Bildung als Projekt Florian Krückel Bildung als Projekt Eine Studie im Anschluss an Vilém Flusser Florian Krückel Würzburg, Deutschland Dissertation Universität Würzburg, 2014 ISBN 978-3-658-09719-6 ISBN 978-3-658-09720-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-09720-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliogra(cid:191) e; detaillierte bibliogra(cid:191) sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikrover(cid:191) lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Zu allererst gilt der Dank meiner Freundin, die diese Zeit mit mir durchgestanden hat und mir immer zur Seite stand. Meinen Eltern für ihre Unterstützung, ohne die eine Promotion und das vorausgegangene Studium nicht möglich gewesen wäre. Weiterhin gilt der Dank meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Systematische Bildungswissenschaft, die immer ein offenes Ohr für mich hatten und mir bei den kleinen und großen Problemen zur Seite standen. Den studen- tischen und wissenschaftlichen Hilfskräften, die mir bei den Details halfen. Bedanken möchte ich mich ebenso bei dem Vilém Flusser Archiv in Berlin für die leidenschaftliche Pflege des flusserschen Werks wie auch für die Beant- wortung meiner vielen kleinen und großen Fragen. Meinen beiden Betreuern bin ich zu großem Dank verpflichtet. Professor Andreas Dörpinghaus, der mein Interesse für philosophisch-pädagogische Themen seit dem Studium weckte und durch seine intensive Betreuung das Dissertations- projekt hinterfragte, lenkte und produktiv vorantrieb. Professor Hans-Joachim Petsch, der durch die detaillierten Fragen das Projekt stützte. Inhaltsverzeichnis Danksagung ......................................................................................................... 5 1 Einleitung ....................................................................................................... 9 2 Wissenschaft als Engagement .................................................................... 21 2.1 Essayismus als Projekt .......................................................................... 21 2.2 Technik als Kunst und Kunst als Technik ............................................. 33 2.3 Zerzweifelte Bodenlosigkeit.................................................................. 38 2.4 Phänomenologie als dezentrales Schauen ............................................. 49 2.5 Flussers Anthropologie der Digitalität .................................................. 55 3 Die Kommunikologie – Kommunikation als Freiheit .............................. 63 3.1 Information als Störung des Geordneten ............................................... 69 3.2 Sprache als veränderbare Codestruktur ................................................. 77 3.3 Demokratischer Dialog und programmierender Diskurs ....................... 83 4 Flussers Bildtheorie und deren Bedeutung für eine nachmoderne Gesellschaft ............................................................ 91 4.1 Die Auflösung der Schrift als Voraussetzung für eine nachmoderne Welt des Technobilds .......... 91 4.2 Das klassische Bild als Ausgangspunkt einer Theorie des Technobilds ............................. 102 4.3 Flussers Technobildtheorie und deren Bedeutung für ein postmodernes Ek-sistieren .................... 109 4.4 Fotografieren als kritische Geste der Nachmoderne ............................ 119 5 Die vermasste nachmoderne Gesellschaft ............................................... 127 5.1 Die nachmoderne Gesellschaft als totalitärer (Möglichkeits-)Raum ... 133 5.2 Der totalitäre Privatraum ..................................................................... 141 5.3 Werkzeuge, Maschinen und Apparate als Konstitutionsbedingungen der nachmodernen Subjekte ................ 146 5.4 Der Mensch als stereotyper Konsument der Redundanz ..................... 156 5.5 Programmierte Funktionäre ................................................................. 166 8 Inhaltsverzeichnis 6 Telematische Gesellschaft – Utopie oder Möglichkeitsraum? ............... 175 6.1 Die telematische Gesellschaft als eine vernetzte Gesellschaft dialogischer Spieler ............................ 187 6.2 Die telematische Gesellschaft als dialogische Gesellschaft der Künstler ............................................ 193 6.3 Eine telematische Anthropologie des Projizierens .............................. 197 6.4 Die Bedeutung der Kritik für die Konstitution einer telematischen Gesellschaft ......................... 204 7 Die telematische scholé als Ort der Muße ............................................... 213 7.1 „Schule oder scholé?“ ......................................................................... 217 7.2 Bildung in einer telematischen Gesellschaft ....................................... 225 8 Schluss ........................................................................................................ 233 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 239 1 Einleitung Vilém Flusser in einen pädagogischen oder bildungswissenschaftlichen Kontext aufzunehmen kann trotz seiner Bedeutung für den kommunikationstheoretischen und medialen Diskurs noch als ein Vorhaben angesehen werden, das nicht als selbstverständlich erachtet wird. Die wenigen Arbeiten1, die dem pädagogischen Diskurs zugeordnet werden können, legen den Fokus nicht auf bildungstheore- tische Fragestellungen und vernachlässigen so zugleich Kategorien die für die Bildungswissenschaft bedeutende Möglichkeiten der Anknüpfung an bildungs- theoretische Diskurse und Problemstellungen erlauben. Die vorgelegte Unter- suchung orientiert sich an der These Ströhls, der bestrebt ist, Flusser nicht in den Kreis der Medienwissenschaftler2 einzuordnen, sondern als Phänomenologen des Medialen zu verstehen.3 In Ergänzung zu Ströhl wird dabei die Bedeutung des Codes als Grundlage einer telematischen Gesellschaft herausgearbeitet, also Flusser gewissermaßen als ein Phänomenologe des Codes verstanden. Damit ge- rät zugleich die Fragestellung nach einer veränderten Lebenswelt, bedingt durch die neuen Codestrukturen, wie auch den auf diesen basierenden Apparaten in den Blick. Somit gilt es, Flusser weitgehend von der Einordnung als Medientheore- tiker zu befreien, um die Bedeutung des Codes für sein Werk in den Blick zu bekommen. Durch die Fokussierung des Codes liegt der Schwerpunkt der Unter- suchung auf der von Flusser herausgearbeiteten Auflösung der Schrift und der damit verknüpften Frage, wie sich in einem veränderten Code – dem Technocode – die Frage nach dem kritischen Bezug auf die Lebenswelt erneuert stellt. Flussers Konzeption ist geprägt durch kommunikationstheoretische Überlegungen anthro- pologischer Art. Daher wird sein Werk in der vorgelegten Untersuchung vor allem unter einem anthropologischen Blickwinkel betrachtet. Erst vor diesem Hinter- grund ist die Ausrichtung des flusserschen Theoriekomplexes in einem angemes- senen Umfang zu erkennen. Sein Werk besteht aus theoretischen Versatzstücken, 1 Vgl. hierzu Bröckling, G. 2012; Bröckling, G. 2013a; Bröckling, G. 2013b; Goetz, R. 2001; Ströhl, A. 2009; Grabowski, S./ Krauß, M. 2005 2 Zu Gunsten der einfacheren Lesbarkeit wird sowohl für die männliche wie die weibliche Form die männliche Form verwendet. 3 Vgl. Ströhl, A. 2009, S. 8 F. Krückel, Bildung als Projekt, DOI 10.1007/978-3-658-09720-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 10 1 Einleitung welche die Frage nach dem Medialen zwar nicht vernachlässigen, den Fokus allerdings auf den Code als Grundlage der menschlichen Kommunikation richten und auf dieser Grundlage anthropologische und in der Folge gesellschaftlich- kulturelle Veränderungen beleuchten. „Falsch im eigentlichen Sinn ist diese Einordnung [Flusser als Medientheoretiker] ja keineswegs; unzutreffend wird sie allein durch eine dabei implizierte Verengung Flusserschen Denkens im Sinne einer Medientheorie, die doch nur die Art und Weise der Äußerung eines philosophischen Denkens war.“4 Der flussersche Medienbegriff ist sehr breit angelegt und stellt entgegen der häu- figen Einordnung5 eben nur einen Teil seines Arbeitens dar. Die Untersuchung verfolgt daher das Ziel, gerade die anthropologischen Komponenten des flusser- schen Werks unter Berücksichtigung der codestrukturellen Veränderung hin zur Nachmoderne6 zu stärken. Dabei steht die Annäherung der wissenschaftlichen Ausführungen Flussers an einen bildungswissenschaftlichen Diskurs der Nach- moderne im Vordergrund. Die vorgelegte Arbeit behandelt letztlich die Problem- stellung, wie Bildung in einer Gesellschaft des digitalen Codes noch möglich ist. Verfolgt wird die Annahme, Bildung als einen Begriff zu fassen, der Ordnungen überschreitet und einen reflexiven Bezug des Menschen als Projekt auf Welt etabliert. Die Untersuchung kann in dieser Ausprägung als bildungstheoretische Grundlage des Entwurfs einer telematischen Gesellschaft gesehen werden. Damit verbunden ist die Fragestellung, wie der Mensch in einer Welt der Postmedia- lität7, unter der Voraussetzung der Auflösung des linearen Codes, noch Subjekt sein kann, das heißt, wie er sich kritisch und zweifelnd zu seiner Lebenswelt in Beziehung setzt. Flusser liefert einen Theoriekomplex, der in besonderem Maße darstellt, wie wenig sich der einzelne Mensch noch kritisch auf eine digitalisierte Lebenswelt der Nachmoderne beziehen kann. Vielmehr zeigt er Momente auf, die den Menschen in einer digitalen Unmündigkeit halten. Im Zuge dessen verliert das Subjekt seine aktive, absichtsvolle Stellung zur Lebenswelt und wird zum Gegenstand der Vermassung und der Stereotypisierung. Es wird digital, als stereotypes Objekt der Diskurse programmiert. Mit Flusser lässt sich genealogisch auf die Veränderungen von Codeformen blicken. Unter einer historischen Perspektive zeigt er auf, wie die Menschen ihre aktive Stellung zum Code aufgeben, indem sie eine Veränderung des Codes hin 4 Ströhl, A. 2013, S. 43 5 Vgl. hierzu Lagaay, A./ Lauer, D. 2004; Mersch, D. 2006; Kloock, D./ Spahr, A. 42012 6 Der Begriff der Nachmoderne wird von Vilém Flusser übernommen und steht für das Zeitalter nach der Moderne. 7 Vgl. hierzu Selke, S./ Dittler, U. 2009; Selke, S. 2010 1 Einleitung 11 zum Digitalen nicht reflektieren. Aufbauend auf selbiger Analyse entsteht im flusserschen Werk ein utopischer Denkraum, der Ansatzpunkte bietet, den kriti- schen Bezug auf die Lebenswelt und anschließend daran auf Bildung in einer Welt des digitalen Codes und der Auflösung des Menschen als Subjekt zu überdenken. Im Zuge dessen ist mit Flusser der Bildungsbegriff auf der Grundlage des Men- schen als Projekt neu zu konturieren. „Der im nachdenklichen Lesen entstehende Denkraum vermag möglicherweise auch den Spiel- raum herzustellen, in dem die menschlichen Beziehungen zu den unterschiedlichen Apparaturen und Medien reflektiert und modellhaft und experimentell entworfen werden.“8 Aus einer bildungswissenschaftlichen Perspektive kann sein Ansatz eine Mög- lichkeit darstellen, von einem veränderten Standpunkt auf die Entwicklungen der Gesellschaft der Nachmoderne zu blicken, der zugleich die Frage nach dem Mo- dell von Subjektivität in einer Gesellschaft des digitalen Codes umfasst. Im Kon- text dessen kann Flussers Bedeutung für den bildungswissenschaftlichen Diskurs trotz der kaum stattfindenden Rezeption als außerordentlich relevant eingeschätzt werden. Ausgehend von der Auflösung eines starken Subjekts9 der Moderne stellt sich in der Nachmoderne die Frage, wie in einer digitalen Lebenswelt Bildung verstanden werden kann. Flusser löst die Nomenklatur der Moderne auf und dis- kutiert eine neue Form der in Gruppen vernetzten Gesellschaft. Damit verknüpft ist die Etablierung eines Modells von Menschen als Projekt, das sich von einer Subjekt-Objekt-Trennung radikal löst. In der philosophischen Diskussion10 digitaler Gesellschaften zeigt sich, dass die Fragen rund um den Bereich der Medien als zentrale Konstitutionsbedingung von Gesellschaft verzögert Einzug in den Diskurs halten. Besonders einer Prob- lematisierung der Veränderungen, die mit der Digitalisierung eintreten und die häufig mit dem eher unpräzisen Begriff der „neuen Medien“ bezeichnet werden, gilt es verstärkt als zentrale anthropologische Komponente Aufmerksamkeit zu widmen. Ansätze hierfür ergeben sich im Rahmen der sich im letzten Jahrzehnt vollziehenden medienkritischen Wende im philosophischen Kontext. Mit dieser verlieren Medien ihre Neutralität sowie ihre Transparenz und werden in philoso- 8 Zepf, I. 2001, S. 154 9 Vgl. hierzu Meyer-Drawe, K./ Fischer, M. 1990 10 Für einen derartigen bildungswissenschaftlichen Zugang nehmen in gesondertem Maße der pädagogische, aber auch der philosophische Diskurs eine zentrale Rolle ein. Dabei steht das Medium unter dem Blickwinkel des Einflusses auf Kommunikationsstrukturen im Mittelpunkt. Beiden Bereichen gilt es in einer bildungswissenschaftlichen Untersuchung Aufmerksamkeit zu widmen, um daran zeigen zu können, welche veränderten Fragestellungen Flusser zu einer digitalisierten Gesellschaft beitragen kann.