Antonia Kupfer Bildungssoziologie Antonia Kupfer Bildungssoziologie Theorien - Institutionen - Debatten III VSVERLAG Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Cori Mackrodt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17535-5 für Killa Inhaltsverzeichnis I. Kapitel: Was ist Bildungssoziologie? ................................................................................. 9 Teil I: Theorien 2. Kapitel: Emile Durkheim: Bildung ermöglicht Gesellschaft ............................................ 21 3. Kapitel: Karl Mannheim: Soziologisches Wissen als Voraussetzung für Erziehung ....... 29 4. Kapitel: Talcott Parsons: Schule als soziales System ....................................................... 37 5. Kapitel: Helmut Schelsk:y: Schule in der nivellierten Mittelstandsgesellschaft ............... 47 6. Kapitel: Theodor Adomo: Bildung ist Erfahrung machen ............................................... 59 7. Kapitel: Michel Foucault: Schule als Disziplinaranstalt ................................................... 67 8. Kapitel: Pierre Bourdieu: Reproduktion der Klassengesellschaft durch Bildung ............. 79 9. Kapitel: Niklas Lu!nnann und Hans Eberhard Schorr: Erziehung ist unmöglich ............. 93 Teil 11: Institutionen 10. Kapitel: Schule ............................................................................................................... 107 11. Kapitel: Berufliche Bildung ............................................................................................ 123 8 Inhaltsverzeichnis 12. Kapitel: Hochschulen ..................................................................................................... 133 13. Kapitel: Erwachsenen-und Weiterbildung ..................................................................... 145 Teil ill: Debatten 14. Kapitel: Bildung und soziale Ungleichheit ..................................................................... 159 15. Kapitel: Bildung und Erwerbsarbeit ............................................................................... 181 16. Kapitel: Wissensgesellschaft .......................................................................................... 195 Literatur ............................................................................................................ 205 1. Kapitel: Was ist Bildungssoziologie? Wie andere Bücher, so beginnt auch dieses in klassischer Weise mit der Klärung seines Gegenstandes. Oft stellt die Klärung des Gegenstandes bereits eine um fangreiche und kontroverse Debatte dar und ist ein zentraler Teil einer Disziplin oder eines Forschungafeldes. Dies ist jedoch nicht der Fall in der Bildungssozio logie (BS). Schaut man sich in der deutschsprachigen Einfiihrungs- und Über blicksliteratur zur BS der letzten Jahre um (Allmendinger/Aisenbrey 2002; Krais 2003; Löw 2003; Brüsemeister 2008; Becker 2009), so gibt es entweder keine oder nur sehr knappe Erklärungen zum Spezifischen der BS und stattdessen wird die BS wird mit einem Überblick über zentrale Themen und Forschungen "er klärt" (Allmendinger/Aisenbrey 2002; Krais 2003; z.T. Brüsemeister 2008) oder die vorhandenen Versuche der Kolleginnen werden nicht aufgegriffen und debat tiert (Becker 2009). Ausnahmen stellen Kopp (2009) und Löw (2003) dar, auf die ich daher später auch ausfiihrlieh eingehen werde. Auf den ersten Blick könnte man daraus den Schluss ziehen, dass das Spezifische der BS eben entwe der klar sei und/oder dass die verschiedenen Erklärungsangebote sich problemlos addieren ließen. Ich möchte in diesem Kapitel dagegen zeigen, dass eine Be schäftigung mit dem Spezifischen der BS wichtig ist, weil • die BS ein weites Gebiet ist, das sich nicht mit Speziellen Soziologien ohne Weiteres vergleichen lässt, und • es sich als eine schwierige Herausforderung darstellt, die BS klar zu umrei ßen, sie einzuordnen sowie • die Auseinandersetzung mit dem Spezifischen der BS zu Erkenntnissen führt, die für gewöhnlich nicht über Forschungen im Bereich der BS zutage gefördert werden. Ich werde nun zunächst den Umfang und die Reichweite der BS darstellen, dann der BS durch Abgrenzung zur Erziehungswissenschaft näher kommen und an schließend die vorhandenen Aussagen zum Spezifischen der BS diskutieren. Dabei wird sich insbesondere das Merkmal der Spannung des Bildungsbegriffes als zentrales Charakteristikum der BS herausstellen. A. Kupfer, Bildungssoziologie, DOI 10.1007/978-3-531-93263-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 10 1. Kapitel: Was ist Bildungssoziologie? Umfang und Reichweite der Bildungssoziologie BS ist ein Hybrid - so könnte man vielleicbt Krais (2003) Beschreibung der BS zusammenfassen. Sie setzt sich aus unterschiedlichen theoretischen Paradigmen und empirischen Zugängen zusammen. Daher ersetzt Krais auch den Begriff der BS durch den Begriff der Bildungsforschung. Ihrer Ansicht nach ist "die Bildungssoziologie von diesem Zustaod der inoeren Festigkeit, der eiodeotigen Abgreozung von anderen Fächero und der Unbestritteoheit ihres Forschungsterraios weit entferot. Vielmehr ist die Soziologie der Bildung und Erziehung der Bunde....,. publik voo Anfang ao als Teil einer in ihren Kooturen und io der inoeren Gliederung unscharfen ioterdisziplioären und multiperspektivischen Bildungsforschung zu se hen" (Krais 2003: 82). Entsprechend führt Krais in die Bildungsforschung durch einen Überblick über aktuelle Themen und Fragestellungen ein. Sie nennt dabei das Thema der Bil dung und sozialen Ungleichheit und die Sozialisationsforschung. Beide verwei sen auf weite Gebiete in der Soziologie. Brüsemeister (2008) bezeichnet die BS als eine Forschungsdisziplin und als eine Perspektive, die auch andere Disziplinen verwenden. BS ist damit wiederum kaum eingrenzbar und erscheint in ihrem Umfang potenziell offen. Laut Brüse meister sind die Gegenstände der BS derart komplex, so dass die Forscherinnen nicht mehr mit einer Erklärung auskommen. Auch Becker (2009) macht auf die Vielfältigkeit der BS aufmerksam und hält ihren Pluralismus für ihr Kennzeichen. Dieser Pluralismus bezieht sich, ähn lich wie bei Krais, auf die nebeneinander existierenden Theorierichtungen, Wis senschaftsprogramme und methodischen Verfahren, mit denen die Gegenstände der BS untersucht werden. Diese Vielfältigkeit macht die BS, nach Becker, zu einem der umfassendsten Forschungsbereiche innerhalb der Soziologie, da sie sich mit fast allen soziologischen Bereichen überschneidet. Aus diesem Grund zählt Becker die BS auch nicht zu den üblichen ,,Bindestrich-Soziologien", "sondern ihr kommt eine strategische Bedentung für die soziologische Theorie und Modellbildung sowie für die empirische Analyse gesellschaftlicher Tatbe stände zu" (Becker 2009: 11). Becker bezeichnet die BS sogar als "eine allge meine Soziologie, die eben Bildung oder Bildungsprozesse zum zentralen Ge genstand hat" (Becker 2009: 12). Hurrelrnann und Mansei (1997) machen mit iltrer Definition von BS eben falls ein weites Feld auf: 1. Kapitel: Was ist Bildungssoziologie? 11 ,,Bildungssoziologie [erforscht] die ökonomischeo, kulturellen und sozialen Rah menbedingungen des Bildungsprozesses und arbeitet den historisch-gesellschaft lichen Kontext heraus, in dem Prozesse der Bildung ablaufen. ( ... ) Schwerpunkt der bildungssoziologischen Forschung ist einerseits die Anal}"e der Beziehungen von Bildungss}"tem und Gesellschaft und aodererseits der Einflüsse des Bildungssys tems aufBildungsprozesse der Person" (HurrelmannJMaoseI1997: 64). Hier wird deutlich, dass sich die BS mit soziologischen Grundsatzfragen wie der Vergesellschaftung von Individuen und Fragen nach der menschlichen Gestal tung gesellschaftlicher Institutionen befasst. Dies wiederum bestätigt Beckers These, dass sich BS und allgemeine Soziologie nicht voneinander trennen lassen, sondern dass sich beide Soziologien miteinander verknüpfen und jeweils konsti mierend aufeinander einwirken. Besonders deutlich wird dies in der historischen Entwicklung der BS und der Soziologie insgesamt, zu der Durkheim entschei dend beitrug. Ich werde darauf im folgenden Kapitel noch näher eingehen. An dieser Stelle ist es wichtig festzuhalten, dass die BS ein weites Gebiet ist und sich nicht ohne weiteres in eine Reihe mit speziellen Soziologien einordnen lässt. Der Unterschied zwischen Bildungssoziologie und Erziehungswissenschaften Auch wenn der Hinweis auf die Weite und den Umfang der BS als ein spezifi sches Merkmal der BS gesehen werden kanu, so möchte ich nun doch in diesem zweiten Schritt dem Charakteristischen der BS durch Abgrenzung zur Erzie hungswissenschaft, der ihr wohl am nächsten stehendeu Disziplin, nachspüren. Krais (2003) stellt fest, dass die BS institutionell der Erziehungswissenschaft zugeordnet worde, was auch Folgen fiir die Fragestellungen, die durch den nor mativen Diskurs der Pädagogik geprägt waren, und die Problemdefinitionen und Relevanzgesichtspunkte hatte. Als Beispiel dafiir fiihrt sie den sogenannten PISA Schock an, der zur Folge hatte, dass die empirische Bildungsforschung mit dem Ziel ausgebaut worde, die Schulen zu verbessern. Auch Brüsemeister (2008) stellt eine große Nähe zwischen der BS und den Erziehungswissenschaften durch seine Behauptung her, dass die wichtigsten Impulse fiir die BS heute aus der Erziehungswissenschaft kämen. Obwohl ich die Behauptungen der beiden teil weise fiir richtig halte, möchte ich dennoch einen anderen Weg gehen und den Unterschied der BS zur Erziehungswissenschaft verdeutlichen und damit dem Spezifischen der BS näher kommen. Mit anderen Worten: Ich denke, dass es trotz großer Nähe beider Disziplinen auch grundlegende Unterschiede zwischen
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