolasen oder Hydratasen . . . 539 A. Carbohydrasen . . . . . . . . 539 IX) Biasen oder Disaccharasen . 539 VI lnhaltsv erzeichnis. Seite ß) Triasen oder Trisaccharasen 549 r) Polysaccharasen . . . 551 B. Glykosidasen ..... . 564 C. Esterasen . . . . . . . 572 D. Proteasen und Amidasen 580 Purindesamidasen 615 II. Koagulasen 618 m. Carboxylasen . 631 IV. Oxydasen .. 631 V. Katalasen .. 646 VI. Reduktasen 650 VII. Gärungsenzyme . 652 Anhang (NachtTäge) . 658 Pflanzenalkaloide. Von Julius Schmidt-Stuttgart. Einleitung. Geschichtliches. - Einiges über allgemeine Methoden zur Konstitutionserforschung von Alkaloiden. - Allgemeines über Gewinnung der Alkaloide aus den Pflanzen, über Eigen schaften und quantitative Bestimmung derselben. - Einteilung des Stoffes. Die meisten Pflanzenalkaloide sind am Anfange vorigen Jahrhunderts isoliert worden; die giftigen und therapeutischen Eigenschaften, welche gewisse Pflanzen infolge des Gehaltes an Alkaloiden zeigen, waren freilich schon von alters her bekannt und benützt. So sollen zum Beispiel, einer spanischen Überlieferung gemäß, die Indianer der Provinz Loxa, schon lange bevor die Spanier Peru eroberten (1526}, die fieberstillende Eigenschaft der Fieberrinde gekannt haben 1 ). Sehr lange Zeit erst nach dem ersten Bekanntwerden der Chinarinde in Europa wurden die chemischen Eigenschaften derselben erforscht. Fouroy, Berthollet im Jahre 1792 und Vauquelin im Jahre 1806 haben die Chinarinde untersucht, aber das wirksame Prinzip daraus nicht dargestellt. Doch hat Vauquelin2) 1809 einen harzartigen Extraktivstoff der Chinarinde in reinerer Form erhalten und Gomes3) hat denselben 18ll als Cinchonin be zeichnet. Ziemlich gleichzeitig mit den Bestandteilen der Chinarinde wurden von verschiedenen Seiten auch diejenigen des Opiums näher untersucht. Die Kenntnis der eigentümlichen Wir kung des Opiums läßt sich allerdings bis weit in das Altertum zurück verfolgen. Der Ruhm, das Morphin und damit das erste Alkaloid überhaupt als einheitlichen Körper dargestellt und beschrieben und als Pflanzenbase erkannt zu haben, gebührt dem Apotheker F. W. Sertürner4), der im Jahre 1805 und 1806 eine Untersuchung über das Opium aus führte. Im Jahre 1817 erschien dann eine Abhandlung Sertürners, betitelt: "über das Morphium, eine neue salzfähige Grundlage und die Meconsäure als Hauptbestandteile des Opiums"5), in welcher er das Morphium für ein wahres Alkali erklärte, das sich dem Am moniak zunächst anschließe. Diese Arbeit Sertürners regte zu vielen neuen Untersuchungen über das Opium und andere arzneilich verwendete Pflanzenstoffe an; man war bestrebt, aus diesen die wirksamen Bestandteile zu gewinnen. Besonders sind es die beiden französischen Chemiker Pelletier und Caventou, denen ein hervorragendes Verdienst um die Förderung der G'hemie der Pflanzenbasen gebührt. Es wurde denn auch in rascher Aufeinanderfolge eine große Anzahl von wichtigen Alka loiden entdeckt. Noch im Jahre 1817 isolierte Ro bi q uet das Narkotin, dann wurde von Pelletier und Caventou 1818 das Strychnin, 1819 das Brucin, 1820 das Chinin und Cinchonin ent deckt. Im gleichen Jahre beschrieb Runge das Coffein. Dann folgte 1827 die Entdeckung des Coniins von Giesecke, 1828 die des Nicotins durch Posseit und Reinmann, 1831 1) Buchka, Die Chemie des Pyridins. Braunschweig 1889/91. 2) Vauquelin, Armales de Chim. et de Phys. 59, 130. 3) Memorias da Academia Real das sciencias de Lisboa, Bd. m. 4) F. W. Sertürner, Trommsdorfs Journ. d. Pharmazie 13, I, 234, 14, I, 47, ~0. I, 99. 5) F. W. Sertürner u. Gilberts, Annales de Chim. et de Phys. 55, 56. Biochemisches Handlexikon. V. 1 2 Pflanzenalkaloide. die des Atropins durch Meißner, 1832 die des Kodeins von Robiquet, 1833 die des Atro pins usw. Dieses reichlich angesammelte Beobachtungsmaterial über die Alkaloide führte bald zur Aufstellung bestimmter Theorien über die Ursache des basischen Verhaltens dieser Ver bindungen. Während schon Sertürner in .der oben zitierten Abhandlung darauf hinwies, daß sich das Morphin dem Ammoniak zunächst anschließe, sprach Lie big es zuerst bestimmt aus, daß die basischen Eigenschaften der Alkaloide durch ihren Stickstoffgehalt bedingt seien1 ). Nach seiner Ansicht sollte in den organischen Basen das Amid, NH2, mit einem orga nischen Radikal verbunden sein, während Berzeli us lehrte, diese Basen enthielten Am moniak, gepaart mit einem organischen Oxyde oder mit einem Kohlenwasserstoff. Die Entscheidung, welche von beiden Ansichten die richtigere sei, wurde dann durch die klassischen Untersuchungen von A. Wurtz und A. W. Hofmann über die künstliche. Darstellung organischer Basen erbracht. Von diesen Forschern wurde bekanntlich die Lehre begründet, daß alle organischen Basen, und also auch die natürlichen Alkaloide, Abkömm linge des Ammoniaks seien, von welchem sich dieselben durch Vertretung eines oder mehrerer Wasserstoffatome durch Kohlenwasserstoffreste ableiten. Es ist begreiflich, daß die Alkaloide durch die eigentümlichen physiologischen Wir kungen, welche viele derselben ausüben, frühzeitig zu eingehenderen chemischen Forschungen einluden. Doch die zahlreichen Chemiker, welche sich in den sechs Jahrzehnten, die auf die Entdeckung des Morphins (1806) folgten, mit diesen Körpern beschäftigten, mußten sich darauf beschränken, deren empirische Zusammensetzung festzustellen. Den größten Fortschritt auf dem Gebiete der Alkaloidforschung brachte dann die Ent deckung des Pyridins und des Chinolins. Bekanntlich hatte Anderson 1846 aus dem Produkt der trocknen Destillation der Knochen (Dippelsches Öl) das Pyridin isoliert. Einige Jahre vorher hatte Runge im Stein kohlenteer das Chinolin entdeckt. 1885 wurde von Hoogewerff und von Dorp ebenfalls im Steinkohlenteer das Isochinolin aufgefunden. Nun führten die weiteren Untersuchungen über Alkaloide zu dem Resultat, daß sich diese Basen ihrer Konstitution nach dem Pyridin, Chinolin und Isochinolin direkt an schlössen. So z. B. erhielt Gerhardt (1842) durch Erhitzen des Strychnins, des Cinchonins und des Chinins mit Atzkali Chinolin. Nicotin, Coniin, Brucin, Strychnin, verschiedene Chinabasen, Narkotinabkömmlinge lieferten beim Glühen mit Zinkstaub Pyridin, bzw. Homologe desselben. So reifte denn die Überzeugung, daß die Alkaloide sich vom Pyridin und Chinolin in ähnlicher Weise ableiten wie die aromatischen Verbindungen vom Benzol. Königs gab (1880) folgende Definition: "Unter Alkaloiden versteht man diejenigen in den Pflanzen vorkommenden organischen Basen, welche Pyridinderivate sind"2). Diese Definition ist aber zu eng gefaßt. Sie schließt Verbindungen wie Coffein und Theobromin von den Alkaloiden aus, welche nach allen ihren Eigenschaften zu denselben gehören. Besser ist es, wenn man als Alkaloide alle stickstoffualtigen Pflanzenprodukte bezeichnet, welche den Stickstoff in ringförmiger Atomverkettung tragen3). Doch ist auch diese Defi nition eine willkürliche. In den letzten 20 Jahren hat sich das Studium der Alkaloide immer mehr und mehr vertieft. Es ist gelungen, bei verschiedenen Alkaloiden, bei denen lange Zeit alle Versuche zur Ermittelung der Konstitution erfolglos blieben, dieselbe ganz oder teilweise aufzuklären. Diese Aufklärungen wurden in erster Linie durch die Abbaureaktionen gegeben, über die wir deshalb der speziellen Betrachtung der einzelnen Alkaloide das Nachfolgende voraus schicken wollen. Einiges über die Methodik zur Erforschung der chemischen Konstitution 1) F. W. Sertürner, Annalen d. Chemie 26, 42. 2) Königs, über Alkaloide, Habilitationsschrift München 1880, S. 31; Berichte d. ·Deutsch. ehern. Gesellschaft 12, 31. 8) M. Scholtz, Der kiinPtliche Aufbau der Alkaloide, Sammlung ehern. u. chem.-techn. Vor· tt·äge, herausg. v. Ahrens 2, 36. Pflanzenalkaloide. 3 der Alkaloidel). Bezüglich der Reaktionen, welche zur Ermittlung der chemischen Kon stitution der Alkaloide dienen können, sei folgendes hervorgehoben. Eine der ersten Aufgaben bei der Ermittlung der Konstitution von Alkaloiden ist die Untersuchung der Verseifbarkeit. Beim Erhitzen mit Wasser, Säuren oder Alkalien zerfallen zahlreiche Pflanzenbasen in einen stickstoffualtigen, den eigentlichen alkaloidischen Bestand teil, und in einen stickstofffreien. In dem letzteren liegt nur bei sehr wenigen sog. Glyko alkaloiden, zu welchen das Solanin zählt, ein Zucker vor, gewöhnlich eine Säure, deren Car boxyl entweder mit der basischen Gruppe oder einem alkoholischen Hydroxyl des stickstoff haltigen Spaltungsstückes in Verbindung gestanden. So zerfällt durch Hydrolyse das Piperin in das sauerstofffreie Piperidin und die Piperin säure; die Bindung beider ist die eines Säureamids. (C5H10)N -i--CO-C11H902 H: OH Atropin läßt sich, wie wir später darlegen werden, in Tropasäure und das Alkamin Tropin spalten. Eine zweite Methode liegt im durchgreifenden Abbau mit Hilfe der Zinkstaubdestilla tion, der Alkalischmelze, der Erhitzung mit Brom und anderer ganz energischer Prozesse, bei denen oft unter Wasserstoffentziehung, mitunter auch unter Zertrümmerung des Moleküls, eine beständige Muttersubstanz herausgeschält wird. Bei der Destillation mit Alkali gewann Gerhardt schon im Jahre 1842 aus Cinchonin das Chinolin. Als Hauptprodukt der Zinkstaubdestillation des Morphins isolierten Von gerichten und Schrötter das Phenanthren. Sauerstoffualtigen Alkaloiden entzieht der Zitlkstaub gewöhnlich den Sauerstoff, wasserstoffreiche werden dehydrogenisiert. So z. B. beruht die Konstitutionsaufklärung des Coniins auf Hofmanns Beobachtung,. daß bei der Zinkstaubdestillation das um sechs Wasserstoffatome ärmere Conyrin (cx-Propylpyridin) entsteht. CH2 CH Hc/'\cH H2CI'fH2 H2C"/CH-CH2-CH2-CH2 Hcl)c-CH2 -CH2-CH2 NH N Noch andere Dehydrogenisationsmethoden sind hier zu erwähnen; die Konstitution des Piperidins ergab sich aus einem Versuch von Königs, der dasselbe durch Erhitzen mit konz. Schwefelsäure in Pyridin überführte. Ahnliehe Dienste leistet namentlich die Methode von Tafel, d. i Erhitzen mit Silberacetat. Durch Erhitzen mit Salzsäure und Quecksilber chlorid erkannte Königs das Merochinen, ein Spaltungsprodukt des Cinchonins, als Pyri dinderivat; es liefert ,8-Athyl-y-Methylpyrid in. Auf Dehydrogenisation beruht auch die Erscheinung, daß viele Substanzen der Tropin gruppe (Hygrinsäure, Ekgonin, Tropinon) bei trocknem Erhitzen Dämpfe geben, welche die bekannte Pyrrolreaktion, Rötung des mit Salzsäure getränkten Fichtenspanes zeigen; diese Beobachtung hat bei der Aufklärung dieser Gruppe von Alkaloiden eine Rolle gespielt. Neuerding8 gewinnt die Bestimmung der Methylimidgruppe nach der Methode von J. Herzig und Hans Meyer2) für die Alkaloidforschung immer mehr an Bedeutung. Die Jodhydrate am Stickstoff methylierter Basen spalten beim Erhitzen auf 200-300° nach der Gleichung: /CH3 CH3 R:N"H = R:NH +I 'J J Jodmethyl ab, welches nach Art der Zeiselschen Methode3) bestimmt wird, indem man das durch Umsetzung desselben mit alkoholischer Silbernitratlösung gebildete Jodsilber wägt. 1) R. Willstätter, Berichte d. Deutsch. pharmaz. Gesellschaft 13 [1903]. - Eingehende hierher gehörige Darlegungen findet man in nachfolgenden Werken von Juli u s S c h m i dt : "über die Erforschung der Konstitution und die Versuche zur Synthese wichtiger Pflanzenalkaloide." Stuttgart 1900. - "Die Alkaloidchemie in den Jahren 1900-1904." Stuttgart 1904. - "Die Alkaloidchemie in den Jahren 1904-1907." Stuttgart 1907. Verlag von Ferdinand Enke. 2) J. Herzig u. Hans Meyer, Monatshefte f. Chemie 15, 613; 16, 599; 18, 379 [1897]. - M. Busch, Berichte d. Deutsch. ehern. Gesellschaft 35, 1565 [1902]. -Herrn. Decker, Berichte d. Deutsch. ehern. Gesellschaft 36, 2895 [1903]. 3) Bericht über den ill. internat. Kongreß für angew. Chemie ~. 63 [1898]. l*