Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität Florian von Rosenberg · Alexander Geimer (Hrsg.) Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität Herausgeber Florian von Rosenberg Alexander Geimer Lehrstuhl für Allgemeine Fakultät Wirtschafts- und Erziehungswissenschaft Sozialwissenschaften Universität Erfurt Universität Hamburg Erfurt Hamburg Deutschland Deutschland ISBN 978-3-531-18414-2 ISBN 978-3-531-19038-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-19038-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Lektorat: Stefanie Laux, Yvonne Homann Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis Einleitung: Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität . . . . . . . . . . . 1 Alexander Geimer und Florian von Rosenberg Zwischenraum: Kultur „Bildung“ aus kulturwissenschaftlicher Sicht . . . . . . 9 Christiane Thompson und Kerstin Jergus Bildung und konjunktive Transaktionsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Arnd-Michael Nohl Bildung unter den Bedingungen kultureller Pluralität. Zur Darstellung von Bildungsprozessen in Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Hans-Christoph Koller Das Bildungsreformprojekt von Mbouo, Kamerun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Rainer Kokemohr Einer Praxis einen Sinn zu verleihen, heißt sie zu kontextualiseren. Methodologie kulturwissenschaftlicher Bildungsforschung . . . . . . . . . . . . . 87 Susanne Gottuck und Paul Mecheril Weder fremd noch integriert – kulturalisierungskritische Bildung im Kontext von Migration und Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Astrid Messerschmidt Individualitätsperformanz. Bildungsbiographische Anspruchsindividualitäten in sich wandelnden Kontexten . . . . . . . . . . . . . . 125 Jochen Kade und Sigrid Nolda V VI Inhaltsverzeichnis Bildung als Randerscheinung? Zum Umgang mit Wissen in Lebenswelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Juliane Giese und Jürgen Wittpoth Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität. Perspektiven einer praxeologischen Bildungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Florian von Rosenberg Zur Unwahrscheinlichkeit von Bildung: Potenzielle Subjektivierungskrisen vor dem Hintergrund der Relation von Habitus, Identität und diskursiven Subjektfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Alexander Geimer Autorenverzeichnis JProf. Dr. Alexander Geimer Arbeitsbereich Soziologie, insb. Methoden qualita- tiver Sozialforschung, Universität Hamburg. Dr. Juliane Giese Institut für Erziehungswissenschaft Erwachsenenbildung Weiterbildung, Ruhr-Universität Bochum. Dipl. Päd. Susanne Gottuck AG 10 - Migrationspädagogik und Kulturarbeit, Universität Bielefeld. Dr. Kerstein Jergus Institut für Pädagogik, Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberge. Prof. Dr. Jochen Kade Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Goethe Universität Frankfurt a. M. Prof. Dr. Rainer Kokemohr Arbeitsbereich Bildungs- und Transformationsfor- schung, Universität Hamburg. Prof. Dr. Hans-Christoph Koller Arbeitsbereich Bildungs- und Transformations- forschung, Universität Hamburg. Prof. Dr. Astrit Messerschmidt Institut für Erziehungswissenschaft mit Schwer- punkt in außerschulischen Feldern, PH Karlsruhe. Prof. Dr. Arnd-Michael Nohl Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Prof. Dr. Sigrid Nolda Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung & Pädagogik der Kindheit, TU Dortmund. JProf. Dr. Florian von Rosenberg Professur für Allgemeine Erziehungswissen- schaft, Universität Erfurt. VII VIII Autorenverzeichnis Prof. Dr. Christiane Thompson Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt/M. Prof. Dr. Jürgen Wittpoth Institut für Erziehungswissenschaft Erwachsenenbil- dung Weiterbildung, Ruhr-Universität Bochum. Einleitung: Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität Alexander Geimer und Florian von Rosenberg Wenn man davon ausgeht, dass gegenwärtig die „Pluralität kultureller Orientie- rungen (…) als grundlegende Bedingung für die Lebensgeschichten aller Gesell- schaftsmitglieder verstanden werden“ (Wulf 1998; Koller 2002a, S. 97) muss, dann zeigt sich das Thema von Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität nicht als Spezialthema einer Subdisziplin, sondern als ein sozial- und erziehungswissen- schaftliches Schlüsselproblem. Daher rückt dieser Band den Zusammenhang von unterschiedlichen Bildungs- und Kulturbegriffen und deren Rahmungen von Plu- ralität in den Blick. Sucht man zunächst nach den Bedeutungsursprüngen des Kulturbegriffs, stößt man auf frühe und bis heute bestehende Verwendungen wie agriculture welche sich noch auf den eingeschränkten Bereich des Ackerbaus und der Viehzucht beziehen. Im 16. Jhd. ereignet sich ein einschneidender Bedeutungswandel, indem die Idee der Kultivierung von Pflanzen und Tieren auf den Menschen übertragen wird (vgl. Kramer 1997, S. 80 f.). Semantiken von Kultur werden zu Distinktionswerkzeugen, denn nur bestimmten Akteuren oder Akteursgruppen wurde zugestanden als ent- sprechend kultiviert zu gelten (vgl. Moebius 2010, S. 16). Die Einengung des Be- griffs vollzog sich vor allem durch die Begrenzung von Kultur auf die Lebensweise Für die Hilfe bei der Erstellung des Manuskriptes bedanken wir uns bei Jana Starkloff. A. Geimer () Soziologie, insb. Methoden qualitativer Sozialforschung, Universität Hamburg, Allende-Platz 1, 20146 Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected] F. von Rosenberg Allgemeine Erziehungswissenschaft, Universität Erfurt, Nordhäuser Straße 63, 99089 Erfurt, Deutschland E-Mail: [email protected] F. von Rosenberg, A. Geimer (Hrsg.), Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität, 1 DOI 10.1007/978-3-531-19038-9_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 2 A. Geimer und F. von Rosenberg der Mitglieder der sozialen Eliten, die Kunst produzierten und rezipierten. Kultur wird so zu einem „state or process of human perfection“ (Williams 2001[1961], S. 57) und dient der Veredelung des Menschen; entsprechend finden wir noch heu- te die Konnotation von Kulturprogramm als Kunstprogramm in Zeitschriften und Zeitungen, womit Sparten wie Theater, Kino, Museen usw. gefasst sind. Unter ande- rem durch den Rückgriff auf Herder wurden wertende Differenzierungen in einem anthropologischen Kulturbegriff zurückgenommen, der nur im Plural zu denken ist (vgl. Kramer 1997, S. 50). Kultur bezieht sich demnach auf die symbolischen wie materiellen Grundlagen der Lebensweise sozialer Gruppen: „Im weiteren Gefolge Herders verliert der Kulturbegriff seine wertende, universalistische Orientierung und wird historisiert: Kultur ist keine ausgezeichnete Lebensform mehr, sondern die spezifische Lebensform eines Kollektivs in einer historischen Epoche“ (Reck- witz 2008, S. 72). Infolge der Entnormativierung des Kulturbegriffs können alle sozialen Einhei- ten prinzipiell auf ihre Kultur hin analysiert werden und es ist heute etwa die Rede von Alltags-, Schul-, Lern-, Organisations- und Populärkultur(en)“, welche die Perspektive der Sozial-, Kultur- und Erziehungswissenschaften teilweise erheblich transformiert. Kultur ist als grundlegendes System der Repräsentation (vgl. Hall 1996, 2009) so gewendet kein (Sub)System der Gesellschaft (etwa im Sinne von Parsons), in dem motivationale Antriebsstrukturen über Erziehungs- und Soziali- sationsprozesse in Subjekten ausgebildet werden, sondern Kultur ist umfassend und allgegenwärtig; entsprechend fasst Hall unter Kultur sämtliche „systems or codes of meaning“ (Hall 1997, S. 209). Diese Sinnuniversen erlauben uns „to interpret mea- ningfully the actions of others. Taken together they constitute our ‚cultures‘. They help to ensure […] that all social practices express or communicate meaning and, in that sense, are ‚signifying practices‘“ (ebd.). In jüngster Zeit hat insbesondere die Auffassung von Kultur als Praxis (Bourdieu 1979; Taylor 1985; Knorr-Cetina 2002; Schatzki 1996; Reckwitz 2000) eine weite Verbreitung gefunden. Praxistheoreti- sche Ansätze verstehen Kultur als Tun bzw. „Doing Culture“ (Hörning und Reuter 2004), wobei Kontexte und Ressourcen dieses Tuns verschieden gefasst werden; insbesondere hinsichtlich der Kopplung makrosozialer (etwa diskursiver, institu- tioneller, normativer, historischer) Strukturen an mikrosoziale Prozesse der Praxis und lokal-situativen Hervorbringung, Anwendung, Übersetzung oder Enaktierung kultureller und kollektiver Ordnungen. Entsprechend vielfältig sind auch die Posi- tionen in diesem Band, welche Kultur auf unterschiedlichen Ebenen fassen und die unterschiedliche erziehungs- und bildungswissenschaftliche Debatten zum Anlass nehmen, Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität zu denken. Innerhalb eines erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Diskussionszu- sammenhanges, der sich damals – und teilweise heute noch – als „interkulturell“